Europäisches Parlament

supranationales Organ der Europäischen Union
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Das Europäische Parlament ist eines der Organe der Europäischen Union und wird seit 1979 alle fünf Jahre in allgemeinen, freien und geheimen Europawahlen direkt gewählt. Zuvor wurden die Mitglieder des Europaparlaments von den Parlamenten der Mitgliedsstaaten bestimmt. Es ist die demokratische Vertretung von 450 Millionen Menschen. Die in den Mitgliedstaaten bestehenden politischen Strukturen spiegeln sich auch in den politischen Fraktionen auf Ebene des Europäischen Parlaments wider. Es gibt sieben Fraktionen sowie eine Reihe von fraktionslosen Abgeordneten. In ihren Heimatländern sind die Abgeordneten Mitglied in über 100 verschiedenen Parteien. Am 20. Juni 2004 hat sich das Europäische Parlament für die sechste Wahlperiode konstituiert, seitdem hat es 732 Abgeordnete.

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Europäisches Parlament (Straßburg)

Aufgaben

Das Parlament hat drei wesentliche Aufgaben:

  • Es teilt die Gesetzgebungsfunktion des Rates, also die Annahme europäischer Gesetze (Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen). Durch diese Mitwirkung an der Gesetzgebung wird die demokratische Rechtmäßigkeit der angenommenen Texte gewährleistet. Das EP besitzt (noch) kein Initiativrecht, d.h. es kann keine eigenen Gesetzesvorlagen einbringen; es ist aber in der diskutierten Europäischen Verfassung vorgesehen. Dieses Initiativrecht besitzt auf EU-Ebene momentan nur die Europäische Kommission. In den meisten Politikfeldern werden seit dem Vertrag von Nizza Gesetzestexte nach dem Mitentscheidungsverfahren angenommen, bei dem Parlament und Rat gleichberechtigt sind und sich bei Uneinigkeit in dritter Lesung in einem Vermittlungsausschuss (ähnlich dem Verfahren zwischen Bundestag und Bundesrat) einigen müssen.
  • Das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam sind die Haushaltsbehörde der EU. Die Europäische Kommission schlägt einen Haushaltsentwurf vor. Im Haushaltsverfahren können dann Parlament und Rat Änderungen beschließen. Die Befugnisse des Parlaments im Bereich der Agrarausgaben sind allerdings gering. Seitdem das Parlament die Haushaltsbefugnisse besitzt, ist der Anteil der Agrarausgaben am EU-Haushalt (ca. 100 Mrd. EURO im Jahr 2004) allerdings von ca. 90% auf unter 50% gesunken. Für das Haushaltsjahr 2005 ist eine Steigerung des Etats um 10% auf 109,5 Mrd. Euro vorgesehen.
  • Es übt eine demokratische Kontrolle über die Kommission aus. Es stimmt der Benennung der Kommissionsmitglieder zu und kann einen Rücktritt der Kommissare durch ein Misstrauensvotum erzwingen. Außerdem übt es über sämtliche Institutionen eine politische Kontrolle aus.

Insgesamt hat das Parlament seit seiner Gründung wesentliche Kompetenzen hinzu gewonnen; dies ist aber in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Es ist nicht oder nur am Rande Gegenstand von Lehrplänen und wird oft auch in den Medien nicht richtig dargestellt, wohl auch deshalb, weil die Situation so komplex ist.

Da die Mitgliedstaaten der EG diese Kompetenzen übertragen haben, die nun "im fernen Brüssel oder Straßburg" wahrgenommen werden, sprechen Kritiker auch vom Demokratiedefizit der EU. Der aktuelle Entwurf der Europäischen Verfassung sieht zwar eine Ausweitung der Rechte des Parlaments vor, er sieht aber auch eine Ausweitung der Befugnisse der Kommission und des Rates (z.B. betreffs des Abschlusses von internationalen Veträgen wie TRIPS und GATS) vor, weswegen sich die Lage nicht verbessert, sondern teilweise sogar weiter verschärft.

