Benutzer:Mathias Schindler/Interviewmacnews

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Frei und allwissend: Online-Enzyklopädie Wikipedia.org

Man lege ein Buch mit leeren Seiten auf der Straße aus und hoffe, dass es eines Tages mit sinnvollem Inhalt gefüllt sein möge. Das kann nicht funktionieren? Auf offener Straße vielleicht nicht, im Internet hingegen schon: Auf diese Art und Weise wächst schließlich seit Januar 2001 eine große und seriöse Online-Enzyklopädie heran, die Wikipedia. Wir sprachen mit mehreren Mitarbeitern des Projektes über die Pläne, Perspektiven und Probleme.

Mehrere hundert Mal pro Stunde werden die knapp 100000 Artikel der deutschen Wikipedia aktualisiert. Doch sie ist beileibe nicht die größte: knapp 300000 Einträge besitzt schon allein die englische Fassung und in vielen anderen Sprachen - darunter auch solche Exoten wie Esperanto und Suaheli nebst Latein - ist ebenfalls ein Abkömmling des Lexikons verfügbar.

Die Zahl der Wikipedias wächst dabei genauso rasant, wie die der ständig neu hinzugefügten Artikel: In den letzten Jahren pendelte sich das Wachstum bei rund 300 Artikeln pro Tag ein, so dass die deutsche Variante schon Anfang 2005 zu mehr als 100000 Stichwörtern Beiträge haben wird. Und jeder, der es möchte, kann dabei mithelfen: Es gibt keine Beschränkungen, wann immer ein Besucher auf einen Artikel trifft, den er gerne überarbeiten möchte, ist nur ein Klick auf den Link "Seite bearbeiten" nötig. Ein paar Tastenanschläge später steht die Änderung schon im Netz und kann von Millionen Menschen weltweit gelesen werden. Kurzum: Zwei Klicks und man hat die Menschheit voran gebracht.

Das sorgt dafür, dass auch ansonsten weniger gut vertretene Bereiche in allen Details zur Geltung kommen: Im Brockhaus und der Enceclopedia Britannica wäre beispielsweise für den iTunes Music Store oder den Apple II nur in einer Fußnote Platz: Im Internet tummeln sich aber Spezialisten, die ihr Wissen nur allzu gerne für den Rest der Menschheit niederschreiben. Und auch tagespolitische Themen zum Irakkonflikt und vielen anderen Bereichen sind meist noch vor ihrer Veröffentlichung in den Abendnachrichten in der Wikipedia zu finden: Aktueller geht es nicht.

Wir sprachen mit Arne Klempert, 32, selbständiger Webentwickler und Sprecher des deutschen Wikipedia-Projektes, sowie mit den Administratoren Mathias Schindler, Student und Andre Dannochwal, 29, Steuerfachgehilfe über das Projekt:

"Bei der Wikipedia werden Menschen angehalten, die Texte anderer zu redigieren und zu verbessern - im gleichen Atemzug werden diese Redaktionsarbeiten von anderen Menschen einer kritischen Prüfung unterworfen. Sieger ist hier nicht der größte Schreihals, sondern das Team der Autoren, die es am Ende geschafft haben, alle Standpunkte in angemessener Form dargestellt zu haben.“ (Mathias Schindler)

Das Interview:

macnewspaper: Was ist für Euch der Kerngedanke der Wikipedia, zusammengefasst in einem Satz?

Andre: Das Wissen der Menschheit zu sammeln, zu ordnen und frei der ganzen Menschheit wieder zur Verfügung zu stellen — und zwar sprachen- und kulturübergreifend.

macnewspaper: Wie funktioniert die Finanzierung der Server? Immerhin ist eine Serverfarm kein billiges Unterfangen und die Wikipedia ist werbefrei - da liegt der Verdacht nahe, dass über inhaltliche Werbung in den Artikeln Gelder wieder hereingeholt werden. Wird die Wikipedia vor dem Hintergrund der Finanzierbarkeit wirklich immer frei bleiben können?

Arne: Die umfangreiche technische Infrastruktur des Projekts - derzeit sind dreizehn Server in Betrieb - wird von der US-amerikanischen Wikimedia-Foundation getragen, die sich komplett durch Spenden finanziert. Dass die Wikipedia jemals Werbung enthält — gleich in welcher Form — halte ich für ausgeschlossen: Denn dadurch würde das Projekt einen Großteil seiner Autoren verlieren. Zudem stellt die „GNU Freie Dokumentationslizenz“ sicher, dass die Inhalte von jedermann kostenfrei frei genutzt, verbreitet und weiterentwickelt werden können.

