Sandmännchen

westdeutsche Kindersendung
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Der Sandmann und das Sandmännchen sind Stop-Motion-animierte Trickfilm-Puppen, die in abendlichen Fernsehsendungen der Regionalprogramme der ARD und im Fernsehen der DDR gezeigt wurden. Beide zeigten zwischen Vor- und Abspann einen kindgerechten Kurzfilm. Das Sehen dieser Sendung war und ist in vielen deutschen Haushalten ein Ritual vor dem Zubettgehen.

Der Sandmann als Wandbild in einem Kindergarten (DDR), 1986
Datei:DPAG 2009 Jugend Sandmännchen2.jpg
Deutsche Briefmarke von 2009 aus der Zuschlagmarkenserie „Für die Jugend“: 50 Jahre unser Sandmännchen.

Nur der Sandmann des DFF überlebte die deutsche Wiedervereinigung. Inzwischen wird er gewöhnlich um 17:55 Uhr im RBB und um 18:50 Uhr im MDR und im KI.KA gesendet. Er basiert auf der literarischen Figur des Sandmanns, die schon seit Jahrhunderten aus verschiedenen Erzählungen bekannt ist, zum Beispiel von E.T.A. Hoffmann, auch Hans Christian Andersens Ole Lukøje. Von 1959 bis 1990 gab es zwei verschiedene Sandmännchen in den TV-Sendern des geteilten Deutschlands, die einiges gemeinsam hatten. Sowohl in Ost als auch West wurde es als kleiner Mann mit weißem Bart und Zipfelmütze dargestellt. Es erscheint in einer Rahmenhandlung vor bzw. nach einem Kurzfilm und streut am Ende jeder Sendung seinen Schlafsand, um den Kindern angenehme Träume zu schenken. Ab 1991 wurde nur noch die Ost-Version des Sandmanns fortgesetzt.

Gemeinsame Anfänge

Kindern Gutenachtgeschichten vorzulesen war und ist eine Tradition. Auch Radiosender griffen sie in der Nachkriegszeit auf. Abendlied hieß Dr. Ilse Obrigs Radiosendung im Berliner Rundfunk. Im DFF wurde 1958 der Abendgruß daraus. Die Idee zu einem Fernseh-Sandmann hatte die Urheberin, vom DFF zum westlichen Sender Freies Berlin gewechselt, Anfang 1958. Gemeinsam mit der Puppengestalterin und Autorin Johanna Schüppel entwickelte Ilse Obrig eine einfache kleine Handpuppe. Doch bevor Sandmännchens Gruß für Kinder am 1. Dezember 1959 auf den SFB-Bildschirm trat, sendete der DFF am 22. November 1959 Unser Sandmännchen – die dortigen Fernsehmacher hatten von einem West-Sandmännchen erfahren. Am 29. Oktober 1962 erschien das West-Sandmännchen auch in NDR, SFB und HR. Herbert K. Schulz produzierte es bis 1985 in ca. 80 Folgen (und ca. 1500 Filme für die Gutenachtgeschichten). In den 1960er und 70er Jahren strahlte der WDR in seinem 3. Programm ebenfalls eine Sandmännchen-Sendung aus.

Dreißig Jahre lang gab es zwei bzw. drei Sandmännchen – eines für den Osten und eines bzw. zwei für den Westen, wo Gina Ruck-Pauquèt für viele Geschichten verantwortlich zeichnet.

Sandmännchen Ost

 
Gerhard Behrendt mit Sandmännchenpuppe, 1979
 
25. Geburtstag des Sandmännchens, Bild aus dem Bundesarchiv

Als die Fernsehmacher in Berlin-Adlershof unter dem damaligen Fernsehchef Walter Heynowski von einem West-Sandmännchen gehört hatten, musste der Bühnen- und Kostümbildner Gerhard Behrendt (1929-2006) die gewünschte Sandmann-Figur in nur zwei Wochen mit aufwendiger Trickfilmtechnik zustande bringen. Die Kulissen und die zahlreichen Fahrzeuge baute Harald Serowski. Das Studio war bis zur Wende in Berlin-Mahlsdorf.

Nach getaner Arbeit schlief der Sandmann in der ersten Folge an einer Straßenecke ein. Die Ausstrahlung dieser Szene – es war Ende November – führte zu Protesten von Eltern. Viele Kinder sollen dem Sandmännchen in Briefen ihre Betten angeboten haben.

