Inge Boesken Kanold

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PURPUR, EINE FARBE AUS DEM MEER


Echter Purpur, auch königlicher Purpur genannt, war schon immer und ist auch heute noch die kostspieligste Farbe der Welt. Im Altertum war der Schneckenpurpur, der von einer Meeresschnecke stammt, die schönste und haltbarste Farbe schlechthin. Ihr ungemein hoher Preis lässt sich dadurch erklären, dass 12000 Schnecken benötigt werden, um 1,4 gr Farbstoff zu erzeugen. Also diente sie hauptsächlich dazu, Wolle und Seide für die Gewänder der Herrschenden zu färben. Rund um das Mittelmeer und auch an anderen Küsten, findet man die Spuren seiner Verarbeitung, meistens in Form von unzähligen leeren Schneckengehäusen, die in ferner Vergangenheit geöffnet worden sind, um an die Purpurdrüse zu gelangen. Über die Herstellung der Farbe kann man schon bei Plinius, dem Älteren in seiner Historia Naturalis aus dem 1.Jhd. n.Chr. lesen. Viele Bibelstellen zeugen von der Wichtigkeit dieses Farbstoffes für kultische Zwecke. Danach trugen es die Könige Israels und die Kaiser von Persien. So ist überliefert, dass Alexander der Grosse beim Tode seines Freundes Hephestion dessen Scheiterhaufen mit Purpur drapieren lässt. Aus späteren Zeiten wird berichtet, dass die Segel der Galeeren Cleopatras in echtem Purpur waren.

Purpur wurde nur zum Färben verwendet. Ein Purpurpigment zum Malen gab es nicht, liess sich doch der Farbton mit Indigo und einem Rotton wie Krapp gut imitieren. Wer in Rom zu Zeiten Neros es wagte, Purpur zu kaufen oder zu tragen, verlor sein Hab und Gut und wurde mit dem Tod bestraft.

Mit dem Fall von Byzanz im Jahre 1453 geht auch die Ära des königlichen Purpurs zu Ende. Er gerät in Vergessenheit. Hin und wieder befassen sich einzelne Wissenschaftler mit diesem Farbphänomen : der Farbstoff ist nur als Vorstufe in der lebenden Schnecke vorhanden. Erst nach Öffnen des Gehäuses beginnt die Sekretion der Hypobranchialdrüse ihre eigentümliche Verwandlung. Anfangs transparent, wird sie durch den Kontakt mit Luft und Licht sehr bald gelb, dann grün, und weiter blau, um schliesslich in einer der vielen Purpurnuancen zu enden. Ob die wiederum mehr zu rot oder violett neigen, hängt nicht nur vom Alter der Schnecke ab, sondern auch – hermaphroditisch wie sie sind – von ihrer geschlechtlichen Zugehörigkeit und zusätzlich von ihrer verspeisten Nahrung aus einem mehr oder weniger sauberen Meer. Diese wunderliche Metamorphose vom Nichts zur geschätztesten Farbe aller Zeiten erlebt nur derjenige, der Umgang mit ihr hat, d.h. die Schnecke öffnet. Es war einmal im Libanon, 1979, dass ich Bekannschaft machte mit dem echten Purpur. Ich wollte das Pigment herstellen, aber es gelang mir nicht. Also habe ich mit dem Purpursaft auf Papier gemalt und später auf Hanf- und Leinentüchern. So machen es heute noch die Mizteken in Mexiko, wenn sie das Garn ihrer Röcke direkt mit der Schnecke färben. Unverwechselbares Gütezeichen : Werk oder Stoff duften nach Algen und Meer.

Meine Faszination vor dem Purpur ist verständlich, wenn man an seine nahezu 5000jährige Geschichte denkt, an seine Farbwandlung durch Licht und Sauerstoff, um schliesslich in einer der vielen Nuancen beständig zu bleiben, von denen die eine, genannt Tekhelet als blauer Purpur in die Geschichte der jüdischen Religion eingegangen ist.


(dieser Text erscheint auf www.artemision.free.fr/boesken)