Frederick Mayer (* 11. August 1921 in Frankfurt a. M.; † 26. Juni 2006 in Wien) war ein deutscher Pädagoge und Autor. Er war einer der renommiertesten Kreativitätsforscher und ein Visionär der globalen Menschlichkeit.
Leben
Frederick Mayer wurde 1921 als Sohn eines Bankdirektors in Frankfurt am Main geboren. Im Alter von elf oder zwölf Jahren musste er aufgrund seiner jüdischen Abstammung ganz allein ohne seine Familie Deutschland verlassen. Vor der antisemitischen Verfolgung emigrierte er in die USA, wo er mehrere Jahre in einem Waisenhaus verbringen musste. Die Bedingungen waren sehr hart: es gab nie genug zu essen, fast täglich hatte er unter Misshandlungen älterer Buben zu leiden.
Dank seiner besonders guten Schulleistungen im Fach Rhetorik erhielt er ein Stipendium und konnte an einer Universität in Südkalifornien ein Studium beginnen, das er 1944 summa cum laude abschloss.
Nachdem er eine Zeitlang in einem Lager für schwer erziehbare Jugendliche tätig war, wurde er als Dozent und später als Professor an die Universität von Redlands (Kalifornien) berufen und unterrichtete dort von 1944 bis 1966.
Ein Erlebnis, das entscheidenden Einfluss auf seine berufliche Laufbahn ausübte, war die Arbeit mit der Fareed-Holmes-Stiftung für menschliche Beziehungen ("Foundation for Human Relations") in Los Angeles.
Professor Frederick Mayer verfasste auch zahlreiche Schriften und Bücher. Besonders erfolgreich war die "History of Educational Thought", die an amerikanischen Universitäten als Standardwerk angesehen wird.
Zum Freundeskreis zählten unter anderem Dr. Omar Fareed, Ernest Holmes, Aldous Huxley, Martin Luther King, Norbert Wiener, Albert Schweitzer, später auch Olof Palme, Erwin Ringel und Marilyn Wilhelm.
Mayer war Sonderberater im Center for the Study of Democratic Institutions in Santa Barbara. Er war Mitglied der britischen Royal Society of Arts, Vizepräsident des Internationalen Kulturzentrums, Ehrenmitglied der Nomura Foundation, Tokyo, Mitglied des Austrian Chapters des Club of Rome. Von ihm stammt das Projekt für die Zukunft im UNIDO-Forschungsprojekt Improving Industrial Administration.
Seine wissenschaftlich-schöpferische Arbeit brachte ihm weltweite Anerkennung ein. 1982 nannte ihn die Zeitschrift Trend den "Kreativitätspapst".
Nach seiner Rückkehr nach Europa (1968 oder später) lebte und arbeitete er vor allem in Österreich. Im Mai 1982 wurde er mit dem Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien ausgezeichnet.
Von besonderer Wichtigkeit zum Aufstieg Wiens zur internationalen Stadt (Bau der UNO-City) in der Ära Kreisky war die von Prof. Frederick Mayer und Generaldirektor Dr. Karl Vak geschaffene Vienna International Community. Das war ein Forum, bei dem wichtige Persönlichkeiten, wie Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky und Kardinal DDr. Franz König u. a. Vorträge hielten. Spitzenbeamte der internationalen Organisationen (UNIDO und Internationale Atomenergiekommission)und auch prominente Persönlichkeiten aus Österreich - wie z.B. Prälat Dr. Franz Ungar, Präsident der Caritas - Spitzenpolitiker, waren hier regelmäßig Besucher und Vortragende. Dazu zählten auch die Staatssekretäre Dr. Ernst Eugen Veselsky und Dr. Adolf Nussbaumer, Ministerialrat Dr. Peter Fessler aus dem Innenministerium, Professor Ernst Gehmacher, Dr. Othmar Hill, der langjährige Freund Professor Mayers, der spätere Generaldirektor der Zentralsparkasse und späteren Bank Austria, Dr. Gerhard Randa, Direktor Paul Höfinger und Dr. Rudolf Dirisamer von der gleichen Bank, viele österreichische Wirtschaftstreibende, Journalisten, Spitzenbeamte und Wissenschaftler. Ein enger Freund aus dieser Zeit war auch MR Dr. Claus Sypal, zuständig für "social welfare" bei mehreren österreichischen Bundespräsidenten.
Zu Beginn der 70er-Jahre war Prof. Frederick Mayer Konsulent der Verwaltungsreformkommission und unterstützte Bundes- und Landesdienststellen bei ihren Reformvorhaben. Er arbeitete auch an der Religionspädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien.
