Kastell Gheriat el-Garbia | |
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Alternativname | Myd… |
Limes | Limes Tripolitanus vordere Limeslinie |
Datierung (Belegung) | 201 n. Chr. bis spätestens um 275 n. Chr. |
Typ | Kastell |
Einheit | a) Stammeinheit (201–238): Vexillation der Legio III Augusta (?) |
Größe | ca. 185 × 135 m (= 2,25 ha) |
Bauweise | Stein |
Ort | Gheriat el-Garbia |
Geographische Lage | 30° 25′ 13,1″ N, 13° 25′ 9″ O |
Höhe | 518 m |
Vorhergehend | Kleinkastell Gheriat esh-Shergia (östlich) |
Anschließend | Kastell Mizda (nordwestlich) |
Das Kastell Gheriat el-Garbia (erhaltener lat. Namensrest Myd…), ist ein römisches Militärlager des Prinzipats, dessen Besatzung für Sicherungs- und Überwachungsaufgaben am vorderen Limes Tripolitanus, einem tiefgestaffelten System von Kastellen und Militärposten,[1] in der römischen Provinz Africa proconsularis zuständig war. Die Überreste der Fortifikation gelten als die am besten erhaltensten eines Kastells am äußeren tripolitanischen Grenzverlauf und befinden sich 280 Kilometer südlich von Tripolis und nördlich der Oase von Gheriat el-Garbia am Rande der Steinwüste Hammada al-Hamra im Munizip al-Dschabal al-Gharbi in Libyen.
Lage
Die steinige Hochebene der Hammada al-Hamra wird wohl zu allen Zeiten siedlungsarm gewesen sein. Daher wurden wichtige Ortschaften nur um diese natürliche Barriere herum errichtet. Hierzu zählt unter anderem das auch in römischer Zeit besiedelte Mizda und das 160 Kilometer südöstlich gelegene Gheriat el-Garbia.[2] Die Oase Gheriat el-Garbia am Wadi Tula war in der Vergangenheit eine wichtige Anlaufstelle für Karawanen, die durch die umgebende weite Ödnis mit ihren unwirtlichen Wadis zogen. Das Wadi Tula ist ein kleiner südlicher Nebenzulauf zum bedeutenden Wadi ZemZem. Geomorphologische Feldforschungen, die 1981 im Zuge der archäologischen UNESCO-Untersuchungen zu den außerordentlichen römerzeitlichen Aufschwüngen in der wüstennahen Landwirtschaft unternommen wurden ergaben, dass das Quellwasser heute nur noch an einer Stelle in der Oase an die Oberfläche steigt. Die steil gegliederten Kalksteinhänge auf beiden Seiten des Wadis, lassen zusammen mit anderen Indizien jedoch einen einst höheren Grundwasserspiegel vermuten, wobei sich diese Periode nicht absolut datiert läßt.[3] Eine wichtige Erkenntnis der Forschungen war jedoch, daß die Quelle der Oase von Gheriat el-Garbia als wesentliche Grundlage für die antike Landwirtschaft vor Ort gelten muß.[4]
Das Kastell wurde strategisch günstig auf einem Hochplateau über dem Wadi Tula errichtet.
Forschungsgeschichte
Problematisch für die archäologischen Forschungen waren die Umstände, daß wohl ab dem 18. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine Berbersiedlung zwei Drittel der Kastellfläche überbaut hatte. Dadurch waren große Teile der Innenbebauung, die wie das Stabsgebäude (Principia) und ein Großteil der Mannschaftsbaracken dem Steinraub anheim gefallen. Zudem hatte während des Zweiten Weltkriegs im Zuge des Afrikafeldzugs ein italienisches Kommando den Bereich der Praetentura, dem Vorderlager des Kastells, mitsamt dem immer noch gut erhaltenen Haupttor (Porta praetoria) besetzt und war dort aus der Luft bombardiert worden.
