Linearbandkeramische Kultur

älteste bäuerliche Kultur der Jungsteinzeit Mitteleuropas mit permanenten Siedlungen
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Allgemeines

Als die Bandkeramische Kultur, Linearbandkeramische Kultur oder LBK (auch Vornotenkopfkeramik und Notenkopfkeramik genannt) wird eine der ältesten bäuerlichen Kulturen der Jungsteinzeit ( = Neolithikum) in Mitteleuropa bezeichnet. Die Bezeichnung Bandkeramik leitet sich von der charakteristischen Verzierung der keramischen Gefäße mit einem Bandmuster aus runden und eckigen Spiralbogenlinien ab. Die Bandkeramik ist in Westungarn (Transdanubien), Rumänien, der Ukraine, Österreich, der Südwestslowakei, Mähren, Böhmen, Polen, Deutschland und Frankreich (Pariser Becken, Elsass und Lothringen) verbreitet und als größte Flächenkultur des Neolithikums zu betrachten.

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Bandkeramische Gefäße aus Mitteldeutschland im Bestand der ur- und frühgeschichtliche Sammlung der Universität Jena, die Friedrich Klopfleisch 1882 zur Definition der bandkeramischen Kultur benutzte.

Ursprung der Bandkeramik

Älteste Daten für die Bandkeramik datieren in die Zeit um 5600/5500 v. Chr. Nach heutigem Forschungsstand geht man davon aus, dass die Bandkeramik aus dem Starčevo-Körös-Komplex hervorging, vielleicht unter Einfluss der Vinča-Kultur. In diesem Zusammenhang sind besonders die in den letzten Jahren ergrabenen frühestbandkeramischen Siedlungen in Transdanubien von Bedeutung, die Keramik erbrachten, welche Elemente der Starčevo-Kultur aufweist, daneben jedoch neue Züge trägt, die charakteristisch für die Bandkeramik sind. Solche Siedlungen wurden z. B. in Szentgyörgyvölgy-Pityerdomb, Vörs-Mariaászonysziget oder Andráshida-Gébarti-tó gefunden. Heiß umstritten ist immer noch, auf welche Art und Weise sich die Bandkeramik derart schnell in einem so großen Gebiet verbreitete und wer die Träger dieser Kultur waren. Während die ältere Forschung davon ausgeht, dass es sich um eine reine Migration von Ackerbauern und Viehzüchtern aus dem Donauraum handelt, diskutieren andere Forscher eine mögliche Übernahme neolithischer Lebensweise durch einheimische mesolithische Bevölkerungsgruppen. Sie stützen sich dabei hauptsächlich auf die Silexgeräte ältestbandkeramischer Siedlungen, die ihrer Meinung nach teilweise mesolithische Züge aufweisen, sowohl in bestimmten Formen (Querschneider/Trapeze etc.) als auch in bestimmten Abschlagtechniken (Präparation der Schlagflächen). Unklar ist außerdem, welche Rolle die sogenannte La-Hoguette-Gruppe spielt, die von der Normandie (eponymer Fundort) bis ins Main-Neckargebiet verbreitet ist und deren Hinterlassenschaften mit der ältesten und älteren Stufe der Bandkeramik zu synchronisieren sind. Die La-Hoguette-Gruppe lässt sich aus der sog. Cardial-Kultur bzw. Impresso-Kultur herleiten, einer frühneolithischen Kultur, die chronologisch mit dem Starčevo-Körös-Komplex einzuordnen und an den Küsten des Mittelmeers verbreitet ist. Die Cardial-Kultur verbreitete sich schließlich um etwa 6500 v. Chr. vom Rhone-Delta aus nach Norden.

