Anthroposophie

von Rudolf Steiner begründete spirituelle und esoterische Weltanschauung
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Die Anthroposophie (wörtlich Menschen-Weisheit) ist eine von Rudolf Steiner (1861-1925) begründete [[Weltanschauung]. Der Begriff ist nicht zu verwechseln mit Anthropologie (wörtlich Menschen-Lehre)!

Allgemeines

Anthroposophie ist eine weltweite spirituelle Weltanschauung mit europäischen Wurzeln. Im Gegensatz zur von Helena Blavatsky (1831-1891) begründeten Theosophie, welche das bestehende Christentum ablehnte und indische mit westlichen okkulten Lehren verband, versteht sich die Anthroposophie als eine christliche und humanistische Methode der Bewußtseinsentwicklung, deren Grundlage ein erkenntniswissenschaftlich fundiertes Konzept der menschlichen Individualität, ein umfassender Evolutionsbegriff und ein differenziertes Konzept von Wiederverkörperung und Schicksal ist, das sich vollständig von sämtlichen östlichen Ansätzen unterscheidet. Zu den von Rudolf Steiner besonders geschätzten Persönlichkeiten gehören Goethe, Johann Gottlieb Fichte, Max Stirner und Ernst Haeckel, deren Ansichten aber durch seinen "ethischen Inividualismus" weiterentwickelt werden. Steiner: "Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschen zum Geistigen im Weltall führen möchte."

Philosophische Basis

Die philosophische Basis der Anthroposophie findet sich in Steiners Hauptwerk Die Philosophie der Freiheit, ein Werk, das an einer Kritik insbesondere der Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant und des Neokantianismus einen auf seelischer Beobachtungserfahrung gründenden ontologischen Monismus entwickelt. Dieser müdet in eine Freiheitsethik, in deren Zentrum die aus Erkenntnis und Liebe handelnde und gesellschaftsbildende Individualität steht.Kernpunkt ist, daß Erfahrung als Ergebnis einer Synthese von Wahrnehmung und Begriff ihre Objektivität verbürgende Wahrheit aus dem seiner selbst gewahr werdenden Denken bezieht, das voraussetzungslose Voraussetzung jeder Aussage ist, insbesondere für die Subsummierung von Erfahrungen unter die Begriffe subjektiv und objektiv.

"Nun darf aber nicht übersehen werden, daß wir uns nur mit Hilfe des Denkens als Subjekt bestimmen und uns den Objekten entgegensetzen können. (...) Das Denken ist jenseits von Subjekt und Objekt. Es bildet diese beiden Begriffe ebenso wie alle anderen. 1)(...) Das Subjekt denkt nicht deshalb, weil es Subjekt ist; sondern es erscheint sich als ein Subjekt, weil es zu denken vermag.2) (...) Das Denken ist somit ein Element, das mich über mein Selbst hinausführt und mit den Objekten verbindet. Aber es trennt mich zugleich von ihnen, indem es mich ihnen als Subjekt gegenüberstellt."§9 (Rudolf Steiner, Philosophie der Freiheit, Dornach 1992, S. 60)

Mit anderen Worten:

  1. ) Das Denken des Menschen ist eine durch diesen beobachtbare Tätigkeit und bildet seinen Subjekt-Begriff, den "Ich"-Begriff. Dieser "Ich"-Begriff steht den Dingen und Objekten gegenüber, die der Mensch, ebenso wie sich selbst, benennt, .
  2. ) Das Denken des Menschen (seine höheren geistigen Funktionen) kann den Subjekt-Begriff, d.h. den "Ich"-Begriff, genauso zum Gegenstand seiner Betrachtungen machen wie die Begriffe von den Objekten (Ich kann über mich nachdenken, wie über den Baum!)

