Nationalratswahl in Österreich 2006

Wahl
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Die Nationalratswahl am 1. Oktober 2006 ist die XXIII. in der Geschichte Österreichs. Österreich wählt verfassungsgemäß alle vier Jahre Vertreter zum Nationalrat, dem gesetzgebenden Organ der Republik. Für den 1. Oktober als Termin war ein vorzeitiger Auflösungsbeschluss des Nationalrats nötig, den die vier Parlamentsparteien einstimmig am 14. Juli 2006 fassten. Ohne frühzeitige Auflösung hätte die Wahl regulär knapp zwei Monate später, am 26. November 2006, stattgefunden.

Statue der Pallas Athene vor dem Parlamentsgebäude

Hintergrund

Seit der Nationalratswahl im Jahr 1999 sind einerseits nur noch vier Parteien im österreichischen Nationalrat vertreten, andererseits gab es erstmals in der Geschichte der 2. Republik eine Koalitionsregierung zwischen FPÖ und ÖVP. Nach internen Streitigkeiten in der FPÖ (der sog. "Knittelfelder Putch") wurden im Jahr 2002 vorgezogene Wahlen abgehalten, die der ÖVP mit 42% der Stimmen die relative Mehrheit und eine Fortsetzung der Koalition mit der auf 10% zurückgefallenen FPÖ sicherten. Seit der Spaltung der FPÖ im Frühjahr 2005 sind fünf Parteien (die FPÖ allerdings ohne Klub) mit Abgeordneten im Parlament vertreten (siehe dazu weiter unten). Der Wahltermin im Herbst 2006 ist ein 'regulärer' Wahltermin (obwohl um etwa 7 Wochen vor dem verfassungsmäßig letztmöglichen Wahltermin), da Österreich verfassungsgemäß alle vier Jahre Repräsentanten zum Nationalrat wählt.

Erstmals in der Geschichte Österreichs haben insgesamt sechs Parteien nach diversen Umfragen Chancen auf den Einzug in den Nationalrat. Von diesen Parteien ist einzig die Liste Hans Peter Martin zur Zeit nicht im Parlament vertreten.

Zur Wahl stehende Parteien

Österreichische Volkspartei

Datei:Wolfgang Schuessel.jpg
Wolfgang Schüssel

Die Österreichische Volkspartei wird aller Wahrscheinlichkeit nach mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Spitzenkandidat antreten.

Im Vorwahlkampf wird von der ÖVP die BAWAG-Affäre aufgegriffen. Derzeit ist die Partei mit einer Plakatkampagne gegen die aus ihrer Sicht mangelnde Wirtschaftskompetenz der SPÖ präsent. Ein ÖVP-Plakat trägt den Text "Gusenbauer-SPÖ kann nicht wirtschaften!" Das Layout des Plakats erinnert stark an Plakate der Sozialdemokraten, vermutlich um gezielt die Anhängerinnen und Anhänger der SPÖ auf die vermeintlichen Nachteile ihrer Partei aufmerksam zu machen.

In Umfragen liegt die ÖVP seit Monaten unter dem Ergebnis der letzten Nationalratswahl. Zuletzt konnte sie aber die SPÖ als Prognosen-Spitzenreiter überholen.

Sozialdemokratische Partei Österreichs

 
Alfred Gusenbauer

Die Sozialdemokratische Partei Österreichs wird mit Alfred Gusenbauer als Spitzenkandidat in die Wahl gehen.

Im Vorwahlkampf wird von Seiten der SPÖ der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit und die Pensionsreform der Regierung Schüssel thematisiert. Auf einem SPÖ-Plakat ist die Aussage "Schüssels traurige Bilanz: Pensionen immer weniger wert!" zu finden. Das Plakat ist (wie jenes der ÖVP-Kampagne) in der Farbe der Regierungs-Parteien (orange Schrift auf schwarzem Untergrund) gehalten um gezielt potenzielle Wählerinnen und Wähler der ÖVP anzusprechen.

Nachdem sie lange den ersten Platz inne hatte, verlor die SPÖ in den zuletzt veröffentlichten Meinungsumfragen zugunsten der ÖVP. Der Grund dafür dürfte die Affäre um die Gewerkschaftsbank Bawag sein, die den der SPÖ nahe stehenden Österreichischen Gewerkschaftsbund in Turbulenzen stürzte und zu innerparteilichen Streitigkeiten führte.

