Feline Hyperthyreose

Schilddrüsenüberfunktion bei Katzen
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Die feline Hyperthyreose ist eine Störung des Hormonsystems bei Hauskatzen, die durch eine Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) gekennzeichnet ist. Sie ist bei alten Katzen eine der häufigsten hormonellen Störungen, bei anderen Haustieren ist sie deutlich seltener anzutreffen. Die Erkrankung äußerst sich häufig in einem Gewichtsverlust bei verstärkter Nahrungsaufnahme und ist gut behandelbar.

Vorkommen

Die feline Hyperthyreose wurde erstmals 1979 beschrieben und wird seitdem zunehmend bei Katzen diagnostiziert. Unklar ist, ob es sich wirklich um eine erst seit jener Zeit auftretende und im Zunehmen befindliche Erkrankung handelt, oder ob die zunehmende Überwachung der Katzenpopulation hinsichtlich dieser Erkrankung einfach zur Aufdeckung von mehr Fällen führt [1]. Die Erkrankung ist die häufigste endokrine Störung bei Katzen im Alter von mehr als 8 Jahren, wobwi der überwiegende Anteil im Alter von mehr als 10 Jahren auftritt.

Pathogenese

Im Gegensatz zur Hyperthyreose des Menschen ist die Erkrankung praktisch ausschließlich auf gutartige Tumoren, sogenannte autonome Adenome, zurückzuführen, wobei etwa 70 % der Fälle viele kleine Herde (multifokal) und die übrigen einen einzelnen Adenomherd (unifokal) zeigen [1]. Schilddrüsenkarzinome sind bei Katzen sehr selten (weniger als 5 Prozent der Erkrankungen), immunbedingte Hyperthyreosen bislang nicht beschrieben. Infolge der Adenome kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung des Thyroxins, in drei Viertel der Fälle auch des Triiodthyronins, die unabhängig vom dem die Schilddrüse normalerweise regulierenden Thyreotropin (TSH) ist.

Was diese Adenome auslöst, ist bislang ungeklärt. Einen Einfluss könnten Ernährung und Umwelteinflüsse, aber auch genetische Faktoren haben [2]. Die Fütterung von kommerzieller Katzennahrung stellt laut epidemiologischen Studien einen Risikofaktor für die Entstehung der Krankheit dar, was auf den hohen Gehalt sogenannter strumiger Komponenten wie Jod und Sojaisoflavonen zurückgeführt wird. Daneben sind auch Umweltfaktoren wie die Verwendung betimmter Katzenstreus möglicherweise an der Krankheitsentstehung beteiligt. [3]. Neuere Untersuchungen auf molekularer Ebene[4] zeigten bei hyperthyreoten Katzen eine verminderte Expression des G-Proteins G(i2). Diese führt zu einer vermehrten cAMP-Bildung, welche wiederum für ein Fehlregulation der Mitose und die erhöhte Hormonproduktion verantwortlich ist. Eine andere Untersuchung weist auf eine Mutation sogenannter ras-Onkogene hin, die letztlich die physiologische Limitierung der Zellteilung durch ein negatives feedback verhindert [5].

Klinisches Bild

Das klinische Bild ist sehr variabel und hängt auch vom Ausmaß der Überfunktion ab. Letzlich sind die meisten beobachteten Symptome Zeichen forcierter Stoffwechselvorgänge der erkrankten Tiere, welche durch das Übermaß an freiem Schilddrüsenhormon bedingt sind. Das häufigste Symptom ist eine Gewichtsabnahme, die bei 88 % der hyperthyreoten Katzen auftritt. Weitere Anzeichen mit einer Häufigkeit von etwa 50 % sind eine tastbare Vergrößerung der Schilddrüse (die gesunde Schilddrüse ist bei der Katze nicht tastbar), Herzrasen und Herzgeräusche sowie eine erhöhte Nahrungsaufnahme bis hin zur Fresssucht [6]. Das Überangebot an Schilddrüsenhormonen kann das klinische Bild einer hypertrophen (häufiger) oder dilatativen (selten) Herzmuskelerkrankung hervorrufen. Das Krankheitsbild wird auch als thyreotoxische Kardiomyopathie bezeichnet. Die hypertrophe Form ist nach erfolgreicher Therapie der Ursache häufig reversibel.

