Allgemeines
Ein Wasserrohrkessel ist eine Dampfkesselbauart. Er zeichnet sich dadurch aus, dass das Wasser in den Rohren geführt wird. Der Wasserrohrkessel kann als Dampf- oder Heißwassererzeuger eingesetzt werden. Im Bereich von Gas- und Ölfeuerungen mit Dampfleistungen bis 25 t/h und Drücken bis 32 bar werden bei Neuanlagen nur noch Großwasserraumkessel eingesetzt, da die Kessel beim Hersteller betriebsfertig und rationeller hergerichtet werden können.
Für höhere Drücke können Großraumwasserkessel nicht mehr eingesetzt werden. Die Rohre im Wasserrohrkessel haben wesentlich geringere Durchmesser als der Mantel von Großraumwasserkesseln, so dass hier wesentlich geringer Rohrwandstärken zur Aufnahme des Innendruckes ausreichen.
Entwicklung
1874 baute ließ Wolcox des ersten Sektionalkessel patentieren. Die damalige Dampfleistung betrug 2,4 t/h. Wesentliche Voraussetzung für die weitere Leistungssteigerung war die die Entwicklung des nahtlosen Rohrs durch die Gebrüder Mannesmann im Jahr 1886.
Der Teilkammersektionalkessel um 1900 besteht aus einem gemauerten Feuerungsraum, in dem steigend die Verdamperrohre angeordnet sind. Die Rauchgase werden durch die eingebrachte Ausmauerung schräg zur der Achse der Verdampferrohre geleitet. Die Verdampferrohre münden in der Trommel, die auf dem Mauerwerk aufgesetzt ist. Die Fallrohre sind in dem hinteren zu den Rauchgasen abgeschotteten Bereiche des Feuerungsraumes angeordnet.
1918 wurde Kohlenstaub im Dauerbetrieb für die Befeuerung eines Wasserrohrkessels erstmalig eingesetzt. Im Laufe der weiteren technischen Entwicklungen wurden 1927/28 Betriebsdrücke von 100 bar erreicht. Eine weitere Anhebung der Betriebsdrücke an Naturumlaufkesseln wird durch die steigende Wandstärke der Trommeln begrenzt. In der Folge wurden daher Wasserrohrkesselbauarten entwickelt, die keine Trommel benötigen (Zwangsdurchlaufkessel).
Die technische Grenzen der Dampferzeugung liegen bei Drücken von 300 bar im überkritischen Bereich von Wasser und bei Überhitzungstemperaturen von 600°C, wobei die Dampfleistung im Laufe der Entwicklung stark anstieg auf bis zu 2.000 Tonnen Dampf pro Stunde.
Bauformen
Nach Bauformen unterscheidet man
- Naturumlaufkessel die nur mit der Speisepumpe mit Wasser vom Kondensator beschickt werden, und in denen das Wasser zwischen den oberen und unteren Sammelbehältern auf natürliche Weise zirkuliert,
- Zwangsumlaufkessel, bei denen die Wasserzirkulation von einer Umwälzpumpe sichergestellt wird,
- Zwangsdurchlaufkessel, in denen das Wasser in einer Richtung durch das Rohrsystem gepumpt wird.
Dampferzeugung im TS-Digramm
Die Leistung eines Dampferzeugers steigt mit zunehmendem Druck und Temperatur und den somit erzeugten Dampfmengen. Das TS-Diagramm zeigt die typischen Zustandsänderungen von Wasser und Wasserdampf in einem Wasserrohrkessel:
- 1 - 2: Förderung des flüssigen Wassers mit der Speisepumpe in das Rohrbündel
- 2 - 3: Wärmezufuhr bis zum eingestellten Verdampfungsdruck und der zugehörigen Verdampfungstemperatur
- 3 - 4: Vollständige Verdampfung des Wassers bei konstantem Druck
- 4 - 5: Überhitzung des entstandenen Wasserdampfes bei konstantem Druck
Ein weiterer Vorteil von Wasserrohrkesseln gegenüber Großraumwasserkesseln ist die geringe Wassermenge, die im System zirkuliert. Nachteilig dabei ist allerdings, dass ein derartiges System permanent und entnahmeabhängig nachgefüllt (nachgespeist) werden muss. Ein "Leerdampfen" des Kessels kann zu dessen Zerstörung führen, da dann kein Medium mehr die Wärme der Feuerung von den Rohrwänden ableitet.
Sicherheit
Beschaffungsvorschriften
Wasserrohrkessel sind Druckgeräte im Sinne der Druckgeräterichtlinie 97/23/EG und dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn der Hersteller durch ein Konformitätsbewertungsverfahren unter Beteiligung einer benannten Stelle nachgewiesen hat, dass die grundlegenden Sicherheitsanforderungen der Richtlinie eingehalten hat. Der Hersteller bringt das CE-Zeichen an und stellt eine Konformitätserklärung aus. Harmonisierte Produktnormen für Wasserrohrkessel sind:
- EN 12952-1 bis 17: Wasserrohrkessel
Bei Anwendung dieser Norm kann der Hersteller davon ausgehen, dass er die grundlegenden Sicherheitsanforderungen der Richtlinie erfüllt (Vermutungswirkung).
Betriebsvorschriften
Wasserrrohrkessel haben aufgrund ihrer hohen gespeicherten Energie und ihres hohen inneren Druckes ein hohes Gefährdungspotential. Sie gehören deshalb zu den überwachungsbedürften Anlagen nach der Betriebssicherheitsverordnung. Aufgrund dieser Bestimmungen sind
- die Wasserrrohrkessel vor der Inbetriebnahme durch eine zugelassene Überwachungsstelle zu prüfen
- bei der zuständigen Behörde ein Erlaubnis zum Betreiben dieser Anlage einzuholen
- in bestimmten Fristen wiederkehrende Prüfungen (innere und äußere Prüfungen, Festigkeitsprüfungen) durch eine zugelassene Überwachungsstelle durchzuführen.