Pfingstbewegung

christlich freikirchliche Strömungen des 20. Jhs.
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Die Pfingstbewegung oder Pentecostalismus ist eine Strömung im Christentum, welche insbesondere das Wirken des Heiligen Geistes betont. Sie ist im Hinblick auf das Wachstum die weltweit erfolgreichste Strömung des Christentums im 20. Jahrhundert.

Dem Pentecostalismus verwandte Glaubensrichtungen existierten bereits im Europa und Amerika des 18. Jahrhunderts, etwa in Form der verschiedenen Erweckungsbewegungen oder der Inspirationsgemeinden. Das heutige Pfingstchristentum entstand Anfang des 20. Jahrhunderts und umfasst je nach Zählweise weltweit 200 bis 600 Millionen Menschen, in Deutschland ca. 300.000 Mitglieder, die sich auf die verschiedenen Pfingstkirchen, charismatischen Erneuerungsbewegungen und etwa 300 freie Gemeinden verteilen.

Tochterbewegungen der Pfingstbewegung sind die Charismatische Bewegung, die Wort-des-Glaubens-Bewegung, die Vineyard-Kirchen und die Neocharismatische Bewegung.

Lehre

Die Pfingstbewegung gehört zum Christentum und hat keine einheitliche Lehre, es gibt aber Wesenszüge, die sie von anderen christlichen Gruppen unterscheidet.

Die Pfingstbewegung sieht eine Kirche nur dann in der Nähe der neutestamentlichen Gemeinde, wenn sie dem Wirken des Heiligen Geistes, insbesondere den Geistesgaben wie Zungenrede, Prophetie und Heilungen, Raum gibt. Die neutestamentlichen Berichte über Geisteswirkungen sind auch heute Vorbild für das Gemeindeleben. Die Mehrzahl der Pfingstkirchen folgt der traditionellen Trinitätslehre; Pfingstkirchen der Oneness-Theologe sind dagegen nicht trinitarisch.

Die Taufe findet als Glaubenstaufe statt. Eine Taufe unmündiger Kinder wird in der Regel abgelehnt. Das Abendmahl wird als Gedächtnismahl verstanden. Manche Gemeinden praktizieren neben Taufe und Abendmahl auch die Fußwaschung.

Der Heilsweg umfasst mehrere entscheidende Erlebnisse, die Bekehrung und die Geistestaufe, die oft von Zungenreden begleitet wird. Nach Auffassung mancher Pfingstkreise ist die Heiligung für den Empfang der Geistesgaben Voraussetzung.

Im Verhältnis zur Naturwissenschaft werden grundsätzlich biblische Texte als mindestens gleichberechtigte Quelle herangezogen. Wissenschaftliche Erkenntnis wird nur dann anerkannt, wenn sie sich mit dem vereinbaren lässt, was als biblisches Zeugnis angesehen wird. In vielen Gruppen wird daher die Evolutionstheorie abgelehnt und ein kreationistischer Standpunkt eingenommen.

Ethik

Die Ethik der Pfingstgemeinden gründet sich in ihrem Bibelverständnis und ist gemäßigt. Praktizierte Homosexualität (nicht aber die sexuelle Orientierung), außerehelicher Geschlechtsverkehr und Abtreibung werden überwiegend abgelehnt. Im Verhältnis von Gesinnungs- und Verantwortungsethik liegt der Akzent allgemein auf der individuellen (Glaubens-)Praxis, die sich nicht vor der Gesellschaft, sondern vor Gott zu verantworten habe. Im Unterschied zu rechtskonservativen evangelikalen Gruppierungen, die vor allem in den USA und Westeuropa anzutreffen sind und eine jenseitsorientierte Ethik predigen, finden sich in der Pfingstbewegung Afrikas und Lateinamerikas auch Konzepte, die nicht nur die Veränderung ungerechter politischer Strukturen als notwendig ansehen, sondern durchaus auch in materiellen Hinsichten sehr diesseitige Positionen vertreten. Wichtigstes Beispiel hierfür ist das in afrikanischen Pfingstgemeinden sehr präsente "gospel of prosperity" (auch "faith gospel"), das individuellen ökonomischen Erfolg in einen unmittelbaren kausalen Zusammenhang zur religiösen Lebensführung stellt.

Praxis

Gottesdienst

Gottesdienste in Pfingstgemeinden sind oft lebhaft, es wird viel und begeistert gesungen, in die Hände geklatscht, teilweise bewegt man sich zur Musik. Die Musik spielt eine große Rolle, moderne Instrumente wie Keyboard oder Schlagzeug werden der Orgel vorgezogen, auch die Lieder sind im allgemeinen modern und rhythmisch und kommen oft aus dem englischen Sprachraum. Eine Gottesdienstdauer von mindestens 1,5 Stunden ist die Regel.

Ein wichtiger Teil des Gottesdienstes wird als Lobpreis und Anbetung bezeichnet: Singen von Anbetungsliedern im Wechsel mit frei formulierten Gebeten. Auffällig für Außenstehende ist dabei die Gebetshaltung, bei der Arme und Hände erhoben werden. Glossolalie und prophetische Rede kennzeichnen ebenfalls die Gottesdienste vieler Pfingstkirchen. Eine formale Liturgie wird abgelehnt. Sie könnte - so überzeugte Pfingstler - das Wirken des Heiligen Geistes blockieren.

