Richard Wright (Schriftsteller)

US-amerikanischer Schriftsteller
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Richard Nathaniel Wright (* 4. September 1908 in Roxie, Mississippi; † 28. November 1960 in Paris) war ein US-amerikanischer Romancier und Erzähler.

Richard Wright, aufgenommen von Carl van Vechten, 1939

Leben

1908–1936

Wright wurde auf einer Plantage nahe Natchez geboren, wo sein Vater Nathaniel Kleinpächter war, die Mutter Ella war Lehrerin. 1914 zog die Familie nach Memphis. Nachdem der Vater die Frau und seine beiden Jungen verlassen hatte, musste die Mutter als Köchin arbeiten. Als seine Mutter erkrankte, lebte Richard Wright für einige Zeit in einem Waisenhaus, bis er schließlich mit Mutter und Bruder zu seiner Großmutter nach Jackson (Mississippi) zog. In Jackson besuchte er erst eine Schule der Siebenten-Tags-Adventisten, dann eine staatliche Schule. 1924 erschien seine erste Erzählung The Voodoo of Hell’s Half Acre in einer afroamerikanischen Zeitung.

1927 zog Wright nach Chicago, wo er als Angestellter bei der Post arbeitete. Er las während dieser Zeit viel und wurde besonders beeinflusst von den Werken des Literaturkritikers Henry Louis Mencken und des naturalistischen Romanciers Theodore Dreiser. Durch die Weltwirtschaftskrise verlor er seine Stelle und musste sich in der Folge mit Jobs durchschlagen. In dieser Zeit entstanden über den John-Reed-Club, einen den Kommunisten nahestehenden Kulturverein, die Kontakte zur Kommunistischen Partei, in deren Organen Wright wiederholt veröffentlichte. Wright schrieb in diesen Jahren seinen ersten Roman Lawd Today, der jedoch erst postum, 1963, erschien.

1937 bis 1946

1937 zog Wright nach New York, wo er Herausgeber des kommunistischen Blattes Daily Worker wurde. 1938 erschien sein erstes Buch Uncle Tom’s Children, eine Sammlung von Erzählungen über den Rassismus in den Südstaaten. 1939 heiratete er die weiße Tänzerin Dhimah Rose Meadman; die Ehe wurde jedoch bereits 1940 wieder geschieden. In diesem Jahr erschien auch sein Roman Native Son – allerdings in einer verstümmelten Version. Beispielsweise wurden Szenen, die die sexuellen Phantasien des schwarzen Protagonisten Bigger Thomas im Bezug auf weiße Frauen darstellten, erstmals in einer Neuausgabe 1993 gedruckt. Native Son war der erste Bestseller eines afroamerikanischen Autors – innerhalb von drei Wochen wurden über 200.000 Exemplare verkauft. 1941 wurde am Broadway eine Bühnenversion von Native Son unter der Regie von Orson Welles aufgeführt. Ebenfalls 1941 heiratete Wright Ellen Poplar, eine Weiße, die Mitglied der kommunistischen Partei war; zwei Töchter, Julia und Rachel, wurden 1942 und 1949 geboren.

1942 trat Wright aus der Kommunistischen Partei aus. 1944 veröffentlichte er den Essay I Tried to Be a Communist, in dem er erklärte, wie es zu dem Bruch kam. 1945 erschien seine Autobiografie Black Boy und wurde wieder zum Bestseller. 1946 wurde Wright nach Frankreich eingeladen. Das Erlebnis Europas, wo er nicht als minderwertiger Schwarzer, sondern in erster Linie als Amerikaner gesehen wurde, überzeugte ihn davon, endgültig nach Frankreich überzusiedeln; in die USA kehrte er danach nicht wieder zurück.

1947 bis 1960

1951 wagte sich Wright auf für ihn unbekanntes Terrain. In der europäischen Verfilmung seines Hauptwerks Native Son spielte er selbst die Rolle der Hauptfigur Bigger Thomas.

