Carola Rackete

deutsche politische Aktivistin
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Carola Rackete (* 27. Juni 1988[1] in Preetz) ist eine deutsche Kapitänin.[2] Internationale Bekanntheit erreichte sie im Juni 2019 durch die Aufnahme von Migranten im Mittelmeer und das Anlaufen des Hafens von Lampedusa ohne Erlaubnis der italienischen Behörden. Zurzeit steht Rackete auf Lampedusa unter Hausarrest.

Leben

Rackete wuchs in Hambühren auf und machte dort 2007 Abitur. Sie absolvierte ein Studium der Nautik an der Jade Hochschule in Elsfleth mit dem Abschluss Bachelor. Rackete beherrscht drei Fremdsprachen.[3]

Anschließend fuhr sie als Nautischer Offizier auf Kreuzfahrtschiffen, Schiffen von Greenpeace und beim British Antarctic Survey. Als Brückenoffizier arbeitete sie für Greenpeace[4] und war in dieser Funktion auch an Expeditionen für das Alfred-Wegener-Institut beteiligt.[5] Von 2015 bis 2018 absolvierte sie das Studium Conservation Management an der Edge Hill University in England, das sie mit dem Master abschloss.[2] Sie übernahm das Schiff Sea-Watch 3 der Organisation Sea-Watch als Kapitänin.

Aufnahme von 53 Menschen aus einem Schlauchboot

Ereignisse vom 12. Juni bis 29. Juni 2019

Nach der Aufnahme von 53 auf einem Schlauchboot befindlichen Migranten vor der libyschen Küste im Mittelmeer am 12. Juni 2019 wurde der Sea-Watch 3 das Anlaufen der Insel Lampedusa durch italienische Behörden verweigert.[6] 13 der Migranten auf der Sea-Watch 3 wurden von Italien aus medizinischen Gründen aufgenommen.[7]

Rackete entschloss sich in der Nacht auf den 29. Juni jedoch, nachdem sie aufgrund der Situation an Bord einen Seenotfall erklärt hatte, den Hafen mit 40 Migranten und 22 Besatzungsmitgliedern trotz Warnungen der Küstenwache und einer Hafensperre anzulaufen.[8] Ein Schiff der Guardia di Finanza, das die Sea-Watch 3 am Anlegen zu hindern versuchte, wurde dabei touchiert[9] und drohte an der Mole eingeklemmt zu werden.[10]

Rackete wurde anschließend von den italienischen Sicherheitsbehörden festgenommen[11] und unter Hausarrest gestellt.[12]

Rechtliche Aspekte

Bereits am 28. Juni 2019 leitete die italienische Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur illegalen Einreise und Verletzung des Seerechts ein. Ihr drohen zusätzlich wegen Verstoß gegen die Sperrung des Hafens und das Einlaufen in italienische Hoheitsgewässer bis zu 50.000 € Geldbuße und wegen „Gewaltanwendung gegen ein Kriegsschiff“ drei bis zehn Jahre Gefängnis.[13] In der internationalen Berichterstattung ist unstrittig, dass Rackete mit ihrem Vorgehen gegen italienisches Recht verstoßen hat.

Strittig ist dagegen, ob Italiens Innenminister Matteo Salvini (Lega) mit seinen Anordnungen zum Anlandeverbot gegen italienisches Recht sowie internationales Seerecht zur Rettung Schiffbrüchiger verstoßen hat, da das von Salvini erlassene Gesetzesdekret die Kompetenzen des Innenministers de facto über internationale Konventionen hinweghebt.[5]

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wies in seiner Entscheidung den „Antrag auf Anordnung vorläufiger Maßnahmen der Antragsteller in der Rechtssache Rackete und andere gegen Italien“ (“interim measure requested by the applicants in the case of Rackete and Others v. Italy”) ab, mit dem Rackete eine Anlegeerlaubnis in Italien durch den EGMR erreichen wollte, da es zu diesem Zeitpunkt keine Menschen mehr gegeben habe, die auf dem Schiff gefährdet gewesen seien: “The Court decides not to indicate an interim measure requiring that the applicants be authorised to disembark in Italy from the ship Sea-Watch 3” (deutsch: „Der Gerichtshof beschließt, keine einstweilige Anordnung zu erlassen, die vorsieht, dass die Antragsteller von dem Schiff Sea-Watch 3 in Italien ausschiffen dürfen.“)[14][15] Der Gerichtshof verneinte damit das Vorliegen eines von Rackete behaupteten "Seenotfalls".