Im Sommer 1960 bekam er seine endgültige Form mit dem bis heute typischen Bart. Danach entstanden Sandmännchen-Folgen mit vielfältigem Inhalt – Alltagsszenen, Reisen des Sandmännchens in ferne (meist sozialistische) Länder und auch ins Weltall (unter anderem reiste der Sandmann mit dem Lunochod auf den Mond), Märchenszenen, aber auch Szenen mit starkem politischen Inhalt, etwa Besuche des Sandmännchens bei der Nationalen Volksarmee, den Grenztruppen an Oder und Neiße oder im Pionierferienlager. Das Sandmännchen hatte einen reichhaltigen „Fuhrpark“ mit teilweise sehr konventionellen, teilweise auch sehr futuristischen Fahrzeugen.

In allen Geschichten des Ost-Sandmännchens kommt ein bildgebendes Gerät oder ähnliches vor, auf das am Ende der Begrüßung des Sandmännchens herangezoomt wird, womit die tägliche Gutenachtgeschichte beginnt. Früher (bis einige Jahre nach der Wiedervereinigung) erschien zu Beginn der Geschichte in Schulausgangsschrift das Wort Abendgruß auf dem Bildschirm.

Am Ende einer jeden Folge streute der Sandmann den Kindern noch eine große Handvoll Schlafsand in die Augen und winkte zum Abschied.

Der eigentliche Abendgruß

In den Filmen (Abendgruß), die von der Rahmenhandlung eingeschlossen waren, erschienen zahlreiche Figuren: zum Beispiel Pittiplatsch und Schnatterinchen (ein Kobold und eine Ente) sowie Moppi (ein Hund), Herr Fuchs und Frau Elster, Flax und Krümel, Kasperle und Gretel, Annemarie und Brummel, Pünktchen und Felix, Rolf und Reni, Borstel (ein Igel), oder später Plumps (ein Wasserkobold) und das Küken erlangten Kultstatus. Andere waren zum Beispiel Meister Briefmarke, Tadeus Punkt und Struppi oder Frau Puppendoktor Pille (die zu Elternbeschwerden wegen des Reimes „Frau Puppendoktor Pille mit der großen klugen Brille“ führte, weshalb dieser zu „mit der großen runden Brille“ abgeändert wurde). Viele dieser Gestalten kamen auch in anderen Kindersendungen des DDR-Fernsehens wie Zu Besuch im Märchenland vor.

Die Abendgrußgeschichten folgen einem festen Wochenplan: bis zur Wende nur wenig – heute, je nach Sender, stärker verändert. Manche Abendgrüße blieben über Jahrzehnte immer am gleichen Wochentag (zum Beispiel am Freitag, Samstag und Sonntag). In den 1980er Jahren präsentierte sich der Wochenplan der Geschichten in etwa so:

  • Mo: unterschiedlich (80er Jahre: Verkehrskompass (Kinderversion) mit Stiefelchen & Kompasskalle)
  • Di: Geschichten erzählen von Freude und Fleiß – Berufe werden kindgerecht vorgestellt
  • Mi: unterschiedlich (80er Jahre: Frau Puppendoktor Pille, Pünktchen und Felix, Taddeus Punkt, Gertrud und Buddelflink)
  • Do: Plumps
  • Fr: Liederspielplatz – Kindergartenkinder spielen und singen
  • Sa: Pittiplatsch und Schnatterinchen im Märchenland mit Moppi
  • So: Herr Fuchs und Frau Elster

Das Sandmann-Lied im Osten

Der Komponist Wolfgang Richter hatte – in der großen Eile, in der die Sendung vorbereitet wurde – sich den Text, der von Walter Krumbach stammt, angeblich am Telefon diktieren lassen und die Melodie an nur einem Abend geschaffen. Von Experten wurde das Lied[1] als zu kompliziert für Kinder angesehen und war daher eigentlich nur als Notlösung gedacht.

Sandmännchen West

Das Sandmann-Lied im Westen

Die Melodie schrieb Kurt Drabek, der Text stammt von Helga Mauersberger[2] vom Norddeutschen Rundfunk, die auch für die Produktion des Formats verantwortlich war. Die einzelnen Folgen wurden bis 1985 von der von Herbert K. Schulz geleiteten Firma „cinetrick“ produziert.[3]

Anfang der 1980er entstand noch ein zweites, instrumentales Sandmännchen-Lied, das bei neuen Sandmännchen-Produktionen zum Einsatz kam, die bis 1989 produziert wurden.