Freiheitliche Partei Österreichs

 
Heinz-Christian Strache

Die Freiheitliche Partei Österreichs wird mit Heinz-Christian Strache zur Wahl antreten.

In den Medien wurde die Periode des Vorwahlkampfes bereits zu Beginn des Jahres 2006 eingeläutet, insbesondere das von der FPÖ initiierte Volksbegehren "Österreich bleib frei" wird als erste markante PR-Aktion im Vorwahlkampf gesehen[1]. Die FPÖ plakatiert Anfang August ein "Duell um Österreich" zwischen Wolfgang Schüssel und Alfred Gusenbauer auf der einen Seite und Heinz-Christian Strache auf der anderen Seite.

Die Grünen

 
Alexander van der Bellen

Die Grünen werden mit Spitzenkandidat und Parteichef Alexander van der Bellen in die Wahlen gehen.

Den Vorwahlkampf eröffneten die Grünen im Mai 2006 mit der Präsentation zweier Schwarzbücher. Das "Schwarzbuch Schwarz" beschäftigte sich kritisch mit der Regierungspolitik der ÖVP. Wenige Tage später wurde das "Schwarzbuch Rot" veröffentlicht, dass sich der Oppositions-Arbeit der SPÖ widmete. Die Grünen lasten SPÖ und ÖVP "grobe Verstöße" in Menschenrechtsfragen an. Kritisiert wird insbesonder die Zustimmung der SPÖ zur Asyl- und Fremdenrechtsnovelle 2005, die viele Verschärfungen mit sich brachte.

Bündnis Zukunft Österreich

Infolge der von Jörg Haider initiierten Abspaltung von der FPÖ wurde im April 2005 das Bündnis Zukunft Österreich gegründet. Im ehemaligen freiheitlichen Lager befinden sich seitdem zwei Parteien, einerseits die von Heinz Christian Strache angeführte "Alt"-FPÖ und auf der anderen Seite das neugegründete BZÖ.

Der Großteil der vorherigen FPÖ-Nationalratsabgeordneten trat nach und nach zum BZÖ über. Im Nationalrat waren zunächst sowohl die Abgeordneten des BZÖ als auch jene der FPÖ weiterhin Mitglieder im 18-köpfigen "Freiheitlichen Parlamentsklub". Während das BZÖ mehrere Ministerinnen und Minister sowie Staatssekretäre der Österreichischen Bundesregierung stellt, deren Politik von den 12 BZÖ-Mitgliedern sowie den 4 sich gegenwärtig als "parteifrei" deklarierenden Abgeordneten des Freiheitlichen Parlamentsklubs unterstützt wird, sehen sich die beiden noch verbliebenen FPÖ-Abgeordneten in der Opposition.

Das Bündnis Zukunft Österreich wird mit dem ehemaligen FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler als Spitzenkandidat zur Nationalratswahl antreten. Westenthaler wurde am 23. Juni 2006 bei einem außerordentlichen Parteitag des BZÖ außerdem zum Nachfolger von Jörg Haider als Parteichef gewählt. Die offizielle Listenbezeichnung lautet "Bündnis Zukunft Österreich - Liste Peter Westenthaler". Es ist derzeit unsicher, ob das BZÖ die Vier-Prozent-Hürde überspringen kann. Falls das BZÖ jedoch in seiner Hochburg Kärnten ein Grundmandat in einem Regionalwahlkreis erreicht, ist auch mit weniger Wählerstimmen ein Einzug ins Parlament möglich.

Kommunistische Partei Österreichs

 
Mirko Messner

Die KPÖ tritt mit Mirko Messner als Spitzenkandidat an. Die Kommunisten sind zusammen mit der ÖVP und der SPÖ die einzige österreichische Partei, die an allen Nationalratswahlen der zweiten Republik teilgenommen hat, seit den 50er Jahren ist sie allerdings nicht mehr im Parlament vertreten.

