Berittene Polizei in Österreich

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Als berittene Polizei wird in Österreich eine im Ausbildungs- beziehungsweise Probebetrieb stehende berittene Polizeieinheit der Bundespolizei bezeichnet. Die Einheit ist der Direktion für Spezialeinheiten im Bundesministerium für Inneres zugeordnet. Die amtliche Bezeichnung soll voraussichtlich Polizeireiterstaffel sein.

Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, hier ist die berittene Polizeieinheit während des Probebetriebes stationiert

Geschichte und Entwicklung

Entwicklung bis 1950

Berittene Einheiten der Exekutive bestanden in Österreich bereits ab Einrichtung der Sicherheitswache im Jahr 1869 in Wien. Auch bei der Gendarmerie gab es berittene Einheiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese jedoch nach und nach aufgelöst, bis schlussendlich im Jahr 1950 die letzte Reiterstaffel der Sicherheitswache in Graz ihren Dienst beendete.

Entwicklung seit den 2000er-Jahren

Von FPÖ und ÖVP wurde in den 2000er- und 2010er-Jahren immer wieder die Einrichtung einer berittenen Polizeieinheit für den Dienst in Wien (vor allem auf der Donauinsel) gefordert. Die Landespolizeidirektion Wien setzt für den Streifendienst auf der Donauinsel und in anderem entsprechenden Gelände anstelle von Pferden bisweilen Fahrräder, im Jahr 2016 insgesamt 50, ein.[1] Zuletzt prüfte im Jahr 2010 die damals amtierende Innenministerin Maria Fekter die Einrichtung einer Reiterstaffel, das Projekt wurde aber nicht weiter verfolgt.[2]

Entwicklung unter Herbert Kickl

 
Ehemaliger Innenminister Herbert Kickl beim Besuch der Reiterstaffel in München im Februar 2018

Kurz nach dem Amtsantritt Herbert Kickls als Innenminister in der Bundesregierung Kurz im Dezember 2017 wurde im Jänner und Februar 2018 intensiv die Einrichtung der berittenen Polizei diskutiert, Ausgangspunkt dafür bildete ein Anfang Jänner veröffentlichter Bericht der Tageszeitung Kurier.[3] Höhepunkt der Diskussionen bildete vorläufig der Besuch von Herbert Kickl bei der Reiterstaffel der Bayrischen Polizei in München. Im Rahmen des Besuches kündigte Kickl an, die Planungen für die Reiterstaffel in Wien bis Mitte 2018 abgeschlossen haben zu wollen und spätestens im Sommer 2019 mit einem probeweisen Betrieb mit vorerst zwölf Tieren zu beginnen.[4]

Im Mai 2018 veröffentlichte der Kurier einen Bericht, wonach die jährlichen Kosten der Reiterstaffel bis zu 450.000 Euro betragen würden, in starkem Gegensatz zu den vom Innenministerium veranschlagten Kosten von rund 350.000 bis 400.000 Euro und den von der FPÖ geschätzten Kosten von ca. 45.000 Euro. Das Innenministerium gab dazu an, dass es sich um ein veraltetes Papier der Wiener Polizei handeln solle und kündigte einen Gegenvorschlag an.[5] Details aus diesem überarbeiteten Papier wurden im Juli 2018 ebenfalls vom Kurier veröffentlicht. In dem sehr detailliert gestalteten Papier werden neben möglichen Einsatzgebieten auch Größe der Reiterstaffel, der Standort, Anforderungen an die Reiter und die Kostenfrage behandelt. Das Innenministerium veranschlagte rund 500.000 Euro an Kosten für den Probebetrieb, allerdings ohne die Kosten für die Stallungen.[6]

Im Juni 2018 wurde das erste von insgesamt zwölf für die Einheit vorgesehenen Pferden angekauft,[7] zwei Pferde erhielt das Innenministerium vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán als Geschenk.[8] Die beiden geschenkten Rappen "Zalan" und "Zadar" sind jedoch gesundheitlich angeschlagen. Falls die Pferde sich nicht bald erholen, sollen sie ausgetauscht, nach Ungarn zurückgeschickt und in Ungarn für leichte Einsätze verwendet werden.[9]

Ursprünglich war eine Einrichtung der Einheit bei der Landespolizeidirektion Wien geplant, im August 2018 wurde jedoch angekündigt, dass die Einheit der Direktion für Spezialeinheiten im Innenministerium untergeordnet werden würde. Zum Ausbildungsleiter wurde per 1. September 2018 neben Bundesheer-Oberstleutnant Roland Pulsinger Polizei-Oberstleutnant Thomas Maier bestellt.[10]

Im September 2018 begann die Ausbildung der zehn bereits angekauften Pferde sowie 19 Reiter in der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. Im Endausbau sollen zwölf bis 14 Pferde für den Probebetrieb der Reiterstaffel zur Verfügung stehen.[11]