Umwelt und Wirtschaftsweise

Mit der Ausbreitung des Ackerbaus begann die umfangreiche Rodung der Wälder, um Ackerland zu erhalten und um Bau- und Feuerholz zu gewinnen. Eine steigende Entwaldung trat durch Verbiss ein, da die Haustiere in den siedlungsnahen Wäldern gehalten wurden. Neben dem schon seit dem Mesolithikum domestizierten Hund wurden Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen gehalten. Besiedelt wurden vor allem die tiefliegenden Lössflächen mit ihren besonders fruchtbaren Böden. Angebaut wurden Einkorn, Emmer, Flachs und Hülsenfrüchte sowie am Ende auch Mohn. Der Anteil der Knochen von Wildtieren schwankt in den einzelnen Siedlungen stark, nimmt aber mit der fortschreitenden Entwicklung der Bandkeramik ab.

Siedlungswesen

Die Bandkeramische Kultur zeichnet sich durch charakteristische Langhäuser aus. Diese Häuser mit einer Grundfläche von bis zu 40 m x 8 m (kleinere Bauten etwa 20 m x 5 m) bestanden aus einem tragenden Gerüst von 5 parallelen Pfostenreihen (zwei für die Längswände, eine unter dem Dachfirst, zwei als zusätzliche Stütze dazwischen). Die äußeren Pfostenreihen waren vermutlich mit lehmverputzen Rutengeflechten zu Wänden gearbeitet, das auf den Pfosten sitzende Satteldach vermutlich mit Stroh, Schilf oder Rinde gedeckt. Die Häuser waren in der Regel in einer nordwest-/südöstlichen Orientierung aufgebaut, wobei die Wände des nordöstliche Teils zum Teil durch nebeneinandergesetzte Holzpfähle verstärkt waren; im südöstlichen Teil befand sich möglicherweise eine Zwischendecke eingezogen.

Das charakteristische Langhaus war jedoch nicht der einzige Haustyp. Es gab insgesamt drei verschiedene Grundpläne von Häusern, die aus drei verschiedenen Modulen zusammengesetzt waren. Als Ausgangspunkt gilt hier ein zentrales Modul (Kleinbau). Dieses konnte auch alleine existieren (Kleinbau). Die Zusammenstellung der Module beschränkte sich auf zwei Varianten:

  • das zentrale Modul mit einem nordwestlichen Anbau (Bau)
  • das nordwestliche Modul, das zentrale Modul und ein südöstlichen Moduls (Grossbau oder Langhaus) (Modderman 1988, van de Velde 1990).

Die Häuser dienten trotz ihrer Größe angeblich nur einer Kleinfamilie von 6-8 Personen als Unterkunft, hatten jedoch wahrscheinlich neben der Wohn- auch Speicherfunktion (eingezogene Zwischendecke im SE-Teil, nur über die Art der Pfosten belegt). Eine Verwendung als Stallung ist unwahrscheinlich (in Bodenuntersuchungen müssten sonst Phosphate aus Tiermist nachweisbar sein, was aber nicht der Fall ist).

Wie die Inneneinrichtung aussah, ist weitgehend unbekannt. Der Lehm zum Verputzen der Wände wurde direkt neben dem Haus entnommen, die dabei entstandenen Gruben wurden wahrscheinlich als Keller genutzt, wenn sie ihre Speicherfunktion verloren hatte, als Mülldeponie; in der frühen Forschung über die Bandkeramikkultur führte dies zur irrigen Annahme, dass diese Gruben die eigentlichen Behausungen darstellten ("Kurvenkomplexbauten").

Die Häuser standen zumeist alleine, stellenweise in Gruppen von bis zu drei Häusern. Früher wurden größere Siedlungen angenommen, eng beieinanderliegende Funde von Hausgrundrissen scheinen jedoch zu unterschiedlichen Perioden zu gehören, diese Häuser standen also nacheinander, aber nicht gleichzeitig auf dem jeweiligen Areal; es steht zu vermuten, dass die Häuser, wenn sie unbrauchbar geworden waren, in unmittelbarer Nähe neu aufgebaut wurden. Wichtige Fundorte für Siedlungen sind Bylany, Olszanica, Hienheim, Aldenhoven, Köln-Lindenthal, Esloo, Sittard.

