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Der Künstler Eduardas Jonušas (* 23. April 1932 in Pikeliai im Kreis Mazeikiai in Litauen; † 17. April 2014 in Nida) war ein ganz besonderer Mensch und seine Gedanken mitunter sokratisch: "Das wahre Begreifen erfährt der Mensch dann, wenn er anfängt zu zweifeln, ob die Geburt nur eine Geburt und der Tod nur ein Tod ist." [1] Er wurde ein höchst ungewöhnlicher Künstler. Mit vielen seiner Gemälde in Pastell und Öl schockt er noch heute jeden Betrachter. Denn er brachte die Barbarei des 20. Jahrhunderts ins Bild, die Verführten und die geschundenen Todeskandidaten, die Bonzen, Handlanger und Fürsten der Tyrannei. Ob Sowjet oder Nazi, Gulag oder Holocaust - die Gewalttäter und ihre Opfer gleichen sich [2].
Wagte sich noch ein Künstler an dieses Thema? Doch zeigen seine Bilder und auch seine Skulpturen noch ganz andere Seiten seiner und unserer Welt [3].
Porträtfoto von Monika Schulz-Fieguth
Lebenslauf
Eduardas Jonušas (das angehängte "as" an den Namen Eduard ist ein Erfordernis der litauischen Sprache) verbrachte seine frühe Kindheit in einem kleinen Dorf nahe der lettischen Grenze. Den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 beurteilten damals viele Menschen im Baltikum skeptisch. Auch Eduards Eltern, die wie viele andere in Baltikum auch deutschstämmige Wurzeln hatten, machten sich 1941 mit ihren vier Söhnen auf den Weg nach Deutschland. Nach kurzen Schuljahren in der Nähe von Berlin wollte oder sollte die Familie wieder zurück. Doch auf dem Weg dorthin verlor Eduardas den Vater und seine drei Brüder für immer, vorübergehend auch seine Mutter. Er wurde in Grodno (heute Weißrussland) aufgegriffen, entfloh einer Einweisung in ein Kinderheim, schlug sich zu den Großeltern durch und fand dort seine Mutter wieder [4]. Vierzehnjährig verließ er die Schule und ging nach Klaipėda (früher Memel), wo er mit schwerer körperlicher Arbeit leben und die Musikschule und die Mittelschule besuchen konnte. Als er 1951 zum sowjetischen Wehrdienst nach Sibirien einberufen wurde, durchleuchtete der KGB seine Herkunft, entdeckte seinen Aufenthalt in Deutschland und erklärte in zum Spion. Damit wurde er zu 25 Jahren Lager verurteilt – das von den Häftlingen sog. „Viertelmaß“[5]. Über Lager in der Taiga und am Amur brachten ihn die Transporte bis nach Angarsk und Irkutsk.[6]
Doch er nahm etwas mit in den berüchtigten Gulag: Sein Wissen um die „Wunder der Natur“ und eine geheimnisvolle Kultur, die es dort auf der Kurischen Nehrung einmal gegeben haben muss. Sie hatte er von Klaipėda aus entdecken können [7]. Unter Chruschtschow wurden 1956 viele Häftlinge entlassen, darunter auch Eduardas Jonušas. Er konnte sich nach Klaipėda durchschlagen, dort als Beleuchter im Theater Arbeit finden. Entscheidend für ihn wurde, dass er in den sechziger Jahren nach Nida (früher Nidden) auf die Kurische Nehrung gelangte und dort Kontakt zu einem älteren Fischer bekam, der von früher zu erzählen wusste. Neben seinem hartem Arbeiten mit Skulpturen in Holz begann er, verbliebene Zeugnisse der ehemaligen Bewohner zu sammeln, zu fotografieren, etc.[6] Die Kurische Nehrung, ihre Einsamkeit und Schönheit war ihm Heimat geworden, ihre untergegangen Kultur festzuhalten seine persönliche Aufgabe neben aller ihm aufgetragenen normalen Arbeit. Doch die Erfahrungen in jungen Jahren und Erlebtes der Lagerjahre ließen ihn nicht los. Er begann es zu malen, mit Kreide und mit Ölfarben, fand Kontakt zu einem Künstler in Vilnius. Sein Gedächtnis hatte ihm ein Stück Leben im 20. Jahrhundert gelehrt. Der Künstler Eduardas Jonušas, der er geworden war, verstarb am 17. April 2014 in seinem Hause in Nidden.
