Der im Stadtteil Obergiesing gelegene Ostfriedhof der Stadt München wurde 1821 errichtet und wird bis heute genutzt. Die Anlage umfasst über 30 Hektar Gesamtfläche mit rund 34.700 Grabplätzen, zudem befindet sich auf dem Ostfriedhof das Münchner Städtische Krematorium.


Geschichte
Der älteste Teil des Ostfriedhofs ist 1817 als Auer Friedhof auf einem schmalen Streifen Auer Flur (an der heutigen Tegernseer Landstraße) angelegt worden, der in Giesinger Gebiet ragte. Nach mehrfachen Erweiterungen und der Schließung des Friedhofs an der Gietlstraße im Jahr 1876 ist er auch zum Giesinger Friedhof geworden.
Das Friedhofsgebäude am St.-Martins-Platz wurde in den Jahren 1894 bis 1900 nach Plänen von Hans Grässel errichtet. Das monumentale Kuppelgemälde stammt von Josef Guntermann. Zu dieser Zeit wurde der Ostfriedhof zu einem der Großfriedhöfe der zu dieser Zeit stark wachsenden Großstadt München ausgebaut. Eine bauliche Besonderheit bildeten die Arkadengrüfte, durch die eine hofartige Raumsituation entstand, in deren Mitte Reihengräber angeordnet wurden.[1]
Kurt Eisner wurde nach seiner Ermordung am 21. Februar 1919 im Städtischen Krematorium eingeäschert. Am 1. Mai 1922 enthüllten die Münchner Freien Gewerkschaften ein Denkmal, welches „Den Toten der Revolution“ gewidmet war. In dessen Sockel wurde Eisners Urne eingemauert. Kurz nach der Machtübernahme der NSDAP wurde das Revolutionsdenkmal zerstört. Am 22. Juni 1933 brach man es ab; die Urne Eisners wurde auf den Neuen Israelitischen Friedhof verbracht, wo sich noch heute sein Grab befindet. Das Denkmal wurde nach dem Krieg durch den Künstler Konstantin Frick originalgetreu nachgestaltet.
Die alte Auer Friedhofskapelle wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die schwer beschädigte Aussegnungshalle wurde von Hans Döllgast 1951/52 wieder aufgebaut. Ursprünglich um 1900 herum errichtete Kaskaden blieben nach Kriegsschäden zunächst lange Zeit nicht mehr genutzt, 2017 wurden diese wieder in Betrieb genommen.
Mehrere Bauwerke auf dem Ostfriedhof (St.-Martin-Straße 41; St.-Martins-Platz 1; Tegernseer Landstraße 1) sind als Baudenkmal in die Bayerische Denkmalliste eingetragen.[2]
Städtisches Krematorium
Das am Ostfriedhof liegende Städtische Krematorium München wurde kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs eröffnet. Unter den ersten Personen, die hier – zum Teil auch aus anderen Teilen Deutschlands und Österreichs – eingeäschert wurden, waren u. a. Kurt Eisner (1919), Alfred Hermann Fried (1921) und Ernst Schweninger (1924).
Das Krematorium in seiner heutigen baulichen Gestalt samt Trauerhalle wurde von Hans Grässel entworfen – von ihm stammen auch weitere Gebäude auf dem Ostfriedhof – und am 27. September 1929 in „schlichter Form“ eröffnet. Grässel verzichtete in der Trauerhalle vollständig auf religiöse Symbolik. Das Krematorium wurde vor seiner Inbetriebnahme für mehrere Tage der allgemeinen Besichtigung zugänglich gemacht, wobei der Direktor des Bestattungsamtes selbst die Führung übernahm. Insgesamt kamen 27.000 Besucher. Der Bayerische Kurier wetterte in einem Artikel „gegen diese Art der behördlichen Förderung der Feuerbestattungs-Bewegung“.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden im Städtischen Krematorium die Leichen tausender Gegner und Opfer des Dritten Reiches verbrannt: Anfang Juli 1934 wurden die sterblichen Überreste von 17 während des „Röhmputsches“ ermordeten politischen Gegnern Hitlers zum Krematorium gebracht und dort verbrannt. Es handelte sich dabei um SA-Angehörige ebenso wie um Gegner des Nationalsozialismus insgesamt; ihre Leichen wurden, um Aufsehen zu vermeiden, mit einem Möbelwagen zum Krematorium transportiert. Die Asche der Toten – unter ihnen waren die Gegner des Nationalsozialismus Fritz Gerlich und Walter Häbich – wurde wahllos in verschiedene Urnen gefüllt, um damit die Spuren der Opfer für immer zu verwischen. Eine nicht bekannte Zahl von Menschen, welche im Gefängnis Stadelheim aus politischen Gründen ermordet wurden, ebenso wie die Leichen von 3.996 Häftlingen aus den Konzentrationslagern Dachau, Auschwitz und Buchenwald sowie den Tötungsanstalten der sogenannten Aktion T4 wurden hier eingeäschert.