Ebenso bezieht Steiner Wahrnehmung nicht auf Objekte außerhalb der Wahrnehmung oder Dinge an sich (Kant), sondern bezeichnet sie als einen Inhalt, der sich darin erschöpft, daß er bewußt wird. Das Objekt als Gegenstand ist das Produkt der Synthese aus Wahrnehmung und Begriff und somit ist Wirklichkeit ein Produkt von und nicht eine Bedingung für Erkenntnis. Diese Ansicht bildet die Grundlage für Steiners späteren Anspruch, "exakte wissenschaftliche Beobachtungen" über die "geistige Welt" anstellen zu können. Außerhalb der Anthroposophie wird dieser methodologische Ansatz kaum perzeptiert, seit Steiner sich zunächst im Rahmern der Theosophischen Gesellschaft betätigte und asäter die Anthroposophische Geselschaft gründete. Die meisten neueren philosophischen Denker gehen von dem nicht hinterfragten Vorurteil aus, daß Steiner Kants Werke nicht verstanden habe und tun seine Philosophie unreflektiert als Rückschritt in die Denkmodelle der mittelalterlichen Scholastikab und entledigen sich seiner Geistes-Wissenschaft als phantastische Produkte einer lebhaften Vorstellungskraft, welche einen nicht weiter prüfenswerten Anspruch auf Objektivität erhebe. (siehe auch Universalienstreit).

Anthroposophie als Geheimwissenschaft

Auf R. Steiner läuft vieles in der Anthroposophie zu. Er ist ihr Begründer und bis heute maßgeblicher Okkultist. Der Begriff Geheimwissenschaft ist eine von Steiner verwendete Bezeichnung für seine Lehre der Dinge, deren Erkenntnis über das bloße Verstandesdenken hinausgeht, hierin sich anlehnend an H. Blavatskys Arcane Science, Geheimlehre. Sie ist der Kern seiner Werke und erschwert für positivistisch und materialistische eingestellte Betrachter das Verständnis erheblich. Sie erschwert auch die kritische Binnenbetrachtung von Steiners Lehren und seiner Werke durch Anthroposophen. Als Argument wird Kritikern entgegnet, Steiners Werke seien von der Kritik nicht hinreichend verstanden oder der Beurteiler verfüge nicht über die Einsichtsmöglichkeiten, die Rudolf Steiner zur Verfügung standen.

Ein Ziel der Geheimwissenschaft ist nach Steiner die Ausbildung und Förderung der geistigen Entwicklung und Zusammenarbeit von an ihr interessierten Menschen. Die anthroposophische Schulung sei ein moderner und jedem Menschen zugänglicher Weg zur Entwicklung höherer geistiger Fähigkeiten, darunter ab einer gewissen Stufe übersinnlichen Wahrnehmungsvermögens.

Die „Richtigkeit“ der übersinnlichen Wahrnehmungen könne der Schüler neben einem eigentümlichen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung auftretenden „Evidenzerlebnis“ durch Vergleich mit Aussagen vertrauenswürdiger Quellen übersinnlicher Wahrnehmung prüfen. Hierzu nennt er u.a. die von ihm selbst in schriftlicher und Vortragsform gegebenen Schilderungen: Hierzu zählen Beschreibungen der Weltentstehung und -entwicklung bis in früheste Zeiten, Schilderungen über Reinkarnation, Karma und vorgeburtlicher sowie nachtodlicher Vorgänge, die Beschreibung der höheren Wesensglieder des Menschen und ihr Zusammenwirken sowie umfangreiche Ausführungen zur Christologie und über geistige Wesenheiten (Hierarchienlehre). Steiner nennt den von ihm beschriebenen Schulungsweg wissenschaftlich, da er, richtig ausgeführt, jederzeit mit wachem Bewußtsein begleitet werde. Vertreter des derzeit dominierenden, d.h. reduktionistischen Wissenschaftsbegriffes halten die auf der als solcher angezweifelten Weiterentwickelbarkeit des Erkenntnisvermögens fußende „wissenschaftliche Erforschung des Geistigen“ für unmöglich und sprechen Rudolf Steiner daher Wissenschaftlichkeit ab.

Um R. Steiner bildete sich eine legendenhafte Erzählungstradition, die seine von ihm selbst als in der Kindheit begonnen beschriebene hellseherischen Fähigkeiten im Kindesalter zum Inhalt hat. Aus den Mitteilungen Rudolf Steiners die seiner geistig-übersinnlichen Schau entstammen, schöpfen unter anderemWaldorf-Pädagogik, anthroposophische Medizin und biologisch-dynamische Landwirtschaft beziehungsweise Demeter-Landbau wesentliche Anregungen.

