Das Urteil (Manfred Gregor)

Roman von Manfred Gregor aus dem Jahre 1960
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Das Urteil ist ein Roman von Manfred Gregor aus dem Jahre 1960, er wurde vom Verlag Kurt Desch veröffentlicht. Er ist der zweite Roman Gregors nach seinem Debüt Die Brücke.[1] 1961 folgte eine Verfilmung von Gottfried Reinhardt unter dem Titel Town without Pity.

Inhalt

Die 16-jährige Karin Steinhoff wird von vier amerikanischen GIs vergewaltigt, was einen improvisierten Militärgerichtsprozess in einer deutschen Kleinstadt im Jahre 1958 zur Folge hat. Das Mädchen wird dabei unweigerlich zum Spielball der Interessen der amerikanischen Militärjustiz, Öffentlichkeit und der eigenen Familie. Obwohl Karin den zermürbenden Prozess durch das Kreuzverhör des Strafverteidigers der vier Täter übersteht, zwingt sie der nachtragende familiäre Konflikt in den Suizid.

Das Urteil kommentiert eine fragwürdige Nachkriegsgesellschaft, die trotz ihrer Passivität, die sie schon im Nationalsozialismus innehatte, und die durch die Vergewaltigung einer noch minderjährigen Mitbürgerin voyeuristische Züge annimmt. Nach der Dedikation im Roman, „Dem besseren Verständnis zweier Völker gewidmet“[2], unternimmt der Roman einen Dialog zwischen Deutschen und Amerikanern und stellt die Gegensätze von Freund und Feind, wie Besatzer und Partner gegenüber. Der dritte Konfliktpunkt ist das Ausmaß des Ehrbegriffs in (groß-)bürgerlichen Verhältnissen.

Zentrale Figuren des Romans

Figur Beschreibung
Karin Steinhoff Die Stieftochter eines Bürgermeisterkandidaten ist eine Figur, die sich aus dem Prinzip der Unschuld und der Märtyrerin zusammensetzt, die es auch versteht modern zu leben. Ihr Freitod beruht nicht auf den Druck des Kreuzverhöres im Strafprozess, welches als zweite Vergewaltigung angesehen wird, sondern sind es die Nachwirkungen übler Nachrede aus der Stadtbevölkerung, den Verstoß ihres Stiefvaters und die Sinnlosigkeit mit ihrem Freund, Frank, fliehen zu wollen. Sich als Ursprung für das ganze Geschehen sehend, opfert sie sich dem reißenden Fluss. Die im Roman ihr immer wieder zugeschriebenen Eigenschaften der Unschuld und die Grabrede des Pfarrers, geben ihr jedoch die Absolution.
Captain Stefan Korneff Der amerikanische Strafverteidiger, der die vier Angeklagten Neykam, Crotti, Roger und Bancroft im Prozess unterstützen soll. Er selbst verabscheut die vier Army-Soldaten dafür, dass sie das deutsche Mädchen vergewaltigt haben, deshalb sind seine Beweggründe, diese Jungs verteidigen zu müssen, pragmatisch und persönlich zugleich. Als Militäranwalt will Korneff seine Aufgabe erfüllen und die Höchststrafe nach amerikanischen Recht abwenden, welche die Todesstrafe ist. Seine persönliche Intention beruht auf die Verurteilung eines Mannes zum Tode in den Staaten. Als Staatsanwalt verhandelte er damals ebenfalls in der Sache einer Vergewaltigung und konnte seine Forderung auf Todesstrafe durchsetzen. Korneff war zur Hinrichtung des Verurteilten zugegen und blickte in dessen Gesicht des Todes, welches in der Gaskammer betete. Damit wurde der Captain zum entschiedenen Gegner der Todesstrafe. Um diese jedoch bei seinen vier Mandanten zu verhindern, ist es Korneff wichtig, Karin aus dem Prozess herauszuhalten. Als dies nicht in Aussicht gestellt wird, ist er einzig nur noch darauf aus, Karin durch das Kreuzverhör im Prozess so zu zermürben, dass sie nicht mehr in der Lage ist, Aussagen machen zu können, um so mangels an Tatsachen ein niederes Strafmaß zu erreichen. Durch einen Bluff, ihr knapp hundert Fragen stellen zu wollen, die intim sind und eventuell Karins Mitverschulden an der Vergewaltigung offenbaren, erreicht der Captain, selbst zermartert sein Ziel, als das Mädchen während der Vernehmung zusammenbricht.

