Marienerscheinung
Bei Marienerscheinungen handelt es sich um Visionen, bei denen Zeugen - sogenannte Seher - berichten, dass ihnen die Gottesmutter Maria erschienen sei. Dieses Phänomen tritt meist im katholischen Milieu auf, wenn auch Fälle im orthodoxen Rahmen bekannt sind und in vereinzelten Fällen auch Ungläubige, die sich dann im Rahmen dieser Erscheinung bekehrten, von einer Marienerscheinung berichten.
Das Phänomen an sich
Die einzelnen Berichte von Marienerscheinungen sind vielfältig: Dort treten individuelle Erscheinungen auf, die sich häufig auch nicht wiederholen, und / oder nicht weiter bekannt (gemacht) werden. Bekannter sind allerdings sich wiederholende bzw. sich wiederholt habende Marienerscheinungen, die, bei entsprechender Ankündigung, ein großes Publikum anziehen können (Fátima).
Auch die sinnliche Wahrnehmung einzelner Erscheinungen ist unterschiedlich: Zumeist können zumindest die Seher, also die Menschen, welche die erste Marienerscheinung hatten, sie sowohl sehen als auch hören. Auch andere Sinneswahrnehmung, etwa ein ebenfalls häufiger Rosengeruch, sind bekannt. Häufig nehmen die Seher mehr wahr als Umstehende, so mögen die Seher Maria sowohl hören als auch sehen, während die Umstehenden Maria nur sehen, oder nur eine eher unspezifische „Lichtgestalt“, oder nur einen „Geruch“ oder eine „himmlische Musik“ wahrnehmen.
Ebenfalls können die vermittelten Botschaften äußerst unterschiedlichster Art sein und sowohl Prophezeiungen beinhalten als auch Zuspruch in individuellen Lebenskrisen.
Überliefert sind auch Fälle, in denen Erscheinungen der Maria vorausgesagt wurden und, nach dem Zeugnis etlicher Beteiligter, auch tatsächlich eintrafen.
An Orten mit Marienerscheinungen können sich Kirchen, Klöster und Wallfahrtsorte entwickeln.
Wertung und Beurteilung
Sie werden von vielen Gläubigen als Wunder gewertet. Andere wiederum lehnen diese Erscheinungen generell ab, entweder als unwichtig für die persönliche Glaubenserfahrung, als Scharlatanerie oder als Okkultismus, da sie teilweise im Widerspruch zur Bibel stehen. Von Wissenschaftlern werden diese Erscheinungen oft als Halluzination bewertet.
Klarerweise werden die Marienerscheinung von Nicht-Christen abgelehnt, auch wenn sich in esoterischen Kreisen oftmals eine gewisse Affinität zu diesem Phänomen zeigt.
Wie alle Phänomene potentiell wunderbaren Ursprunges, werden auch Marienerscheinungen von der Katholischen Kirche auf ihre Authentizität überprüft. Dazu haben sich drei Beurteilungsformeln etabliert:
- constat de supernaturalite - Es steht fest, dass es sich um Übernatürliches handelt.
- constat de non supernaturalite - Es steht fest, dass es sich um nichts Übernatürliches handelt.
- non constat de supernaturalite - Es steht nicht fest, ob es sich um Übernatürliches handelt.
Diese Beurteilungen werden üblicherweise nach eingehender Prüfung durch den Orts-Bischof erteilt, kann aber auch anderen Instanzen übertragen werden. Während die beiden ersten Definitionen endgültiger Natur sind, kann die dritte, aufgrund von neuen Erkenntnissen, aufgehoben werden. Allerdings wäre es irreführend anzunehmen, dass einer Beurteilung non constat de supernaturalite in jedem Fall eine weitere Untersuchung folgt.
Berichte von Marienerscheinungen, auch solche, die von der Kirche als echt anerkannt sind, sind nicht Bestandteil des offiziellen katholischen Glaubens. Jedem Katholik bleibt deshalb freigestellt an die Echtheit einer Marienerscheinung zu glauben oder dies zu lassen.
Kritik
Viele Christen (darunter auch Katholiken) und auch Nichtgläubige betrachten Marienerscheinungen als durch Aberglaube hervorgerufene Halluzinationen oder auch als Lügen oder Täuschungen um Aufmerksamkeit zu erregen. In der Tat liegen viele Orte an denen Marienerscheinungen auftreten in ländlichen oder wirtschaftlich benachteiligten Gegenden. Eine Anerkennung der Erscheinung kann zu einem enormen Aufschwung durch den resultierenden Pilgerstrom führen (siehe Lourdes).