Als Präsident des Trägervereines der seit 1975 bestehenden und von Prof. Rudolf O. Zucha herausgegebenen Zeitschrift für Sozialpsychologie und Gruppendynamik setzte er sich besonders für eine internationale Perspektive ein.
Frederick Mayer verfasste auch Gedichte - oft nach Art eines Haiku. Das folgende stammt aus "Zwischen Ernüchterung und Erleuchtung. Gedanken und Lyrik" (1998) und charakterisiert auch den Autor selbst:
Der schöpferische Mensch Ignoriert sein Alter Seine Sehnsucht Bestimmt sein Leben.
Besonders beeindruckend war die Übereinstimmung zwischen dem, was er sagte und schrieb und dem, was er für andere Menschen tat. Das drückt sich auch im Titel eines seiner letzten Werke aus: "Güte als Lebensweise". Ganz wichtig war für ihn das gute Zuhören, die Ermutigung, die er seinen Schülern und Freunden gegenüber ausdrückte, z.B.: "Du hast eine Mission", "Du kannst stolz auf dich sein" oder "Du wirst gebraucht".
Ideen, Konzepte
Das Werk ist so reichhaltig, dass es schwer ist, hier eine Auswahl zu treffen. Besondere Bedeutung haben dynamische Erziehung und kreative Expansion (bzw. Expansionstherapie).
Schriften
- "Essentialism" (1950)
- "A History of Ancient and Medieval Philosophy" (1950)
- "A History of American Thought: An Introduction" (1951)
- "A History of Modern Philosophy" (1951)
- "Essentialism - a New Approach to a One World Philosophy" (1951)
- "Ethics and the Modern World;: Towards a One World Perspective" (1951)
- "History of Ancient and Medieval Philosophy" (1951)
- "Ethics and the Modern World; Towards a One World Perspective" (1952)
- "Philosophy of Education for Our Time" (1952)
- "Great Ideas of Education" (1953)
- "Patterns of a New Philosophy" (1955) (Autoren: Frederick Mayer; Frank E. Brower)
- "Education for Maturity" (1956) (Autoren: Frederick Mayer; Frank E. Brower)
- "New Directions for the American University" (1957)
- "Education and the Good Life" (1957)
- "Philosophy of Education for Our Time" (1958)
- "Education for Creative Living" (1959)
- "Our Troubled Youth: Education Against Delinquency" (1959)
- "A History of Educational Thought" (1960)
- "The Goals of Education" (1960)
- "Creative Universities" (1961)
- "In Defense of American Education" (1961)
- "Web of Hate" (1961)
- "Man, Morals and Education" (1962)
- "New Perspectives for Education" (1962)
- "Foundations of Education. Study of Origins & Development of Educational Ideals Including Today's Foremost American Concepts" (1963)
- "American Ideas and Education" (1964)
- "Introductory Readings in Education" (1966)
- "ROAD TO MODERN EDUCATION. GREAT IDEAS OF EDUCATION VOL. 2" (1966)
- "The Great Teachers" (1967)
- "Creative Universities" (1969)
- "Education for a New Society" (1973)
- "Vorurteil - Geißel der Menschheit" (1975)
- "Dynamische Erziehung. Alternativen zur Erziehungsreform" (1975)
- "Erziehung zu einer kreativen Gesellschaft" (1976)
- "Füreinander dasein: Kinder - Familie - Gesellschaft: Chaos oder Gemeinschaft." (1979)
- "Aufforderung zur Menschlichkeit. Erzieherische Weltperspektiven" (1982)
- "Anweisung für eine Flucht nach vorn" (1982)
- "Vorurteil, Geißel der Menschheit" (1982)
- "Wahnsinn USA. Von einem, der auszog, die Freiheit zu finden" (1984)
- "Kreativität. Illusion oder Wirklichkeit" (1985)
- "...findest du das Tal der Perlen... Gedichte" (1986)
- "Kreativität. Begrenzungen und Möglichkeiten" (1990)
- "Impulse für ein neues Leben. Verwirrung und Verwirklichung" (1992)
- "Schöpferisch älter werden" (1992)
- "Versagen ohne Ende? Kreativität, Bildung und Gesellschaft in globaler Sicht" (1994)
- "Vorurteile bedrohen uns alle" (1995)
- "Vergeudung oder Verwirklichung. Können wir kreativer sein?" (1998)
- "Zwischen Ernüchterung und Erleuchtung. Gedanken und Lyrik" (1998)
- "Der Wert jedes Menschen ist unermesslich" (1998)
- "Lebensziele" (1999)
- "Führungsstärke in der Praxis. Leadership, Organisation und Kultur" (2000, Rudolf O. Zucha, Frederick Mayer)
- "Versagen ohne Ende?" (2000)
- "Umdenken" (2001)
- "Sehnsucht nach Harmonie" (2001)
- "Schöpferisch erleben" (2001)
- "Eine neue Bildung für eine neue Gesellschaft" (2001)
- "Weisheit der Gefühle. Ideale und Realitäten" (2002)
- "Erwartung und Erneuerung" (2003)
- "Weisheit der Gefühle. Ideale und Realitäten" (2003)
- "Vernunft, Glaube und Menschlichkeit" (2003)
- "LebensManagement" (2004)
- "Erwartung und Erneuerung" (2005)
- "Güte als Lebensweise" (2006)
- "Wege zu einem bedeutungsvollen Alter" (Juni 2006)
- "Tiefer fühlen und sensibler werden. Die kreative Entfaltung" (Juni 2006)
- "Der lange Weg zum Miteinander" (Juni 2006)
Interview
Die Angst vor der Kreativität überwinden...
