Gewerkschaft
Gewerkschaften sind (1) Interessenvertretungen von Arbeitnehmern, die sich zur Wahrung ihrer gemeinsamen Arbeitnehmerinteressen freiwillig und auf Dauer zusammengeschlossen haben, (2) als bergrechtliche Gewerkschaften eine altertümliche Form einer privatrechtlichen Kapitalgesellschaft.
Gewerkschaften als Arbeitnehmervertretungen
Gewerkschaften sollen in Deutschland unabhängig von politischen Parteien, Kirchen, Staat und Arbeitgebern sein, und bereit und fähig, die Interessen ihrer Mitglieder nicht nur mit Kampfmaßnahmen zu verfolgen. (Nominell selbständige, in der Tat von Arbeitgebern abhängige oder gegründete (meist Betriebs-)Gewerkschaften werden abschätzig als Gelbe Gewerkschaften bezeichnet.)
Sie brauchen, wie das Bundesverfassungsgericht zu Gunsten eines den Streik ablehnenden Hausgehilfiinnenverbandes festgestellt hat, nicht streikfähig zu sein. Sie sollen allerdings - so das Bundesarbeitsgericht - mächtig genug sein, um in Tarifverhandlungen auf den "Tarifpartner" einen Verhandlungsdruck ausüben zu können. Hierfür unterliegen Gewerkschaften dem Schutz des Grundgesetzes. Sie haben das Recht, ohne Einflussnahme des Staates Tarifverträge mit den Arbeitgeberverbänden zu schließen. Dies nennt man Tarifautonomie. Tarifautonomie gehört zur Koalitionsfreiheit und ist in Deutschland durch das Grundgesetz, Artikel 9 Absatz 3 geschützt.
Schließlich beraten Gewerkschaften ihre Mitglieder in allen Fragen, die mit ihrer Arbeit und ihrer Sozialversicherung zusammenhängen und unterstützen sie bei Arbeits- und Sozialgerichtsprozessen. Außerdem vertreten sie wie alle Verbände die Interessen ihrer Mitglieder in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen.
Auch in Betriebsräten sind Gewerkschaften fast immer präsent.
Geschichte
Gewerkschaften haben sich Mitte des 19. Jahrhunderts, in Reaktion auf die von den Arbeitern als Ausbeutung empfundene Entlohnung während der Industriellen Revolution entwickelt. Sie entstanden in einer Zeit, in der die Arbeiterschaft aufgrund der Landflucht in den rapide wachsenden Städten zunächst um ihr Existenzminimum ringen musste und die Unternehmer oft auch noch feudalistische Privelegien besaßen. Es ging zunächst nicht darum, die Unterlegenheit der Arbeitnehmer beim Aushandeln von Arbeitsbedingungen auszugleichen, sondern man musste Gewerkschaften seit je her als Arbeiter-Kartell verstehen, welches lediglich daran interssiert war, die jeweilige Lage ihrer Mitglieder zu verbessern. Dazu schlossen sie sich zusammen und führten Arbeitskämpfe gegen die Unternehmer. Bevorzugtes Mittel des Arbeitskampfes war und ist der Streik. Über das Ziel eines reinen Ausgleiches der Bedingungen wurde aus politischen Gründen etliche Male hinausgeschossen, genauso wie es Gang und Gebe war, Gewerkschaften bzw. deren Vorformen zeitweise immer wieder zu verbieten oder gesetzlich zu behindern. Heute sind in Deutschland Gewerkschaften ihrerseits als Interessengruppe gesetztlich priveligiert.
Zwischen 1933 und 1945 versuchten Teile der Gewerkschaften zunächst, sich mir der neuen Führung zu arrangieren, um ihr Überleben zu sichern, wurden jedoch dann von den Nationalsozialisten zerschlagen. Erst nach dem Sieg der alliierten Mächte über Deutschland wurde unter der Besatzungsmacht ein Wiederaufbau der Gewerkschaften vorangetrieben.
Mittlerweile sind die deutschen Gewerkschaften zu sehr großen Vereinen herangewachsen, deren Aufgabe in erster Linie die Vertretung der in ihnen zusammengeschlossenen Mitglieder bei Tarifverhandlungen ist. In den letzten Jahren müssen die Gewerkschaften mit hohen Mitgliederverlusten leben.
