Paris im Mittelalter

Überblick über Paris im Mittelalter
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. Juli 2006 um 12:03 Uhr durch Br (Diskussion | Beiträge) (...: weiteres). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Das Mittelalter war für Paris die Zeit, in der die Stadt als Residenz der kapetinginischen Könige von Frankreich zur Metropole aufstieg, um sich gegen Ende des Hundertjährigen Krieges als administratives und wirtschaftliches Zentrum Frankreichs etabliert und vom Königtum emanzipert zu haben.

Vorgeschichte

Lutetia wurde etwa im 3. Jahrhundert v. Chr. als Handels- und Militärstützpunkt am Übergang einer von Norden nach Süden führenden Straße über die Seine, auf einer in diesem Fluss liegenden Insel, der Île de la Cité, die den Übergang begünstigte, gegründet. Diese Straße ist auf der Insel die heutige Rue de la Cité (im folgenden werden die aktuellen Straßennamen benutzt), die nach Norden in die Rue Saint-Martin (weiter stadtauswärts Rue du Faubourg Saint-Martin) mündet und nach Süden in die Rue Saint-Jacques.

An die holzbefestigte gallische Stadt auf der Seineinsel schloss sich in der gallorömischen Epoche am linken Ufer der Seine (Rive gauche) rund um die Rue Saint-Jacques eine offene Siedlung an. Nach den ersten Bedrohungen durch die Völkerwanderung wurde Ende des 3. Jahrhunderts eine gemauerte Umfriedung um die Cité errichtet, bei der die römische Brücke, die die Cité mit dem rechten Seineufer (Rive droite) und der Rue Saint-Martin verband, an ihrem nördlichen Ende wiederum durch ein Kastell (Châtelet – die heutige Place du Châtelet mit der Metrostation und dem danach benannten Theater liegt etwa 150 Meter weiter flussabwärts) geschützt wurde. Es entwickelte sich ein Hafen und Lutetia wurde zu einer regionalen Metropole. Die offene Siedlung am linken Ufer wurde im 3. Jahrhundert durch die Völkerwanderung zerstört. In dieser Zeit nahm Lutetia den Namen Paris an.

Paris zur Zeit der Merowinger und Karolinger

In der fränkischen Zeit ragt Paris noch kaum über die Insel hinaus, nur einige Bauten wurden außerhalb errichtet. Die großen Klöster auf den linken Flussufer entstanden, Sainte-Geneviève (damals noch Apostelkirche genannt, die Stadtheilige Genoveva von Paris starb erst 512, und erst im 9. Jahrhundert wurde de Anlage nach ihr benannt) und Saint-Marcel im Süden, Saint-Germain-des-Prés im Westen. Chlodwig I. († 511) wählte Sainte-Geneviève aus, um begraben zu werden. Paris wurde die Residenz von Chlodwigs Sohn Childebert I. († 558), und beim Tod Chariberts I. 567 war Paris allgemeine Hauptstadt der merowingischen Könige. Die Synode von 614, die zum Edictum Chlotharii führte, fand hier statt. Dagobert I. († 639) residierte in der Festung auf der Cité, und die Wiedervereinigung der fränkischen Teilreiche unter Chlothar II. († 629/639) vollzog sich ebenfalls hier. Das linke Flussufer war nun erneut besiedelt, hier fand man acht der dreizehn merowingischen Friedhöfe, die übrigen fünf befinden sich auf der Insel.

Unter den Karolingern, deren Bindungen eher in Austrasien zu suchen sind, lag Neustrien – und damit auch Paris – nicht mehr im politischen Zentrum: die Festung wurde lediglich von einem Grafen gehalten. Dennoch fand 829 in Paris noch eine der Synoden statt, die Ludwig der Fromme einberief, um die Nachfolge Karls des Kahlen, seine Sohnes aus zweiter Ehe, vorzubereiten. Karl der Kahle selbst kam nur noch zwei Mal nach Paris.

Der Aufstieg der Kapetinger

Das Schicksal der Stadt nahm eine entscheidende Wende mit der Ankunft der Normannen und mit den neustrischen Grafen, die die Verteidigung organisierten. Die Normannen tauchten erstmals im März 845 vor der Stadt auf, verwüsteten die Umgebung und zogen wieder ab, nachdem der Karl der Kahle ihnen ein Lösegeld gezahlt hatte. Sie kamen 856, 865 und 866 zurück, besetzten die Stadt diesmal und verließen sie wieder unter ähnlichen Konditionen wieder. Karl der Kahle befahl schließlich die Wiederrichtung der römischen Stadtmauer der Cité und die Befestigung der Brücken.