Seine Skulpturen
Holz war eines seiner ersten Materialien und dem Holz blieb er - wie der Natur - sein Leben lang verbunden. Seine abstrakten hölzernen Segel stehen an der Nehrungsstraße und große Skulpturen, die er entworfen und ausgeführt hat - z.B. das oft abgelichtete Denkmal für Ludig Rhesa von 1976 [8] - in der freien Landschaft der Kurischen Nehrung, der Witterung ausgesetzt. Wichtig vor allem, sein Selbstportrait, eine Holzfigur, die einen angeketteten Mann zeigt, den Pinzel mit roter Farbe in seiner Hand, den "Sklaven seiner Gedanken" [9]. Viele Entwürfe von Eduardas Jonušas wurden in Metall gegossen, wie z. B. die litauischen Märchenfiguren, das Liebespaar, Jurate und Kastytis an einem Brunnen in Nida.[10]
Seine Sammlungen
aus Kieselsteinen, Stahlhelmen, altem Holz ... Eduardas Jonušas hatte Sinn für alles Schöne in der Natur. Zugleich ahnte er früh, dass hinter dem einzelnen alten "Zeug", das er in Klaipeda und auf der Kurischen Nehrung entdeckte, eine kulturelle Vergangenheit stehen musste, die zu seiner Zeit totgeschwiegen wurde: "Deutsch" konnte es nicht sein, wenn schon nicht Litauisch, dann allenfalls "Kurisch". So sammelte er alles alte, vom zerschossenen Stahlhelm bis zu den seltsamen, halbvermoderten Kurenbrettern und alten Kreuzen auf den Friedhöfen der Nehrung, ebenso die Reste von Kähnen, die teilweise im Wasser lagen [11]. Sie bewahren und verstehen, das wollte er. Dass wieder "Kurenbretter" auf dem alten Niddener Friedhof stehen und Kurenkähne auf dem Kurischen Haff fahren, ist nur ihm zu verdanken und etwas ganz Wichtiges auch. Er baute 1993 einen Kurenkahn originalgetreu nach: alte Baupläne und die gefundenen Resten zeigten ihm, wie ein Kurenkahn herzustellen ist. Eine lange Arbeit. Ein Buch zeigt auf Seite 64 ihn als Schiffsbauer mit seinem Kurenkahn "Kursis" [12]. Nun fahren einige Boote mehr auf dem Kurischen Haff und alljährlich in einer Regatta im Sommer um die Wette. Der Kurenkahn - ein Kulturgut und eine Attraktion für die Sommergäste in Nida.
Seine Gemälde
Seinen frühen Landschaftsbildern folgten nach und nach ganz andere Themen. Er musste nicht nach ihnen suchen. Sie kamen zu ihm, waren unerbittlich, wollten gestaltet werden. "Im Lager wartete ich auf die Nacht. Dann hatte ich Bilder im Kopf. Jede Nacht sah ich schöne und tragische Träume." [13] Seine "schönen Traumbilder", hell und friedvoll, zeigen keine Realität, wie sie der Fotoapparat konserviert oder im Alltag erfahren wird. Es sind Visionen - statisch, klar gegliedert, haben oft ein Mittelachse, die die Symmetrie hält. Die Welt, die Schöpfung, der Kosmos - wie immer man das Ganze nennen will - steht fest, ruht sicher. Eduardas Jonušas malt "symbolistisch". Und insofern folgt er einer Tradition, für die in Litauen vor allem der bekannte Maler und Komponist M. K. Čiurlionis (1175-1911) steht. Eduardas Jonušas findet Symbole für das, "was die Welt im Innersten zusammenhält". Er ist seiner Erfahrung verpflichtet: "Träume sind höher als der Mensch". Es sind Bilder die auftauchen, Gesichte aus dem Unbewussten, aus dem Bereich, der dem menschlichen Wollen nicht zur Verfügung steht, wie es seine "Sieben Träume in der blutigen Kammer" zeigen [14] .