Totenritual

Die Linienbandkeramik kennt Brandbestattungen und Körperbestattungen. Bisweilen finden sich beide Bestattungsformen auf dem selben Gräberfeld. Bei den Körpergräbern handelt es sich um rechte oder linke Hocker, die in Tracht und mit Beigaben bestattet wurden. Typische Trachtbestandteile sind Schmuckgegenstände aus Spondylus, einer Meeresmuschel, die in der Adria und in der Ägäis verbreitet war und über weite Strecken verhandelt wurde. Aus ihr wurden Perlen für Ketten und Kopfschmuck, Armringe und Gürtelschließen hergestellt. Perlen wurden auch aus Stein und Bein gefertigt. Im Donauraum ist Schmuck aus Schnecken belegt (z. B. im großen Gräberfeld von Aiterhofen-Ödmühle). Im Hüft- und Beinbereich liegen oft Knochenknebel, deren Funktion noch nicht ganz geklärt ist. Beigaben umfassen Mahlsteine, Dechsel ("Schuhleistenkeile"), Pfeilspitzen, Farbsteine (Rötel, Grafit), Fleisch (nachweisbar in Form von Tierknochen) und Keramikgefäße. Außerdem ist in der Linienbandkeramik die Sitte der Sekundärbestattung nachweisbar, d. h., der Tote wurde begraben, zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgegraben und an anderer Stelle erneut beigesetzt. Dies ist zum Beispiel beim Erdwerk von Herxheim nachweisbar (vgl. unten), kann aber auch in bestimmten Höhlen beobachtet werden, z. B. in der Jungfernhöhle bei Tiefenellern oder im Hohlesteinstadel, wo zahlreiche Skelettteile in Vergesellschaftung mit Keramik und Tierknochen gefunden wurden.

Kult und Religion

Figürliche Funde - Idole, Gefäße, geritzte Darstellungen, Applikationen

Über die religiösen Vorstellungen der Menschen der Linearbandkeramik ist nicht viel bekannt. Einen Hinweis auf religiöses Leben liefern die so genannten Idole. Diese menschen- und tierähnliche Tonstatuetten wurden fast immer zerbrochen, was als kultisch gedeutet wird. Ob es sich bei den Idolen um Götterbilder, Ahnen, Dämonen oder anderes handelt, ist unbekannt. Idole kommen im gesamten Verbreitungsgebiet der Linearbandkeramik vor, außer im äußersten Westen. Das Bruchstück des rund 7000 Jahre alten so genannten „Adonis von Zschernitz“ stellt die bisher älteste mannliche bandkeramische Tonfigur dar. Anderen Figuren fehlen oft eindeutige Geschlechtsmerkmale. Methodisch verfehlt erscheint es jedoch,Idole, denen eindeutige Geschlechtsmerkmale fehlen, geschlechtlich zuzuordnen, da mit einer starken Abstrahierung und Verfremdung zu rechnen ist. Die menschlich gestalteten Plastiken wurden in stehender, sitzender und selten auch liegender Haltung dargestellt. Ein häufiges Merkmal sind lineare Verzierungen, die in ihren älteren Erscheinungen eindeutig den Bezug zum Röntgenstil erkennen lassen. Diese archaisch anmutenden Verzierungen (Skelettdarstellungen oder Teile davon) sind auch manchmal bei Tierplastiken feststellbar, sodass sich eine Erklärung als Andeutung von Bekleidung etc. eher ausschließen lässt. Neben den Idolen kommen auch noch figürliche Gefäße vor, die Gesichter tragen oder auf menschlichen Füßen stehen. Außerdem gibt es applizierte menschliche Darstellungen, wie etwa auf dem berühmten Kumpf von Gneiding, und geritzte menschliche Figuren, die früher oft wegen ihrer Haltung als "Krötenfiguren" angesprochen wurden.

Erdwerke

Archäologisch lassen sich erstmalig so genannte Erdwerke nachweisen, große Anlagen mit Gräben, Wällen und Palisaden, die manchmal, aber nicht immer, nach den Haupthimmelsrichtungen orientiert sind. Manche der Anlagen sind kreisrund, andere elliptisch, wieder andere sind unregelmäßig rund. Erdwerke gibt es seit der ältesten Linearbandkeramik (z.B. in Eilsleben, Bördekreis), sie sind jedoch in der jüngeren LBK häufiger. Bisweilen finden sich in den Gräben Skelette oder Teile von Skeletten, Keramik, Tierknochen, Silex und andere Funde.