Der erste Forschungsreisende, der die Ruinen als Reste eines römischen Kastells erkannte, war 1850 der deutsche Gelehrte Heinrich Barth (1821–1865). Er erkannte auch die nordöstlich angelegte Porta praetoria als das Haupttor des Lagers. Doch erst durch die Arbeiten des britische provinzialrömische Archäologe Richard Goodchild (1918–1968) in den 1950er Jahren wurde Gheriat el-Garbia in den Fokus der wissenschaftlichen Diskussionen gestellt. Mehrere Inschriften aus dem Kastell kamen in der Folge durch den italienischen Archäologen Antonino Di Vita (1926–2011) zur Veröffentlichung.[5] Darunter war 1966 die wichtige Bauinschrift der Jahre 198 bis 201.[6] Die Fortifikation wurde 1980 im Zuge des UNESCO-Programms Farming the Desert. The UNESCO Libyan Valleys Archaeological Survey zum Gegenstand einer kurzen Untersuchung. Im Jahre 1981 fanden dann im weiteren Verlauf des Programms eingehendere Forschungen durch die britischen Archäologen David J. Mattingly und Derek A. Welsby statt. So wurden Prospektionen und detaillierte Vermessungen am Kastell sowie am modernen islamischen Oasenort vorgenommen.[3] Dem Willen zu wissenschaftlichen Ausgrabungen an diesem wichtigen Garnisonsort standen stets infrastrukturelle und logistische Probleme im Weg. Daher ist es der Vorarbeit des deutschen provinzialrömischen Archäologen Michael Mackensen zu verdanken, daß im Frühjahr 2009 erste umfassende feldarchäologische Untersuchungen und Grabungen im Rahmen eines deutsch-libyschen Projekt ermöglicht wurden.[7] Dieses bis 2010 laufende Programm wurden auf Veranlassung von Mackensen im Rahmen des Zukunftskonzepts „LMUexcellent“ der Ludwig-Maximilians-Universität München finanziell gefördert. Die erste Frühjahrskampagne fand vom 16. März bis 02. Mai 2009 statt. Bei diesen ersten Untersuchungen stand eine weitläufige Feldbegehung im Vordergrund, bei der umfangreiche Keramikscherben aufgelesen wurden, die schwerpunktmäßig dem 3. Jahrhundert n. Chr. zugeordnet werden konnte. Parallel hierzu fand eine topographische Aufmessung des vom Kastell beherrschten Hochplateaus mithilfe eines Tachymeters und eine geophysikalische Vorerkundung der zu untersuchenden Fläche statt. Bei den Ausgrabungen fixierten sich die Ausgräber auf zunächst die bis zu 1,80 Meter hoch verschüttete Porta praetoria sowie auf die Teilfreilegung eines rund 200 Meter außerhalb des Haupttors auf dem gegenüberliegenden Plateau errichteten römischen Tempels mit Apsis.[8] Weitere Forschungen galten den Aufgänge zur Garnison über die steil abfallenden Plateauseiten und der Lokalisierung naher antiker Steinbrüche.
Literatur
- Eleanor Scott, John Doie, David Mattingly: The UNESCO Libyan Valleys Archaeological Survey Gazetteer 1979–1989. In: Graeme Barker, David Gilbertson, Barri Jones, David J. Mattingly (Hrsg.): Farming the Desert. The UNESCO Libyan Valleys Archaeological Survey. Volume Two: Gazetteer and Pottery. UNESCO, Paris 1996 (u. a.), ISBN 92-3-103273-9, S. 98 ff.
- Michael Mackensen: Survey and excavation of the German archaeological mission at the Roman fort of Myd(---)/Gheriat el-Garbia and its vicinity 2009/2010. In: Libya Antiqua New series 6, 2011/12 (2016), S. 83–102.
- Michael Mackensen, Florian Schimmer: Interior Buildings of the Severan Oasis Fort of Gheriat el-Garbia in the Late Roman Period. In: Ljudmil Vagalinski, Nicolay Sharankov (Hrsg.): Limes XXII. Proceedings of the 22nd International Congress of Roman Frontier Studies Ruse, Bulgaria, September 2012. (= Bulletin of the National Archaeological Institute 42), 2015, S. 351–358.
- Michael Mackensen: Baubestand und Rekonstruktion der porta praetoria des severischen Vexillationskastells Myd(---)/Gheriat el-Garbia am „limes Tripolitanus“ (Libyen). In: Römische Wehrbauten. Befund und Rekonstruktion. Inhalte – Projekte – Dokumentationen. (= Schriftenreihe Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege 7), 2013, S. 88–107.
- Michael Mackensen: New fieldwork at the Severan fort of Myd(---)/Gheriat el-Garbia on the limes Tripolitanus. In: Libyan Studies 43, 2012, S. 41–60.
- Michael Mackensen: Das severische Vexillationskastell Myd(---) und die spätantike Besiedlung in Gheriat el-Garbia (Libyen). Bericht über die Kampagne im Frühjahr 2010. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 117, 2011, S. 247–375.
