Folgen der globalen Erwärmung in Österreich

regionale Auswirkungen der Erderwärmung auf die österreichische Gesellschaft, Gesundheit und Natur
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Die Folgen der globalen Erwärmung in Österreich zählen zu den regionalen Auswirkungen der Erderwärmung, die sich durch das Ansteigen der Durchschnittstemperaturen bemerkbar macht. In Österreich stieg die Jahresdurchschnittstemperatur im 20. Jahrhundert um 1,8 °C an, wovon alle Höhenlagen Österreichs betroffen waren. Damit war der Temperaturanstieg in Österreich im letzten Jahrhundert 2- bis 3-mal stärker als jener der Nordhalbkugel der Erde.[1][2] Durch diese Erwärmung können in Zukunft vermehrt Katastrophen wie Überflutungen, Vermurungen, Waldbrände und Stürme ausgelöst werden. Weiterführende Informationen zu Teilaspekten der zu erwartenden Auswirkungen sind im Artikel Folgen der globalen Erwärmung für den Weinbau zu finden.[3]

Mittlere Jahrestemperaturen in Österreich 1743-2013 als gleitende 12-Monats- sowie 10-Jahres-Mittel

Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald

Bedingungen für Österreichs Fichtenwälder werden schlechter

 
Larve eines Borkenkäfers

Die Fichte war am Beginn des 21. Jahrhunderts mit einem Flächenanteil von mehr als 50 % die häufigste Baumart in Österreich.[4] Sie wird wegen der Klimaerwärmung für niedrige bis mittlere Seehöhen immer weniger geeignet sein. Besonders betroffen von der zunehmenden Erwärmung und dem daraus resultierenden Stress für die Fichten sind Niederösterreich, das Hügelland in der Steiermark, Südburgenland im Osten Österreichs und der Donauraum. Aber auch im Mühl- und Waldviertel kommt es zu einer Verschlechterung der Bedingungen für die Fichte, wo eine Verringerung der Niederschläge zu stärker werdendem Trockenstress für die Fichten führt. In diesen Gebieten mit zunehmend hohem Klimastress wird eine nachhaltige Bewirtschaftung von Fichtenwäldern in Zukunft schwieriger oder unmöglich.[2]

Borkenkäfer bedroht den Fichtenbestand

Der Borkenkäfer wird durch wärmeres Klima in der Entwicklung begünstigt, während die Fichte bei den höheren Temperaturen im Zuge des Klimawandels unter Klimastress leidet und dadurch anfälliger für Schäden wird. Dadurch beschränken sich die für die Fichte geeigneten Gebiete immer mehr auf höhere Lagen in den Alpen. Mit den ansteigenden Temperaturen erreicht jedoch die Borkenkäferproblematik auch höhere Lagen, wie dies in den letzten Jahren vor 2005 beobachtet wurde.[5][2]

Buche wird durch Klimawandel begünstigt

Die Buche ist die häufigste Laubbaumart in Österreich. Die globale Erwärmung hat vor allem im Osten Österreichs einen Rückgang der Jahresniederschläge auf unter 600 mm zur Folge. Trotzdem wird die Buche das für sie besiedelbare Areal in ganz Österreich als Folge der Klimaänderung ausdehnen können.[2]

Schadinsekten & Lästlinge

Schadinsekten und Lästlinge entwickeln sich bei den im Zuge des Klimawandels höheren Temperaturen rascher, und wärmeliebende Arten breiten sich von wärmeren südlichen Regionen stark nach Norden aus.[6]

Marmorierte Baumwanzen (Stinkkäfer)

 
Marmorierte Baumwanze
Halyomorpha halys
(dahinter die grün gefärbte Plautia stali)

Die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys, umgangssprachlich auch Stinkkäfer oder BMSB (vom englischen Namen brown marmorated stink bug)) ist eine Baumwanzen-Art mit natürlicher Verbreitung im gemäßigten Ostasien. Die Art gilt als landwirtschaftlicher Schädling und wurde als Neozoon nach Nordamerika, später auch Europa eingeschleppt.[7] Bereits 2018 wurde in Österreich als Folge höherer Temperaturen auch durch den Klimawandel eine Verbreitung von Baumwanzen mit einem Vordringen teilweise bis in Wohnungen festgestellt. Die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys) wurde aus Ostasien eingeschleppt. In Österreich wurde über das erste Auftreten marmorierter Baumwanzen in Wien und in Dornbirn im Jahr 2015 berichtet. Im zweiten Halbjahr 2016 wurde die Marmorierte Baumwanze laut Zeitungsberichten häufig in Wien an und in Gebäuden festgestellt.[8] Demnach war 2016 das erste Jahr, in welchem Wien von diesen übelriechenden Wanzen geplagt wurde.[9][7]