Obwohl sich Captain Korneff und Karin in einer gegenseitigen Gegenspieler-Beziehung befinden, gehen sie in einer letzten Begegnung in Frieden, Wohlwollen und Respekt auseinander, als der Captain vor dem Mädchen salutiert. Beide brechen damit, die im Roman aufgewühlte Beziehung zwischen Deutschen und Amerikanern, als aus einer gewissen Feindschaft, Vergebung wird.

Dr. Samuel Goldstein Ein jüdischer Rechtsanwalt, welcher während der Shoah seine gesamte Familie verlor. Er ist ein Freund von Karl Steinhoff und sieht sich daher in der Pflicht, seine Stieftochter Karin während des gesamten Prozesses beizustehen. Er scheitert jedoch an die Sturheit des Stiefvaters, sie aus dem Prozess herausnehmen zu wollen. Da das Verfahren ein Militärstrafgericht ist, darf Goldstein als ziviler Anwalt nicht im Prozess intervenieren. Allerdings ist er eine stark aktive und wichtige Figur für den Roman. In einem Dialog mit Captain Korneff, bittet Goldstein den Strafverteidiger darum, das Mädchen zu schonen, was er zum Gegensatz ablehnt. Zudem diskutieren beide, die Beziehung zwischen Deutsche und Amerikaner. Goldstein ermahnt, dass die Amerikaner noch nicht ihre deutschen Freunde als solche erkannt haben, obwohl sie es gemäß der Zeit im Roman im Jahre 1958 politisch schon sind.[3] Der Captain wurde so von Goldstein inspiriert, dass er einige Ansichten Goldsteins, im Plädoyer verwendet.
Karl Steinhoff Er nahm Karin und ihre Mutter zu sich auf, als gewiss wurde, dass der leibliche Vater und Ehemann an der Front gefallen war. Er behandelte Karin stets, wie seine eigene Tochter. Als sie vergewaltigt wird, wird damit auch seine Ehre verletzt, die nur durch die Todesstrafe, der vier beschuldigten GI’s wieder hergestellt werden könne. Als Karin, als das Opfer der Vergewaltigung in der Öffentlichkeit bekannt wird, steigert sich Steinhoff in einem Verfolgungswahn hinein und bildet sich die üble Nachrede seiner Mitbürger ein. Dies verleitet ihn dazu, sich gegenüber den Mitbürgern abweisend zu benehmen. Er weigert sich trotz der mehrmals gewarnten Konsequenzen, Karin im Kreuzverhör zu verheizen, wo sie an seiner Stelle, seine Ehre zu verteidigen hat. Als die vorehelichen Intimitäten mit Frank zutage kommen, verstößt Karl Steinhoff seine Stieftochter.
Frank Bernfeld Der 18-jährige Frank ist Karins Freund. Er ist der Sohn eines Dammbauingenieurs, welcher getrennt von der Familie in der Schweiz lebt und arbeitet. Frank eifert seinem Vater mit Fleiß nach. Als Karin Vergewaltigt wird, versucht er sie zu retten, doch wird er bewusstlos geschlagen. Karin lässt darauf die Vergewaltigung ohne Gegenwehr zu, um ihren Freund damit zu beschützen. Frank plagt seitdem ein schlechtes Gewissen gegenüber Karin. Die ans Tageslicht kommende voreheliche Beziehung des jugendlichen Paares, wird von den Eltern der beiden, mit Abneigung aufgenommen. Da Karin und Frank jeweils einen Umgangsverbot ausgesprochen bekommen, entscheidet Frank, mit Karin durchzubrennen und in die Schweiz zu seinem Vater zu flüchten. Dafür räumt er sein Sparbuch in der Bank. Die Mutter hält das für einen Akt des Diebstahls. Karin fühlt sich für Franks Verhalten verantwortlich, was zum Auslöser ihres Suizids wird.

Kritik

Obwohl sich Manfred Gregor mit Die Brücke einen Namen gemacht hat, verstärkten seine nächsten zwei Romane, nie seine Karriere als Autor. Dies prognostizierte in etwa auch Marcel Reich-Ranicki in seiner Kritik an Das Urteil. Dort bescheinigt er dem Roman eine gewisse Trivialität, und gibt auch zu verstehen, dass Gregor damit seine Chance als beständiger Romanautor verpasst hat.[4]

Einzelnachweise

  1. Autorinnen & Autoren. Abgerufen am 25. August 2019.
  2. Manfred Gregor: Das Urteil. Kurt Desch, München 1960, S. 5.
  3. Gösta von Uexküll: Adenauer. 11. Auflage. Rowohlt, 2009, S. 90.
  4. Marcel Reich-Ranicki: Auf eine höhere Art sinnlos. In: Die Zeit. 17. März 1961, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 25. August 2019]).