Das Sandmännchen kam mit einer Wolke eingeschwebt, oder auch mit einem Fluggerät, dessen orangefarbene Karosserie dem Rennwagen Porsche 908/03 nachempfunden war. Die Sandmännchen-Puppe wurde von Rosemarie Küssner animiert.[4]

In Österreich gab es zwar dieselbe Figur, aber statt eines „Sandmännchen-Lieds“ kam das in der Alpenrepublik „Betthupferl“ genannte Wolkenwagerl-Männchen zu Wolfgang Amadeus Mozarts Klaviersonate in A-Dur, KV 331, 1. Satz, Anfang adante grazioso, vermutlich 1781 komponiert, ins 1960er- und 1970er-Wohnzimmer gereist. Die Kinder sollten auch nicht „fein“ achtgeben, sondern „gut“, und am Schluss hieß es „Auf Wiedersehn und Gute Nacht“.

In den Kurzfilmen des westdeutschen Sandmännchens traten zum Beispiel Figuren auf wie Piggeldy und Frederick, die beiden Schweine. Hierbei wurde eine Frage des neugierigen, jüngeren vom Großen erzählerisch beantwortet, beginnend mit der Standard-Einleitung „Nichts leichter als das!“. Die Geschichte endete jeweils mit dem Schluss „… und Piggeldy ging mit Frederick nach Hause“.

Auch die Augsburger Puppenkiste (mit Figuren wie Tintenfisch Klecksi, den Almbewohnern Beppo und Peppi, den Rittern Kunibert und Heiner sowie Ansagerin Hilde Nocker mit Teddy und Puppi), dann Janosch, Gina Ruck-Pauquèt und James Krüss lieferten Beiträge. In den 1970er Jahren gab es zudem im WDR auch eine Sendung mit dem Titel Sandmännchen international, in der die Rahmenhandlungen nicht als Puppentrick, sondern mit realen Darstellern gedreht worden waren. Zwischen 1982 und 1987 drehte der Puppenspieler Rudolf Fischer 60 Episoden der Filmreihe "Felix und Felizitas" als Mischung aus Handpuppen-, Marionetten- und Maskenspiel; sämtliche Figuren befinden sich heute in der Sammlung des Puppenpavillon Bensberg und sind zum Teil noch auf der Bühne im Einsatz.

Nach der Deutschen Einheit

Im Zuge der Wende wurde der DFF-Sandmann 1990 eingestellt, doch nach Protesten von Eltern und Kindern schon nach kurzer Zeit wieder ins Programm genommen. Auch als der DFF 1991 seinen Sendebetrieb einstellte, blieb der Abendgruß den Zuschauern erhalten.

Produziert wurde der Sandmann nach der Wende von der neu gegründeten Sandmann Studio Trickfilm GmbH, die erst noch in den alten Studios in Mahlsdorf produzierte, dann nach Adlershof und schließlich in den Filmpark Babelsberg in ein gläsernes Studio umzog.

Im Rahmen der Aufgabenteilung innerhalb der ARD wurde der RBB (Familienprogramm-Redakteurin: Anne Knabe) mit dem Sandmann betraut. Es werden auch weiterhin Folgen produziert, mit deutlicher Betonung der Ost-Tradition. Das West-Sandmännchen, welches von den verschiedenen regionalen Rundfunkanstalten der ARD produziert worden war, verschwand nicht zuletzt aus Kostengründen. Auszüge des West-Sandmännchens sind auf VHS und DVD erhältlich.

Heute läuft der Sandmann im MDR, im RBB und vor allem im Kinderkanal KI.KA. Zu den altbekannten Figuren des Ost-Sandmanns wie Pittiplatsch und Schnatterinchen oder Herrn Fuchs und Frau Elster gesellten sich neue Figuren wie Kalli, Die drei kleinen Spürnasen, Die obercoole Südpolgang, Ebb und Flo, Rabe Socke, Miffy und Der kleine König. Auch Figuren des westdeutschen Sandmännchens wie Piggeldy und Frederick wurden ins Programm des vereinigten Sandmanns integriert. Die Rahmenhandlungen mit dem Sandmann werden nicht mehr als reine Puppentrickfilme, sondern mit Hilfe von Computeranimationen produziert, und verlagern sich zunehmend ins Reich der Kinderzimmer-Fantasien.

Im Filmpark Babelsberg war 12 Jahre lang dem Sandmann, seiner Geschichte, seinen Fahrzeugen und den oben genannten Gestalten aus dem Märchenwald eine eigene große Ausstellung gewidmet. Seit Herbst 2009, anlässlich des 50. Geburtstags des Sandmanns, befindet sich die Ausstellung im Filmmuseum Potsdam.

