Unsichtbare Hand
Die Theorie der unsichtbaren Hand beschreibt regelmäßige Änderungen in chaotischen oder zufallsbedingten ("selbstorganisatorischen") Systemen, die sich so verhalten, als seien sie von einer unsichtbaren Hand gesteuert.
Die Theorie der unsichtbaren Hand nach Adam Smith wird von Vertretern des wirtschaftlichen Liberalismus als Selbstorganisation des Marktes interpretiert, die zur optimalen Allokation der Ressourcen führe. Das eigennützige Streben der wirtschaftenden Menschen trage im System der natürlichen Freiheit zum Wohl der gesamten Gesellschaft bei.
Smith schrieb in seinem Werk Der Wohlstand der Nationen, das Zusammenwirken der Menschen (in Märkten) werde "von einer unsichtbaren Hand geleitet", sodass jeder von ihnen "einen Zweck fördert, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat". Dieser Zweck ist das Gemeinwohl im Sinne von gesamtwirtschaftlicher Effizienz der Güterallokation. Kein einzelner Marktteilnehmer verfolgt die Absicht, dass insgesamt die effiziente Marktmenge gehandelt wird; jeder will nur seinen Güterbedarf decken. Und doch führt der Marktmechanismus durch seine unsichtbare Hand zur Bereitstellung dieser effizienten Menge.
Mit natürlicher Freiheit meinte Smith ein System, welches frei von Monopolen (einseitige Möglichkeit der Beherrschung) ist. Dies ist eine Einschränkung, unter der das Prinzip der unsichtbaren Hand verwendet werden kann. Es fällt auf, dass diese Voraussetzung zu Smiths Zeiten nicht gegeben war. Vielmehr thematisiert Smith in seinem Werk die Rolle der politischen Ökonomie seiner Zeit (Merkantilismus). Auch heutzutage ist das von Smith abgeleitete Laissez faire, also eine nur dem Wirken der unsichtbaren Hand überlassene Wirtschaft nicht verwirklicht.
Nach Ansicht von Kritikern existiert das von Smith erkannte Selbstregulierungsprinzip in der Marktwirtschaft sicher in Teilaspekten, eine uneingeschränkte Anwendung sei jedoch nicht zielführend da sie Marktversagen nicht verhindere. Lösungsansätze bietet die Neue Institutionenökonomik.
Smith verwies auf die unsichtbare Hand insgesamt nur zweimal in seinen Werken: Er beschrieb auch die Bewegung des Saturns als "wie durch eine unsichtbare Hand gelenkt". Einige Theoretiker schließen daher darauf, dass auch bei der anderen Referenz auf die unsichtbare Hand im Wohlstand der Nationen, entgegen der üblichen Auslegungslehre, nicht unbedingt die Marktkräfte angedacht waren, sondern Smith andere Ursachen gesehen hat.
Nach Rudi Keller (durch Analogie zu Adam Smith) entstehen und wandeln sich die jeweils gültigen Normen des Sprachgebrauchs in einem evolutionären Prozess der unsichtbaren Hand: Sprache wird von Keller erklärt als Phänomen dritter Ordnung; das bedeutet, dass Sprachhandlungen auf individueller Ebene zwar zielgerichtet nach bestimmten Bedingungen ausgewählt werden, der sich daraus ergebende häufige Gebrauch bestimmter Sprachformen verschiedener Sprecher mit teils ähnlichen Intentionen jedoch übergeordneten natürlichen Gesetzmäßigkeiten folgt, denen selbst keinerlei Absicht zugrunde liegt. [1]
Literatur
- Ulrich van Suntum: Die unsichtbare Hand. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2000 ISBN 3540252355
Weblinks
- Peter Koch: Ein Blick auf die unsichtbare Hand: Kognitive Universalien und historische romanische Lexikologie
- Roland Kirstein und Dieter Schmidtchen: Wie die “unsichtbare Hand” funktioniert, Gewinnmaximierung als Triebfeder der Effizienz
- Die "Unsichtbare Hand": Vor- und Nachteile nicht-regulierter Märkte aus der Sicht von Adam Smith
- Die unsichtbare Hand - Adam Smiths Ansatz zur Lösung der Doppelten Kontingenz