Am 17. Oktober 1946 fuhren vor dem Städtischen Krematorium mit Särgen beladene Lastwagen der US-Armee vor. Angeblich waren in den Särgen die Leichen von in einem Krankenhaus verstorbenen US-Soldaten, welche unter der Aufsicht von Offizieren eingeäschert werden sollten. In Wirklichkeit befanden sich in elf Särgen die Leichen der am Tag zuvor in Nürnberg hingerichteten nationalsozialistischen Hauptkriegsverbrecher: Außenminister Joachim von Ribbentrop, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel, Chef der Sicherheitspolizei Ernst Kaltenbrunner, Reichsminister für die besetzten Ostgebiete Alfred Rosenberg, Generalgouverneur von Polen Hans Frank, Innenminister Wilhelm Frick, Herausgeber der Zeitung Der Stürmer Julius Streicher, Gauleiter von Thüringen Fritz Sauckel, Generaloberst Alfred Jodl, Reichskommissar für die Niederlande Arthur Seyss-Inquart sowie der seiner Hinrichtung durch Selbstmord zuvorgekommene Reichsmarschall Hermann Göring. Um jedem späteren Totenkult vorzubeugen, ordnete die Militärregierung an, die Asche der Toten in die Isar zu streuen. In der amtlichen Mitteilung hieß es: Die Leiche Hermann Wilhelm Görings ist zusammen mit den Leichen der Kriegsverbrecher, die gemäß dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes am 16. Oktober in Nürnberg hingerichtet worden sind, verbrannt und die Asche im geheimen in alle Winde verstreut worden.[3]
Das von Hans Grässel gestaltete bauliche Ensemble von Städtischem Krematorium und Trauerhalle ist original erhalten und steht unter Denkmalschutz. Nach mehreren Umbauten verfügte das Krematorium München seit den 1970er Jahren über fünf Einäscherungsöfen.[4] Anfang 2018 genehmigte der Münchner Stadtrat den Neubau der Ofenanlage, die 2021 den Betrieb aufnehmen soll.[5]
Gräber bekannter Personen
Auch viele Prominente fanden auf dem Münchner Ostfriedhof ihre letzte Ruhe; darunter sind:
- Carl Amery, Schriftsteller
- Gottfried Amann (1901–1988), Forstwissenschaftler und Buchautor
- Peter Auzinger (1836–1914), Schauspieler und bayerischer Mundartdichter
- Elise Beck (1855–1912), niederbayerische Mundartdichterin
- Julius Beck (1852–1920), Münchner Schriftsteller und Rezitator
- Gebrüder Beissbarth, Unternehmer, Karosseriebauer
- Toni Berger, Volksschauspieler
- Georg Brauchle, Münchner Bürgermeister
- Rudolf Brunnenmeier, Fußballspieler
- Géza von Cziffra, Regisseur und Drehbuchautor
- Karl Albert Denk, Bestattungsunternehmer
- Hans Döllgast, Architekt
- Fritz Druckseis, niederbayerischer Mundartdichter
- Josef Eichheim, Schauspieler
- Kurt Eisner, Politiker (Gedenkstein für Eisner und die „Toten der Revolution 1919“. Eisners 1919 auf dem Ostfriedhof bestattete Urne befindet sich seit 1933 auf dem Neuen Israelitischen Friedhof)
- Jörg Fauser (1944–1987), deutscher Schriftsteller
- Rudolf-Christoph Frhr. v. Gersdorff, Generalmajor, Person des 20. Juli 1944
- Rex Gildo (Ludwig Hirtreiter), Schlagerstar
- Adolf Gondrell, Conférencier, Film- und Bühnenschauspieler
- Bernhard von Gudden, Mediziner und Psychiater; zusammen mit seinem Patienten Ludwig II. (Bayern) zu Tode gekommen
- Kaspar Haberl, Motorradfahrer, Gründer der MAHAG
- Erich Hallhuber, bayerischer Volksschauspieler und Synchronsprecher
- Hans Ludwig Held, Kulturpolitiker
- Ernst Hoferichter, Schriftsteller
- Friedrich Hollaender, Komponist