Lehre - Auszug

Laut der anthroposophischen Lehre existiert der Mensch in den vier ineinandergreifenden Ebenen: dem physischen Leib (Körper), dem Ätherleib oder Lebensleib, dem Astralleib und dem Ich. Dies macht den Menschen zu einem im Geiste wurzelndes Wesen, das als viertes neben den vier Naturreichen der Erde steht. Zum Tierreich gehört nur die ersten drei Leiber, das Tier verfügt als über eine bewußtseinslose Körperseele. Das Pflanzenreich lebt im Physischen mit dem Lebensleib (Äther). Die Bestimmung der Wesensglieder ist damit jedoch nicht erschöpft. Prinzipiell gliedert sich das Wesen des Menschen in Leib, Seele, Geist. Zum leiblichen Wesen gehören die einfachen Leiber von Physis,Lebensleib und Astralleib. Das seelische Wesen gliedert sich in Empfindungsseele, Verstandesseele und [Bewußtseinsseele]]. Der Mensch schreitet sowohl individuell persönlich als auch als Gattungswesen in einen Vergeistigungsprozess von Leib und Seele fort, der zu einer Differenzierung des Geistes führen soll. So beschreibt Steiner eine Dreigliederung des geistigen Wesens des Menschen mit Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmenschen. Astralleib und Empfindungsseele verbinden sich zum empfindenden Seelenleib und die Bewußtseinseele mit dem Geistselbst zur geisterfüllten Bewußtseinsseele. Daraus ergeben sich 7 Teile des irdischen Menschen:

  • Der physische Körper
  • Der Äther- oder Lebensleib
  • Der empfindende Seelenleib
  • Die Verstandesseele
  • Die geisterfüllte Bewußtseinsseele
  • Der Lebensgeist
  • Der Geistesmensch

Im Schlaf erhält der Ätherleib die Physis und regeneriert die Körperorgane.

Der physische Körper verfällt mit dem Tode und wird so dem mineralischen Erdenreich zurückgegeben. Der Ätherleib löst sich innerhalb weniger Tage nach dem Tode auf, bildet während dessen die Basis für die Lebensrückschau der Seele, mit deren Essenz sie die nachtodliche Seelenwelt betritt und anschließend das Geisterland bis zu einer Wiederverkörperung des Geistes in der physischen Welt durchläuft. Diese zyklische Reinkarnation ist notwendig durch das individuelle Schicksal( Karma) des Menschen bestimmt.

Das Ziel der Anthroposophie sei, durch Meditation, Selbsterziehung, Beobachtung und Offenheit auf einer lebenslangen 'Suche', höhere Bewusstseinsebenen zu erreichen, weil der Mensch und die gesamte Welt (geistige und physische) sich in einer beständigen Entwicklung (Evolution) befänden. Damit verbunden ist ein individuell auszugestaltender anthroposophischer Schulungsweg, dessen Grundzüge in den Werken Rudolf Steiners beschrieben ist. An Anthroposophie Interessierte nutzen ein vielfältiges Angebot an Vorträgen, Workshops und Kursen mit berufsspezifischer Ausrichtung.

Soziologie der Anthroposophischen Bewegung

Die Anthroposophische Bewegung ist soziologisch, weltanschaulich-religiös und politisch sehr heterogen und die Interpretation von Steiners Werk ist innerhalb der Anthroposophie nicht einheitlich. Neben einer sehr esoterisch orientierten Anhängerschaft finden sich praktisch-normative Ansätze (z.B. in der Waldorfpädagogik), religiöse (z.B. Christengemeinschaft), politisch-soziale (z.B. Dreigliederung des sozialen Organismus, Geldwesen mit der Gemeinschaftsbank) und rein philosophische, die Steiners Werk zum Teil sehr kontrovers interpretieren.