Asidri (Andre?): Viel Geld vorab von Jim Wales US-Unternehmer und Begründer der Wikipedia (Anmerkung d. Red.) 1 (?) und Bomis in die Wikipedia investiert, erst im letzten halben Jahr hat die Summe der Spenden Höhen erreicht, die größere Investition in die Hardwareausstattung ermöglichen. Durch das immer noch ungebrochene Wachstum werden die Investitionen in neue Hardware aber fast schon wieder aufgefressen. Die GNU erlaubt ausdrücklich auch eine kommerzielle Verwertung der Inhalte der Wikipedia und es gibt Pläne, mit der kommerziellen Verwertung von Wikipedia-Inhalten die werbefreie Wikipedoa gegenzufinanzieren. Dazu zählen beispielsweise eine Printausgabe der Wikipedia oder die Wiki-Themenhefte zu ausgewählten Fachthemen.

Mathias: Vor zehn Jahren wäre das Projekt Wikipedia in dieser Form nicht möglich gewesen. Erst das Zusammenspiel des Vorhandenseins von freier Software Linux, Apache, MySOL und PHP, die relative Bezahlbarkeit von Servern und Netzanbindung und die Verfügbarkeit von kflnet sen (?) für die breite Masse haben die Grundlage für die Wikipedia geschaffen. Sie wird niemals von den Richtlinien zur Neutralitat der enzyklopädischen Artikel abweichen, der Schaden wäre immens. Aufgrund des Wikiprinzips wäre es allerdings auch gar nicht möglich, Gefälligkeitseinträge zu schreiben - auf mittlere Sicht hin findet sich ohnehin immer ein au(?) Mitarbeiter, der eine Werbefloskel entfernen, entschärfen oder widerlegen würde.

macnewspaper: Eine freie Enzyklopädie, in der jeder mitschreiben kann, müsste doch eigentlich Krawalle anziehen - wenn man an stundenlange Flame-Wars in einschlägigen Onlineforen denkt. Wie kommt es, dass nahezu alle Wikipedia-Artikei von einer erstaunlichen Seriosität sind?

Arne: Sicher ist auch die Wikipedia (nicht) frei von Krawallen, doch das begrenzt sich glücklicherweise auf Einzelfälle. Dies ist vielleicht damit zu erklären, dass im Gegensatz zu Onlineforen Unfug keine lange Lebensdauer hat - er wird einfach vom nächsten Besucher wieder rückgängig gemacht. Dadurch verlieren Trolle schnell die Lust.

Andre: Da jedem Artikel eine Diskussionsseite zugeordnet ist, werden Meinungsverschiedenheiten in der Regel dort abgefangen. Natürlich gibt es auch Themen, bei denen man sich nicht so leicht einigen kann: In solchen Fällen wird versucht, in einem neutralen Text den Argumenten und Standpunkten aller Seiten gerecht zu werden - der neutrale Standpunkt gehört neben der GNU zu den wichtigsten Grundlagen, ohne welche die Wikipedia so nicht funktionieren könnte.

macnewspaper: Welche Aufgaben fallen in diesem Zusammenhang Administratoren zu und wie wird man ein solcher?

Mathias: In der Wikipdia dürfen registrierte Benutzer so gut wie alles, was die Software hergibt: Sie dürfen Artikel editieren, Links setzen, neue Artikel anlegen, verschieben, kommentieren. Bilder hochladen und einfügen etc. Das meiste davon verlangt noch nicht einmal eine Anmeldung. Übrig bleiben wenige Funktionen wie etwa das Löschen von Artikeln und das Sperren von Benutzern, die völlig destruktiv arbeiten. Diese Arbeiten sind völlig transparent und werden auch ausgiebig von den Wikipedianern kommentiert.

Arne: Administrator kann jeder aktive Benutzer werden, der eine zeitlang mitgearbeitet hat und dessen Verhalten darauf hindeutet, dass er die zusätzlichen Funktionen im Sinne der Gemeinschaft nutzt. Ob jemand Administrator wird, wird in einer öffentlichen Abstimmung entschieden.

macnewspaper: Viele Mitwirkende widmen zahllose Stunden der Pflege oder Erweiterung der Wikipedia. Wie kommt es, dass so viele Menschen unentgeltlich mitarbeiten und was ist Eure Motivation?

Arne: Es ist einfach faszinierend, an diesem Projekt mitzuarbeiten. Man kann sein Wissen nicht nur weitergeben und damit etwas Gutes tun, sondern Iernst dabei auch standig dazu sowohl inhaltlich, als auch in Bezug auf das Texten. Denn Unzulänglichkeiten werden von Anderen schnell korrigiert

Mathias: Die treibende Kraft Zur Mitarbeit in mir war der Wunsch, dem Entstehen von Urheberrechtsregimen etwas entgegenzusetzen. Mit dem Eintntt in das digitale Zeitalter offenbar werden offenbar alle gröBeren Errungenschaften der letzten jahrhunderte zur Disposition gestellt, also auch Rechte, die schlechterdings die Voraussetzung zur wissenschaftlichen Arbeit sind. Wo Urheberrechtsgesetze noch Freiheit lassen. wird Alternativen durch DRM Terhnologien mit Restriktionen gearbeitet. Ein Projekt wie Wikipedia zeigt hier auf konstruktive Weise, wie und dass es auch anders geht.

