Die Glagoliza (bulgarisch/mazedonisch глаголица/glagolica, kroatisch/serbisch glagoljica/Глагољица, slowakisch hlaholika), in der Schreibweise mancher slawischer Sprachen bzw. in wissenschaftlicher Transliteration Glagolica) oder glagolitische Schrift ist die älteste slawische Schrift.

Sie wurde um 860 (höchstwahrscheinlich jedoch erst 862/863) von dem Gelehrten Konstantin, der später als Mönch den Namen Kyrill annahm, für die Zwecke der Moravisch-Pannonischen Mission und ersten slawischen Kirchengründung entwickelt. Da das griechische Alphabet für die slawischen Sprachen nur eingeschränkt geeignet war und Konstantin die kulturelle Eigenständigkeit der Slawen betonen wollte, konzipierte er die glagolitische Schrift als "Abstandschrift"; d.h., er legte ihr zwar das griechische System ("Schriftdenken": Buchstaben mit Laut- und numerischer Funktion) zugrunde, schuf jedoch ein von anderen Schriften formal unabhängiges, neues Alphabet. Freilich konnte sich Kyrill dabei dem Einfluß anderer Schriften nicht ganz entziehen. Als Quellen dienten ihm neben den griechischen Minuskeln auch kaukasische (insbes. das georgische) und semitische Schriftsysteme. Sicher ist ebenfalls, dass christliche Symbole (insbes. Kreuz, Kreis, Dreieck) bei der Formgebung eine wichtige Rolle spielten.

Aus der konstruktiven Urform der Glagoliza entwickelte sich zunächst eine runde, dann auch eine eckige Variante. Die runde Glagoliza dominierte im bulgarisch-makedonisch-serbischen Raum, die jüngere eckige vor allem in Kroatien und wurde ab dem 16. Jahrhundert auch für den Buchdruck verwendet.
Als in den letzten Dezennien des 9. Jahrhunderts auf dem Territorium des bulgarischen Reiches die kyrillische Schrift größtenteils aus der griechischen Schrift entwickelt wurde, wurden einige Zeichen der glagolitischen Schrift (ohne Zahlwert) beibehalten, und zwar für Laute, die im Slawischen vorhanden waren, im Griechischen dagegen fehlten. Ab dem 10./11. Jahrhundert wurde die Glagoliza von der kyrillischen Schrift mehr und mehr verdrängt. Während sie auf anderen Territorien schon im späten 12. Jahrhundert allenfalls als Geheimschrift noch eine gewisse Rolle spielte, konnte sie sich in Kroatien noch lange halten, auf der Insel Krk und in der Region Istrien sogar bis Anfang des 19. Jahrhunderts.
Die um das Jahr 1100 verfasste Tafel von Baška, eines der ältesten und bekanntesten Kulturdenkmäler der slawischen Sprache und Geschichte, ist in glagolitischer Schrift geschrieben.
Noch um die Wende von 19. zum 20. Jahrhundert erschien ein katholisches kirchenslawisches Messbuch in glagolitischer Schrift. Nahe der Ortschaft Hum in der nordwestkroatischen Region Istrien wurde der Glagolitza ein 7 Kilometer langes Denkmal gesetzt: Die glagolitische Allee.
Buchstaben des glagolitischen Alphabets
Zeichenkodierung
Die Glagoliza ist in Unicode in den Bereichen U+2C00 - U+2C5E (Glagolitic) alloziert.
Weblinks
Literatur
- Fullerton, Sharon Golke: Paleographic Methods Used in Dating Cyrillic and Glagolitic Slavic Manuscripts. (In: Slavic Papers No. 1.) Ohio, 1975. 93 p.
- Jachnow, Helmut: Eine neue Hypothese zur Provenienz der glagolitischen Schrift - Überlegungen zum 1100. Todesjahr des Methodios von Saloniki. In: R. Rathmayr (Hrsg.): Slavistische Linguistik 1985, München 1986, 69-93.
- Jagić, Vatroslav: Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente, Wien, 1890.
- Kiparsky, Valentin: Tschernochvostoffs Theorie über den Ursprung des glagolitischen Alphabets. In: M. Hellmann u.a. (Hrsg.): Cyrillo-Methodiana. Zur Frühgeschichte des Christentums bei den Slaven, Köln 1964, 393-400.
- Miklas, Heinz (Hrsg.) Glagolitica: zum Ursprung der slavischen Schriftkultur, Wien, 2000.
- Miklas, Heinz: Die slavischen Schriften: Glagolica und Kyrillica. In: Der Turmbau zu Babel. Ursprung und Vielfalt von Sprache und Schrift. Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums, herausgegeben von W. Seipel. Bd. 3a, Wien 2003, 243-249.