Im Wahlkampf setzt die KPÖ zum Teil auf den steirischen Politiker und Landtagsabgeordneten Ernest Kaltenegger, der bei der Gemeinderatswahl in Graz mit 20% der Stimmen eines der besten Ergebnisse in der Geschichte der KPÖ erzielt hat. Nach Umfragen in Juni 2006 [1] hält Kaltenegger die höchsten Sympathiewerte aller Politiker in der Steiermark. Er könnte für die KPÖ das Grundmandat im Gemeindewahlkreis Graz und womöglich im Landeswahlkreis Steiermark erringen.

Im Wahlkampfprogramm hat die KPÖ bisher auf bekannte Modelle, wie eine Reichensteuer und höhere Mindestpensionen und Mindestlöhne gesetzt.

Liste Dr. Martin - für Demokratie, Kontrolle, Gerechtigkeit

Ende Juli 2006 hat der EU-Abgeordneten Hans Peter Martin die Kandidatur einer von ihm geführten Partei bei den Wahlen bekannt gegeben. Unterstützt wird Martin bei der Wahl von der Kronenzeitung, in der er regelmäßig Gastkommentare veröffentlicht. In der auflagenstarken Sonntagsausgabe der Kronenzeitung durfte Martin am 30. Juli 2006 in einem ganzseitigen Artikel zur Unterstützung seiner Liste aufrufen. [2]

Martins Wahlprogram fällt besonders dahingehend auf, dass seine Kritik an etablierten Parteien im Vordergrund steht und ein gezieltes Werben um Protestwähler als Wahlziel zum Ausdruck gebracht wird. Zu einem möglichen Verbleib im EU-Parlament nach der Nationalratswahl nahm Martin wie folgt Stellung: Wenn 96,1 Prozent der Österreicher sagen, wir sind eh zufrieden mit den herkömmlichen Parteien, dann werde ich mich weiter auf Brüssel konzentrieren [3].

Weitere Parteien

Folgende weitere Parteien haben begonnen Unterschriften zum Antreten bei der Wahl zu sammeln:

Folgende Parteien die bei der letzten Nationalratswahl kandidierten haben bisher ihr Antreten nicht signalisiert:

Antreten zur Wahl

Jede Partei kann sich mit Hilfe von Unterschriften dreier Parlamentarier zur Wahl stellen. Sofern eine derartige Unterstützung durch Abgeordnete zum Nationalrat nicht erfolgt, muss die betreffende Partei, sofern sie sich in ganz Österreich zur Wahl stellen will und sie nicht die Unterstützung dreier Parlamentariere erhält, die in der Nationalratswahlordnung unter § 42 Abs 2 geforderten 2600 Unterstützungsunterschriften bekommen. Diese 2600 Unterschriften stellen sich je nach Bundesland aus 100 (Vorarlberg, Burgenland) bis 500 (Wien, Niederösterreich) Unterschriften zusammen, die bis zum 37. Tag (25.August) vor dem 1. Oktober vorliegen müssen. Parteien können auch lediglich in einem oder mehreren Bundesländeren antreten, sofern sie nur in diesen die geforderten Unterschriften erlangen.

Die ÖVP, SPÖ, das BZÖ und die Grünen werden den Weg über Unterschriften dreier Parlamentarier wählen. Die FPÖ, die derzeit nur zwei erklärte FPÖ-Abgeordnete im Nationalrat hat, kündigte Ende Juli an, dass sie sowohl versuchen wird Unterstützungserklärungen von drei Abgeordneten zu erlangen, als auch die oben beschriebenen 2600 Unterschriften sammeln wird.