Die Bewegung befürwortet Homöopathie und dass entsprechend zubereitete mineralische, pflanzliche und tierische Heilmittel aufgrund einer „evolutionären Verwandschaft“ mit dem Menschen therapeutisch verwendet werden können. In Zusammenarbeit mit der Ärztin Ita Wegman entwickelte Steiner medizinische und pharmazeutische Grundlagen für die Anthroposophische Medizin, die als „besondere Therapierichtung“ neben Homöopathie und Phytotherapie teilweise von den Krankenkassen anerkannt und finanziert wird.

Rassismus und Antisemitismus in der Anthroposophie ?

Der Rassismus-Streit wurde durch eine Anzahl von Steiner-Zitaten ausgelöst, da Steiner Menschen-Rassegedanken mit Evolution verbindet. Viele Anthroposophen halten diese Zitate für aus dem Kontext gerissen und überbewertet, Kritiker sorgen sich um die ihrer Meinung nach wertenden und selektiven Gedanken, die von der derzeitigen Anthroposophie nicht hinreichend revidiert würden.

In der Diskussion um den Rassenbegriff Rudolf Steiners wurde bisher häufig übersehen, dass Steiner schon zu seiner Zeit die Rassenschranken als etwas überwundenes angesehen hat, weil die Menschheit offensichtlich immer mehr zusammengeführt wird. So würde sein Denken heute mit den Forderungen nach ethnischem Pluralismus und Multikulturalismus übereinstimmen und zum Erhalt des Kulturerbes unter politischer und rechtlicher Gleichstellung beitragen:

Es ist von einer ganz besonderen Wichtigkeit, daß gerade in unserer Zeit in unbefangner Weise auch gesprochen wird über dasjenige, was wir die Mission der einzelnen Volksseelen der Menschheit nennen, weil die nächsten Schicksale der Menschheit in einem viel höheren Grade als das bisher der Fall war, die Menschen zu einer gemeinsamen Menschheitsmission zusammenführen werden.
(Steiner in Kristiania 7.Juni 1910, GA 121, S.13)

Steiner formulierte bereits im Jahre 1900 als Funktionär der Theosophischen Gesellschaft Rassentheorien, die er u.a. in seinem Buch Aus der Akasha-Chronik veröffentlicht hatte. Diese entsprechen weitgehend der Hierarchisierung von Rassen, wie sie auch in der Schriften der Helena Blavatsky niedergelegt sind. Steiner gliedert die Menschheitsentwicklung in unterschiedliche Zeitepochen, die von je einer "Wurzelrasse" dominiert waren: der "polarischen Wurzelrasse", der "hyperboräischen Wurzelrasse", "Lemuriern", "Atlantiern", der "arischen" oder "nachatlantischen Wurzelrasse", welche die gegenwärtige Entwicklungsphase (seit ca. 7000 v.Ch.) repräsentiert. Der Rassenbegriff bei Steiner ist jedoch gegenüber dem des faschistischen Rassismus grundlegend anders. Während der Rassenbegriff des Nationalsozialismus aus der der materialistischen Evolutionstheorie Darwins abgeleitet ist, versteht Steiner die "Wurzelrassen" nicht als ethnische Zuordnung, sondern als in große Zeitepochen von mehreren tausend Jahren einzuordnende menschliche Entwicklungsstadien. Daher ist die nachatlantische Wurzelrasse zu den Anfängen der nachatlantischen Kulturepochen noch prägend. Steiner sieht für die gegenwärtige fünfte nachatlantische Kulturepoche die Rassenunterschiede als überwunden an. Die Anthroposophie sieht die Bedeutung der Rassen seit tausenden von Jahren am schwinden, v.a. weil sich die individuelle Reinkarnation des Menschen auf sein Schicksal ( Karma) begründet, das zu Wiederverkörperung in unterschiedliche Weltregionen und Körper führen kann.