Der zuständige Staatsanwalt Luigi Patronaggio, der die Ermittlungen gegen Rackete leitet und die sofortige Festnahme der Kapitänin mit anschließendem Hausarrest angeordnet hatte, sprach von einem „unzulässigen Gewaltakt“ und „der Gefährdung der Sicherheit der Allgemeinheit“, der sich durch keinerlei humanitäre Gründe rechtfertigen lasse.[16]

Reaktionen

Medien

Über die Festnahme Racketes wurde international berichtet: Le Figaro berichtet umfangreich über die Vorgänge.[17] Weitere Berichte erschienen in Le Monde, New York Times, El Pais etc.

Betroffene

Ein Sea-Watch-Sprecher begründete die Entscheidung der Kapitänin, den Hafen anzufahren: „Es war der verzweifelte letzte Versuch, die Sicherheit der Menschen sicherzustellen.“[18] In einem Spiegel-Interview erklärte Rackete, sie sei bereit, die Konsequenzen zu tragen. Wenn sie die Gerichte nicht freisprechen würden, würden es die Geschichtsbücher tun.[19]

Rackete sagte über ihre Anwälte der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera: „Die Situation war hoffnungslos. Und mein Ziel war es lediglich, erschöpfte und verzweifelte Menschen an Land zu bringen.“[20]

Die betroffene Bevölkerung von Lampedusa steht der gegen italienisches Recht verstoßenden Anlandung der Migranten überwiegend feindselig gegenüber; bei der Festnahme von Rackete im Hafen von Lampedusa wurde diese von den anwesenden Einheimischen überwiegend beschimpft und als Kriminelle bezeichnet.[21]

Spendenaufruf

Unmittelbar nach der Festnahme starteten in Deutschland Solidaritätsaktionen. So riefen am 29. Juni 2019 die Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf zu einer Spendenaktion auf.[22] Nach einem Tag kamen bereits über 600.000 Euro zusammen. Böhmermann bezeichnete das bisherige Ergebnis der Aktion auf Twitter als Erfolg und schrieb: „Das ist nicht nur dringend benötigtes Geld, sondern auch ein Signal – an die Lebensretter und die politisch Verantwortlichen.“[23]

Matteo Salvini

Der italienische Innenminister Salvini wies die Kritik zurück und kommentierte auf Twitter, dass Italien von niemandem Belehrungen akzeptiere: „Verbrecherische Kapitänin festgenommen, Piratenschiff beschlagnahmt, Höchststrafe für die ausländische Nichtregierungsorganisation"[24] Salvini titulierte Rackete mit verschiedenen abwertenden Bezeichnungen, so z. B. als sbruffoncella (kleine Angeberin).[25][26] In der deutschen Tagesschau wurde Rackete als „gefühlt wichtigste Gegenspielerin“ Salvinis bezeichnet.[27]

Deutsche Politik

Außenminister Heiko Maas kommentierte die Festnahme von Rackete mit „Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden."[28]

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kritisierte das Verhalten der italienischen Behörden ebenfalls.[29]

Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller forderte die sofortige Freilassung Racketes. [30]

Bijan Djir-Sarai, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, hält die Festnahme hingegen für gerechtfertigt. „Carola Rackete hat ihr Schiff entgegen dem ausdrücklichen Verbot der italienischen Behörden in den Hafen gesteuert“, sagte Djir-Sarai „Sie wird trotz edler Motive für diese illegale Aktion die Verantwortung übernehmen müssen.“ Die Rechtsstaatlichkeit sei „außerordentlich gefährdet, wenn unter Berufung auf gesinnungsethische Motive Gesetze gebrochen werden“.[31]

Petr Bystron, außenpolitischer Obmann der AfD-Bundestagsfraktion, bezeichnete Rackete gar als Kriminelle und sprach Salvini seine Zustimmung aus. „Es ist europaweiter Konsens, dass die Schlepperei im Mittelmeer rechtswidrig ist. Daher ist die Festnahme von Frau Rackete ein völlig normaler Vorgang“, sagte Bystron. „Sie ist eine gewöhnliche Kriminelle, bei der jedoch von linken Kreisen in Deutschland versucht wird, sie zu einer Heldin hochzustilisieren.“[32]

Sonstige

Jean Asselborn (Luxemburg), ebenso wie Christophe Castaner, der französische Innenminister, schätzten die Schließung der Häfen als Verstoß gegen das Seerecht ein.[17]