Und so brachte er den Terror des 20. Jahrhunderts ins Bild, unter die Haut gehend konkret und doch symbolisch, wie kaum ein anderer Künstler. Denn für eine harte Lebensphase galt: "Alles was ich schaue, ist vom Lager bestimmt ... ich male das, was ich im Kopf sehe... nicht wie ein Architekt. Meine Bilder sind keine Konstrukte ... ich sag mir immer wieder: ich will nicht mehr das malen. Aber der Terror kommt zurück ...“ [15]. Gewalt und Opfer, das ist sein Thema: Menschen entwürdigt zur Ware, zum Material und die Täter, die sich überbordend wie Maschinen im Verletzen und Morden der Opfer. Egal, ob der Betrachter dabei an die Nazizeit denkt oder an die Tyrannei der Sowjets: Blutend, grausam, teuflisch, unendliches Töten: "... ihre Messer stachen in einen anderen Körper ein, der neben mir zusammengeringelt wie eine Schnecke lag. Warum und weshalb sie ihn getötet haben, weiß ich nicht. Ein Mensch zählte hier ja gar nichts. Sie schleppten das zappelnde Opfer zur Treppe, wobei sie ein breite rote Blutspur hinterließen, und schrien auf: 'Natschalnik, Zabirai' ('Vorsteher, hol es ab')." [16] Damit ist der Eduardas Jonušas einer der wenigen Künstler - oder gar der einzige? - , die dieses Thema im 20. Jahrhundert überhaupt auf die Leinwand brachten: die Innenseite aller KZ-Welten.
Alle seine Bilder, insbesondere seine Bildzyklen, machen nachdenklich. Ist auch das, was wir unsere Welt oder "die Moderne" nennen, zerbrechlich? Die Augen seiner "heiligen Kuh" schauen uns fragend an [17]. Seine Bilder fordern heraus, wieder und wieder.
Wie viele Menschen in den Baltischen Staaten sprach auch Eduardas Jonušas neben Litauisch Deutsch und Russisch. In Deutschland ist er nur wenigen bekannt.
Literatur zu Eduardas Jonušas
a) Ewald Hein, Cymbala. Cyclus in 17 Bilden des Malers Eduardas Jonušas. (Alle Texte und Bildbeschreibungen in deutscher und litauischer Sprache.) Melina-Verlag 1995, ISBN 3-929255-14-0
b) Der Melina-Verlag veröffentlichte im Jahre 2000 ein Gespräch mit dem Künstler: Eduardas Jonušas, Hund ist auch Mensch. Ich, der Sklave meiner Gedanken. (Aus diesem Buch stammen die Zitate, die oben in kursiver Schrift wiedergegeben sind) ISBN 3-929255-58-8
c) Eduardas Jonušas, Fantastische Bilder (hrsg. von Ewald Heim, Melina-Verlag 2002). Mit Beiträgen von Uwe B. Meyer, Ewald Hein und Dietmar Willoweit. Katalog zur Ausstellung in Burg auf Fehmarn 2002. ISBN 3-929255-65-0 Der Band zeigt in kleinem Format die ausgestellten 43 Genälde von Eduardas Jonušas, darunter die zwei Bildzyklen "Der Weltenherrscher" und "Der ewige Kreislauf".
d) Eduardas Jonušas, vaizdai ir mintys (= Bilder und Gedanken), 2015. ISBN 978-609-432-088-0 In diesem Buch von 175 Seiten in litauischer Sprache finden sich - neben sehr vielen Fotos aus dem Leben des Künstlers und Abbildungen seiner Werke - auch viele Beiträge litauischer und deutscher Künstler und Freunde. Am Ende des Buches steht eine kurze Zusammenfassung in deutscher und englischer Sprache.
e) Dokumentarfilm: Eduardas Jonušas - Himmel und Hölle sind mein. Originalfassung mit dt. over voice, Deutschland, 2004 (65 Min).
Ausstellungen
1957 in Klaipeda, Museum für Volkskunde.
1981 in Vilnius, Palast der Kunstschaffenden
1982 in Kaunas, Kulturpalast
1991 in Vilnius, Austellungspalast
2002, 23.04. bis 23.06., in Burg auf Fehmarn
2003, Mai bis Juli, in Radebeul, Autohaus Gommlich, unter dem Titel: EDUARDAS JONUSAS Malerei und Zeichnungen aus der Kurischen Nehrung - Litauen
Weblinks
Portraitfilm [1]
Internetbeitrag der Litauischen Radio und Fernsehgesellschaft LRT[2]
Einzelnachweise
- ↑ Ewald Hein: Cymbala. Cyclus in 17 Bildern des Malers Eduardas Jonušas. Hrsg.: Ewald Hein. Melina-Verlag, Ratingen 1995, ISBN 3-929255-14-6, S. 18.