Weitere Symptome, die gelegentlich bei einer Schilddrüsenüberfunktion auftreten können sind ein vermehrters Stuhlvolumen, Erbrechen, vermehrter Durst und vermehrtes Urinieren, eine erhöhte Aktivität (deutlich seltener auch eine verminderte mit schneller Ermüdbarkeit), Verhaltensänderungen (Ängstlichkeit oder gesteigerte Agressivität), verminderte Futteraufnahme, Atemnot und Hautveränderungen (struppiges Fell, Haarverlust, vermehrtes Wachstum der Krallen)[6].

Laboruntersuchungen

Im Blutbild zeigen sich infolge der Stressantwort auf hohe Thyroxinspiegel häufig eine Erhöhung der Zahl der weißen Blutkörperchen (Leukozytose) sowie eine Abnahme der eosinophilen Granulozyten (Eosinopenie) und Lymphozyten (Lymphopenie). Die Zahl der roten Blutkörperchen und der Gehalt an rotem Blutfarbstoff liegt im oberen Normalbereich. Im Serum lässt sich zumeist eine gering- bis mittelgradige Erhöhung der Aktivität verschiedener Enzyme (Alanin-Aminotransferase, Aspartat-Aminotransferase, Laktat-Dehydrogenase, Alkalische Phosphatase) nachweisen. Infolge der häufig mit einer Hyperthyreose kombinierten Nierenfunktionsstörung können die Harnstoff- und Kreatinin-Gehalte im Blut erhöht sein [2][6]. Beim gleichzeitigen Vorliegen einer Hyperthyreose mit einer chronischen Niereninsuffizienz kann diese gewissermaßen maskiert sein, da der erhöhte Stoffwechsel des Tieres eine erhöhte Herzleistung und somit eine erhöhte Durchblutung der Nieren bedingt, was wiederum die glomeruläre Filtrationsrate erhöht und somit die Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen begünstigt. Bei der Behandlung der Hyperthyreose kann somit die Niereninsuffizienz klinisch manifest werden.

Zur weiteren Diagnostik müssen spezielle Schilddrüsenfunktionstests durchgeführt werden.

Als erstes sollte eine Bestimmung der Serumkonzentration des Thyroxins (T4) erfolgen, wobei in der Tiermedizin derzeit zumeist nur die Gesamt-Thyroxin-Konzentration bestimmt wird und nicht die des freien (nicht an Proteine gebundenen) Thyroxins (fT4), obwohl letzteres aussagekräftiger ist [7]. Der Normalbereich für T4 liegt bei Katzen zwischen 1,1 bis 4,5 µg/dl, für fT4 bei Bestimmung mittels Gleichgewichtsdialyse zwischen 1,0 und 2,8 ng/dl [1]. Bei einigen Tieren kann der T4-Gehalt trotz bestehender Erkrankung normal sein, was durch Schwankungen des Hormongehalts im Tagesverlauf oder durch Senkung des T4-Gehalts infolge von anderen Folgeerkrankungen bedingt sein kann [2]. Besteht ein klinischer Verdacht, sollte die Bestimmung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden.

Als weiteres Verfahren bietet sich der Schilddrüsen-Suppressionstest an. Hierbei wird der Katze ein synthetisches Triiodothyronin (T3, meist Liothyronin) über zwei Tage verabreicht. Eine schilddrüsengesunde Katze reagiert darauf mit einer Verminderung der TSH-Ausschüttung (sog. negativer feedback), welche wiederum zu einem Absinken der T4-Konzentration führt. Da die Adenome aber bereits zu dauerhaft erniedrigten TSH-Spiegeln geführt haben, führt die Gabe von T3 bei erkrankten Katzen zu keiner Verminderung von TSH und T4 [2].

