Tanktourismus

Tanken in einem Nachbarland
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Tanktourismus ist ein Schlagwort, das in Deutschland mit Einführung der Ökosteuer populär wurde. Das dazu gehörige Phänomen existierte bereits vorher. Gemeint ist damit, dass Kraftfahrer in grenznahen Gebieten auf Grund der Preisunterschiede bei Benzin oder Dieselkraftstoff im jeweils billigeren Nachbarland tanken.

Deutschland

Deutschland-Frankreich

Bis etwa zur Jahrtausendwende war der Tanktourismus von Frankreich nach Deutschland beliebt, da ein Liter Benzin zwischen sechs und sieben Französische Franc kostete, während in Deutschland vor Einführung der Ökosteuer ein Liter Benzin noch weit weniger als 2 Mark kostete.

Mittlerweile ist der Tanktourismus für die Deutschen interessant geworden, wenn auch die Ersparnis nur wenige Cent beträgt (beim Diesel etwas mehr).

Deutschland-Luxemburg

 
Tankstellen zwischen Mertert und Wasserbillig (Luxemburg)

Seit Mitte der 1970er Jahre blüht der Tanktourismus auch zwischen Deutschland und Luxemburg. Außer Kraftstoff kaufen Deutsche wegen der Steuervorteile dort auch gerne Kaffee und Zigaretten ein. Besonders profitiert davon die nahe bei der deutschen Stadt Trier gelegene luxemburgische Grenzgemeinde Mertert, wo zwischen den Ortsteilen Mertert und Wasserbillig mehr als ein Dutzend Tankstellen an einer Straße liegen. Auch die ehemaligen Zollgebäude am Grenzübergang auf der Autobahn Trier-Luxemburg wurden nach dem Fall der Zollgrenzen durch das Schengener Abkommen zu einer Großtankstelle umgebaut. Durch den Weiterbau der A8 bis nach Luxemburg-Stadt steigerte sich der Tanktourismus vor allem in den ans Saarland grenzenden Orten Schengen und Remich.

Deutschland-Österreich

Zum Nachweis des Tanktourismus zwischen Deutschland und Österreich wurde bereits in den 1970er Jahren österreichischer Kraftstoff eingefärbt und es wurden an der Grenze Proben aus den Autotanks entnommen. Auch heute weist das Hauptzollamt Passau darauf hin, dass "Privatpersonen zusätzlich nur einen Reservebehälter mit maximal 20 Liter Kraftstoff für den Eigenbedarf steuerfrei aus Österreich nach Deutschland verbringen" dürfen. Wenn der mitgeführte Kraftstoff die Höchstmenge überschreite, würde beim Grenzübertritt die Mineralölsteuer fällig. Wenn die Einfuhr nicht deklariert werde, mache sich der Einführer strafbar. In bestimmten Regionen führte der Tanktourismus dazu, dass Tankstellen direkt hinter der Grenze eröffnet wurden, wie etwa in Passau wo in Achleiten eine Tankstelle in das ehemalige Grenzgebäude einzog.

Deutschland-Polen

Ebenfalls seit der Grenzöffnung 1990 wird auch in der grenznahen Region in Polen gern von Deutschen getankt. Immer wieder wird von Werkstätten in Deutschland der angeblich schlechte Treibstoff in Polen als Ursache für Fahrzeugpannen genannt. Inwieweit dies der Wahrheit entspricht, ist umstritten. Aus diesem Grund liegen in ganz Polen oft in Tankstellen die Lieferscheine der Raffinerie Schwedt/Oder öffentlich aus. Fast alle polnischen Tankstellen beziehen Benzin und Diesel aus Deutschland. Panscherei sowie Manipulationen an den Zapfanlagen werden ebenfalls oft vorgeworfen.