Die Marmorierte Baumwanze wird vor allem schädlich durch das Besaugen von Früchten und Fruchtanlagen, darunter Pfirsich, Apfel, Birnen, Haselnuss, Weinrebe, aber auch Mais, Sojabohne, Tomate, Paprika und Aubergine. Durch den Saugvorgang werden die Früchte deformiert, verfärben sich und sind unansehnlich. Auch Pflanzenpathogene, wie Schimmelpilze der Gattung Eremothecium, können noch zusätzlich übertragen werden. Die Ernteschäden können bis zu 50 Prozent betragen.[7]

Obwohl die Wanze auch in den neuen Verbreitungsgebieten von zahlreichen biologischen Antagonisten attackiert wird, reichen diese gewöhnlich nicht zur Kontrolle aus. Ein Import von spezialisierten Eiparasitoiden der Gattung Trissolcus (Familie Platygastridae, auch Samurai-Wespe genannt) aus China in die USA wurde geprüft. 2014 stellte man jedoch fest, dass sich die Samurai-Wespe bereits in den USA befindet.[10] Die ökologischen Auswirkungen und Risiken müssen zuerst zuverlässig geprüft werden, bevor eine nicht-heimische Wespe verbreitet werden kann. Deshalb wird momentan auch erforscht, ob auch die in Europa heimische Schlupfwespenart zur Bekämpfung verwendet werden kann.[11] Üblicherweise wird die Art aber durch Einsatz von Insektiziden bekämpft.[7]

Subtropische Hyalomma-Riesenzecke

 
Subtropische
Hyalomma-Riesenzecke

Hyalomma marginatum

Die in den Subtropen beheimatete Riesenzecke Hyalomma marginatum kann nun auch in Österreich den Winter überstehen. Dies wurde erstmals in Oberösterreich im Bezirk Braunau am Inn im April 2019 festgestellt.[12] Die Art besitzt medizinische Bedeutung als Vektor des Krim-Kongo-Fiebers und Fleckfiebers. Wie typisch für die Gattung, handelt es sich um eine relativ große Schildzecke mit einer Körperlänge von etwa 5 bis 6 Millimeter, bei der der Rückenschild (Scutum oder Conscutum) im nicht vollgesogenen Zustand den gesamten Rumpfabschnitt bedeckt. Sie ist merklich größer als die in Europa häufigste Art "Gemeiner Holzbock". Die Beine sind heller als der Schild und meist merklich geringelt. Die Art ist von anderen Vertretern der Gattung schwierig und in der Regel nur im geschlechtsreifen Zustand unterscheidbar.[13]

Seit einiger Zeit wird eine Arealausweitung dieser Art nach Norden hin beobachtet. Dies ruft wegen ihrer Bedeutung als Krankheitsüberträger Besorgnis bei Epidemiologen hervor. So ist die Art in der Türkei, wo sie früher recht selten war, häufiger geworden und gehört heute zu den häufigsten Zeckenarten. 85 Prozent der auf Rindern nachgewiesenen Zecken im Land gehören inzwischen zu dieser Art.[14]

Auch im Juni 2019 wurde in Oberösterreich nachgewiesen, dass ein Exemplar überwinterte.[15] Nach Modellabschätzungen erscheint unter realistischen Klimamodellen eine Ausbreitung der Art in Süddeutschland und bis in die südlichen Niederlande realistisch.[16][13] In Österreich wurde ein geschlechtsreifes Tier, das mit dem Rickettsia aeschlimannii-Bakterium (einem Fleckfieber-Erreger, Symptome ähnlich zum Boutonneuse-Fieber) infiziert war, erstmals im Jahr 2018 im Raum Melk festgestellt.[17][13]

