Grafschaft Saarwerden

Grafschaft des Heiligen Römischen Reichs
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Die Grafschaft Saarwerden war eine Grafschaft des Heiligen Römischen Reichs. Sie wurde im Jahre 1125 erstmals genannt und umfasste anfänglich Gebiete an der oberen Saar und an der mittleren Blies. Sitz war zunächst die namengebende Burg Saarwerden bei dem Ort Saarwerden, später wurde die Stadt Bockenheim (der auf dem rechten Saarufer gelegene Teil des jetzigen Sarre-Union) Verwaltungssitz. Nach dem Anfall der Grafschaft an Nassau-Saarbrücken im Jahr 1527 sprach man – von Saarbrücken aus gesehen – auch von der „oberen Grafschaft“. Heute gehört das Kerngebiet der ehemaligen Grafschaft zum Kanton Ingwiller im Département Bas-Rhin.

Wappen der Grafschaft Saarwerden

Geschichte

 
Grafschaft Saarwerden im Jahr 1397 (hellgrün zwischen Grafschaft Finstingen und Herrschaft Bitsch)

Erstmals nachweisbar sind die Grafen von Saarwerden im Jahre 1125 als Zweiglinie der Grafen von Metz-Lunéville. Graf Friedrich I. hatte bei der Teilung mit seinem Bruder Gottfried von Blieskastel folgende Güter erhalten: Eigenbesitz an der oberen Saar und der mittleren Blies, dazu an Lehen die Reichsburg Kirkel, die Metzer Lehen Saarwerden und Bockenheim, Verduner Lehen in St. Wendel und Wolfersweiler und die Vogteien über den Besitz der Abtei Weißenburg im oberen Saartal und über die südlich von Keskastel gelegenen Güter des Klosters Herbitzheim. 1131 stifteten Graf Friedrich I. und seine Gemahlin Gertrud das Kloster Wörschweiler als Hauskloster.

Bei der Teilung von 1212/14 erhielt Graf Ludwig III. die Güter an der oberen Saar, während sein Bruder Heinrich I. die Burg Kirkel und die Besitzungen beiderseits der Blies übernahm und sich fortan „von Kirkel“ nannte. Seit dieser Zeit hatte die Grafschaft Saarwerden ihren Schwerpunkt im oberen Saartal um Bockenheim, das 1328 mit städtischen Privilegien begabt wurde.

1397 verstarb Graf Heinrich III. von Saarwerden kinderlos und die Grafschaft gelangte durch Erbgang und Kauf an die Grafen von Moers, die ihren Anspruch gegen den Bischof von Metz de Coucy durchsetzen konnten, der die Metzer Lehen als erledigt einziehen wollte. 1427 wurden die rechtsrheinischen Herrschaften Lahr und Mahlberg erworben. Die „Grafen von Moers-Saarwerden“ starben 1527 aus, und da die Erbtochter Katharina 1507 Graf Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken geheiratet hatte, fiel die Grafschaft Saarwerden an die Grafschaft Nassau-Saarbrücken. Die Söhne Johann Ludwigs, Johann und Adolf, teilten sich 1556 die Herrschaft, Johann erhielt Saarbrücken und Ottweiler, Adolf Saarwerden und Lahr.

 
Die calvinistische Grafschaft Saarwerden (Mitte) umgegeben von katholisch-geprägten Herzogtum Lothringen
 
Grafschaft Saarwerden 1648–1789

Da beide Grafen nacheinander kinderlos starben und damit die ältere Linie Nassau-Saarbrücken 1574 ausstarb, fielen beide Grafschaften an das evangelische Haus Nassau-Weilburg, das in Saarbrücken die Reformation einführte, diesmal (s. u.) offiziell mit der Einführung einer Kirchenordnung. Daraufhin zog das Herzogtum Lothringen Bockenheim und Saarwerden als erledigte Lehen ein, wogegen die Saarbrücker Grafen vor dem Reichskammergericht klagten. 1629 wurde entschieden, dass die Grafschaft bei Nassau-Saarbrücken, die Städte Bockenheim und Saarwerden aber bei Lothringen verbleiben sollten. Nach dem Frieden von Rijswijk 1697 errichteten die Grafen von Nassau-Saarbrücken gegenüber der alten, ehemaligen Hauptstadt Bockenheim (Bouquenom) auf dem linken Saarufer eine neue Hauptstadt namens Neu-Saarwerden (franz. Ville Neuve de Sarrewerden). Beide Orte wurden nach dem Ende der Feudalzeit 1794 zur Stadt Sarre-Union vereinigt.

Zwei Drittel der ehemaligen Grafschaft, das Oberamt Harskirchen mit 27 Dörfern, kamen 1745 bei einer Realteilung des Besitzes an Nassau-Saarbrücken, und ein Drittel mit der Amtsstadt Neu-Saarwerden und zehn Dörfern kam an Nassau-Weilburg. 1793 wurden die beiden Ämter von französischen Revolutionstruppen besetzt und in den anschließenden Neuregelungen aufgelöst. Nach der Annexion der gesamten Region durch das revolutionäre Frankreich erbaten die Bewohner den administrativen Anschluss der neugebildeten Kantone an das protestantische Elsass anstatt an das mehrheitlich katholische Lothringen. So ging die ehemalige Grafschaft Saarwerden fast zur Gänze in der heute Krummes Elsass genannten Region auf.