Deutschland-Schweiz

An den Schweizer Grenzorten ist die Tankstellendichte auf Grund des Benzintourismus weitaus höher und die Benzinpreise sind dort auch in Euro angeschrieben. Während das Benzin in der Schweiz und in der deutschen Exklave Büsingen am Hochrhein je nach Standort und Wirtschaftslage (Wechselkurs usw.) zwischen 20 und 30 Cent günstiger ist und somit für die Deutschen attraktiv sind, ist der Dieselpreis in den beiden Ländern ähnlich.

Deutschland-Tschechien

Seit der Grenzöffnung Anfang der 1990er Jahre blüht auch der Tanktourismus zwischen Deutschland und Tschechien. Neben Tankstellen entstand auch in grenznahen Gebieten viel Kleingewerbe. Viele dieser grenznahen Straßen wurden ausgebaut und es wurden Tankstellen, Casinos und weitere Gewerbegebäude errichtet.

Schweiz

Für die Schweizer ist Benzintourismus fast unbekannt, da das Benzin in den umliegenden Ländern eher teurer ist. Eine Ausnahme bildet hier Diesel, welches unter Umständen billiger sein kann.

Eine weitere Ausnahme bildet das Zollausschussgebiet Samnaun, wo das Benzin ca. 35 Rappen billiger als in der Restschweiz ist und der Benzintourismus dort trotz der Abgelegenheit intensiv ist.

In Zahlen

Zur Veranschaulichung die Benzinpreise in den umliegenden Ländern von deutschsprachigen Gebieten (Mai 2005):

Land
Niederlande 1.33
Belgien 1.24
Italien 1.231
Dänemark 1.23
Deutschland 1.18
Frankreich 1.15
Ungarn 1.01
Österreich 1.00
Luxemburg 0.99
Schweiz 0.98
Tschechische Republik 0.92
Polen 0.92
Slowakei 0.90
Slowenien 0.90

1Italiener, die in der Nähe der Schweizer Grenze wohnen, erhalten ihr Benzin zwecks Vermeidung des Benzintourismus verbilligt.

Sonderfälle

In Büsingen am Hochrhein (Exklave Deutschlands) gelten die Schweizer Steuersätze, so dass das Benzin dort das Schweizer Preisniveau hat.

In Samnaun, einem Zollausschlussgebiet in der Schweiz, kostet das Benzin rund 30 Rappen weniger und Diesel rund 45 Rappen weniger als in der übrigen Schweiz.

Wirtschaftliches

Dasselbe Prinzip wird bei normalen Gebrauchsgütern angewendet, die jeweils im Nachbarland eingekauft werden, wenn auf Grund der nationalen Besteuerung im Heimatland die Preise hoch genug liegen, sodass sich eine entsprechende Fahrt ins Nachbarland finanziell lohnt. Warenhausketten oder Discounter kalkulieren diese Form des Einkaufstourismus, den sogenannten Ameisenverkehr, ebenso wie Tankstellen in ihren Planungen ein und errichten grenznah Kapazitäten, die durch das lokale Umland ohne ausländische Kunden nicht wirtschaftlich wären. Anders herum ist die Folge für die lokale Wirtschaft, dass Tankstellen beziehungsweise Einzelhändler nicht mehr konkurrenzfähig sind und schließen müssen, und die damit verbundenen Arbeitsplätze verloren gehen.

Da Tank- und Einkaufstourismus in grenznahen Gebieten der Normalfall und nicht der Ausnahmefall war und ist, bleibt den Zollbehörden im Zweifelsfall nichts anderes übrig, als den damit verbundenen Schmuggel zu dulden.

Initiative gegen Tanktourismus geplant

Die deutsche Bundesregierung will den Tanktourismus ins polnische Nachbarland bekämpfen, um den hiesigen Tankstellen eine Zukunft zu geben. Nach den Plänen, die bisher aber nicht bestätigt wurden, sollen grenznahe Tankstellen künftig Benzin und Diesel billiger anbieten und die Verluste vom Fiskus erstattet bekommen.