- Michael Mackensen: Le fort romain et l'agglomération tardo-antique de Gheriat el-Garbia. Nouvelles recherches à la frange du désert (2009/2010). In: La Tripolitanie antique (Libye). L'Archéo Thema 17, 2011, S. 59–65.
- Michael Mackensen, Rudolf Haensch: Das tripolitanische Kastell Gheriat el-Garbia im Licht einer neuen spätantiken Inschrift: Am Tag, als der Regen kam. In: Chiron 41, 2011, S. 263–286.
- Michael Mackensen: Das severische Vexillationskastell Myd(---)/Gheriat el-Garbia am „limes Tripolitanus“ (Libyen). Bericht über die Kampagne 2009. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 116, 2010, S. 363–458.
- Michael Mackensen: Kastelle und Militärposten des späten 2. und 3. Jahrhunderts am „limes Tripolitanus“. In: Der Limes. Nachrichtenblatt der Deutschen Limeskommission 4 Jahrgang, 2, 2010, S. 20–24.
- Michael Mackensen: Am Rand der Wüste. Das römische Kastell Gheriat el-Garbia am „limes Tripolitanus“. In: Antike Welt 1, 2011, S. 77–84.
- Michael Mackensen: Die Grenze in Nordafrika am Beispiel der Provinzen „Africa Proconsularis“ und „Numidia“. In: In: Gerhild Klose, Annette Nünnerich-Asmus (Hrsg.): Grenzen des römischen Imperiums. von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-3429-X, S. 62–71.
- Sabine Ziegler, Michael Mackensen: Spätantike Ostraka aus Gheriat el-Garbia (al-Qaryāt al-Garbīyah) in der Provinz Tripolitana (Libyen). Belege für eine regionale Variante des Punischen. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 120, 2014, S. 313–340.
- Florian Schimmer: Amphorae from the Roman fort at Gheriat el-Garbia (Libya). In: Acta Rei Cretariae Romanae Fautores 42, 2012, S. 319–325.
- Meike Weber, Sebastian Schmid: Supplying a desert garrison. Pottery from the Roman fort at Gheriat el-Garbia (Libya). In: Acta Rei Cretariae Romanae Fautores 42, 2012, S. 327–335.
Anmerkungen
- ↑ Michael Mackensen: Kastelle und Militärposten des späten 2. und 3. Jahrhunderts am „Limes Tripolitanus“. In: Der Limes 2 (2010), S. 20–24; hier: S. 22.
- ↑ Heinrich Schiffers, Karl W. Butzer (Hrsg.): Die Sahara und ihre Randgebiete. Darstellung eines Naturgroßraumes in 3 Bänden. Afrika-Studienstelle (Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung), Weltforum-Verlag, München 1973, S. 276.
- ↑ a b Eleanor Scott, John Doie, David Mattingly: The UNESCO Libyan Valleys Archaeological Survey Gazetteer 1979–1989. In: Graeme Barker, David Gilbertson, Barri Jones, David J. Mattingly (Hrsg.): Farming the Desert. The UNESCO Libyan Valleys Archaeological Survey. Volume Two: Gazetteer and Pottery. UNESCO, Paris 1996 (u. a.), ISBN 92-3-103273-9, S. 98.
- ↑ David Gilbertson, Chris Hunt, Gavin Gillmore: Success, longevity, and failure of arid-land agriculture: Romano-Libyan floodwater farming in the Tripolitanian pre-desert. In: Graeme Barker, David Gilbertson (Hrgs.): The Archaeology of Drylands. Living at the Margin. Taylor & Francis, London 2005, ISBN 0-203-16573-X, S. 145.
- ↑ Sabine Ziegler, Michael Mackensen: Spätantike Ostraka aus Gheriat el-Garbia (al-Qaryāt al-Garbīyah) in der Provinz Tripolitana (Libyen). Belege für eine regionale Variante des Punischen. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 120, 2014, S. 313–340; hier: S. 313.
- ↑ AE 1967, 00539; Antonino Di Vita: La villa della „gara delle nereidi“ presso Tagiura: un contributo alla storia del mosaico romano, e altri recenti scavi e scoperte in Tripolitania. In: Supplements to Libya antiqua 2, 1966, S. 1-129; hier: S. 107–111.
- ↑ Michael Mackensen: Gasr Wames, eine burgusartige Kleinfestung des mittleren 3. Jahrhunderts am tripolitanischen limes Tentheitanus (Libyen). In: Germania 87, 2009 (2011), S. 75–104; hier: S. 78.
- ↑ römischer Tempel Gheriat el-Garbia