1953 erschien Wrights existenzialistischer Roman The Outsider und 1954 Savage Holiday, sein einziger Roman mit weißen Protagonisten. Beide Bücher hatten wenig Erfolg. In Paris machte Wright die Bekanntschaft der ebenfalls nach Frankreich ausgewanderten afroamerikanischen Autoren Chester Himes und James Baldwin. Während das Verhältnis zu Himes gut war, entwickelte sich zwischen Wright und Baldwin bald ein Konflikt. Für den jüngeren Baldwin (der zudem homosexuell war, was zu zusätzlichen Spannungen führte) ging es darum, sich einerseits von dem literarischen „Übervater“ Wright zu befreien, andererseits sah er in dessen Werken eine überlebte Art der Protestliteratur, die seinen ästhetischen Maßstäben nicht genügte.

In den 1950er-Jahren reiste Wright viel, unter anderem nach Afrika und Asien, und veröffentlichte eine Reihe politischer und soziologischer Texte. 1954 erschien Black Power – womit Wright dieses Schlagwort der 1960er-Jahre prägte. Das Buch handelt von den Unabhängigkeitsbestrebungen der afrikanischen Kolonien, im Besonderen Ghanas (der damaligen britischen Kolonie Goldküste). 1959 erschien sein letzter Roman The Long Dream, der erste Teil einer geplanten Trilogie; ein zweiter Teil American Hunger, 1944 vollendet, erschien postum 1977.

Gegen Ende seines Lebens war Wright schwer krank; er starb 1960 an einem Herzinfarkt und wurde in Paris auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt.

Bedeutung seines Werks

In der literaturwissenschaftlichen Analyse seines Werkes sieht Monika Plessner in dem literarischen Werk Richard Wrights den Beginn „einer neuen Epoche für die schwarzamerikanische Literatur“. Mit ihm träten „die Probleme der schwarzen Massen in geballter Form ein in die Weltliteratur.“[1] „Wrights Protest richte sich namens des Menschen in Schwarz und der ihm verweigerten menschlichen Intaktheit an den Menschen gleich welcher Farbe, das heißt an die Menschheit. Demzufolge sind die Menschen, die er darstellt, Menschen ohne Eigenschaften – ähnlich wie bei Kafka, Brecht, Beckett“.[2]

Mit seiner Verkörperung von Gewalt als einer elementaren Konstante des amerikanischen Lebens und der Absolutsetzung der Deprivation und des Leidens der Schwarzen gilt Native Son allgemein als eine der kompromisslosesten Darstellungen der Rassenproblematik in der afroamerikanischen Literatur. Der jugendliche Protagonist Bigger Thomas ist durch eine Welt von Gewalt geformt, auf die er selber nur ebenso mit blinder Gewalt reagieren kann. Als Mörder wird er wie ein wildes Tier gehetzt und in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. Obwohl Bigger Thomas von zwei Kommunisten begleitet wird, die ihm bewusst zu machen versuchen, dass er selber nur das Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse geworden sei, endet der Roman mit dem radikal existenzialistischen Bekenntnis des Protagonisten zu seiner Tat als Sinnstiftung in seinem Leben. Wright distanziert sich damit zugleich von der kommunistischen Doktrin. Auch der autobiografische Roman Black Boy, der als eine der bewegendsten Autobiografien in der afroamerikanischen Literatur gilt, ist gleichfalls durch eine existenzialistische Grundhaltung geprägt. Wrights Spätwerk, in dem er in Romanen, Kurzprosa, Gedichten und Schriften seine Erfahrungen in der Begegnung mit Europa, Afrika und Asien verarbeitete, machte ihn zu einer geistigen Vaterfigur des afroamerikanischen sozialen Realismus und begründete eine Schule, der mit William Attaway, James Baldwin, Ralph Ellison, Chester Himes und zahlreichen anderen Autoren zumindest für eine begrenzte Zeit nahezu eine gesamte Schriftstellergeneration nahestand.[3]