Ab diesem Moment spielte der Graf von Paris eine derart wichtige Rolle im Westfrankenreich, dass Graf Konrad († nach 862) aus dem Haus der Welfen – gemeinsam mit Gauzlin († 886), dem Abt von Saint-Germain-des-Prés – in die Versuche Ludwigs des Deutschen (um 806-876) eingreifen konnte, den nach dem Tod Ludwigs des Stammlers (879) vakanten Thron zu übernehmen.

Die Normannen tauchten im November 885 erneut vor der Stadt auf und belagerten sie bis März 886 (siehe Belagerung von Paris (885-886)). Die Stadt wurde von Gauzlin verteidigt, der seit 884 Bischof von Paris war, seinem Nachfolger als Abt von Saint-Germain-des-Prés, Ebalus, und von dem neuen Grafen Odo von Paris (um 865-898), der auf Empfehlung Gauzlins ernannt worden war, dem ältesten Sohn von Robert dem Starken (X 866) – die Kapetinger betraten die Bühne der Stadt. Am Ende erreichte das Geld Karls des Dicken (839-888) den Abzug der Normannen.

In dieser Zeit entwickelten sich rund um die Klöster erste Vorstädte, Faubourgs. Die Faubourg Saint-Marcel im Südosten war ab dem 6. Jahrhundert befestigt, verschwand im 9. Jahrhundert wieder und wurde im 10. Jahrhundert neu gegründet. Der Vorort Saint-Germain-des-Prés weiter westlich entwickelte sich im 9. Jahrhundert. Am rechten Ufer wuchsen in der gleichen Zeit zwei Siedlungen heran, Saint-Germain-l’Auxerrois westlich der Nord-Süd-Achse und unmittelbar östlich des Louvre, und Saint-Gervais (heute ein Quartier im 4. Arrondissement (Hôtel de Ville)), die vom Wiedererstarken des Flusshandels profitieren. Weiter an der Straße nach Norden entstand die Ortschaft Saint-Martin-des-Champs (heute im 3. Arrondissement (Temple)).

Die Wahl Odos zum König des Westfrankenreichs wird zum Glücksfall für Paris. Die Stadt ist nun gemeinsam mit Orléans einer der Fixpunkte der Domaine royal der Familie Hugo Capets (941-996). Ohne schon eine richtige Hauptstadt zu sein, wird Paris die bevorzugte Residenz der Könige Odo, des früheren Grafen von Paris, Robert I. (866-923) und Hugo Capet. Gefährdet wird die Entwicklung noch einmal, als Hugo Capet Paris aus Dankbarkeit für die Unterstützung bei seinem Aufstieg seinem wichtigsten Ratgeber übergibt, dem Grafen Burchard der Ehrwürdige von Vendôme († 1007), der die Stadt an seinen Sohn vererbt, Rainald, Bischof von Paris seit 991. Mit Rainalds Tod 1016 fällt Paris dann endgültig an die Krone zurück. Ab nun gibt es in Paris keine Grafen mehr, lediglich Vizegrafen (Vicomtes) und später Vögte (Prévôts).

Paris wird das Zentrum Frankreichs

Wie Aachen bei den Karolingern, war Paris nun das Symbol für die Kapetinger geworden – der zusammengebrochene Feldzug Kaiser Ottos II. (955-983) 978 richtete sich gegen Paris und brach vor der Stadt zusammen. Die ersten Kapetinger machten aus Paris ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort, und es war auch die einzige Stadt, die sie so behandelten, da sie den Rest ihrer Zeit nicht in anderen Städten sondern auf den Burgen der Domaine royal verbrachten. Das Palais in der Cité wurde zu Beginn des 10. Jahrhunderts von Robert dem Frommen (972-1031) neu errichtet. Zu dieser Zeit wurde dann auch die römische Brücke abgerissen. Es blieb nun lediglich westlich der römischen die befestigte Große Brücke (Grand Pont), die vermutlich Ende des 9. Jahrhunderts gebaut worden war.

...