Rückgang der Gletscher

 
Satellitenaufnahme der Alpen

1970 bereits 35 % der ursprünglich vorhandenen Gletscherfläche verschwunden

Der weltweite Gletscherschwund betrifft in Österreich besonders den Alpenraum. Eine Studie über die Entwicklung von 5150 Gletschern in den Alpen seit 1850 kommt zu dem Ergebnis, dass bis 1970 bereits 35 % der ursprünglich vorhandenen Gletscherfläche verschwunden war, und dass dieser Schwund sich bis 2000 auf annähernd 50 % vergrößert hat.[18] Das bedeutet, dass bereits die Hälfte der ehemals von Gletschern bedeckten Fläche durch den Rückgang des Eises freigelegt worden ist.[3]

Starker Rückgang der Gletscherflächen & Permafrostböden

Höhere Temperaturen in den Bergregionen Österreichs tragen dazu bei, dass mehr Niederschlag in Form von Regen statt Schnee fällt und die Schneedecke schneller schmilzt. Die Mehrzahl der Untersuchungen zur Änderung der Schneebedeckung zeigt einen in niedrigeren Höhen abnehmenden Trend in den Alpen. Schnee schützt durch sein Isolationsvermögen und die Rückstrahlung von Sonnenlicht (Albedo) die Gletscher und den Permafrost vor dem Tauen und sorgt für Massenzufluss im Nährgebiet der Gletscher. Die Abnahme der Schneebedeckung verstärkt daher den Rückgang von Gletschern und Permafrost. Der maximale Abfluss des Schmelzwassers im Einzugsgebiet der Alpen wird sich verfrühen, es drohen mehr hydrologische Extreme mit Folgen für Land- und Forstwirtschaft, Wasserkraftnutzung und Tourismus.[19][3]

Auch die Permafrostböden in den Alpen schmelzen. Dies hat vielfältige Folgen. So werden gleichzeitig mit dem Gletscherschwund große Gebiete aus stark frakturiertem Material wie Moränen, Gerölle und Felsen freigelegt, die vorher permanent gefroren waren. Die gelockerte Gesteinsmasse kann am Berghang in eine langsam kriechende Bewegung übergehen, und bei starken Niederschlägen kann dieses Material in Form von Murgängen wieder mobilisiert werden. Dadurch steigt die Gefahr von Verwüstungen entlang der Bachrinnen bis in die Täler hinunter. Außerdem nimmt die Bodeninstabilität zu, wodurch Installationen in großen Höhen (wie Seilbahnen, Masten etc.) destabilisiert werden. Solche Installationen müssen in Zukunft zusätzlich gesichert werden. Die Konstruktionskosten werden deshalb steigen.[3]

1300 Jahre ständig vergletschertes Gebiet in Österreich wird freigelegt

Der Glaziologe Gernot Patzelt berichtete über 100 vom Österreichischen Alpenverein beobachtete Gletscher, dass durch deren Rückgang derzeit Land freigelegt werde, das seit wenigstens 1300 Jahren ständig vergletschert gewesen sei.[20] lässt sich auch zeigen, dass die Ausdehnung einiger Gletscher in früheren Zeiten (vor 6000–9000 Jahren) deutlich geringer gewesen ist als heute. Folglich geht man von höheren Temperaturen in Zeiten zurückweichender Gletscher aus. Prominentes Beispiel ist „Ötzi“, der vor etwa 5300 Jahren auf einem damals eisfreien Joch in der Nähe von Vent/Ötztaler Alpen ums Leben kam und dann von einer Schnee- und Eisdecke eingeschlossen wurde, wo er infolge des Gletscherrückzuges 1991 unter dem Eis auftauchte.[21] Gleichzeitig betonte er jedoch, dass Funde von Torfen und Baumstämmen belegten, dass diese Gebiete früher teilweise von Lärchenwäldern bedeckt gewesen seien und die aktuellen Gletscherstände historisch gesehen „nicht außergewöhnlich“.[22]