Die Grubenanlage von Herxheim hat bisher über 400 menschliche Skelettreste geliefert, dazu Deponierungen von Tierknochen. Bei den Knochenfunden handelt es sich vielleicht um Zweitgrablegungen von Bandkeramikern aus weiten Teilen Europas. Funde weisen auf Verbindungen zum Pariser Becken, der Moselgegend, Belgien, dem Saarland und Böhmen hin. Es wurden Tonscherben mit Bandmustern gefunden, wie sie in diesen weit entfernten Siedlungsgebieten üblich waren. Die große Menge der gefundenen Skelettteile ist untypisch für eine einzelne Siedlung. Kleinere Knochen, wie z.B. Hand- und Fusswurzelknochen, fehlen fast vollständig. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich in Herxheim ein zentraler Kultplatz der europäischen Linienbandkeramik befand. Vielleicht wurden Tote, die in ihrer Heimat schon einmal bestattet gewesen waren, hierher gebracht, um an diesem Kultort noch einmal beigesetzt zu werden. Archäologen vermuten hierbei ein Totenritual, auf das auch diverse Schäden an den Skeletten hinweisen.

Wichtige Fundorte

Nachfolgende Kulturen

Die Bandkeramik nimmt, nach deutscher Terminologie, das Früh- oder Altneolithikum ein (nach europäischer Terminologie wird sie in das Mittelneolithikum datiert, da ihr in Südosteuropa zahlreiche Kulturerscheinungen vorausgehen). Im Mittelneolithikum nach deutscher Terminologie, d.h. ab etwa 4900 v. Chr., wird die Linearbandkeramik Frankreichs von der Gruppe Villeneuve-Saint Germain abgelöst. Auf die Linearbandkeramik Südwest- und Mitteldeutschlands folgt der Kulturkomplex Hinkelstein-Großgartach-Rössen. In Bayern, Böhmen, in Teilen Österreichs, Polens und des Elbe-Saale-Gebiets entwickelt sich die sog. Stichbandkeramik, aus der in Bayern die Gruppe Oberlauterbach entsteht. In Ungarn, Mähren, Niederösterreich und anderen Gebieten Polens findet sich die Lengyel-Kultur bzw. die mit ihr eng verwandte mährisch-bemalte Keramik (MBK), die in Österreich auch als mährisch-ostösterreichische Gruppe MOG bekannt ist.

Anthropologie

Genetische Untersuchungen an prähistorischem Knochenmaterial, die im Institut für Anthropologie an der Universität Mainz durchgeführt wurden, lassen vermuten, dass das DNA-Material der Vertreter der Bandkeramiker zu einem Viertel Varianten aufweist, die heute im menschlichen Erbgut nicht mehr vorkommen. Das ließe nur den Schluss zu, dass nachfolgende Kulturen aus zugewanderten Völkern oder Stämmen hervorgingen, und dass die Bandkeramiker fast vollständig ausgestorben sind. Da es sich jedoch lediglich um sechs Skelette handelt und darüberhinaus DNA-Material von mesolithischen bzw. paläolithischen Jäger-und-Sammler-Populationen noch nicht analysiert wurde, sind diese Schlussfolgerungen beim derzeitigen Forschungsstand kritisch zu betrachten.

Literatur

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  • N. Kotova, Neolithization in Ukraine (Oxford 2005).
  • J. Lüning (Hrsg.), Die Bandkeramiker. Erste Steinzeitbauern in Deutschland. Bilder einer Ausstellung beim Hessentag in Heppenheim / Bergstraße im Juni 2004 (Rahden/Westfalen 2005). ISBN 3-89646-027-7
  • Daniela Kern, Eine linearbandkeramische Siedlung von Thomasl, Niederösterreich, Archaeologia Austriaca 67, 1983, S. 97ff.
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