Bragg-Gleichung
Trifft Röntgenstrahlung auf einen Kristall, so wird dieser von einem Großteil der Strahlung ungehindert durchdrungen. Allerdings wird auch beobachtet, dass Strahlungsanteile durch den Kristall zum Teil erheblich abgelenkt werden, ein Phänomen, das man als Röntgenbeugung bezeichnet. Montiert man hinter dem Kristall eine Fotoplatte, um die abgelenkten Strahlungsanteile sichtbar zu machen, erhält man darauf charakteristische Muster.
Ursache hierfür ist nach einer klassischen Vorstellung die Reflexion von Röntgenstrahlung an Schichten innerhalb des Kristalls, die sich wie halbdurchlässige Spiegel verhalten, sogenannten Netz- oder Gitterebenen.
Eine Reflexion kann nur dann beobachtet werden, wenn die Bragg-Gleichung erfüllt ist:
Durch die Bragg-Gleichung werden miteinander verknüpft:
- der Abstand d zwischen parallelen Gitterebenen,
- die Wellenlänge der Röntgenstrahlung sowie
- der Winkel zwischen Röntgenstrahl und Gitterebene, sogenannter Glanz- oder Braggwinkel
- n ist eine ganze Zahl
Die Bragg-Gleichung ergibt sich aus der Forderung nach konstruktiver Interferenz (siehe Herleitung weiter unten). Sie wurde von William Henry Bragg und seinem Sohn William Lawrence Bragg gemeinsam entdeckt.
Jede Schar paralleler Gitterebenen hat einen charakteristischen Gitterebenenabstand d und damit, so die Bragg-Gleichung, auch einen charakteristischen Braggwinkel . Eine Reflexion (kurz: ein Reflex) kann nur dann beobachtet werden, wenn eine Schar paralleler Gitterebenen so orientiert ist, dass der Röntgenstrahl genau unter dem Braggwinkel einfällt.
Für verschiedene Winkel, unter denen Röntgenstrahlung auf den Kristall trifft, erhält man auf der Fotoplatte hinter dem Kristall fast immer auch verschiedene Bilder, weil sich immer andere Scharen paralleler Gitterebenen (mit anderen Braggwinkeln und mit anderen Orientierungen im Kristall) in Reflexionsstellung zum einfallenden Röntgenstrahl befinden.
Herleitung
Die blauen Linien entsprechen Wellenzügen monochromatischer Röntgenstrahlung, die auf parallele Gitterebenen treffen und dabei mit dem Lot den Winkel einschließen. Der Komplementärwinkel heißt Braggwinkel oder Glanzwinkel. d ist der Gitterebenenabstand, die schwarzen Punkte symbolisieren reziproke Gitterpunkte.
Der untere Wellenzug legt offensichtlich einen längeren Weg zurück als der obere Wellenzug. Dennoch darf sich durch die Reflexion die Phasenbeziehung zwischen unterem und oberem Wellenzug nicht ändern, andernfalls kommt es nicht zu ausschließlich konstruktiver Interferenz.
1. Die Phasenbeziehung bleibt unverändert und es tritt konstruktive Interferenz auf, wenn die dunkelblau gekennzeichnete Wegdifferenz zwischen oberem und unterem Wellenzug (der Gangunterschied ) einem ganzzahligen Vielfachen der Wellenlänge entspricht:
wobei n auch als Beugungsordnung bezeichnet wird.
2. Rote, grüne und dunkelblaue Linie bilden zusammen ein rechtwinkliges Dreieck mit der Hypotenuse d. Die Sinusdefinition verhilft zu folgendem Ausdruck:
Wichtig für das Verständnis ist, dass es sich bei den roten Linien nicht um Verlängerungen der oberen hellblauen Linien handelt, sondern um die Senkrechten der unteren.
3. Setzt man den zweiten Ausdruck in die erste Gleichung ein, erhält man sofort die Bragg-Gleichung:
Bedeutung
- Röntgenbeugungsexperimente an Kristallen bieten die Möglichkeit, Einblicke in die innere Struktur von Kristallen zu erlangen (vgl. Kristallstrukturanalyse).
- Gleicherweise ist die Braggreflexion für die Neutronenbeugung bedeutend. Moderierte Neutronen haben vergleichbare Wellenlämgen wie Röntgenstrahlen, so daß das gleiche Phänomen am Kristallgitter auftritt.
- Beugungsbilder von Elektronenstrahlen können in Elektronenmikroskopen hergestellt und beobachtet werden. Auch diese werden grundlegend durch das Braggesetz beschrieben.
- Bragg-Reflexionen treten bei sog. Weißlichthologrammen auf. Dort sind sie dafür verantwortlich, dass das Bild des Hologrammes beim Kippen seine Farbe ändert.
Literatur
- Anthony R. West (2000): Grundlagen der Festkörperchemie. Wiley-VCH, Weinheim. ISBN 3527281037
- Dieter Meschede (2004): Gerthsen Physik. 22. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg. ISBN 3540026223
- Rudolf Allmann (1994): Röntgen-Pulver-Diffraktometrie, Verlag Sven von Loga, Köln. ISBN 3-87361-029-9