Kritik

Seitens der Tierschutz-Organisationen Vier Pfoten und Pfotenhilfe wurde kritisiert, dass der Einsatz von Pferden im Exekutivdienst dem natürlichen Fluchtinstinkt der Tiere widerspräche und daher die Tiere unnötigen Belastungen aussetzen würde.[12][13]

Die Klubs der Parteien SPÖ, Grüne und Neos im Wiener Gemeinderat verabschiedeten eine Resolution gegen die berittene Polizei in Wien, kritisiert wurden ebenfalls der fehlende Tierschutz-Aspekt, die Verursachung von Verunreinigungen durch die Pferde, die Kosten und die Gefahren für Polizisten und Dritte, die durch Pferde zu Schaden kommen könnten. Bemerkenswerterweise wurde auch Bezug auf den Brand des Justizpalastes im Jahr 1927 genommen, wonach eine berittene Polizei in Wien historisch belastet und ein sensibel zu behandelndes Thema wäre. Aus diesem Grund würden geplante Einsätze bei Demonstrationen irritieren.[14]

Ebenso kritisierte der ÖVP-Bezirksvorsteher des Bezirkes Innere Stadt, Markus Figl, den Einsatz von Pferden aufgrund der hohen Reparatur- und Instandhaltungskosten, die Beschädigungen am Straßenbelag verursachen würden.[15]

Standort und Organisation

Der Probebetrieb soll vom Standort in der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt aus organisiert werden, auch wenn dieser Standort laut Innenministerium nur bedingt tauglich sein soll. Zum Start der Ausbildung Anfang September 2018 sind der berittenen Polizei 19 Beamte sowie zehn Pferde zugeordnet. Die Auswahl der Tiere und Beamten erfolgt durch eine aus drei Personen bestehende Kommission.

Zur geplanten Organisationsstruktur und ob die berittene Polizei auch in anderen Städten außer Wien eingesetzt werden soll, ist aktuell nichts bekannt, auch wenn im Juli 2018 seitens des Innenministeriums betont wurde, dass es sich um ein österreichweites Projekt handeln soll.[16]

Wie jede andere Polizeieinheit, soll die berittene Polizei einen eigenen Funkrufnamen sowie ein Einheitenabzeichen erhalten.

Aufgaben

Die aktuell geplanten Aufgabenbereiche für den Probebetrieb sind der Streifendienst, vorgesehen auf der Mariahilfer Straße, dem Prater sowie dem Praterstern und der Donauinsel. Ebenso soll die Einheit bei Sportveranstaltungen, im Objektschutz, bei der Personensuche und zu repräsentativen Anlässen. Entgegen ersten Annahmen ist der Einsatz bei Demonstrationen nicht geplant.[6][17]

Einzelnachweise

  1. Andreas Edler: FPÖ fordert berittene Polizisten auf der Donauinsel. In: meinbezirk.at. 25. April 2016, abgerufen am 7. September 2018.
  2. Fekter prüft berittene Polizei für Wien. In: oe24.at. 29. Juni 2010, abgerufen am 7. September 2018.
  3. Minister prüft berittene Polizei für Wien. In: wien.orf.at. Österreichischer Rundfunk, 4. Januar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  4. Berittene Polizei: Kickl schwingt sich in den Sattel. In: kurier.at. 15. Februar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  5. Dominik Schreiber, Lisa Rieger: Berittene Polizei wird teurer als geplant. In: kurier.at. 24. Mai 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  6. a b Michaela Reibenwein: 150-Seiten-Konzept für Berittene: „Kernige Reiter“ gesucht. In: kurier.at. 9. Juli 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  7. Berittene Polizei hat ihr erstes Pferd. In: wien.orf.at. Österreichischer Rundfunk, 22. Juni 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  8. Orban schenkt Kickl zwei Pferde. In: kleinezeitung.at. 27. Juli 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  9. Berittene Polizei: Lahmende Orban-Pferde vor Austausch. In: Der Standard. 29. März 2019, abgerufen am 19. März 2019.
  10. Dominik Schreiber: Nach Pannenserie: Neuer Chef für die berittene Polizei. In: kurier.at. 1. August 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  11. Es geht los für die berittene Polizei. In: news.at. 1. September 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  12. Berittene Polizei: Vier Pfoten startet Online-Petition gegen FPÖ-Pläne. In: vienna.at. 18. Januar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  13. Berittene Polizei in Wien: Pfotenhilfe sieht in geplantem Vorhaben Tierquälerei. In: vienna.at. 8. Januar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  14. Gemeinderat: Resolution gegen Polizeipferde. In: wien.orf.at. Österreichischer Rundfunk, 24. Februar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  15. Wiens Polizei wird bald auf Trab gehalten. In: nachrichten.at. 12. Februar 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  16. Berittene Polizei: Runde zwei bei menschlichen Bewerbern. In: diepresse.com. 7. August 2018, abgerufen am 7. September 2018.
  17. derstandard.at – „Berittene Polizei: Ausbildungsstart mit zehn Pferden und 19 Reitern“