Als Raumfahrt bezeichnet man Reisen oder Transporte in oder durch den Weltraum, und ist nicht zu verwechseln mit der Luftfahrt, also dem Reisen durch die Erdatmosphäre. Man unterscheidet bemannte Raumfahrt, bei der Menschen die Reise in den Weltraum antreten, und unbemannte Raumfahrt, die lediglich Satelliten und Sonden in den Weltraum befördert.
Geschichte
Obwohl schon lange die Vorstellung von Reisen zum Mond oder anderen Planeten und Sternen bestand, wurde erst im 20. Jahrhundert mit der Entwicklung der Raketentechnik eine brauchbare und die bisher einzige Methode gefunden, die ausreichend lange so hohe Beschleunigung ermöglicht, dass ein Verlassen der Erdatmosphäre möglich wird. Während die Grundlagenforschung bis Anfang der 30er Jahre noch enthusiastischen Privatleuten vorbehalten war, wurde die Entwicklung zur Hochtechnologie nur in Symbiose mit militärischen Interessen und staatlicher Finanzierung möglich. Dieser Prozeß setzte zunächst im Deutschen Reich ein, das durch den Versailler Vertrag erheblichen Rüstungsbeschränkungen unterlag und in der neuen Technologie eine Möglichkeit erkannte, diese Bestimmungen zu umgehen. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges entstand so der Forschungs- und Produktionskomplex Peenemünde; in wenigen Jahren wurde die Reichweite der ersten Prototypen bis hin zur A4/V2 etwa verhundertfacht. Bereits in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges begann ein Wettlauf zwischen Sowjetunion und USA, der Jahrzehnte andauern sollte. Die Miltärstrategen und Politiker auf beiden Seiten hatten das enorme Potential der Raketentechnik erkannt und versuchten nun, nicht nur Geräte und Blaupausen, sondern auch Know-How zu erbeuten. Während die Sowjets ihr eigenes, bereits bestehendes Programm um etwa 3500 deutsche Facharbeiter sowie Konstruktionspläne der V2 erweiterten, gelang es den USA mit Wernher von Braun und dem Großteil seiner engsten Mitarbeiter die beinahe komplette Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Peenemünde in die USA zu locken. Braun, der im 3. Reich bereits Probleme bekommen hatte, weil er seine eigenen Raumfahrtträume für wichtiger als die militärischen Vorgaben gehalten hatte, folgte dieser Einladung nur allzu gerne und sollte in den folgenden Jahren an beinahe allen großen Raumfahrtprojekten der USA federführend beteiligt sein.
Im nun rasch einsetzenden Kalten Krieg kam der Raumfahrt vor allem eine massenpsychologische und propagandistische Bedeutung zu. Neben dem offensichtlichen militärischen Wert wurde sie von den Zeitgenossen vor allem als Meßlatte für die Leistungsfähigkeit und Fortschrittlichkeit der beiden konkurrierenden Systeme wahrgenommen. Der Kampf um Prestige vor der Weltöffentlichkeit einerseits und das Streben nach militärischer Überlegenheit andererseits sollten die folgenden Jahrzehnte prägen. Als Folge des sogenannten Sputnik-Schocks - der amerikanischen Öffentlichkeit wurde schlagartig bewußt, daß die Sowjetunion den technologischen Rückstand vollständig aufgeholt hatte - wurde die Raumfahrt ab Oktober 1957 auch in den USA nach Kräften gefördert. Das Gewicht des des Sputnik-Satelliten ließ mit über 80 Kilogramm keinen Zweifel am militärischen Potential der Trägerrakete: Die UdSSR besaß nun Interkontinentalraketen. In den USA wurde die Raumfahrt zunehmend zum Politikum und Wahlkampthema. Präsidentschaftskandidat John F. Kennedy kommentierte den Sputnik-Start mit den Worten: "Falls die Sowjets den Weltraum kontrollieren, dann können sie die Erde kontrollieren, so wie in den vergangenen Jahrhunderten diejenige Nation die Kontinente beherrschte, die auch die Weltmeere kontrollierte." In den späten 50er und 60er Jahren kam es zu einem regelrechten Wettkampf. Die UdSSR erbrachte dabei zahlreiche Erstleistungen, z.B. erstes Lebewesen im All (Hündin Laika, 1957), erster bemannter Raumflug (Jurij Gagarin, 1961), erste weiche Mondlandung (Luna 9, 1966), erste Raumstation (Saljut 1, 1971). Dagegen konzentrierten sich die Anstrengungen der USA unter Präsident Kennedy auf die bemannte Mondlandung, die am 16. Juli 1969 mit einer halben Milliarde TV-Zuschauer das vielleicht größte Medienereignis des Kalten Krieges war. Zeitgeist, Lebensgefühl und Fortschrittsglaube der Epoche spiegelten sich in den Worten von Neil Armstrong wieder: "Dies ist ein kleiner Schritt für einen Mann, aber ein großer Sprung für die Menschheit." Obwohl die zivile Raumfahrtbehörde NASA im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stand und steht, wurde die Entwicklung der Raumfahrt abseits der öffentlichkeitswirksamen Prestigeprojekte, die tatsächlich nur einen kleinen Teil der Geldmittel zugeteilt bekamen, ausschließlich von militärischen Erwägungen bestimmt. Etwa drei Viertel aller Satellitenstarts bis heute dienten militärischen Zwecken. Die USA verfügten seit 1959 über Aufklärungssatelitten, seit 1960 über Wetter-, Navigations- und Frühwarnsatelliten. Der erste geostationäre (also pausenlos sendende) Kommunikationssatellit war Syncom 2, der ab 1963 von der US-Marine im Indischen Ozean genutzt wurde.
