Mnemotechnik
Mnemotechniken sind Gedächtnis- bzw. Merkhilfen jeder Art, z.B. in Form von kleinen Merksätzen oder Reimen (Eselsbrücken), als Schema oder in grafischer Form.
Das Wort Mnemotechnik leitet sich aus dem Griechischen (mnêmon = aufmerksam) ab und erinnert an die Muse Mneme, die die Muse des Gedächtnisses war.
Bereits im alten Griechenland pflegten Redner sich der Mnemotechniken zu bedienen. Nicht ohne Grund, denn der Gebrauch dieser meist einfachen Techniken versetzt einen Menschen in die Lage, die Gedächtnisleistung um ein Vielfaches zu steigern. Mnemotechniken sind eigentlich nur Wege, Lerninhalte gehirngerecht zu verpacken, so dass sie später mit Leichtigkeit - um nicht zu sagen spielerisch - wieder abgerufen werden können. Wenn man sich beispielsweise mit Hilfe der Loci-Technik - eine der ältesten Techniken - eine zufällige Abfolge von Dingen nur einmal eingeprägt hat, wird man diese, auch ohne Wiederholung, noch lange Zeit später wiedergeben können, darüber hinaus in der richtigen Reihenfolge.
Kettenmethode, Assoziationsketten
Bei typischen Methoden der Mnemotechnik werden die zu lernenden Begriffe wie die Glieder einer Kette so aneinander gehängt, dass die richtige Reihenfolge erhalten bleibt. Man denkt sich einfach eine Geschichte aus, in der die Begriffe vorkommen. Die Gefahr besteht darin, dass ein Kettenglied verloren geht, die Assoziationskette sozusagen "reißt".
Es gibt aber auch spezifische Methoden, bei denen die Gefahr geringer ist, Kettenglieder zu verlieren. Sie lassen sich anwenden auf Wissensgebiete, bei denen es auf Stichworte und deren Vollständigkeit und richtige Reihenfolge ankommt. Die verbreitetsten davon sind Zahlen-Symbol-Systeme sowie die Loci-Methode.
Zahl-Symbol-System
Diese grundlegende mnemotechnische Assioziationstechnik ist auch unter Namen wie Bildersystem, Hilfsbildreihe, Bilderraster, Bildtafel, Zahlensymbole u.a. bekannt.
Jeder Zahl wird ein bestimmtes Symbol zugeordnet, mit diesen Symbolen lassen sich dann die zu merkenden Begriffe gut in eine Reihenfolge bringen.
Beispiel:
- Kerze
- Schwan
- Dreizack
- Kleeblatt
- Hand
- Elefant
- Fahne
- Sanduhr
- Golfschläger
- Füße
Die Symbole werden dabei so gewählt, dass sie in einem gewissen Bezug zur Zahl stehen: eine Kerze sieht wie eine aufgemalte 1 aus; die 2 ähnelt einem Schwan; ein Dreizack hat 3 Zacken; ein (Glücks-)Kleeblatt hat 4 Blätter; die Hand hat 5 Finger; eine Elefant hat, wegen der vier Beine, dem Rüssel und dem Schwanz, sozusagen 6 Gliedmaßen; eine im Wind wehende Fahne sieht wie eine geschrieben 7 aus; die Sanduhr hat die Form einer 8; ein nach oben gehaltener Golfschläger ähnelt einer 9; beide Füße zusammen haben 10 Zehen.
Die verwendeten Bildbegriffe weichen (meist ab der 4) vielfach voneinander ab, je nach verwendeter Quelle.
Loci-Methode
Eine bekannte und verbreitete mnemotechnische Assioziationstechnik ist die Loci-Methode (von lateinisch locus für Ort/Platz). Um diese Technik zu beherrschen, braucht es nur sehr wenig Aufwand. Wenn man sich auf herkömmliche Weise eine Abfolge von Dingen zu merken versucht, gerät oft vieles im Gehirn durcheinander. Mithilfe der Loci-Technik werden die Lerninhalte geordnet "encodiert".
