Projektiver Raum
Der projektive Raum ist ein grundlegender Begriff sowohl der Differentialgeometrie als auch der algebraischen Geometrie.
Motivation für die Konstruktion
Betrachtet man zwei Geraden in der Ebene, besagt das Parallelenaxiom der euklidischen Geometrie, dass diese sich genau dann schneiden, wenn sie nicht parallel zueinander sind. Umgangssprachlich oder intuitiv spricht man davon, dass parallele Geraden sich "im Unendlichen" schneiden. Der projektive Raum ist die mathematische Formalisierung dieser Idee: Man fügt der Ebene noch einen Punkt " " hinzu, welcher der Schnittpunkt der beiden parallelen Geraden wird.
Erste Definition
Wir definieren zunächst die sog. "komplex-projektive Gerade" , welche der obigen Motivation entspricht und gehen anschließend auf Verallgemeinerungen ein. "Gerade" heißt hierbei komplexe Gerade, d.h. ein reell-zweidimensionales Objekt.
Die komplex-projektive Gerade ist definiert als die Menge der komplexen Geraden in , welche durch den Ursprung gehen.
Für spätere Zwecke ist folgende explizitere Definition zweckmäßig: Betrachte die Menge aller geordneten Paare , , sowie die folgende Äquivalenzrelation: und werden als äquivalent angesehen, genau dann wenn sie durch Multiplikation mit einer komplexen Zahl auseinander hervorgehen, d.h. wenn es gibt, so daß , . Anders ausgedrückt, sie werden als äquivalent angesehen, wenn sie auf derselben komplexen Geraden durch den Ursprung liegen. Indem man äquivalente Punkte nicht mehr unterscheidet ("identifiziert"), erhält man also die obige Definition wieder. Die heißen homogene Koordinaten (siehe auch projektive Geometrie).
Die Korrespondenz zur ursprünglichen Motivation ist wie folgt gegeben: Wir fassen die Ebene als Menge der komplexen Zahlen auf. Einem Punkt der Ebene, d.h. einer komplexen Zahl ordnen wir die komplexe Gerade zu. Dem Punkt ordnen wir die Gerade zu. ist hierbei eine variable komplexe Zahl, die die Gerade parametrisiert.
Die komplex-projektive Gerade kann man auch als die reell-zweidimensionale Sphäre
auffassen. Die Übereinstimmung mit obigen Begriffen ergibt sich wie folgt: Bezeichne den "Nordpol". Betrachte die sog. stereographische Projektion
welche durch gegeben ist. Anschaulich legt man durch und den Nordpol eine (reelle) Gerade und wählt den Schnittpunkt dieser Geraden mit der Ebene als Bildpunkt der Abbildung. Die Korrespondenz zwischen und ist nun durch , gegeben.
Allgemeinere Definition und Eigenschaften
Obige Definition läßt sich wie folgt auf höhere Dimensionen verallgemeinern: Der komplex-projektive Raum der Dimension n wird definiert als Menge der komplexen Geraden durch den Ursprung in oder als , wobei die Äquivalenzrelation gegeben ist durch genau dann, wenn es eine komplexe Zahl gibt, so daß , gilt.
Geht man anstelle der komplexen Zahlen von reellen Zahlen aus, erhält man den sog. reell-projektiven Raum .
- Die reellen und komplexen projektiven Räume sind kompakte Mannigfaltigkeiten. Die oben erwähnten Abbildungen sind Abbildungen von Mannigfaltigkeiten.
- Der projektive Raum ist ein Beispiel für eine nicht affine algebraische Varietät bzw. ein nicht affines
Schema. Im algebraisch-geometrischen Kontext kann man anstelle der reellen oder komplexen Zahlen jeden beliebigen Körper, Ring.
- Untermannigfaltigkeiten bzw. -varietäten des projektiven Raums werden als projektive Mannigfaltigkeiten bzw. projektive Varietäten bezeichnet.