Rechtsstatus
Manche Gewerkschaften haben den Rechtsstatus eines eingetragenen Vereins und sind deshalb juristische Personen des Privatrechts. Sofern sie keine eingetragenen Vereine sind, werden sie aber dennoch als "rechtsfähige" Personenvereinigung behandelt, was eine rechtliche Besonderheit ist. Sie ähneln darin besonders den deutschen Parteien.
Es gibt auch Gewerkschaften, deren Status umstritten ist. So hat die IG Metall ein "Beschlussverfahren" gegen die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) eingeleitet mit dem Antrag, das Arbeitsgericht solle beschließen, dass die CGM keine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne sei. Die IG Metall verweist darin u.a. auf das Mächtigkeitsprinzip (Mächtigkeitsprinzip bedeutet, dass eine Gewerkschaft in der Lage sein muss, die Interessen ihrer Mitglieder mit Arbeitskampfmitteln - z. B. Streik - durchzusetzen) und spricht der CGM die Gewerkschaftseigenschaft ab. Die CGM wiederum wirft der IG Metall vor, lediglich eine lästige Konkurrenz beseitigen zu wollen (siehe auch die Diskussionsseite)
Finanzierung
Gewerkschaften finanzieren sich insbesondere über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Die Erstattungen gewerkschaftlicher Mitglieder in Aufsichtsräten werden in die gewerkschaftseigene Hans-Böckler-Stiftung eingebracht.
Kritik
Kritiker gehen davon aus, dass es nicht im Interesse einer Gewerkschaft liegt, Arbeitslose zu vertreten, da Mitglieder von Gewerkschaften, und damit Beitragszahler, in aller Regel keine dieses Modell in vielen kleinen Betrieben unter der Hand umgangen und Siemens(Juni 2004) war das erste Großunternehmen, dass mit Zustimmung der Gewerkschaften wieder die 40-Stunden Woche Arbeitslosen sind. Eine Interessengruppe vertritt insbesondere denjenigen, der für ihre Finanzierung sorgt. Vielmehr haben Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob dies volkswirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht, ein Interesse an Lohnerhöhungen, sicheren Arbeitsplätzen und geringer Arbeitszeit, während Kritiker davon ausgehen, dass nur geringe Lohnkosten, flexible Arbeitsplatzmodelle und Arbeitszeitmodelle die Konkurrenzfähigkeit mit anderen Industrienationen aufrechterhalten kann und damit neue Stellen schaffen kann.
In verschiedenen Modellen der Makroökonomie wurde ein positiver Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und dem Einfluss der Gewerkschaften konstruiert. Gemäß diesen Annahmen steigt die Arbeitslosigkeit mit dem Einfluss der Gewerkschaften.
Ökonomen fordern ein flexibles Arbeitszeitmodell, Gewerkschaften stehen jedoch häufig für starre Regelungen ein. Kritiker werfen ihnen dadurch vor, den heimischen Standort zu schwächen.
Ziele
In den letzten Jahren nahm der Druck auf die Gewerkschaften zu. Trotz eines teilweise erheblich geringeren Lohn- und Abgabenniveaus gelang es Staaten in Mittel- und Osteuropa sowie in Asien, ein hohes Bildungs-, Produktivitäts- und Infrastrukturniveau aufzubauen. Die Folge war zum Teil die Abwanderung von Arbeitsplätzen aus Westeuropa. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit und der immer schlechter werdenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit, halten die Gewerkschaften an Lohnforderungen fest, die mindestens die Inflation ausgleichen, aber auch teilweise höher sind als das das wirtschaftliche Wachstum( Deutsche Post). Dafür waren Gewerkschaften in den letzten Jahren fallweise auch zu Streiks bereit. Streiks werden von vielen als abschreckender Standortnachteil empfunden, aber im internationalen Vergleich hat Deutschland die wenigsten Streiktage. Die meisten Gewerkschaften halten Strategien von Lohnsenkung, um gegen Maschinen zu konkurrieren oder um arbeitsintensive Produktionen zu halten, langfristig für verfehlt, wenn es auch in betrieblichen Auseinandersetzungen zu entsprechenden Abmachungen kommt.