Aktuelle Sitzverteilung

Große Staaten erhalten im Vergleich zu kleinen weniger Mandate. Wenn man die Vertretung proportional machen wollte, müsste Deutschland 137 Sitze erhalten für jeden Sitz, den Luxemburg erhält. Dass dies nicht so ist, ist politisch gewollt. Könnte man doch so die politische Landschaft Luxemburgs oder Estlands nicht abbilden. Und nach oben ist die Anzahl der Sitze begrenzt, wenn man ein handlungsfähiges Parlament erhalten will. Auch in den USA ist die Vertretung im Senat nicht proportional, jeder Staat hat zwei Senatoren.

Stimmgewichtung nach dem europäischen Verfassungsentwurf (Quelle: Spiegel Online (€))
Land Einw.
(Mio.)
Sitze Einw./Sitz rel.
Gewicht
Luxemburg 0,4 6 66.667 12,42
Malta 0,4 5 80.000 10,53
Zypern 0,8 6 133.333 6,21
Estland 1,4 6 233.333 3,54
Slowenien 2,0 7 285.714 2,89
Lettland 2,4 9 266.667 3,10
Irland 3,7 13 284.615 2,91
Litauen 3,7 13 284.615 2,91
Finnland 5,2 14 371.429 2,22
Dänemark 5,3 14 378.571 2,18
Slowakei 5,4 14 385.714 2,14
Österreich 8,1 18 450.000 1,84
Schweden 8,9 19 468.421 1,76
Portugal 9,9 24 412.500 2,00
Ungarn 10,0 24 416.667 1,98
Belgien 10,2 24 425.000 1,94
Tschechien 10,3 24 429.167 1,92
Griechenland 10,6 24 441.667 1,87
Niederlande 15,8 27 585.185 1,41
Polen 38,6 54 714.815 1,15
Spanien 39,4 54 729.630 1,13
Italien 57,7 78 739.744 1,11
Frankreich 59,1 78 757.692 1,09
Großbritannien 59,4 78 761.538 1,08
Deutschland 82,1 99 828.283 1,00
Summe 732

Das Europäische Parlament hat zur Zeit 732 Mitglieder; sie verteilen sich auf sieben Fraktionen. 34 Mitglieder sind fraktionslos.

Sitze Fraktion
268 Europäische Volkspartei (Christdemokraten) und europäische Demokraten (EVP-ED)
200 Sozialdemokratische Partei Europas (SPE)
88 Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE)
42 Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz (Grüne/EFA)
41 Könföderale Vereinigte Europäische Linke - Nordische Grüne Linke (KVEL/NGL)
27 Union für das Europa der Nationen (UEN)
32 Unabhängigkeit und Demokratie (Ind/DEM) (UKIP u.a.)
34 fraktionslos

Geschichte

Das Europäische Parlament ist hervorgegangen aus der Parlamentarischen Versammlung der EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl), gegründet 1952, zu der 1957 die in den Römischen Verträgen gegründete Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) hinzukamen.

Sitz und Dienstorte

Sitz des Europäischen Parlaments ist Straßburg. Dort finden auch zwölf viertägige Sitzungen im Jahr statt. Die Ausschüsse und Fraktionen tagen außerdem auch in Brüssel, wo auch kürzere Plenarsitzungen stattfinden. In Luxemburg haben das Generalsekretariat und dessen Dienststellen ihren Sitz; hier arbeiten vor allem die Übersetzer und sitzungsferne Verwaltungsdienste.

Warum diese drei Orte?

Als symbolischer Sitz wurde sofort nach der Gründung Straßburg festgelegt. Es symbolisiert die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Krieg. Weil es keine Büroflächen gab, wurden die Dienste zunächst in Luxemburg angesiedelt. Doch mit Gründung der EWG 1958 wurde Brüssel als Sitz der Europäischen Kommission bestimmt. Deshalb entwickelte es sich so, dass die Ausschüsse dort tagten. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde Straßburg als Sitz endgültig bestätigt; diese Klausel wurde im Vertrag von Amsterdam bekräftigt und fehlt auch nicht im aktuell gültigen Vertrag von Nizza.