- Marie Louise von Wallersee, Nichte der Kaiserin Elisabeth von Österreich (Sissi), ehemalige Gräfin Larisch
- Mary Irber, Tänzerin, Schauspielerin
- Käte Jaenicke, Schauspielerin
- Gerd Käfer, Gastronom
- Adele Kern, Opernsängerin
- Richard König, Bildhauer
- Hilde Krahl, Schauspielerin (Gedenkstein, ihren Körper überließ sie der Wissenschaft)
- Peter Kreuder, Komponist
- Georg Kronawitter, Münchner Oberbürgermeister
- Hans Leibelt, Schauspieler
- Klaus Löwitsch, Schauspieler
- Ludwig in Bayern, Herzog von Bayern
- Maria Imma Mack, Ordensschwester
- Georg Maurer, Mediziner
- Rosl Mayr, bayerische Schauspielerin
- Franz Xaver Meiller, Unternehmer ("Meiller-Kipper")
- Joseph Mitterer, Münchner Volksdichter
- Martha Mödl, deutsche Opernsängerin
- Rudolph Moshammer, Münchner Original und Modemacher
- Georg von Orterer, Präsident der Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landtags
- Heinrich Porges, Musikschriftsteller und Chorleiter
- Johann Rattenhuber, Chef der Leibwache Adolf Hitlers
- Benno Rauchenegger, Münchner Humorist und Bühnenautor
- Rudolf Rhomberg, österreichischer Schauspieler
- Lothar Rohde, Erfinder, Unternehmer ("Rohde & Schwarz")
- Helena Rosenkranz, Schauspielerin
- Hjalmar Schacht, Bankier, Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsident
- Karl Scharnagl, Münchner Oberbürgermeister
- Julius Schaub, Teilnehmer am Hitler-Putsch 1923, Chefadjutant Adolf Hitlers
- Sybille Schmitz, Schauspielerin
- Rudolf Schündler, Regisseur, Schauspieler
- Erni Singerl, Schauspielerin
- Hans Steyrer (Steyrer-Hans), Oktoberfest-Wirt und Kraftathlet
- Joe Stöckel, Schauspieler und Filmregisseur
- Rupert Stöckl („Bayerischer Dali“), Kunstmaler
- Hermann Swoboda, Mitbegründer der Obdachlosenzeitschrift BISS
- Barbara Valentin (Uschi Ledersteger), Schauspielerin
- Thomas Wimmer, Münchner Oberbürgermeister
- Wastl Witt, Volksschauspieler
Trivia
Das Innere der Aussegnungshalle diente 1985 der Fernsehserie Kir Royal als Drehort für das fiktive Nobelrestaurant Villa Medici.
Siehe auch
Literatur
- Stadtarchiv München
- Benedikt Weyerer: München 1933–1949 – Stadtrundgänge zur politischen Geschichte. MünchenVerlag, München 2006, ISBN 3-927984-18-3.
- Erich Scheibmayr: Letzte Heimat – Persönlichkeiten in Münchner Friedhöfen. MünchenVerlag, München 1985, ISBN 3-9802211-0-5.
- Erich Scheibmayr: Wer? Wann? Wo? 3 Teile. MünchenVerlag, München 1989, 1997, 2002, ISBN 3-9802211-1-3, ISBN 3-9802211-3-X, ISBN 3-9802211-4-8.
- Willibald Karl: Der Münchner Ostfriedhof – Von den „Auer Leichenäckern“ zum Großstadt-Krematorium. Zwei Rundgänge. MünchenVerlag, München 2011, ISBN 978-3-937090-58-0.
- Der Ostfriedhof und seine Kaskaden, Referat für Gesundheit und Umwelt - Städtische Friedhöfe München, München 2017, kostenlose Broschüre
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Hans Pietzner: Landschaftliche Friedhöfe. Leipzig 1904, S. 60
- ↑ Vorlage:BLfD, Denkmalnummer D-1-62-000-6085
- ↑ Thomas Darnstädt: Ein Glücksfall der Geschichte. In: Der Spiegel. Nr. 14, 2005, S. 128 (online).
- ↑ https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Friedhof_und_Bestattung/SFM/Friedhoefe/Krematorium.html, Zugriff am 1. August 2018
- ↑ https://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.neubau-genehmigt-der-ostfriedhof-bekommt-ein-millionen-krematorium.7eeb5082-b0c4-4d4a-9b4a-283e56b6b703.html, Zugriff am 1. August 2018
Koordinaten: 48° 7′ 4″ N, 11° 35′ 20″ O