In der Loci-Technik wird für jeden Begriff ein eigener Platz reserviert, quasi Variablen geschaffen, die mit verschiedenen Inhalten belegt werden können. Diese Variablen liegen in einer übergeordneten, fixen Struktur, sodass es möglich wird, bei der Wiedergabe die genaue Reihenfolge einzuhalten. Die fixe Struktur, von der vorher die Rede war, kann ein wohlbekannter Weg sein, aber auch ein Raum. Es muss im zweiten Falle nicht unbedingt ein realer Raum sein. Man kann sich selbst seinen eigenen Raum schaffen, dies muss jedoch in größtmöglicher Detailgenauigkeit geschehen. Bei beiden Varianten ist es notwendig, ganz eindeutige Plätze auszuwählen, wo später die zu merkenden Dinge abgelegt werden können. Zusätzlich könnte man diesen Plätzen noch Nummern zuweisen. Anschließend kann man auf die geistig vorbereiteten Plätze das zu Merkende ablegen; besonders günstig ist es, wenn man mehrere Dinge zuerst zu einem Assoziationsbild verknüpft und dann erst gedanklich ablegt. So wird „Platz gespart“ und man erinnert sich obendrein noch leichter. Man kann den Weg oder das Zimmer immer wieder benutzen, quasi neu „beschreiben“.
Einprägung per Spaziergang
- Man schreibt sich den Lernstoff auf Merkzettel auf.
- Man begibt sich mental auf einen Spaziergang (eine bestimmte Tour) und hält dann an bestimmten Orten an (z.B. auf einer Bank, an einer Bushaltestelle, bei einem Brunnen, bei einem Restaurant, bei einem markanten Baum) und merkt sich den Stoff eines bestimmten Merkzettels.
- Auf dem Merkzettel wird notiert, an welchem Ort der Inhalt gelernt wurde.
- Man macht den Spaziergang (mit immer denselben Stationen) so lange, und wiederholt das Auswendiglernen der Merkzettel, bis man das Thema beherrscht.
- In einer Prüfungssituation reicht es dann, sich gedanklich auf den Spaziergang zu begeben und man erinnert sich verhältnismäßig mühelos an das Gelernte.
Diese Methode funktioniert deshalb gut, weil das menschliche Gehirn Daten gut ortsabhängig einspeichern kann und assoziativ funktioniert. Die Idee geht auf die alten Griechen zurück (möglicherweise entstand sie noch früher). Die Wissenschaftler mussten damals viel mehr auswendig lernen, da Bücher als Handschriften teuer und selten waren. Die Methode heißt Loci-Methode und wird auch von heutigen Gedächtnissportlern benutzt.
Auch Redner in der Antike nutzten diese Technik, um ihre Reden auswendig zu lernen. Cicero schritt dabei gedanklich die Umgebung des Forums in Rom ab. Er beschreibt die Methode in seinem Werk "De oratore". Vermutlicher Erfinder ist Simonides von Keos mit seinem Gedächtnispalast, welcher um 500 v. Chr. lebte und ein berühmter Poet und Redner war.
Bekanntes Beispiel:
Die Gliederung einer typischen frei gesprochenen Rede kann man sich mit der Frontansicht eines griechischen Tempels merken. Die Einleitung der Rede wird mit den Treppenstufen assoziiert, die rechte, sonnenbeschienene Säule mit den Pro-Argumenten und die linke, schattige Säule mit den Kontra-Argumenten. Die mittlere, halbschattige Säule führt Gemeinsamkeiten bzw. unvereinbare Gegensätze zusammen. Das spitz zulaufende Dach des Tempels wird mit dem Endergebnis (z. B. ein Kompromiss oder eine Synthese) assoziiert.
weitere Gedächtnistechniken
Es gibt zahlreiche Systeme, die verwendet werden, um auf Bilder für die abstrakten Informationen zu kommen:
Einfachere Systeme
- Zahl-Reim-System
Komplexere Systeme
- Ben-System
- Dominic-System
- Major-System
- PVO-System
Siehe auch
Literatur
- Christiane Stenger: "Warum fällt das Schaf vom Baum? - Gedächtnistraining mit der Jugendweltmeisterin", Campus, Frankfurt/New York 2004, ISBN 3-593-37455-2
- Gunther Karsten: "Erfolgsgedächtnis - Wie Sie sich Zahlen, Namen, Fakten, Vokabeln einfach besser merken", Mosaik bei Goldmann 2004, ISBN 3-442-16473-7
- Ulrich Voigt: "Esels Welt. Mnemotechnik zwischen Simonides und Harry Lorayne", Likanas Verlag, ISBN 3-935-49800-4
- Ulrich Voigt: "Das Jahr im Kopf. Kalender und Mnemotechnik", Likanas Verlag, ISBN 3-935-49801-2
- Jörg Jochen Berns, Wolfgang Neuber (Hrsg.): Documenta Mnemonica. Text- und Bildzeugnisse zu Gedächtnislehren und Gedächtniskünsten von der Antike bis zum Ende der Frühen Neuzeit, Band II: Das enzyklopädische Gedächtnis der Frühen Neuzeit. Enzyklopädie und Lexikonartikel zur Mnemonik (Frühe Neuzeit 43). Tübingen: Niemeyer 1998