Die menschliche Zugehörigkeit bezieht sich bei Steiner nicht auf die physische Rasse, sondern auf die Volksseele:

"...es vererbten sich Rassenmerkmale in der atlantischen Zeit und bis herein in unsere nachatlantische Epoche. Wir werden sehen, wie in unsere Zeit die Volksmerkmale das sind, was die Rassencharaktere wieder auseinander bringt, was sie wieder auszulöschen beginnt. (...) Die Rassen sind entstanden und werden einmal vergehen, werden einmal nicht mehr da sein." ( Vortrag Kristiania 10.6.1910; GA 121, S.75/76)

Problematisch erscheinen heute nicht mehr gebräuchliche Audrücke wie "Neger", die Steiner in den Arbeitervorträgen in der Schweiz verwendet haben soll:

"Die Negerrasse gehört nicht zu Europa, und es ist natürlich nur ein Unfug, daß sie jetzt in Europa eine so große Rolle spielt." (Steiner-Gesamtausgabe Bd. 349, S. 53)

Das Judentum begreift Rudolf Steiner nicht als Rasse, sondern als auf religiöse und nationale Einheit gründende und dadurch isolierte Kultur. Es wird aber nicht nur ausgegrenzt, ihm wird nicht weniger als das Existenzrecht abgesprochen:

"Das Judentum als solches hat sich aber längst ausgelebt, hat keine Berechtigung innerhalb des modernen Völkerlebens, und daß es sich dennoch erhalten hat, ist ein Fehler der Weltgeschichte, dessen Folgen nicht ausbleiben konnten." (Steiner-Gesamtausgabe Bd. 32, S. 152)

Damit war jeodch Steiners deutliche Ablehnung des Antisemitismus verbunden:

"Mit Schaudern erkennt man, was der Antisemitismus in den Gemütern edler Juden angerichtet hat. Der Antisemitismus ist nicht alleine für die Juden eine Gefahr, er ist es auch für die Nichtjuden. Jede unbestimmte Haltung ist von Übel." ( Steiner 1901; GA 31,S.409)

Die Kritik an einem durch das vom amerikanischen Präsident Woodrow Wilson initierte Selbstbestimmungsrecht der Völker begründet sich auf die Ausgrenzung von Minderheiten innerhalb von ethisch einheitlichen Nationalsstaaten. Diese Kritik war v.a. durch Steiners Außernandersetzung mit der Neuordnung Europas und seines Heimatsstaates Österreich geprägt, in dem er - aus einer niederösterreichischen Familie stammend - in der Kranj ( heutiges Kroatien) aufwuchs. So richtet er sich gegen eine Ausgrenzung der Juden als Minderheit innerhalb eines ethnisch einheitlichen Nationalstaates. Genauso wie er ethnische Schranken und nationale Grenzen generell als anachronistisch betrachtete, betrachtete er die Idee des Judentums als ethnische Sondergruppe als überwunden.

Hinzu kommt in Steiners Schriften die Integration der "germanisch-nordischen Mythologie", sowie als zentrales Element seiner Lehre die Theorie von Reinkarnation und Karma, nach welcher der Mensch als biographische Person (Ich) in einem individuellen geistigen Kausalitätszusammenhang (Karma) auf eine ganze Reihe vorangegangener und nachfolgender Inkarnationen blickt, deren unterschiedliche Bedingungen die individuelle Entwicklung des Menschen prägen (Reinkarnation).

"Der Mensch ist Mensch dadurch, daß (...) dieses Ich sich im Laufe der aufeinanderfolgenden Inkarnationen weiter entwickelt durch verschiedene Menschengemeinschaften, durch Völker und Zeiträume hindurch, bis die Erde am Ziel ihrer Entwickelung angelangt sein wird" (Rudolf Steiner, Das Geheimnis des Todes, Dornach 1999, S. 203)

Die "minderwertigen menschlichen Wurzelrassen", so vermittelt Steiners Gedankengebäude, mussten aussterben, um Platz für die "höherentwickelten Wurzelrassen" wie die Arier zu machen.

Ist die Anthroposophie eine Sekte?

Die Anthroposohie ist überkonfessionell und nicht sektiererisch. Anthroposophie ist eine spirituelle Bewegung auf philosophischer Grundlage. Sie forscht undogmatisch auf Grundlage geisteswissenschaftlicher Empirie. Ihre Lehre, besonders von Reinkarnation und Karma, wird jedoch von sämtlichen christlichen Kirchen nicht anerkannt - nur die (von Steiner mitgegründete) Christengemeinschaft erkennt die Anthroposophie an.