Ein weiteres diagnostisches Verfahren ist der TRH-Funktionstest. Hierbei wird der Katze Thyrotropin Releasing Hormon (TRH) verabreicht, was bei gesunden Katzen zu einem deutlichen Anstieg der T4-Konzentration führt. Bei erkrankten Tieren kommt es dagegen zu keinem oder allenfalls zu einem geringen Anstieg [8]. Allerdings hat dieser Test bei Katzen zum Teil erhebliche Nebenwirkungen (Speicheln, Erbrechen, Herzrasen, Kotabsatz), weshalb er selten angewendet wird [1].

Szintigrafie

Die Schilddrüsen-Szintigrafie ist ein wertvolles diagnostisches Verfahren, allerdings ist sie nur in sehr wenigen Tierkliniken verfügbar. Hierbei wird der Katze ein Radionuklid (z. B. das Iod-Isotop 131I oder das Technetium-Isotop 99mTc) verabreicht und anschließend dessen Anreicherung in den Adenomen dargestellt. Der große Vorteil dieser Methode liegt darin, dass die genaue Lokalisation der Tumore in der Schilddrüse bestimmt werden kann und auch ektopes Schilddrüsengewebe -vorzugsweise im Bereich des Mittelfells- erkannt werden kann [9].

Diagnose

Aufgrund des klinischen Bildes kommen eine Reihe weiterer Krankheiten älterer Katzen wie Diabetes mellitus, chronische Niereninsuffizienz, Herzkrankheiten, Leberversagen und Maldigestion bzw. Maladsorption in Frage. Die Diagnose kann daher nur durch Laborbefunde und/oder Szintigrafie gestellt werden [2].

Therapie

Derzeit existieren drei Therapiemöglichkeiten zur Behandlung der Hyperthyreose bei Katzen: Der Einsatz von Thyreostatika, die chirurgische Entfernung des erkrankten Schilddrüsengewebes und die Radioiodtherapie.

Die Therapie mit Thyreostatika ist einfach durchführbar und wird dadurch von vielen Tierärzten angewendet. Thyreostatika hemmen die Bildung der Schilddrüsenhormone, beseitigen aber, im Gegensatz zu den anderen Verfahren, nicht das krankhaft veränderte Gewebe. Dennoch können diese Arzneistoffe in Dauertherapie zumeist problemlos angewendet werden oder auch zur Stabilisierung von Patienten vor einem chirurgischen Eingriff Anwendung finden. In der Tiermedizin wird vor allem Thiamazol (Syn. Methimazol, als Felimazole® zur Zeit einziges in Deutschland für Katzen zugelassenes Präparat), manchmal auch Carbimazol eingesetzt. Carbimazol wird bei oraler Aufnahme schnell in Methimazol umgesetzt[10].

Die chirurgische Entfernung (Thyroidektomie) ist zwar sehr effektiv, aber vor allem bei stark hyperthyreoten Katzen wegen des hohen Narkoserisikos auch riskant. Hier wird zumeist eine Vorbehandlung mit Thyreostatika empfohlen. Für die Entfernung existieren verschiedene Techniken, wobei darauf geachtet werden muss, dass möglichst die Epithelkörperchen erhalten werden. Zudem besteht bei der Operation das Risiko der Verletzung wichtiger Halsnerven (Nervus laryngeus recurrens, Truncus vagosympathicus). Bei totaler Thyroidektomie entsteht ein Mangel an Schilddrüsenhormonen, der durch lebenslange Gabe ausgeglichen werden muss [11]. Bei einseitiger Entfernung entwickelt sich nach der Operation zwar auch oft eine zeitweilige Schilddrüsenunterfunktion, die aber meist nicht behandelt werden muss [2]. Zudem besteht bei der operativen Entfernung das Risiko von Rezidiven, insbesondere bei Vorhandensein von ektopem Schilddrüsengewebe [12].