Einzelnachweise

  1. https://themillennial.it/speciale-millennial/carola-rackete-chi-e/
  2. a b Wer ist Kapitän Carola Rackete? In: Kieler Nachrichten, abgerufen am 27. Juni 2019.
  3. Sophie Aschenbrenner: Salvinis Zielscheibe aus Niedersachsen. In: sueddeutsche.de. 28. Juni 2019, abgerufen am 29. Juni 2019.
  4. Die deutsche Kapitänin, die sich Italiens rechtem Innenminister widersetzt in: Focus online vom 29. Juni 2019.
  5. a b Kapitänin gegen den Capitano. In: Süddeutsche Zeitung, 20. Juni 2019.
  6. CAROLA RACKETE: Wie die deutsche Sea-Watch-Kapitänin Italiens Innenpolitik aufmischt. Video-Bericht auf Welt(N24), abgerufen am 29. Juni 2019.
  7. https://www.independent.ie/world-news/aid-ship-captain-arrested-after-migrants-step-on-to-italian-island-38264658.html
  8. Interview mit Carola Rackete zur Situation auf der Sea-Watch 3 auf der Seite von Spiegel Online vom 26. Juni 2019.
  9. https://www.welt.de/politik/deutschland/article196137161/Sea-Watch-3-Durfte-Carola-Rackete-die-Zufahrt-erzwingen.html
  10. https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/sea-watch-kapitaenin-rackete-riskantes-manoever-und-unerwuenschte-belehrungen-16262015.html
  11. „Sea-Watch 3“ legt in Lampedusa an – Kapitänin festgenommen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, abgerufen am 29. Juni 2019.
  12. Kapitänin der „Sea-Watch 3“ unter Hausarrest NDR, Stand: 30.06.2019 12:30 Uhr.
  13. Matthias Rüb: Riskantes Anlegemanöver lässt Stimmung kippen. In: faz.net. 29. Juni 2019, abgerufen am 29. Juni 2019.
  14. Seenotrettung: „Sea-Watch 3“ darf nicht in Italien anlegen. In: Zeit online/dpa/AFP/dp, 25. Juni 2019, abgerufen am 1. Juli 2019.
  15. Zitiert aus: The Court decides not to indicate an interim measure requiring that the applicants be authorised to disembark in Italy from the ship Sea-Watch 3. (PDF) Presseaussendung ECHR 240 (2019) des Kanzlers des Europäischen Gerichtshofs, vom 25. Juni 2019 (englisch) zu: Rackete and Others v. Italy, application no. 32969/19, unter der Regel 39 der Rules of Court. (PDF), beide auf der Website des EGMR, abgerufen am 1. Juli 2019.
  16. Matthias Rüb, Rom: Sea-Watch 3 in Lampedusa: Riskantes Anlegemanöver lässt Stimmung kippen. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 1. Juli 2019]).
  17. a b Sea-Watch: les migrants débarqués à Lampedusa, la capitaine arrêtée. Le Figaro, 29. Juni 2019, abgerufen am 30. Juni 2019 (französisch).
  18. Lena Klimkeit: Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete droht Haft. Nordwest-Zeitung, 30. Juni 2019, abgerufen am 30. Juni 2019.
  19. Sea Watch 3 Kapitänin – Solidaritätsaktionen für Carola Rackete angelaufen. Abgerufen am 30. Juni 2019 (deutsch).
  20. Sea-Watch-Kapitänin verteidigt Hafeneinfahrt – auch ihr Vater meldet sich zu Wort. Focus, 30. Juni 2019, abgerufen am 30. Juni 2019.
  21. Fanpage.it: Sea Watch 3 sbarca a Lampedusa, arrestata la comandante Carola Rackete: ecco perché. 29. Juni 2019, abgerufen am 1. Juli 2019.
  22. Kapitänin gegen „Capitano“ Salvini. Deutschlandfunk.de 29. Juni 2019.
  23. WELT: Böhmermanns Aufruf: Spendensumme für Rackete knackt Halbe-Million-Marke. 30. Juni 2019 (welt.de [abgerufen am 30. Juni 2019]).
  24. tagesschau.de: "Sea-Watch 3" in Lampedusa: Eine Festnahme, die entzweit. Abgerufen am 30. Juni 2019.
  25. O Kapitänin, meine Kapitänin. Tages-Anzeiger vom 27. Juni 2019
  26. La Repubblica: Sea-Watch, Salvini: “Non darò l'autorizzazione di sbarco a quella comandante sbruffoncella” auf YouTube, 26. Juni 2019, abgerufen am 30. Juni 2019.
  27. Solidaritätsaktionen für Carola Rackete angelaufen. Tagesschau.de vom 29. Juni 2019.
  28. Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden. Tweet Heiko Maas 05:43 – 29. Juni 2019
  29. Steinmeier kritisiert Italien im Fall Rackete. 30. Juni 2019, abgerufen am 30. Juni 2019.
  30. Minister Müller fordert Reaktion der EU auf der Seite von Spiegel online vom 1. Juli 2019
  31. Virginia Kirst: „Sea-Watch 3“: Durfte Carola Rackete die Zufahrt erzwingen? 30. Juni 2019 (welt.de [abgerufen am 1. Juli 2019]).
  32. Virginia Kirst: „Sea-Watch 3“: Durfte Carola Rackete die Zufahrt erzwingen? 30. Juni 2019 (welt.de [abgerufen am 1. Juli 2019]).