Sprecher der katholischen Kirche verurteilten die Anthroposophie und ihre Organisationsformen wie die Anthroposophische Gesellschaft trotzdem als eine den Glaubensdogmen schädliche Sekte (vgl. hierzu [1]) mit Tendenz zu intellektuell überhöhtem Rassismus (Rassismusstreit).

Im Nationalsozialismus wurde die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland am 1. November 1935 ein erstes Mal verboten. "Tatsächlich gaben sämtliche Zweigleiter jüdischer Abstammung ihre Ämter in dieser Zeit ab. Auch ein Großteil der jüdischen Mitglieder trat aus der deutschen Landesgesellschaft aus." [2] Das Verbot wurde auf Intervention Hess' bald wieder aufgehoben. Das Regime schwankte zwischen dem Verbot der Gruppierung und den Verlockungen der Gleichschaltung und des Nutzens der Anthroposophie als "deutsche Weltanschauung" und Ersatz zum Christentum. Im KZ Dachau wurden sogar biologisch-dynamische Kräutergärten angelegt. Mit der Gefangennahme des Fürsprechers Hess 1941 wurden sämtliche anthroposophischen Einrichtungen auf deutschem Gebiet bis 1945 verboten.

Die Anthroposophen konnten sich bislang erfolgreich gegen Vereinnahmungen von Rassisten, Nationalisten und Ideologen behaupten. Wiederholt wurde sowohl von Anthroposophen als auch von anthroposophisch orientierten Theologen das Gespräch mit der evangelischen und katholischen Kirche gesucht.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg mussten sich die Anthroposophen mit Vereinnahmungsversuchen außeinandersetzen. So wurde der Priester und ehemalige SS-Angehörige Kurt Haverbeck, in den 1950er-Jahren aus der Christengemeinschaft herausgesetzt. Dieser veröffentlichte später das Buch "Rudolf Steiner als Anwalt für Deutschland".

Die Impulse zur Dreigliederung der Gesellschaft in Wirtschaftsleben, Geistesleben und Rechtsleben führten in den 70er-Jahren zur Begründung von eigenständigen Freien Hochschulen und basisdemokratischen Bewegungen, an denen z.B. der Künstler Joseph Beuys maßgeblich beteiligt war. Auch Joseph Beuys Initiative zur Gründung der Partei der Grünen ( Die Grünen)geht auf diesen eigenständigen Impuls zurück.

Siehe auch

Anthroposophische Publikationen

Kritisch

Anthroposophische Wissenschaften?

Waldorfschulen


Literatur

Andreas Binder, Wie christlich ist die Anthroposophie? Standortbestimmungen aus der Sicht eines evangelischen Theologen, Stuttgart 1989, ISBN 3878386117

Johannes Kiersch: Die Waldorfpädagogik - Eine Einführung in die Pädagogik Rudolf Steiners, Neuausgabe 2. Auflage, Freies Geistesleben. ISBN 377251247X

Jens Heisterkamp: Was ist Anthroposophie? Eine Einladung zur Entdeckung des Menschen. Verlag am Goetheanum, Dornach 2000

Achim Hellmich und Peter Teigeler (Hrsg.): Montessoripädagogik, Freinetpädagogik, Waldorfpädagogik - Konzeption und aktuelle Praxis, Beltz Verlag, 1999. ISBN 3407252188

Georg Kniebe, Anthroposophie und christliche Kirchen - Ein Gespräch?, Stuttgart 1992, ISBN 3878389477

Hans-Jürgen Bader, Lorenzo Ravagli: Rassenideale sind der Niedergang der Menschheit. Anthroposophie und der Rassismusvorwurf, Verlag Freies Geistesleben, 2003. (Anthroposophie-Perspektive)

Rudolf Steiner: Aus der Akasha-Chronik, Rudolf Steiner Verlag, 1995. ISBN 3727461616

Rudolf Steiner:Einführung in die Anthroposophie - Ausgewählte Texte, Dornach 1988

Rudolf Steiner: Theosophie - Einführung in die übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung, Dornach 1962

Rudolf Steiner: Die Mission einzelner Volksseelen, Dornach 1974