Onomatopoesie

sprachliche Nachahmung von außersprachlichen Schallereignissen
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Onomatopoesie (auch Onomatopöie, Onomatopoiie, von griech. ονοματοποιεΐν onomatopoiein 'einen Namen schaffen, benennen'), deutsch Lautmalerei, Tonmalerei, Schallwort, ist die Nachahmung eines Naturlautes oder eines sonstigen außersprachlichen akustischen Phänomens durch die klanglich als ähnlich empfundene Lautgestalt eines sprachlichen Ausdrucks.

Onomatopoesie ist lexikalisch gesehen ein gemischt griechisch-französisch basiertes Fremdwort, da die Form "-poesie" nur vermittels französisch poésie und lateinisch poesia auf griechisch poiesis (Herstellung, Verfertigung) zurückgeht. In der deutschsprachigen literatur- und sprachwissenschaftlichen Fachliteratur werden deshalb oft zur Vermeidung der Sprachmischung aus puristischen Gründen die rein griechischen Fremdwörter Onomatopöie, Onomatopoiie und als Adjektiv manchmal onomatopoietisch (statt onomatopoetisch) bevorzugt. Die genannten Substantive (Onomatopoesie, Onomatopöie, Onomatopoiie) können jeweils sowohl den Prozess der Herstellung eines lautmalerischen Ausdrucks wie auch den Ausdruck selber als Ergebnis dieses Prozesses bezeichnen, während Onomatopoetikon (plur. Onomatopoetika) nur für das Ergebnis, den Ausdruck selber, verwendet wird.

Onomatopoetika werden normalerweise nicht möglichst wirklichkeitsgetreu unter Einsatz aller arikulatorischen Möglichkeiten der menschlichen Lautorgane, sondern nur mithilfe des in der jeweiligen Einzelsprache bereits vorgegebenen Lautinventars erzeugt. Da sich die Lautinventare der Sprachen unterscheiden und auch Onomatopoetika der sprachlichen Konventionalisierung innerhalb der Sprachgemeinschaft unterliegen, bestehen auch mehr oder weniger große Unterschiede zwischen den Onomatopoetika verschiedener Einzelsprachen. Das Zwitschern eines Vogels wird zum Beispiel von Deutschen mit tschiep, tschiep, von Japanern dagegen mit pyu, pyu wiedergegeben, oder der Hahnenschrei im Deutschen mit kikeriki, im Niederländischen mit kukeleku, im Französischen mit coquerico, im Spanischen mit quiquiriquí und im Englischen mit cock-a-doodle-doo.

Die Sprachwissenschaft behandelt die Onomatopöie als eine Art der Wortbildung, die besonders in der Kindersprache – in neuerer Zeit auch in der Sprache der Comics und der Chat-Foren des Internet – verbreitet ist und den historischen Wortschatz der Einzelsprachen besonders im Bereich der Tierlaute und daraus abgeleiteten Tiernamen, aber auch in den Bezeichnungen anderer Geräusche und Geräscherzeuger geprägt hat. Da auch Onomatopoetika dem historischen Lautwandel unterliegen und durch Flexion und Derivation zusätzliche Veränderungen erfahren können, ist der onomatopoetische Ursprung eines Worts nicht immer sofort zu erkennen (z. B. "klatschen", "schnuppern", "Schnorchel").

In der klassischen Rhetorik wurde die Onomatopöie traditionell unter den Tropen, den Kunstmitteln uneigentlicher Aussage, eingeordnet, weil die Verwendung eines Lautes zur Bezeichnung des Vorgangs seiner Erzeugung (z.B. lat. mugire für das "Muhen" der Kuh) oder zur Benennung des Lauterzeugers (cuculus für "Kuckuck") auf einem Akt der Übertragung beruht und in diesen konkreten Fällen eine Sonderform der Metonymie darstellt. Neuzeitliche Handbücher behandeln die Onomatopöie dagegen eher unter den Klangfiguren als Mittel zur Steigerung oder Intensivierung des Ausdrucks. Sie wird dabei nicht auf das Einzelwort begrenzt gesehen, sondern kann auch in Verbindung mit anderen Klangfiguren wie etwa der Alliteration auftreten, so z. B. in der Schlussstrophe von Clemens Brentanos berühmten Wiegenlied:

Singt ein Lied so süß gelinde,
Wie die Quellen auf den Kieseln,
Wie die Bienen um die Linde
Summen, murmeln, flüstern, rieseln.

Oder in dem Vers, in dem Ovid das Quaken der Frösche lautlich evoziert, ohne diese selber beim Namen zu nennen (Metamorphosen IV, 376):

quamvis sint sub aqua, sub aqua maledicere temptant
"Obwohl sie unter Wasser sind, möchten sie auch unter Wasser noch lästern"

In der deutschen Comic-Sprache wurde die Schöpfung neuer, möglichst ungewöhnlicher Onomatopoetika vor allem von Erika Fuchs (Micky Maus Magazin) und Herbert Feuerstein (MAD-Magazin) zur Kunst erhoben. Hier werden neben herkömmlichen Onomatopöien und Neuschöpfungen wie „ZASS!“ oder „KRRRRZZZ“ auch Inflektive solcher Wörter benutzt, die von ihrer Etymologie her onomatopoetischen Ursprungs sind (bspw. „SEUFZ!“ oder „KEUCH!“).

Siehe auch

Interjektion | Arbitrarität

Literatur

  • E. J. Havlik: Lexikon der Onomatopöien - Die lautimitierenden Wörter im Comic. Zweitausendeins, Frankfurt 1991 (korr. Nachdruck, Verlag Dieter Fricke, 1981)
  • Hermann Hilmer: Schallnachahmung / Wortschöpfung und Bedeutungswandel. Verlag von Max Niemeyer, Halle a.S. 1914