 
Priorin Kunigunde von Fleckenstein († 1353), Tochter der Gräfin Agnes von Saarwerden, in der Klosterkirche Lambrecht
 
Darstellung von Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden († 1414) im Kölner Dom

Religion

1556 führte Graf Adolf von Nassau-Saarbrücken in seinem Herrschaftsbereich Saarwerden und Lahr die Reformation nach lutherischem Bekenntnis ein und genehmigte gleichzeitig in sieben Dörfern die Ansiedlung von aus Frankreich geflohenen Hugenotten, also reformierten Gemeinden, die später so genannten „sieben welschen Dörfer“. Er beauftragte damit den renommierten Theologen Israel Achatius, den er zum (ersten und einzigen) Superintendenten der Grafschaft ernannte. Die Grafschaft Saarwerden wurde somit zum Experimentalfeld und Vorbild der friedlichen Koexistenz von Lutheranern und Calvinisten, die an vielen anderen Orten erst durch die Unionen des 19. Jahrhunderts gelang.

Da Adolf schon 1559 kinderlos starb, fiel Saarwerden an seinen katholisch gebliebenen Bruder Johann zurück – der zwar den Superintendenten Achatius entließ, die lutherischen und reformierten Pfarrer in Saarwerden aber in ihren Ämtern beließ.

Nach der Besetzung durch Lothringen und der Teilung der Grafschaft im 17. Jahrhundert waren die evangelischen Pfarrer und Gemeinden teils schweren Verfolgungen ausgesetzt, die erst durch die Gebietsbereinigungen der Grafschaft Saarbrücken mit Frankreich im 18. Jahrhundert beigelegt werden konnten.

Wappen

Das Stammwappen zeigt in Schwarz einen rotbewehrten silbernen Doppeladler. Auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken eine silberne Inful, zwischen deren Hälften ein mit Knopf und Federbusch besetzter Schaft hervorgeht (Reitersiegel Graf Friedrich von Saarwerden, 1338) oder einen silbernen doppelten Adlerrumpf (Siegel Graf Heinrich von Saarwerden, 1375).[1]

Persönlichkeiten

Grafen von Saarwerden

 
Friedrich IV. Graf von Moers und Saarwerden
 
Der Saarwerdische Adler im Wappen des Hauses Nassau-Usingen-Saarbrücken

Haus Saarwerden

Bis zur Teilung der Grafschaft 1212/14:[3]

  • Friedrich I. 1111–1131 ⚭ Gertrud von Lothringen
    • Folmar I. 1131–1166 ⚭ Stephanie, Tochter von Dietrich II. von Mömpelgard
      • Ludwig I. der Ältere 1165–1200 ⚭ Gertrud, Tochter von Hugo von Dagsburg
        • Ludwig III. 1212–1246 ⚭ Agnes, Tochter von Heinrich I. von Zweibrücken
          • Heinrich II. 1240, siehe unten
          • Ludwig IV. um 1243
        • Heinrich I., Graf von Kirkel, 1214, ⚭ Irmentrud, Tochter von Philipp II. von Bolanden
      • Ludwig II. der Jüngere 1171, † 1176

Nach der Teilung der Grafschaft 1212/14:

  • um 1240 Heinrich II.
  • um 1280 Johann I., † spätestens 1311

Haus Moers-Saarwerden

  • 1399–1418 Friedrich IV. von Moers († 1448)
  • 1418–1431 Johann I. († 1431), dessen Bruder
    • 1431–1483 Jakob I. († 1483), dessen Sohn
      • 1483–1488 Nikolaus, dessen Sohn
      • 1488–1507 Johann III. (* 1468; † 1507), dessen Halbbruder
      • 1507–1514 Jakob II. († 1514), Bruder von Johann III., in 1/2 Saarwerden
        • 1514–1527 Johann Jakob (* 1514; † 1527), dessen Sohn, in 1/2 Saarwerden

Haus Nassau-Saarbrücken

  • 1527–1545 Johann Ludwig (1507–1527 in 1/2 Saarwerden)
    • 1545–1556 Johann III. (* 1511; † 1574), dessen Sohn
    • 1556–1559 Adolf (* 1526; † 1559), dessen Bruder
    • 1559–1574 Johann III. (* 1511; † 1574), dessen Bruder, stirbt kinderlos, Saarbrücken und Saarwerden fallen an Nassau-Saarbrücken-Weilburg

Fortsetzung: siehe die Liste der Grafen von Nassau-Saarbrücken

Literatur

Einzelnachweise

  1. J. Siebmacher’s grosses und allgemeines Wappenbuch, II. Band, 11. Abteilung, Tafel 3, S. 4; Der Adel Deutsch-Lothringens; Verfasser: M. Gritzner, Ad. M. Hildebrandt; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1873
  2. Genealogische Daten zu Agnes von Saarwerden und Heinrich von Fleckenstein
  3. Kurt Hoppstädter und Hans-Walter Herrmann (Hrsg.): Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Band 2: Von der fränkischen Landnahme bis zum Ausbruch der französischen Revolution, Saarbrücken 1977. Beilage Stammtafel 4: Das Grafenhaus Metz-Lunéville-Blieskastel und seine Filiationen.