Die behaupteten Spontanheilungen werden von Wissenschaftlern im allgemeinen skeptisch betrachtet. Die Meisten dieser Heilungen sind nachgewiesenermaßen nicht spontan, sondern geschehen über einen längeren Zeitraum von Wochen oder Monaten und oft lange nach dem Besuch einer Erscheinungsstätte. Das offizielle Büro in Lourdes kennt zum Beispiel sechzig unerklärliche Heilungen. Kritiker weisen darauf hin, dass diese Heilungen bei weitem nicht immer vollständig und dauerhaft sind und viele dieser Heilungen als Spontanheilung erklärt werden können, die auch ohne den Besuch einer Wallfahrtsstätte auftreten kann. Angesichts der großen Besucherzahlen ist mit einem gewissen Prozentsatz unter den Besuchern zu rechnen, die einen derartigen Krankheitsverlauf haben werden.
Es gibt Skeptiker, wie zum Beispiel Carl Sagan, die auf die Ähnlichkeiten zwischen Marienerscheinungen und Schilderungen des Missbrauchs durch Außerirdische hinweisen.
Desweiteren wird hauptsächlich von evangelischer bzw. evangelikaler Seite der Standpunkt vertreten, die Marienerscheinungen würden un- bzw. widerbiblische Lehren geben und es könne sich allein schon deshalb nicht um die Maria der Bibel, die Mutter Jesu, handeln.
Es ist ebenfalls auffällig, das Marienerscheinungen offenbar bevorzugt Katholiken widerfahren und praktisch niemals Anders- oder Nichtgläubigen.
Orte von Marienerscheinungen
Echtheit seitens der Römisch-katholischen Kirche bestätigt
- Lourdes
- Fátima
- Guadalupe, heute Stadtteil von Mexiko-Stadt
- Banneux
- La Salette
- Šiluva, Litauen (1608)
Echtheit seitens der Römisch-katholischen Kirche nicht bestätigt
- Dechtice, Slowakei (Erscheinungen dauern noch an)
- Garabandal, Spanien
- Heede (Emsland) (ein offizielle Untersuchung hat seitens der römisch-katholischen Kirche bis heute nicht stattgefunden und ist lt. Diözese Osnabrück auch nicht geplant)
- Marpingen
- Međugorje (in der Herzegowina)
- Niklashausen
- Sievernich
- Wigratzbad (Ortsteil von Opfenbach, Landkreis Lindau)
Echtheit seitens der Römisch-katholischen Kirche verworfen
- Heroldsbach
- Palmar de Troya, Spanien (Zentrum der Palmarianisch-Katholischen Kirche)
Literatur
- David Blackbourn: Wenn ihr sie wieder seht, fragt wer sie sei. Marienerscheinungen in Marpingen. Aufstieg und Niedergang des deutschen Lourdes. Rowohlt, Hamburg 1997. ISBN 3498005839
- Paul Budde „Maria von Guadalupe - wie das Erscheinen der Jungfrau Weltgeschichte schrieb“ - Ullstein 2004
- Ramon DeLuca: Echt oder unecht? Die Unterscheidungskriterien der Kirche bei Privatoffenbarungen, Verax, Müstair 1998, ISBN 3-909065-03-1
- Josef Hanauer: Muttergottes- Erscheinungen, Tatsachen oder Täuschung? - Aachen, Fischer, 1996 - ISBN 3-89514-056-2
- Gottfried Hierzenberger, Otto Nedomansky: Erscheinungen und Botschaften der Gottesmutter Maria - Augsburg, Bechtermünz, 1997 - ISBN 3-860-47452-9
- Kevin O. Johnson: 20 Fragen zu Medjugorje. Was Rom wirklich gesagt hat, Verax, Müstair 2001, ISBN 3-909065-23-6
- Ivan Zeljko: Marienerscheinungen-Schein und Sein aus theologischer und psychologischer Sicht - Dargestellt am Beispiel der Privatoffenbarungen in Medjugorje, Dr. Kovač Hamburg 2004, ISBN 3-8300-1448-1
- Elvira Maria Slade: Maria - Die unbekannten Seiten der "Mutter Gottes", Verlag für Reformatorische Erneuerung Wuppertal, ISBN 3-87857-318-9