2006 erwarb der Kinderkanal des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira 78 Sandmann-Folgen vom RBB. Allerdings beendete Al-Dschasira die Abnahme des Sendematerials im Zusammenhang mit dem Streit um die Islam-Äußerungen von Papst Benedikt XVI. [5]

Im September 2010 wird zum 50. Geburtstag des Sandmanns nun auch ein Kinofilm mit dem Titel Der Sandmann und der verlorene Traumsand in die Kinos kommen. Produziert wird er von der Scopas Medien AG zusammen mit dem RBB und MDR. Das Drehbuch zum Film schrieben Katharina Reschke und Jan Strathmann, die für ihr Drehbuch 2008 den hessischen Drehbuchpreis gewannen[6] sowie für den Deutschen Animationsdrehbuchpreis 2009 nominiert wurden[7].

Bedeutung

 
Sandmann auf der Rathausbrücke in Erfurt (Sitz des KI.KA)

Für die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist jeweils „ihre“ Variante des Sandmännchens bzw Sandmanns ein liebgewonnener Teil der Kindheit, für viele auch beide Versionen.

Als Sigmund Jähn 1978 als erster Deutscher ins Weltall flog, führte er auch eine Sandmann-Puppe mit. Sein sowjetischer Kollege brachte die sowjetische Fernsehpuppe Mascha mit, die beiden Kosmonauten feierten an Bord der Raumstation spontan eine „Puppenhochzeit“. Die Vertreter des DDR-Fernsehens bemerkten entsetzt, das Sandmännchen dürfe doch keine Frau haben.

Bei den Kindern in beiden deutschen Staaten waren das Sandmännchen des eigenen bzw. des anderen Senders sehr beliebt. Dies führte in den Kindergärten der DDR vereinzelt zu Ausforschungen der Kinder. Wenn die Kinder in den DDR-Kindergärten das Sandmännchen beschreiben oder malen sollten, wurde schnell klar, welches Fernsehprogramm im Elternhaus gesehen wurde.

Nach der Wende wurde der Ost-Sandmann ähnlich wie das Ampelmännchen zu einem wichtigen Werbeträger der Ostalgie-Welle. Es gibt heute zahlreiche Merchandising-Produkte (einige gab es bereits in der DDR), und mehrere ostdeutsche Firmen bewarben und bewerben ihre Produkte mit dem Ost-Sandmann. So produzierte die Thüringer Molkereifirma Osterland in den 1990er Jahren Abendgruß-Kinderjoghurt, auf dessen Deckeln verschiedene Sandmann-Motive zu sehen waren. Mitte der 1990er Jahre erschienen unter dem Titel Sandmanns Dummies mehrere CDs, auf denen markante Sprüche von DDR-Figuren mit Techno unterlegt wurden. Darunter waren auch die CDs Ach du meine Nase mit Pittiplatsch und Schnatterinchen sowie Der Fuchs geht durch den Wald mit Herrn Fuchs und Frau Elster. Daneben gibt es auch eine Postkartenserie mit dem Titel Der Sandmann auf Reisen, auf denen eine Sandmannfigur mit so bedeutenden Sehenswürdigkeiten wie dem Grab von Karl Marx zu sehen ist.

Seinem Status als Ost-Symbol verdankt der Sandmann auch einen Auftritt im Film Good Bye, Lenin! Unter anderem sind Originalaufnahmen von der Puppenhochzeit des Sandmanns im Weltraum zu sehen.

Literatur

Video

  • Gerhard Behrendt (Regie): Wo wohnt der Sandmann? Mit einem Abenteuer von Plumps, Folge 3. In: Unser Sandmännchen, Folge 1 - 3. Karussell-Musik-und-Video-GmbH / Pocket-Money-Video, Hamburg 1995 (VHS-Videokassette, 50 Minuten).
  • Gerhard Behrendt (Regie): Unser Sandmännchen. Traumbox. Sony Music Entertainment, München 2008 (174 Minuten, 3 DVDs). und zahlreiche andere DVD-Folgen

Einzelnachweise

  1. Notenblatt des Sandmännchen-Liedes (Ost)
  2. [1]
  3. [2]
  4. [3]
  5. Netzeitung, 26.09.2006
  6. Hessischer Drehbuchpreis des Hessischen Filmpreises
  7. DEUTSCHER ANIMATIONSDREHBUCHPREIS 2009
Commons: Sandmännchen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien