Das Tote Gebirge ist eine Gebirgsgruppe der Nördlichen Kalkalpen im Bereich der nördlichen Steiermark und des südlichen Oberösterreich. Das Gebirge hat seinen höchsten Punkt im Großen Priel mit 2515 m ü. A. Das stark verkarstete Gebirge besteht vorwiegend aus Dachsteinkalk, entwässert größtenteils unterirdisch und ist von mehreren großen Höhlen durchzogen, darunter das Schönberg-Höhlensystem mit über 147 Kilometern Länge. Durch Alpenvereinshütten und ein großes Wegenetz ist das Tote Gebirge für den Tourismus erschlossen. Am Loser, auf der Tauplitzalm, Wurzeralm und in Hinterstoder befinden sich Wintersportgebiete. Der Name leitet sich vom stark verkarsteten und großteils vegetationsarmen Zentralplateau ab.
Totes Gebirge
| ||
---|---|---|
![]() Die Südostseite über dem Stodertal | ||
Höchster Gipfel | Großer Priel (2515 m ü. A.) | |
Lage | Steiermark, Oberösterreich | |
Teil der | Nördliche Kalkalpen | |
Koordinaten | 47° 43′ N, 14° 4′ O | |
Typ | Kalkkarststock, Plateaugebirge | |
Gestein | Dachsteinkalk | |
Fläche | 1.125 km² |
Geographie
Das Tote Gebirge besitzt eine maximale Ausdehnung zwischen Bad Ischl im Westen und dem Pyhrnpass im Osten von 55 und von Nord nach Süd von 28 Kilometern; es umfasst eine Gesamtfläche von etwa 1125 km² mit einer Grenzlänge von 153 km.[1]
Die Begrenzung verläuft von Ebensee der Traun entlang über Bad Ischl nach Bad Goisern, über die Pötschenhöhe nach Bad Aussee, weiter über das Hinterbergtal und durch die Schlucht von Untergrimming zur Enns. Diese bildet die Grenze bis Liezen. Von hier verläuft die Ostgrenze über den Pyhrnpass bis zur Teichl und deren Einmündung in die Steyr. Die Nordgrenze ergibt sich aus der Linie Steyrbruck – Ödseen – Almsee – Offensee und Steinkogel bei Ebensee.[2]
Politisch gesehen teilt sich das Gebiet auf die Bezirke Gmunden, Kirchdorf an der Krems und Liezen auf.
Im Nordosten verläuft im Steyr- und im Teichtal die Pyhrn Autobahn (A 9), und das Tote Gebirge ist über die Anschlüsse bei Roßleithen und Spital am Pyhrn erschlossen. Parallel zur A 9 verläuft die Pyhrnpass Straße. Im Westen und Südwesten verläuft von Ebensee bis nach Trautenfels die Salzkammergutstraße, die hier in die Ennstal Straße mündet und bis nach Liezen führt. Mehrere Mautstraßen führen vom Tal auf das Plateau. Von Altaussee die Loser-Panoramastraße bis auf 1600 m Höhe in die Nähe des Augstsees. Von Bad Mitterndorf die Tauplitz Alpenstraße auf die Tauplitzalm und von Hinterstoder die Höss Mautstraße auf die Hutterer Böden.
Gliederung und Gipfel
Die Hauptmasse des Gebirges wird in drei Gruppen unterteilt. Im Westen befindet sich die Schönberggruppe, die durch eine geologisch bedingte tiefe Einbruchsfurche von der zentralen Prielgruppe getrennt ist. Diese als Wildenseelinie bezeichnete tektonische Störung verläuft vom Altausseer See über den Hochklapfsattel zum Wildensee und weiter über den Rinnerboden zum Offensee. Im Osten wird die Warscheneckgruppe ebenfalls durch eine tektonische Störung, der sogenannten Salzsteiglinie von der Prielgruppe getrennt. Diese verläuft von der Tauplitzalm über das Salzsteigjoch durch das Stodertal.[3]
Schönberggruppe | Seehöhe [m ü. A.] | Prielgruppe | Seehöhe [m ü. A.] | Warscheneckgruppe | Seehöhe [m ü. A.] |
---|---|---|---|---|---|
Schönberg | 2093 | Großer Priel | 2515 | Warscheneck | 2388 |
Rinnerkogel | 2012 | Spitzmauer | 2446 | Hochmölbing | 2336 |
Bräuningzinken | 1899 | Schermberg | 2396 | Almkogel | 2116 |
Hohe Schrott | 1839 | Rotgschirr | 2270 | Angerkogel | 2114 |
Loser | 1837 | Großer Tragl | 2179 | Rote Wand | 1872 |
Seen
Eingebettet in dieses Kalkmassiv sind zahlreiche Bergseen wie
Geologie
Tektonik
Tektonisch besteht das Tote Gebirge aus mächtigen, nordvergenten Falten der Toten Gebirgsdecke und der Warscheneckdecke. Das Gebirge ist von mehreren tektonischen Störungen durchzogen. Die wichtigste ist die Salzsteiglinie, die von Vorderstoder über Hinterstoder zum Salzsteigjoch und weiter gegen Südwesten zum Tauplitz-Plateau verläuft. Entlang der Salzsteiglinie wurde die Totengebirgsdecke, der tirolischen Deckeneinheit (Tirolikum), von der Warscheneckdecke, die der juvavischen Deckeneinheit (Juvavikum) zugerechnet wird, überschoben. Sie trennt somit auch die Prielgruppe von der Warscheneckgruppe.[4] Weitere Störungen sind die Elmlinie, entlang der Lahngangseen und die Wildenseelinie, vom Altausseer See über den Wildensee zum Offensee. Letztere trennt die Schönberggruppe von der Prielgruppe.
Lithostratigraphie
Das Tote Gebirge ist fast zur Gänze aus Kalken und Dolomiten der Trias und der Jura aufgebaut, die vor etwa 210 bis 135 Millionen Jahren abgelagert wurden. Salzführendes Haselgebirge (Perm) und Werfen-Formation (Untertrias) bilden die untersten Schichten des Gebirges. Sie treten in Vorder- und Hinterstoder und besonders im Salzkammergut auf, wo sich auch das Salzbergwerk Altaussee und der Bad Ischler Salzberg befinden.
Der Wettersteindolomit (Ladin) bildet die unteren Wandpartien der Nordabstürze der Prielgruppe und den westlichen Bereich der Warscheneckgruppe. Über dem Wettersteindolomit finden sich wasserstauende Lunzer Schichten (Karnium), die als größere Gebiete bei der Hagsteinalm (Hochsteinalm) und Bärenalm in der Warscheneckgruppe zu finden sind. Die Lunzer Schichten trennen prinzipiell den Hauptdolomit vom Wettersteindolomit, jedoch sind diese meist ausgequetscht, sodass eine Unterscheidung der beiden Dolomitarten nicht möglich ist. Der Hauptdolomit (Norium) und bildet den Sockel von Schermberg und der Almtaler Sonnenuhr. In der Warscheneckgruppe bildet der Hauptdolomit den Zackengrat des Sneslitz, aber auch das weite Almgebiet im Bereich der Hochmölbinghütte. Der Hauptdolomit geht in den gebankten Dachsteinkalk (Norium bis Rhaetium) über und bildet die Hauptmasse der Totengebirgs- als auch Warscheneckdecke. Dieser erreicht eine Mächtigkeit von bis zu 1000 m und baut alle Wände und Hochflächen der Prielgruppe mit Ausnahme des Südwestplateaus auf, weiters den nördlichen Teil der Schönbergruppe und den östlichen Teil der Warscheneckgruppe.
Kalke aus dem Jura bilden das Südwestplateau der Prielgruppe. Die Oberalm-Formation (Kimmeridgium) liegt auf dem Dachsteinkalk und bildet nicht nur schroffe Wände vom Loserkamm bis zum Salzofen, sondern auch die großen Almen in diesem Gebiet. Der Plassenkalk (Kimmeridgium) ist der Oberalm-Formation sehr ähnlich, bildet jedoch riesige, glatte Plattenwände wie an der Trisselwand und Backenstein. In der Warscheneckgruppe bestehen Rote Wand und Stubwieswipfel aus Plassenkalk.[3]
Höhlen
Der gut verkarstungsfähige Dachsteinkalk bietet im Zusammenwirken mit dem übrigen Trennflächengefüge besonders günstige Voraussetzungen für die Höhlenbildung. Mit Stand 2019 sind im Österreichischen Höhlenverzeichnisses mehr als 2000 Objekte verzeichnet. Die meisten Höhleneingänge liegen im Plateaubereich des Toten Gebirges. Mit vermessenen 147.813 m ist das Schönberg-Höhlensystem (Kat.Nr. 1626/300) die längste Höhle Österreichs.[5] Von besonderer geschichtlicher Bedeutung sind die Salzofenhöhle (Kat.Nr. 1624/31) und die Ramesch-Knochenhöhle (Kat.Nr. 1636/08a), da in ihnen Steinwerkzeuge der Kulturstufe Moustérien gefunden wurden, die aus der Zwischeneiszeit zwischen 65.000 und 31.000 v. Chr. stammen.
Name | Kat.-Nr. | Vermessungslänge [m] | Vertikalerstreckung [m] |
---|---|---|---|
Schönberg-Höhlensystem | 1626/300 | 147813 | 1061 |
Schwarzmooskogel-Höhlensystem | 1623/40 | 133831 | 1125 |
Verborgene Höhle | 1616/110 | 27078 | 327 |
DÖF-Sonnenleiter-Höhlensystem | 1625/379 | 24172 | 249 |
Almberg-Höhlensystem | 1624/18 | 22676 | 302 |
Flora und Vegetation
In der oberalpinen Stufe domieren fragmentierte Polsterseggenrasen. Hier gedeihen ebenfalls Sternhaar-Felsenblümchen (Draba stellata), Rosarotes Läusekraut (Pedicularis rosea) und Steinschmückel (Petrocallis pyrenaica). Ganz auf das subnivale Gipfelplateau des Großen Priel beschränkt ist das Einblütige Hornkraut (Cerastium uniflorum). Auf der Wurzeralm finden sich zwei Latschenhochmoore, das Untere und Obere Filzmoos, die als die höchstgelegenen der Nordalpen gelten.[6] Im Bereich des Albert-Appel-Hauses gibt es einen größeren Waldbestand, den Henarwald.
Fauna
Das Tote Gebirge ist für Gämsen (Rupicapra rupicapra) ein Rückzugsgebiet; die Tiere treten in hohen Dichten auf. Auch Schneehasen (Lepus timidus) leben im Gebiet. Alpendohlen (Pyrrhocorax graculus) und Kolkraben (Corvus corax) sind häufig anzutreffen. Mit Alpenschneehuhn (Lagopus muta), Birkhuhn (Lyrurus tetrix), Haselhuhn (Tetrastes bonasia) und Auerhuhn (Tetrao urogallus) sind vier Raufußhuhnarten im Gebiet heimisch. Alpenbraunellen (Prunella collaris) und Schneefink (Montifringilla nivalis) wurden ebenfalls nachgewiesen[7]. Das Tote Gebirge ist auch Verbreitungsgebiet des Steinadlers (Aquila chrysaetos)[8].
Naturschutz
Große Teile des Toten Gebirges stehen unter Naturschutz. Die flächenmäßig größten Schutzgebiete liegen in der Steiermark: Totes Gebirge Westund Totes Gebirge Ost. Die beiden Schutzgebiete decken einen Großteil des Hochplateaus auf steirischer Seite ab (auf den Gemeindegebieten von Altaussee, Grundlsee, Tauplitz, Stainach-Pürgg, Wörschach und Liezen). In Oberösterreich befinden sich vier kleinere Naturschutzgebiete: Warscheneck Nord, Warscheneck Süd-Purgstall-Brunnsteiner Kar, Warscheneck-Süd-Stubwies, Warscheneck-Süd-Wurzeralm.
Namenskunde
Der Name Totes Gebirge bezog sich ursprünglich vorallem auf das östlichen Zentralplateau südlich des Großen Priels. Dieser innerste Bereich wird wegen seiner Wasserlosigkeit durch Fehlen von Quellen oder oberirdischen Gerinnen und weitgehender Pflanzenarmut von den Einheimischen als Boandlland (Bein- bzw. Knochenland) bezeichnet, in Anspielung auf die weißen Kalkbänke, im Volksmund Stoabreda (Steinbretter) genannt, die wie Rippen aus der kahlen Landschaft herausragen. [9]
Bergsport
Wandern
Das markierte und beschilderte Wegenetz im Toten Gebirge wird vom Österreichischen Alpenverein gewartet. Der Weg 201 durchquert das Tote Gebirge von Ost nach West und findet beim Warscheneck seinen höchsten Punkt. Er ist im Verlauf identisch mit dem Österreichischer Weitwanderweg 01, dem Europäischer Fernwanderweg E4 sowie dem Violetten Weg der Via Alpina. Wegverlauf: Spital am Pyhrn – Linzer Haus – Zellerhütte – Vorderstoder – Hinterstoder – Prielschutzhaus – Pühringerhütte – Albert-Appel-Haus – Loserhütte – Lambacher Hütte – Bad Goisern.