Die Gebäude, die das Parlament in den jeweiligen Städten nutzt, wurden von den entsprechenden Staaten gebaut. Das Parlament versucht, sie an den Tagen, an denen sie nicht für Sitzungen gebraucht werden, zu vermieten. Auch der Europäische Bürgerbeauftragte hat seinen Sitz in den Gebäuden in Straßburg.

Präsidenten des Europaparlaments

Bereicherungsvorwürfe aus dem Jahr 2004

Ende März 2004 warf der fraktionslose Abgeordnete Hans-Peter Martin den EU-Parlamentariern Bereicherung vor. Er habe 7.200 Fälle registriert, in denen Abgeordnete ungerechtfertigt Sitzungstagegelder kassiert hätten. In einer gemeinsamen Pressekonferenz der europäischen Spitzenpolitiker aller Fraktionen am 30. März 2004 bezeichnete der CDU-Politiker Hans-Gert Pöttering die Äußerungen Martins als unhaltbar und ungerechtfertigt: Zwar wird eine Reform der EU-Parlamentarier-Bezüge von Vielen begrüßt, doch besonders das populistische Vorgehen Martins stieß auf einhellige Ablehnung. Der Parlamentspräsident Pat Cox hätte eine interne Behandlung begrüßt, wird den Vorwürfen aber nachgehen.

Das Europaparlament wird alle 5 Jahre gewählt. Die jüngste Wahl fand vom 10. bis 13. Juni 2004 in allen 25 Mitgliedsstaaten statt. Die nächste Wahl ist 2009 vorgesehen. Die Abgeordneten spiegeln nicht alle Wählerstimmen gleich wieder; kleine Staaten haben überproportional viele Abgeordnete während große Staaten, insbesondere Deutschland, unterproportional berücksichtigt worden sind. Das änderte sich etwas durch die Osterweiterung am 1. Mai 2004. Deutschland bleibt weiter das Land mit den meisten Mandaten (99) und musste im Gegensatz zu den anderen Nationen keine Mandate an die designierten Abgeordneten der Beitrittsstaaten abgeben. Trotzdem bleibt die ungleiche Repräsentation bestehen. Einer Gleichbehandlung der Wählerstimmen stehen zwei Gesichtspunkte entgegen:

  • Durch eine ausreichende Fraktionsgröße soll gewährleistet werden, dass auch die Parteienvielfalt der kleineren Staaten im Europaparlament repräsentiert wird.
  • Bei einer entsprechenden Gewichtung der Wählerstimmen aus den großen Ländern würde das Europaparlament eine nicht mehr arbeitsfähige Größe annehmen.

Wahlergebnis

Deutschland

CDU 36,5% (-2,8); SPD 21,5% (-9,2); Bündnis 90/Grüne 11,9% (+5,5); CSU 8,0% (-1,4); PDS 6,1% (+0,3); FDP 6,1% (+3,0); REP 1,9% (+0,2%); Tierschutzpartei 1,3% (+0,6); Die Grauen 1,2% (+0,8); Familienpartei 1,0% (+1,0); Übrige 4,5% (+1,9)

Österreich

SPÖ 33,45% (+1,74%); ÖVP 32,66% (+1,99%); Liste HPM 14,04% (+14,04%); Grüne 12,75% (+3,46%); FPÖ 6,33% (-17,07%); Linke 0,77% (+0,77%)

Sitzverteilung

Deutschland

CDU 40 (-3); SPD 23 (-10); Bündnis 90/Grüne 13 (+6); CSU 9 (-1); PDS 7 (+1); FDP 7 (+7)

Österreich

SPÖ 7; ÖVP 6; Liste HPM 2; Grüne 2; FPÖ 1

Siehe auch

Demokratie und Legitimation der EU