Umfragen

Quelle Datum ÖVP SPÖ FPÖ Die Grünen BZÖ Liste
Hans-Peter Martin
Kurier-Integral 16. Juli 2006 39% 35% 8% 12% 4% -
Profil-OGM 15. Juli 2006 40% 36% 8% 12% 3% -
Market 12. Juli 2006 41% 36% 5% 11% 3% 3%
Market 30. Juni 2006 41% 37% 6% 11% 4% -
IMAS 24. Juni 2006 38% 37% 6% 12% 5% -
Market 22. Juni 2006 41% 37% 7% 10% 4% -
NEWS-Gallup 21. Juni 2006 39% 36% 7% 11% 2% 5%
NEWS-Gallup 14. Juni 2006 39% 35% 6% 12% 3% 5%
NEWS-Gallup 23. Mai 2006 37% 35% 7% 12% 3% 6%
Profil-OGM 21. Mai 2006 39% 37% 9% 11% 3% -
IMAS 16. Mai 2006 39% 36% 5% 14% 4% -
NEWS-Gallup 03. Mai 2006 40% 38% 8% 12% 2% -
NEWS-Gallup April 2006 40% 39% 9% 10% 2% -
NEWS-Gallup April 2006 38% 36% 7% 11% 2% 6%
NEWS-Gallup 29. März 2006 38% 35% 7% 10% 2% 7%

Umfragen im Februar und März 2006 zeigten noch ein einheitliches Bild bei der Verteilung der Wählerstimmen, mit der SPÖ bei 40-42%, der ÖVP bei 37-38%, die Grünen bei 10-11%, die FPÖ bei 7-8% und das BZÖ bei 2-3%. Nach der BAWAG-Affäre im März 2006 veröffentlichte Umfragen ergaben, dass die ÖVP erstmals seit einiger Zeit wieder gleichauf mit der SPÖ lag bzw. die Führung bereits übernommen hatte. Von Mai bis Juli lag die ÖVP bei 37-40%, die SPÖ bei 34-39%, die Grünen bei 10-14%, die FPÖ bei 5-7% und das BZÖ bei 3-5%.

Reihung der Parteien am Wahlzettel

Nach der Nationalratswahlordnung (NRWO) bestimmen die Landeswahlbehörden wie die Reihung der Parteien auf dem Stimmzettel vorgenommen wird. § 49 Abs 3 NRWO bestimmt: (3) [Auf dem Wahlzettel] hat sich die Reihenfolge der Parteien, die im zuletzt gewählten Nationalrat vertreten waren, nach der Zahl der Mandate, die die Parteien bei der letzten Nationalratswahl im ganzen Bundesgebiet erreicht haben, zu richten. Unklar ist wie diese Bestimmung in bezug auf die Spaltung der FPÖ und der BZÖ ausgelegt werden soll, d.h. welche der beiden Parteien an die dritte Stelle gesetzt werden soll, da 16 der 18 Mandatare der FPÖ nunmehr einer anderen Partei angehören. [9]

Die Reihung der nicht im Nationalrat vertretenen zur Wahl stehenden Parteien richtet sich nach der Einbringung des Wahlvorschlags der jeweiligen Partei.

Mögliche Koalitionen

Die derzeitige Bundesregierung - eine Koalition zwischen ÖVP und BZÖ - benötigt, um in dieser Form weiter bestehen zu können, wesentlich mehr Stimmen, als derzeit in Umfragen erzielt werden. Insbesondere ist fraglich, ob das BZÖ die Vier-Prozent-Hürde zum Einzug ins Parlament überhaupt wird überwinden können.

Die SPÖ hat mehrfach ausgeschlossen, eine Koalition mit dem BZÖ oder der FPÖ einzugehen. Ein möglicher Koalitionspartner für die SPÖ wären die Grünen, eine Rot-Grüne-Koalition würde sich nach derzeitigen Umfragen knapp nicht ausgehen. Über eine Ampelkoalition wie zum Beispiel zwischen SPÖ,Grünen und der Liste Dr. Martin(die am ehesten mögliche Variante) wird spekuliert. Eine Koalition aus ÖVP und den Grünen ist eine weitere Variante. Schon nach der letzten Wahl gab es Gespräche über eine mögliche Schwarz-Grüne Koalition. Von beiden Parteien wird diese Variante nicht ausgeschlossen.

Eine Große Koalition (SPÖ-ÖVP bzw ÖVP-SPÖ) wäre in jedem Fall möglich, mit großer Wahrscheinlichkeit hätte eine solche Koalition auch eine Verfassungsmehrheit.

Nach der Bekanntgabe der Kandidatur von Hans Peter Martin, könnten im Falle eines Sechparteienparlaments auch andere Koalitionen zwischen einer der Großparteien und mehreren Kleinparteien geschlossen werden.

Quellen

  1. Artikel in der Presse

Siehe auch