Die Straßen und die Seinebrücken

 
Paris beim Regierungantritt Philipps II. (1180)

Die verkehrstechnische Lage von Paris wird durch die Topographie bestimmt: der Übergang über einen Fluss mittels einer Insel, eine Kreuzung von Verkehrswegen Nord-Süd und West-Ost. Aber die Hauptstraße am rechten Ufer, die der Beginn der Straße nach Flandern ist und am Grand-Pont (dem heutigen Pont au Change) endet, die Rue Saint-Denis, hat keine direkte Verbindung mit der Hauptstraße des linken Ufers, die der Beginn der Straße nach Orléans und Burgund ist und am Petit-Pont beginnt, der Rue Saint-Jacques. Das Ergebnis ist ein Bruch der Nord-Süd-Achse und ein schwieriges Wandern durch die vielen engen Querstraßen der Cité oder des Rive droite – die Verlängerung der nördlichen Strecke ist der Boulevard du Palais, die der südlichen dessen Parallelstraße, die Rue de la Cité. Wegen der Verbesserung dieser Situation ließ der Bischof Maurice de Sully um 1165, als die Bauarbeiten an der neuen Kathedralen begannen, die Rue Neuve-Notre-Dame durchbrechen (die es heute – zumindest unter diesem Namen – nicht mehr gibt). Zusätzlich kreuzt die Nord-Süd-Achse keine vergleichbare West-Ost-Hauptstraße, die Paris bis zu den Eingriffen Baron Haussmann (1809-1891) auch nicht haben wird (auch das gallorömische Lutetia hatte keine Straße senkrecht zur Hauptachse), hingegen eine Unmenge von engen Gassen parallel zur Rue Saint-Honoré und Rue Saint-Antoine, das heißt, die Überlandstraßen in die Normandie und die Champagne. Diese aufgeteilte Pariser Kreuzung ist zudem schlecht an die wirtschaftlichen und politischen Zentren, das Palais und die Hallen, den Hafen und die Place de Grève, angebunden. Paris ist folglich seit dem 13. Jahrhundert eine Beute von schwierigen Verkehrssituationen.

Der Bau neuer Brücken verbessert die Situation ein wenig am Ende des Mittelalters. Wohl bis zum 9. Jahrhundert existierte die alte römische Brücke noch, danach hatte Paris bis zum 14. Jahrhundert nur zwei Holzbrücken, den Grand-Pont zum rechten und den Petit-Pont zum linken Ufer. 1379 ergänzte man den Petit-Pont und verband so die Cité mit dem linken Ufer durch eine Steinbrücke, den Pont Saint-Michel an der Mündung der Rue de la Harpe und der Rue Saint-André-des-Arts. Die Holzbrücken waren stark bebaut – 140 Häuser und 112 Läden auf dem Grand-Pont – und mit Mühlen noch beschwert, und wurden mehrfach durch Hochwasser und Eisgang weggeschwemmt: der Petit-Pont bracht 1393 zusammen, im Januar 1408 wurden beide Brücken des kleinen Seinearms (Petit-Pont und der relativ neue Pont Saint-Michel Opfer der Naturgewalten, wodurch die Stadt faktisch zweigeteilt wurde. Die weggerissene Steinbrücke wurde dann als Holzbrücke wieder ersetzt.

 
Paris in der Schedelschen Weltchronik (1493)

Es dauerte bis zum Hochwasser von 1499, bis am großen Seinearm der Pont Notre-Dame etwas oberhalb des Grand-Pont an der Stelle der Jahrhunderte zuvor abgerissenen römischen Brücke als Steinbrücke zusätzlich errichtet wurde, die alte Nord-Süd-Straße endlich wieder durchgängig war, und es jetzt vier Brücken über die Seine gab. Hier gab es zuvor noch eine Fußgängerbrücke, die Planche Mibray, die eine Mühle trug und als Bootsanleger für die Fischer diente, aber nicht die Cité mit der Rue Saint-Martin verband, wodurch sie ihrer alten Rolle innerhalb der Nord-Süd-Achse beraubt war. Sie wurde erst bis auf die Insel verlängert, dann durch eine richtige Brücke, den Pont Notre-Dame ersetzt.

Weiter flussabwärts schließlich stellten Fährleute das Übersetzen von Personen und Waren zwischen dem Louvre und der Tour de Nesle sicher. Die Vermehrung der Übergänge darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Brücken die Treffpunkte und handwerklichen und wirtschaftlichen Zentren sind, und daher ständig verstopft waren. Der Verkehr auf dem Fluss schließlich wurde durch Mühlen und Fischer in den seitlichen Brückenbögen behindert.

...