Anstiege auf das Plateau gibt es von allen Himmelsrichtungen. Die bekanntesten sind:
- 212 Offensee – Rinnerhütte – Wildensee – Altaussee
- 213 Almsee – Pühringer Hütte – Gößl
- 215 Vom Almtaler Haus zur Welser Hütte
- 216 Von Hinterstoder zum Salzsteigjoch
- 235 Vom Grundlsee zum Albert-Appel-Haus
Schutzhütten
Im Toten Gebirge befinden sich viele Schutzhütten die mehrheitlich vom Alpenverein betrieben werden. Überdies bieten Hütten der Naturfreunde als auch private Unterkünfte, Übernachtungsmöglichkeiten für Wanderer.
Schönberggruppe | Seehöhe [m ü. A.] | Prielgruppe | Seehöhe [m ü. A.] | Warscheneckgruppe | Seehöhe [m ü. A.] |
---|---|---|---|---|---|
Ischler Hütte | 1369 | Albert-Appel-Haus | 1660 | Hochmölbinghütte | 1684 |
Lambacher Hütte | 1438 | Pühringerhütte | 1638 | Liezener Hütte | 1762 |
Loserhütte | 1498 | Almtalerhaus | 714 | Zellerhütte | 1575 |
Ebenseer Hochkogelhaus | 1558 | Welser Hütte | 1726 | Dümlerhütte | 1495 |
Rinnerhütte | 1473 | Prielschutzhaus | 1420 | Linzer Haus | 1371 |
Wildenseehütte | 1473 | Holl-Haus | 1621 | Wurzeralmhaus | 1407 |
Wintersport
Skigebiete finden sich im steirischen Teil im Bereich der Tauplitzalm (Südwesten) und im kleineren Umfang auch am Loser (Westen) sowie in Oberösterreich bei Hinterstoder (Nordosten) und auf der Wurzeralm.
Karten
- Alpenvereinskarte Bl. 15/1 (Totes Gebirge – West), 1:25.000; Österreichischer Alpenverein 2014; ISBN 978-3-928777-29-2.
- Alpenvereinskarte Bl. 15/2 (Totes Gebirge – Mitte), 1:25.000; Österreichischer Alpenverein 2008; ISBN 978-3-928777-31-5.
- Alpenvereinskarte Bl. 15/3 (Totes Gebirge – Ost), 1:25.000; Österreichischer Alpenverein 2010; ISBN 978-3-928777-33-9.
Literatur
- Amt der oö Landesregierung, Naturschutzabteilung (Hrsg.): Natur und Landschaft / Leitbilder für Oberösterreich. Band 36: Raumeinheit Kalk-Hochalpen. Linz 2007 (pdf [abgerufen am 29. Juli 2019]).
- Siegfried Ellmauer: Almgeschichte des Toten Gebirges. Traunkirchen 1996 (pdf [abgerufen am 5. August 2019]).
- Gisbert Rabeder: Alpenvereinsführer Totes Gebirge. Für Wanderer, Bergsteiger und Kletterer, Bergverlag Rudolf Rother, Juni 2005, ISBN 3-7633-1244-7
- Christian Rupp, Manfred Linner & Gerhard W. Mandl: Erläuterungen zur geologische Karte von Oberösterreich. Geologische Bundesanstalt, Wien 2011 PDF Online
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Ellmauer, Siegfried: Almgeschichte des Toten Gebirges, Seite 5
- ↑ Rabeder, Gisbert: Alpenvereinsführer Totes Gebirge, Seite 16
- ↑ a b Rabeder, Gisbert: Alpenvereinsführer Totes Gebirge, Seite 21–25
- ↑ Rupp Christian et al: Erläuterungen zur geologische Karte von Oberösterreich, Tafel 1 Tektonische Übersicht
- ↑ Die längsten Höhlen Österreichs. Verband Österreichischer Höhlenforscher, abgerufen am 29. Juli 2019.
- ↑ Pils, Gerhard: Die Pflanzenwelt Oberösterreichs, Ennsthaler, Steyr 1999, S. 226–234.
- ↑ Brader & Aubrecht (Redaktion): Atlas der Brutvögel Oberösterreichs. Denisia 7, Linz 2003 online
- ↑ Steiner, Helmut: Der Steinadler (Aquila chrysaetos) in den oberösterreichischen Kalkalpen. Egretta-Vogelkundliche Nachrichten aus Österreich 42, Salzburg 1999, S. 172–173
- ↑ Ellmauer, Siegfried: Almgeschichte des Toten Gebirges, Seite 3