Die Radioiodtherapie ist die Therapie der Wahl, da sie effektiv und gut verträglich ist. Eine einmalige Behandlung ist in der Regel ausreichend, so dass keine medikamentöse Dauerbehandlung (eine Tabletteneingabe ist bei einigen Katzen durchaus problematisch) notwendig ist und die Risiken der chirurgischen Entfernung entfallen [13]. Allerdings ist sie mit erheblichen Strahlenschutz-Auflagen verbunden und deshalb bislang nur an zwei tiermedizinischen Einrichtungen in Deutschland verfügbar. Neben der begrenzten Verfügbarkeit sind die damit verbundenen Kosten und der notwendige dreiwöchige stationäre Aufenthalt von Nachteil, der von Katzen nicht immer toleriert wird.

Literatur und Quellen

  1. a b c d Hämmerling, R.: Die feline Hyperthyreose. Der praktische Tierarzt 86(5)/2005, S. 320-324. ISSN 0032-681X
  2. a b c d e f Peterson, M.E.: Hyperthreodism. In: Ettinger/Feldman: Textbook of veterinary internal medicine. Saunders, 5. Aufl. 2000, Bd. 2, S. 1400-1419. ISBN 0-7216-7256-6
  3. Nelson RW, Couto CG: Innere Medizin der Kleintiere. Urban & Fischer, 1. Auflage 2006: 758-772
  4. Ward, C.R. et al.: Expression of inhibitory G proteins in adenomatous thyroid glands obtained from hyperthyroid cats. Am. J. Vet. Res. 66(9)/2005 , S. 1478-1482. PMID 16261818, ISSN 0002-9645
  5. Merryman JI et al.: Overexpression of c-Ras in hyperplasia and adenomas of the feline thyroid gland: an immunohistochemical analysis of 34 cases. Vet Pathol. 1999 Mar;36(2):117-24. PMID 10098639 [1]
  6. a b c Broussard, J.D. et al.: Changes in clinical and laboratory findings in cats with hyperthyreodism from 1983 to 1993. J. Am. Vet. Med. Assoc. 206(3)/1995, S. 302-305. PMID 7751233
  7. Peterson, M.E.: Measurement of serum concentrations of free thyroxine, total thyroxine, and total triiodothyronine in cats with hyperthyroidism and cats with nonthyroidal disease. J. Am. Vet. Med. Assoc. 218(4)/2001, S. 529-536. PMID 11229503, ISSN 0003-1488
  8. Peterson, M.E. et al.: Use of the thyrotropin releasing hormone stimulation test to diagnose mild hyperthyreodism in cats. J. Vet. Intern. Med. 4/1999, S. 279
  9. Peterson, M.E., Becker, D.V.: Radionuclide thyroid imaging in 135 cats with hyperthyroidism. Vet. Radiol. 25(1)/1984, S. 23-27. ISSN 0196-3627
  10. Peterson, M.E., Aucoin, D.P.: Comparison of disposition of carbimazole and methimazole in clinically normal cats. Res. Vet. Sci. 54(3)/1993, S. 351-355. PMID 8337482, ISSN 0034-5288
  11. Welches, C.D.: Occurence of problems after three techniques of bilateral thyroidectomie in cats. Vet. Surgery 18(5)/1989, S. 392-396. PMID 2815557, ISSN 0161-3499
  12. Naan, E.C. et al.: Results of thyroidectomy in 101 cats with hyperthyroidism. Vet. Surg. 35(3)/2006, S. 287-293. PMID 16635010, ISSN 0161-3499
  13. Peterson, M.E.: Radioiodine treatment of hyperthyroidism. Clin. Tech. Small Anim. Pract. 21(1)/2006:34-39. PMID 16584029, ISSN 1096-2867