Im Fall einer Erwärmung um 3 °C werden Gletscher 80 % der Fläche verlieren

Szenarien für das 21. Jahrhundert zeigen an, dass bei einer durchschnittlichen Erwärmung um 3 °C bis ins Jahr 2100 die Gletscher der Alpen etwa 80 % der noch im Zeitraum zwischen 1971 und 1990 vorhandenen Fläche verloren haben werden. Das entspräche nur noch einem Zehntel der Ausdehnung von 1850. Eine Erwärmung um 5 °C würde praktisch zum vollständigen Verlust an Gletschereis führen.[23][3]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Böhm et al. 1998
  2. a b c d Klimawandel und Artenvielfalt, Klimastudie WWF, WWF Österreich und Österreichische Bundesforste AG, PDF-Datei mit 27 Seiten, 20. November 2007, abgerufen am 13. Juli 2019
  3. a b c d e Folgen der globalen Erwärmung in Europa, Wikipedia, abgerufen am 13. Juli 2019
  4. Österreichische Waldinventur 2000-2002, abgerufen am 13. Juli 2019
  5. Krehan H, Steyrer G (2006) Borkenkäfersituation und Borkenkäfer-Monitoring 2005. Forstschutz aktuell, Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW), Wien. pp.10–14. ISSN 1815-5103
  6. Der Klimawandel und seine Folgen, oesterreich.gv.at, Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, Stubenring 1, A-1010 Wien, abgerufen am 22. Juni 2019
  7. a b c d Marmorierte Baumwanze, Wikipedia, abgerufen am 20. Juli 2019
  8. Ländle-Biologe erklärt: Darum ist die Baumwanzenplage derzeit kein Problem, Vorarlberg Online, von Mirjam Mayer, 5. Mai 2019, abgerufen am 22. Juni 2019
  9. Wien plagen übel riechende Wanzen. In: diepresse.com. 28. November 2016, abgerufen am 20. Juli 2019.
  10. Scientists spent years on a plan to import this wasp to kill stinkbugs, by Kelly Servick, Aug. 9, 2018, abgerufen am 20. Juli 2019
  11. Er mieft, frisst unser Obst und es gibt immer mehr davon: Der Stinkkäfer erobert Europa. In: tageswoche.ch. 5. April 2018, abgerufen am 5. Oktober 2018.
  12. Eingewanderter Riesenzecke gelingt Überwinterung in Österreich, Der Standard, 12. Juni 2019, abgerufen am 22. Juni 2019
  13. a b c Hyalomma marginatum, Wikipedia, abgerufen am 20. Juli 2019
  14. Hyalomma marginatum: Factsheet for experts, ECDC European Centre for Disease Prevention and Control
  15. ORF at/Agenturen red: Wissenschaft: Riesenzecke überwinterte erstmals in Österreich. 12. Juni 2019, abgerufen am 12. Juni 2019.
  16. Agustin Estrada-Peña, Nely Sánchez, Adrián Estrada-Sánchez (2012): An Assessment of the Distribution and Spread of the Tick Hyalomma marginatum in the Western Palearctic Under Different Climate Scenarios. Vector-Borne and Zoonotic Diseases 12 (9): 758–768. doi:10.1089/vbz.2011.0771
  17. Subtropische Zecken erreichen Österreich auf ORF vom 7. Dezember 2018, abgerufen am 9. Dezember 2018.
  18. Zemp, Michael (2006): Glaciers and climate change – Spatio-temporal analysis of glacier fluctuations in the European Alps after 1850. PhD thesis, Universität von Zürich, 201 Seiten (PDF, 7,4 MB) (Memento vom 21. Februar 2007 im Internet Archive)
  19. Martin Beniston u. a.: The European mountain cryosphere: a review of its current state, trends, and future challenges. In: The Cryosphere. Band 12, 2018, doi:10.5194/tc-12-759-2018.
  20. Gletscherbericht 2005/06 (PDF) Österreichischer Alpenverein, 2007
  21. Wolf Dieter Blümel: 20 000 Jahre Klimawandel und Kulturgeschichte – von der Eiszeit in die Gegenwart (PDF), in: Wechselwirkungen. Jahrbuch aus Lehre und Forschung der Universität Stuttgart, 2002.
  22. Gletscherschwund seit 1850, Wikipedia, abgerufen am 13. Juli 2019
  23. Zemp, Michael, W. Haeberli, M. Hoelzle und F. Paul (2006): Alpine glaciers to disappear within decades? In: Geophysical Research Letters, 33, L13504. Siehe auch die Pressemitteilung online.