- ↑ Ewald Hein, Uwe B. Meyer, Dietmar Willoweit: Fantastische Bilder. Eduardas Jonušas. Hrsg.: Ewald Hein. Melina Verlag, Ratingen 2002, ISBN 3-929255-65-0, S. 42 und 44.
- ↑ Ewald Hein: Cymbala. Cyclus in 17 Bildern des Malers Eduardas Jonušas, Kap. Zyklus der Erde. Hrsg.: Ewald Hein. Melina Verlag, Ratingen 1995, ISBN 3-929255-14-6, S. 14–47.
- ↑ Ewald Hein, Ewald Hein, Uwe B. Meyer, Dietmar Willoweit: Eduardas Jonušas. Fantastische Bilder. Hrsg.: Ewald Hein. Melina Verlag, Ratingen 2002, ISBN 3-929255-65-0, S. 8.
- ↑ Alexander Solschenizyn: Der Archipel Gulag. Scherz Verlag, Bern 1974, ISBN 3-502-16670-6, S. 416.
- ↑ a b Sammelband mit vielen Beiträgen: Eduardas Jonušas vaizdai ir mintys. Hrsg.: Aldona Žemaityte-Petrauskienė. Eglės leidykla, Klaipeda 2015, ISBN 978-6-09432088-0, S. 10. (litauisch).
- ↑ Eduardas Jonušas: Hund ist auch Mensch. Ich, der Sklave meiner Gedanken. Hrsg.: Ewald Hein. Melina Verlag, Ratingen 2000, ISBN 3-929255-58-8, S. 62.
- ↑ Sammelband mit vielen Autoren: Eduardas Jonusas vaizdai ir mintys. Hrsg.: Aldona Žemaityte-Petrauskienė. Eglė, Klaipeda 2015, ISBN 978-6-09432088-0, S. 97 und 166.
- ↑ Sammelband mit vielen Autoren: Eduardas Jonušas. Vaizdai ir mintys. Hrsg.: Aldona Žemaityte-Petrauskienė. Eglė, Klaipeda 2015, ISBN 978-6-09432088-0, S. 12, 143.
- ↑ Eduardas Jonušas: Hund ist auch Mensch. Ich, der Sklave meiner Gedanken. Hrsg.: Ewald Hein. Melina Verlag, Ratingen 2000, ISBN 3-929255-58-8, S. Umschlagseite.
- ↑ Sammelband mit vielen Beiträgen: Eduardas Jonušas. Vaizdai ir mintys. Hrsg.: Aldona Žemaityte-Petrauskienė. Eglė, Klaipeda 2015, ISBN 978-6-09432088-0, S. innere Umschlagseiten.
- ↑ Sammelband mit vielen Beiträgen: Eduardas Jonušas, vaizdai ir mintys. Hrsg.: Aldona Žemaityte-Petrauskienė. Eglės Leidykla, Klaipeda 2015, ISBN 978-6-09432088-0, S. 64.
- ↑ Ewald Hein, Uwe B. Meyer, Dietmar Willoweit: Fantastische Bilder. Eduardas Jonusas. Hrsg.: Ewald Hein. Melina Verlag, Ratingen 2002, ISBN 3-929255-65-0, S. 11.
- ↑ Eduardas Jonušas: Hund ist auch Mensch. Ich, der Sklave meiner Gedanken. Hrsg.: Ewald Hein. Melina Verlag, Ratingen 2000, ISBN 3-929255-58-8, S. 117–134.
- ↑ Ewald Hein, Uwe B. Meyer, Dietmar Willoweit: Fantastische Bilder Eduardas Jonušas. Hrsg.: Ewald Hein. Melina Verlag, Ratingen 2002, ISBN 3-929255-65-0, S. 11 und Gemälde "Hirnbrand" S. 42.
- ↑ Eduardas Jonušas: Hund ist auch Mensch. Ich, der Sklave meiner Gedanken. Hrsg.: Ewald Hein. Melina Verlag, Ratingen 2000, ISBN 3-929255-58-8, S. 76.
- ↑ Ewald Hein: Cymbala. Cyclus in 17 Bildern des Malers Eduardas Jonušas, Zyklus der Erde. Melina-Verlag, Ratingen 1995, ISBN 3-929255-14-6, S. 17.