Interview mit "One Country": Erziehung zur Selbständigkeit
One Country: Was macht aus Ihrer Sicht die Krise der gegenwärtigen Erziehung und Bildung aus?
Frederick Mayer: Es wird viel zu wenig getan, um das Schöpferische im Menschen zu fördern. In den USA habe ich erlebt, wie die Förderung des Schöpferischen durch Oberflächlichkeit, Materialismus und immer größer werdende Gegensätze zwischen Arm und Reich verhindert wird. In Europa sind es oft Tradition und Bürokratie, die Kreativität unmöglich machen.
One Country: Wo müßten Reformen ansetzen?
Frederick Mayer: In den Köpfen der Mächtigen. Sie müßten sich über die Bedeutung der Kreativität im Zeitalter der Komplexität bewußt werden. Eine Gesellschaft ist heute nicht mehr überlebensfähig, wenn sie ihre Mitglieder in das Korsett des unselbständigen Denkens steckt. Die Mächtigen mißtrauen noch zu oft kreativen Menschen, weil diese grundlegende Innovationen verlangen und Visionen entwickeln, die am Bestehenden rütteln.
One Country: Wie drückt sich dieses Mißtrauen bzw. dieses alte Denken im Bildungssystem aus?
Frederick Mayer: Lehrer werden immer noch vorrangig zu Dienern des Staates und dessen abstrakten Bildungszielen ausgebildet anstatt zu Dienern der jungen Menschen. Unser Bildungssystem fördert und fordert die Teilung des Wissens in Fächer, die Teilung der Perspektive in Lehrpläne, die Teilung der Schüler in Rivalen. Für die Begeisterung für den einzelnen Schüler und ihre ganzheitlichen, vielfältigen und tiefen Potentiale bleibt da kaum noch Raum. Ich habe viele Lehrer kennengelernt, die mit intensiver Begeisterung angefangen haben und nach einiger Zeit immer zynischer wurden.
One Country: Wie kann diese ursprüngliche Begeisterung wieder geweckt werden?
Frederick Mayer: Es geht um nichts anderes als um ein geändertes Menschenbild, mehr noch, um ein geändertes Menschheitsbild. Die vornehmste Aufgabe eines Lehrers oder Dozenten ist nicht die Vermittlung von Wissen, sondern das Wecken von Neugier und Verantwortungsgefühl, von geistigen und handwerklichen Fertigkeiten, sowie von Kooperationsfähigkeit. Mit diesen Fähigkeiten und Haltungen der Selbständigkeit und Gemeinschaftsfähigkeit wird ein lebenslanger Lernwille grundgelegt, der tausendmal wertvoller ist als jedes herzlose Wissen. Nur eine derart ganzheitliche Sicht wird uns weiterbringen ...
Anhang von "Umdenken" (2001)
Weblinks
Das Foto zeigt Gastsprecher, Dr. Frederick Mayer, Philosophie-Professor, Univ. of Redlands, in der Diskussion mit einer Gruppe zukünftiger Lehrerinnen an der University of Southern California. Es stammt wahrscheinlich aus den 1950er Jahren.
Personendaten | |
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NAME | Mayer, Frederick |
KURZBESCHREIBUNG | Pädagoge, Hochschullehrer, Autor |
GEBURTSDATUM | 11. August 1921 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |
STERBEDATUM | 26. Juni 2006 |
STERBEORT | Wien |