Gewerkschaften zielen bei ihren Aktivitäten auf die Schaffung neuer Nachfrage, die die Binnenkonjunktur anregen soll. Wirtschaftsexperten kritisieren jedoch, dass dabei der doppelte Nachfrageeffekt von den Gewerkschaften keine Berücksichtigung findet. Nachfrage entsteht auch dann, wenn man es Unternehmen erleichtert, Investitionen zu tätigen. Gemeint ist also die Nachfrage der Unternehmen. Dadurch werden letztlich neue Rohstoffe benötigt und zu deren Herstellung neue Arbeitsplätze geschaffen.
Wie andere gesellschaftliche Großorganisation auch leiden die Gewerkschaften insbesondere seit den 1990er Jahren an Mitgliederschwund. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Häufig genannte sind:
- Unzufriedenheit mit der Politik der Gewerkschaftsführung
- gesellschaftliche Tendenzen zur Individualisierung
- Hohe Arbeitslosigkeit
- mangelnde Erfolge der Gewerkschaften im Kampf um Löhne und gegen Arbeitslosigkeit
- Auflösung von Großbetrieben und Verlust übergreifender gemeinsamer Arbeitserfahrung und Interessen
Siehe auch
- Liste mit Gewerkschaften
- Tarifvertragsrecht
- Arbeitsrecht
- Lohn
- Arbeitsmarkt
- Betriebsrat
- Syndikat
- Sozialabbau
Aktuelle Artikel / Diskussion
- Neue Sitten in den Tarifverhandlungen - Zum aktuellen Stand zwischen Unternehmern und Gewerkschaften (GegenStandpunkt - Politische Vierteljahreszeitschrift, 1-2004)
- Detlev Hensche - Wozu noch Gewerkschaften?
- Arbeit ? Emanzipation ? passive Revolution. Metamorphosen der Arbeitspolitik und die Zukunft der Gewerkschaften
- Alles "Flexi" ? auch der Streik? Die Arbeitskampfstrategie der IG Metall in der Tarifrunde 2002
- Mehr Arbeit für weniger Geld Veränderung der Erwartungshaltungen in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie
- Horst Schmitthenner (IGM) - Machtkampf der Unternehmer Ende des Arbeitskampfs Ost (2003): Es geht um mehr als drei Stunden weniger
- Joachim Bischoff - Worüber streitet die IG Metall? Personelle Machtansprüche oder gewerkschaftliche Strategie zum Führungsstreit Peters-Huber 2003
- Henker überflüssig - Der Flächentarifvertrag wird ausgehebelt - auch ohne Gesetz
- Standpunkte des Arbeitslosenverband Deutschland e. V. 2003
- Der ÖGB: Die österreichische Staatsgewerkschaft wehrt sich gegen ihre Entmachtung - Werdegang und Krise einer nationalen Arbeitervertretung
- Bilanz der ÖGB-Urabstimmung - Anpassung eines notorischen "Sozialpartners" an die neuen Vorgaben der anderen Seite
Weblinks
- Der DGB - Gewerkschaft perfekt - Analyse und Kritik der Politik des Deutschen Gewerkschaftsbundes (Online-Artikel)
Bergrechtliche Gewerkschaften
Eine Gewerkschaft im bergrechtlichen Sinne ist die Gesamtheit der Kuxeigentümer (Gewerken) eines Bergwerks. Entscheidungen, die alle Mitgewerken betrafen, konnte nicht ein Gewerke oder Lehnträger allein treffen, sondern die Gewerkenversammlung. Bei größerer Anzahl von Kuxinhabern wurden in der Regel Gewerkenvorstände gebildet, die eine Handlungsbefugnis besaßen. Im späteren Bergrecht war deren Bildung vorgeschrieben. Im Gegensatz zu den gewerkschaftlichen Gruben gab es auch Eigenlehnergruben. Dies bedeutete, dass der Lehnträger auf eigene Rechnung baute und keine Kuxe ausgab.
Preußen
"Gewerkschaften" nach preußischem Bergrecht von 1864 betrieben den Abbau von Bodenschätzen (Kohle, Erzen, Salz, Öl, Torf) und ähnelten einer heutigen "Aktiengesellschaft mit vinkulierten Namensaktien". Ihre Anteiler ("Gewerken") konnten ihre Anteile ("Kuxe") nicht ohne Zustimmung der anderen Gewerken veräußern. Kuxe waren also schwer handelbar, doch gab es vor dem Zweiten Weltkrieg eine eigene Kuxbörse in Essen.