Das beiderseits stetig anwachsende Atomwaffenarsenal mündete schließlich im nuklearen Patt. Ein Atomkrieg konnte offensichtlich von keiner Seite mehr gewonnen werden. Dieser höchst bedrohliche Aspekt der Raumfahrt, der sich ab den 70er Jahren auch in einer immer stärker werdenden Friedensbewegung niederschlug, hatte eine Reihe von Abrüstungsverträgen (START-Verträge) und Abkommen zur Begrenzung strategischer Waffensysteme (ABM-Vertrag) zur Folge. Bereits 1967 waren die beiden Supermächte in einem ersten Weltraumvertrag übereingekommen, allgemeine Rechtsgrundsätze auf den Weltraum auszudehnen und den Weltraum ausschließlich zu friedlichen Zwecken zu nutzen. Letztere Formulierung richtete sich vor allem gegen die Stationierung von Atomsprengköpfen in der Erdumlaufbahn, die im Vergleich zu Interkontinentalraketen eine enorm verkürzte Vorwarnzeit haben und so das nukleare Patt ins Wanken bringen könnten. Der ABM-Vertrag, der die Entwicklung von see-, luft- oder weltraumgestützten Raketenabwehrsystemen verbot und erst 2002 von US-Präsident George W. Bush gekündigt wurde, zielte ebenfalls darauf ab, das Gleichgewicht von jeweils vernichtendem Erstschlagspotential und Zweitschlagsreservoire zu erhalten.
Die Sowjetunion führte ihre bereits in den 60er Jahren begonnen Forschungen an Kopplungsmanövern, Langzeitflügen und Weltraumausstiegen von Kosmonauten über die erste Raumstation "Saljut 1" weiter bis zu gemeinsamen Kopplungsmanövern mit den USA 1975 und schließlich zur permanent bemannten Raumstation "MIR" (dt. "Friede"), die von 1986 bis 2001 mehr als 100 Raumfahrer beherbergt hat und deren Name demonstrativ den Geist des Abkommens von 1967 betonte.
Ab den 70er Jahren spielte die Kommerzialisierung der Raumfahrt bzw. aus der Raumfahrtforschung hervorgegangener Technologien eine immer größere Rolle. Als Beispiele seien Nachrichten- und TV-Satelliten sowie Teflon-Bratpfannen, CD-Player und zahllose mikroelektronische Anwendungen genannt.
Erst in den 1980er Jahren erlangten auch Europa und Japan eine zunehmende Bedeutung in der Raumfahrt. So ist Europa mit der Ariane-Rakete beherrschend beim Transport von kommerziellen Satelliten in den Weltraum. Daneben plant die Europäische Union ein Weltraumprogramm aufzulegen. Seit längerem hat auch China die Raumfahrt verstärkt gefördert und steht nach eigenen Angaben kurz davor neben Russland und den USA als drittes Land bemannte Raumflüge durchführen zu können. Weitere Informationen über die historische Entwicklung gibt der Artikel Geschichte der Raumfahrt.
Zukünftige Entwicklung
Die Raumfahrt steht technisch immer noch am Beginn. Technologien, wie der Weltraumlift sollen künftig die Startkosten senken und der Raumfahrt zum Erfolg verhelfen, andere Techniken, wie Generationenraumschiffe, Ionentriebwerke oder Sonnensegel sollen der Menschheit den interplanetaren Raum und eines Tages vielleicht sogar andere Sonnensysteme erschließen. Große Erwartungen setzt man auch in Entwicklungen, wie den kommerziellen Weltraumtourismus und andere Kommerzialisierungsversuche. Ab 2005 soll mit der ISS wieder eine Raumstation in Betrieb genommen werden, die ein Gemeinschaftsprojekt von Rußland, USA, Kanada, Japan und 11 europäischer Staaten ist.
Weiterführende Begriffe
- Allgemeine Begriffe: Raumfähre -- Raumfahrer -- Raumflugzeug -- Raumstation -- Raumschiff -- Satellit -- Sonde -- Sojus
- Wichtige Raumfahrtprogramme/projekte: Apollo Projekt -- Gemini Projekt -- Internationale Raumstation ISS -- Raumstation Mir -- Sojus -- Space Shuttle -- Sputnik
Raumfahrtagenturen
- Chinesische Raumfahrtagentur ( http://www.cnsa.gov.cn/main_e.asp )
- Europäische Raumfahrtagentur ESA ( http://www.esa.int )
- Russische Luft- und Raumfahrtagentur RAKA ( http://www.rosaviakosmos.ru/english/eindex.htm )
- US-Raumfahrtagentur NASA ( http://www.nasa.gov )
- Raumfahrtbüro der Europäischen Union ( http://europa.eu.int/comm/space/index_en.html )