Andre: Es ist unglaublich einfach sich zu beteiligen, auch wenn man keine Ahnung von Datenbanken, Computertechik, oder Bibliothekarswesen hat, kann man ohne Probleme mitmachen und jeder kann etwas beitragen! Denn auf irgendeinem Gebiet ist jeder Fachmann und in der wikipedia werden sie alle gebraucht.


Macnewspaper: Die deutsche Wikipedia startete ja erst vor drei Jahren, dennoch steht der 100000 Artikel unmittelbar bevor. Wie entwickelt sich das Wachstum und was sind Meilensteine, die in nächster Zeit erreicht Verden sollen ?

Arne: Derzeit gehen wir davon aus, dass gegen Jahresende die Marke von 2ooooo Artikeln erreicht wird. Genau kann es natürlich niemand vorhersagen allerdings wurden bisherige Schätzungen regelmaßig von der Realitat übertroffen. Matthias: Ich hoffe, dass ab einem gewissen Artikelstamm ndere Ker an Aufmerksamkeit gewinnen werden, twa unsere eiciellenten Artikel“, die zu lesen eine Won e ist: http i sikiped )ru wik Wikupedia:Exzellente_Ar hiei Wenn das Zi€1 der iooooo Artikel erreicht ist. konn man die Jagd ai ioooo exzellente Art.‘ ausrufen. Das iare dann wieder ein Projekt für die kommenden fjrf Jah in denen dann naturlich auch munter neije A . ‘e werden ndr Ich finde die Zahlen immer wieder beeindrukend, J(h wenn bei näherem Hinsehen naturlich schneH klar wird. ass die reine Art k.1/ noch nicht sowel über Länge, Qua‘ tat oder die Spezifitat der Artikel aussagt Es gibt keine fes

te Roadmap rnt u ensteinen, die erreicht werden sollen Ein attraktives Layout und viele kreme Detailverbesserungen M der Software wurden gerade erst umgesetit weiter wur de ich mir wunschen, dass die Verfugbarkeit der Wukipedia wieder besser wurde macnews. ‚ « Auch wenn die Wukipedia . ti.u‘gt in ih rer Bekanntheit steigt, so gibt es kaum Werbung dafur Wie stoßen denn meisten Besu: ‘er auf die Onllne Enzyklopa - die‘ Mathias: Die meisten Leute lernen Wlkipedia aus einer Pra xissituation kennen Sie suchen in Google eine Information und bleiben bei der Wikupedia hängen Wenn es gut gelau fen ist haben sie nun die gewunschte Information gefunden Einige fangen dann an zu stöbern: Genug ‘ und Stich worte gibt es ja. Irgendwann ent‘‘ ki‘i sie dann, dass die se Seite etwas Besonderes ist, wenn ihr Blick auf den .bear beiten Etn fallt Einige halten das zuerst fur einen Bug und konnen sich nicht vorstellen, dass so etwas funktioniert je häufiger Menschen bei irgendwelchen Suchanfragen dann doch wieder bei der Wikupedia landen, desto grö6ei sind die Chancen, dass sie auch “ isa‘. zurutkgeben wollen Einige schreiben dann ein paar Zeilen, bekommen v,elleii:ht sogar positries Feedbak und langsam gleiten sie aus der passiven Rolle heraus und werden M‘ta manews. Als Spiegelbild der Gesellschaft werden manche Bereiche der Wikjpedia. wie etwa die Informatik. uberproportional ausgeweitet. während gro8e Autoren oder ‚%uv*e klassischer Literatur oder %1:j manches Mai zu kurz kommen. Wie wird versjcht da lnformationsspektrum aus gewogen zu halten Arne: Die tli‘rn ‘e Ausgewogenheit lässt sich nur be dingt steuern Denn letztlich hangt es vom nteresse und von den Kenntnissen der Benutzer ab. welchen Themen sie sich widmen Es gibt allerdings n‘it einige Initiativen. um bisher zu schwach vertretene Bereiche geziel zu fordern So gjbt es seit einigen Wochen eine so genannte Qualutats offensive, in deren Rahmen dazu aufgerufen wird, ein be stimmtes Thema gezielt auf Vordermann zu bringen macnews per 51‘ n Ihr abschlieBend unseren Lesern noch etwas nnit .u‘ den Weg geben‘

Arne: Sie sollten sich einfach selbst ein Bild von der 5‘kipe- du machen und nicht lange zögern, wenn sie einen Fehler oder Lücken entde ‘. Denn eine der Grundregeln der Wi kipedia lautet: Sei mutig Mathias: Ich wunsche allen Lesern, dass sie von der W dia nicht enttauscht werden. sollten sie iii etwas suchen Ich freue mich darau so viele Leser wie möglich einmal als neue Autoren begrüllen zu durfen und - da mein Herz an diesem Teulprojekt hängt ‘.ir‘e ich mich über Feedback zu einem der schillernden Unterprojekte freuen: Die WikiReader http://de wikipedia orglwiki/‘Mkipedua:Wik,Reader) Das Gespräch mut Arne Klempert. Mathias Schindler und Andre Darmochwal ¶ührte Nicolai Kanless