Werke

  • Uncle Tom’s Children: Four Novellas, 1938.
  • Bright and Morning Star, 1938.
  • Uncle Tom’s Children: Five Long Stories, 1940.
  • Native Son, 1940 (deutsch: Sohn dieses Landes. Kein & Aber, Zürich-Berlin, 2019 ISBN 978-3-0369-5795-1).
  • Fire and Cloud, 1940.
  • 12 Million Black Voices: A Folk History of the Negro in the United States, 1941.
  • Black Boy, 1945.
  • The Outsider, 1953.
  • Black Power: A Record of Reactions in a Land of Pathos, 1954.
  • Savage Holiday, 1954.
  • The Color Curtain: A Report on the Bandung Conference, 1956.
  • Pagan Spain, 1957 (deutsch: Heidnisches Spanien, Hamburg : Claassen, 1958).
  • White Man, Listen!, 1957.
  • The Long Dream, 1959.
  • Eight Men, 1961.
  • Lawd Today, 1963.
  • American Hunger, 1974 (aus dem Nachlass hrsg., 1944 vollendet, dt. Titel: Schwarzer Hunger, 1980).

Verfilmungen

  • 1986: Native Son
  • 1996: America’s Dream

Literatur

Biografien

  • Michel Fabre: The Unfinished Quest of Richard Wright, überarbeitete Ausgabe 1993.
  • Addison Gayle: Richard Wright: Ordeal of a Native Son, 1980.
  • Hazel Rowley: Richard Wright: the life and times; Chicago, Ill. [u. a.]: University of Chicago Press, 2008; ISBN 978-0-226-73038-7.
  • Margaret Walker: Richard Wright: Daemonic Genius, 1988; 1993, ISBN 1-56743-004-X
  • Constance Webb: Richard Wright – A Biography, 1968.
  • John A. Williams: Richard Wright, 1969.

Zum Werk

  • Evelyn G. Avery: Rebels and Victims, 1979.
  • Robert Bone: Richard Wright, 1959.
  • Jean Franco Goundard: The Racial Problem in the Works of Richard Wright, 1992.
  • Joyce Ann Joyce: Richard Wright’s Art of Tragedy, 1986.
  • Keneth Kinnamon: The Emergence of Richard Wright, 1972.
  • Monika Plessner: Ich bin der dunklere Bruder · Die Literatur der schwarzen Amerikaner · Von den Spirituals bis zu James Baldwin. Fischer Verlag Frankfurt a. M. 1979, ISBN 3-596-26454-5, S. 240–255.
  • Carol Polsgrove: Ending british rule in africa : writers in a common cause. Manchester Univ Press, Manchester [u. a.], 2012, ISBN 978-0-7190-8901-5.
  • Literatur von und über Richard Wright im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Richard Wright bei IMDb
  • Richard Wright in der Notable Names Database (englisch)
  • Richard Wright. In: Modern American Poetry. (englisch, umfangreiche Dokumentation plus Texte).
  • Matthew Duffus: Richard Wright. In: The Mississippi Writers’ Page. 19. Oktober 2007, archiviert vom Original am 17. November 2009; (englisch).
  • Wright, Richard: 1908–1960. In: SwissEduc. 19. Juni 2017; (englisch, Materialenf vor allem für Schulen).
  • Thomas Leuchtenmüller: Wenn Worte zu Waffen werden: Zum 100. Geburtstag des afroamerikanischen Schriftstellers Richard Wright. In: Neue Zürcher Zeitung. 30. August 2008;.

Einzelnachweise

  1. Plessner: Ich bin der dunklere Bruder, S. 241.
  2. Plessner: Ich bin der dunklere Bruder, S. 242.
  3. Vgl. Maria Diedrich: Multikulturalität – Afro-amerikanische Literatur. In: Hubert Zapf u. a.: Amerikanische Literaturgeschichte. Metzler Verlag, 2. akt. Auflage, Stuttgart und Weimar 2004, ISBN 3-476-02036-3, S. 430.