Die gottesdienstlichen Predigten werden engagiert und meist in freier Rede vorgetragen. Hin und wieder wird aus den Predigten heraus die Hörergemeinde gebeten durch ein lautes Amen! oder Halleluja! ihre Zustimmung zu geben bzw. die gemachten Predigtaussagen zu unterstreichen. Am Schluss der Predigt wird nicht selten zu persönlichen Reaktionen aufgefordert. Menschen, die sich bekehren wollen oder Heilung wünschen, werden gebeten, nach vorne zu kommen. Hier wird dann - oft während des Gottesdienstes - persönliche Fürbitte, Segnung und Seelsorge angeboten.

Gemeindeleben

Hauskreise spielen in Pfingstgemeinden eine große Rolle, dabei wird in wöchentlichen Treffen in einer kleinen, verbindlichen Gruppe gemeinsam gesungen, gebetet und die Bibel studiert.

Missionarisch-diakonisches Engagement

Pfingstgemeinden sind gewöhnlich missionarisch orientiert, was auch den starken Zuwachs dieser Bewegung mitbegründet. Es existieren außerdem eine ganze Reihe diakonischer Werke und Einrichtungen, die der Pfingstbewegung angehören bzw. dort ihre Wurzeln haben. Dazu gehören Kindergärten, Seniorenwohnheime, Kliniken, Einrichtungen der Behindertenfürsorge sowie therapeutisch betreute Wohngemeinschaften für psychisch Kranke und Drogenabhängige.

Diakonische Einrichtungen in Auswahl, die mit der Pfingstbewegung verbunden sind:

Politisches Engagement

Auch politisch treten die Pfingstler in Erscheinung, zum Beispiel als Interessenvertreter benachteiligter Bevölkerungsgruppen wie in den USA, Chile oder auch in Brasilien. Der Pastor und Menschenrechtler Frank Chikane ist ein Kirchenführer in Südafrika. Als Nachfolger des Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu im südafrikanischen Kirchenrat wurde er mehrere Male verhaftet und gefoltert. Heute ist er südafrikanischer Beamter. In Südafrika gehören achtzig Prozent der schwarzen Christen zu den neuen Kirchen der Pfingstbewegung.

Andererseits befinden sich im Spektrum der Pfingstbewegung auch fundamentalistische Gruppen, manchmal geführt von autoritären Leitern, die ebenso wie einige Prediger ihren Anhängern Gesundheit und Reichtum versprechen.

Die Frauenordination ist in den Pfingstgemeinden erlaubt. Die Stellung der Frau ist hingegen in den einzelnen Gemeinden sehr unterschiedlich - es gibt Pfingstgemeinden, die von Frauen geleitet werden, aber auch Gemeinden, in denen Frauen keine Leitungsaufgaben übernehmen.

Organisation

Pfingstgemeinden sind in der Regel kongregationalistisch organisiert, ihr Verständnis des Heiligen Geistes steht in einer grundsätzlichen Spannung zu festen Strukturen. Sie bezeichnen sich eher als Gemeinde denn als Kirche. Die einzelne Gemeinde wird gewöhnlich von Ältesten und Predigern geleitet.

In Deutschland entstanden die ersten Pfingstgemeinden in den Jahren 1906 bis 1908. Ein großer Teil der geistlichen Leitungspersönlichkeiten der deutschen Gemeinschaftsbewegung distanzierte sich durch die Berliner Erklärung im Jahre 1909 von den Erkenntnissen und Erfahrungen über das Wirken des Heiligen Geistes in einem Teil ihrer Gemeinden. Durch diese Ausgrenzung rückten die betroffenen Brüder und Gemeinden näher zusammen und bildeten den Christlichen Gemeinschaftsverband Mülheim/Ruhr (heute: Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden).

Einen Dachverband von Pfingstgemeinden bildet das Forum Freikirchlicher Pfingstgemeinden (FFP). Der Mülheimer Verband gehört dem FFP nicht mehr an.


Geschichte

Charles Fox Parham gilt als Vater der weißen Pfingstbewegung; ihr Ursprung liegt in Topeka im Jahr 1901. Für eine schwarze Pfingstbewegung lässt sich das Jahr 1906 als Ausgangspunkt feststellen; wesentlich war hier William J. Seymour in Los Angeles. Gemeinsame Wurzel waren die Heiligungs- und Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts. Die in mancherlei Hinsicht der Pfingstbewegung nahe stehende Gemeinschaftsbewegung hat 1909 in ihrer Berliner Erklärung der Pfingstbewegung vorgeworfen, dämonischen Ursprungs zu sein ("Geist von unten"). In der Folge entwickelte sich die Bewegung zunächst in unabhängigen Gemeinden, später auch in allen (West-)Kirchen.

Viele Gemeinden der Pfingstbewegungen sind dem Ökumenischen Rat der Kirchen gegenüber aufgeschlossen.

Evangelikale Christen aus anderen Gemeinden, besonders wenn sie ein Bekehrungserlebnis aufweisen können, werden ungeachtet ihrer Konfession als christliche Geschwister betrachtet, andererseits stehen die Pfingstgemeinden sowohl einer liberalen (wie z.B. in den Landeskirchen) Ausprägung offen und einer traditionellen Ausprägung (wie z.B. in der orthodoxen Kirche) des Christentums eher skeptisch gegenüber. Nichtchristliche Religionen werden als Irrweg angesehen, da Heil und Vergebung nur durch Jesus Christus vermittelt werden könnten.

Siehe auch

Literatur