Leo Trotzki

sowjetischer Revolutionär, Politiker und Gründer der Roten Armee (1879–1940)
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Lew Dawidowitsch Trotzki, russisch Лев Давидович ТРОЦКИЙ (* 7. November 1879; † 21. August 1940; oft auch mit westlicher Namensvariante Leo Trotzkij bzw. bürgerlicher Name Lew Dawidowitsch Bronstein), war ein bedeutender russischer Revolutionär und ein glühender Anhänger des Marxismus.

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Leo Trotzki

Politische Karriere

Trotzkis richtiger Name war Leib Bronstein. Er wurde als Sohn jüdischer Eltern im ukrainischen Janowka (im Kreis Jelisawetgrad, Gebiet von Cherson) geboren. Sein Vater war ein Kolonist. Leib ging in die Realschule der Stadt Nikolajew.

Aus seiner Familie ging mit seiner Schwester Olga noch eine weitere Revolutionären hervor, die später Lew Kamenew, einen der ersten Führer der jungen Sowjetunion, heiratete.

Er war noch als Schüler maßgeblich an der Gründung des revolutionär eingestellten Südrussischen Arbeiterbundes beteiligt (1897). Er fungierte als Verbindungsmann zwischen den Gruppen des Bundes in Odessa und Nikolajew. Er wurde ein Jahr später verhaftet und saß in den Gefängnissen von Nikolajew, Cherson und Odessa ein. 1899 wurde er zur Verbannung nach Sibirien verurteilt.

Im Moskauer Überführungsgefängnis Butyrskaja heiratete Trotzki die sieben Jahre ältere Alexandra Sokolowskaja, die seine politischen Ansichten teilte und ihn in die Verbannung nach Irkutsk begleitete.

Im Jahre 1902 ließ er seine Frau und seine beiden Töchter (die jüngere war nur vier Monate alt) im Stich und floh aus der Verbannung. Um zu fliehen, legte er sich einen gefälschten Pass auf den Namen Trotzki zu, womit er sich amüsanterweise nach dem Gefängnis-Oberaufseher des Odessaer Gefängnisses benannte.

Wenig später, im Herbst 1902 kam er nach London und fand in der Wohnung von Lenin Unterschlupf. Er trat dort Lenins Sozialdemokratischer Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) bei und vertrat auf dem in London durchgeführten II. Parteitag der SDAPR den Sibirischen Bund.

Auf diesem zweiten Parteitag der SDAPR kam es zur Spaltung der Partei über die wichtige Frage, wer denn alles als Parteimitglied betrachtet werden kann. Opponenten bei dieser Auseinandersetzung waren einerseits Lenin, nach dessen Meinung nur Personen Parteimitglied sein konnten, die sich persönlich engagierten, und andererseits Trotzki, der es für die Parteimitgliedschaft ausreichend hielt, dass eine Person die Partei unterstützten. Bei der folgenden Abstimmung siegten die Anhänger Lenins, die in der Folge Bolschewiki (dt. Mehrheitler) genannt wurden; ihnen standen die Menschewiki (dt. Minderheitler) entgegen. Trotzki stellte sich sofort nach diesem Parteitag auf die Seite der Menschewiki, wo er der Gruppe Zentrum zur Bekämpfung der Bolschewiki beitrat. Dadurch belastete er sein Verhältnis zu Lenin. Trotzki versuchte einerseits, zwischen den Parteifraktionen zu vermitteln, andererseits verfaßte er auch Schriften, in welchen er Lenins Politik mit Machtgier begründete und ihn einen Diktatorenkandidaten nannte.

Ein Jahr später trennte er sich von den Menschewiki und stellte zusammen mit Alexander Parvus die Theorie der permanenten Revolution auf, nach welcher der Sozialismus nicht in einem einzelnen Land obsiegen kann.

Die im Exil arbeitende SDAPR gab auch die Leninistische Zeitung Iskra (Der Funke) heraus, bei der Trotzki die Rolle des hauptverantwortlichen Redakteurs übernahm. Diese Tätigkeit brachte ihm den Spitznamen Leninscher Knüppel ein; nach der Spaltung der Partei arbeitete er jedoch nicht mehr in dieser Funktion.

1905 kehrte er nach Russland zurück, wo er während der ersten russischen Revolution von 1905 Mitglied des Petersburger Sowjets der Arbeiterdeputierten wurde. Nach der Verhaftung des Vorsitzenden Chrustaljow-Nossar wurde er Vorsitzender dieses Sowjets. Nach seiner Teilnahme an diversen Aufständen verhaftete man ihn im Dezember 1905 erneut und schickte ihn ein zweites mal in die Verbannung, dieses Mal in das Gouvernement Tobolsk. Er floh bereits auf dem Weg in die Verbannung und tauchte in Wien wieder auf.

Auf dem Parteitag von 1907, abermals in London, schloss er sich weder den Bolschewiki noch den Menschewiki an, sondern stand der Fraktion Zentrum vor.

Ab 1908 gab er zusammen mit Adolf Joffe die Zeitung Prawda (Wahrheit) heraus, die allerdings nicht mit Lenins Prawda zu verwechseln ist, die ab 1912 erschien. In jener Zeit versuchte vor allem Lew Kamenew, Trotzki vom Bolschewismus und Lenin zu überzeugen; Trotzki blieb damals aber ein harter und aktiver Gegner Lenins.

Als sich der Erste Weltkrieg anbahnte, ging er in die Schweiz und wenig später nach Frankreich. Auf der Zimmerwalder Konferenz 1915 gehörte er mit Lenin zu den Unterzeichnern eines Antikriegsprogrammes. Trotzki wurde als gefährlicher Agitator aus Frankreich nach Spanien abgeschoben, in Madrid abermals verhaftet und ausgewiesen. Ab 1916 lebte er mit seiner neuen Frau Natalija Sedowa in den USA, wo er ein Jahr später von der russischen bürgerlich-demokratischen Februarrevolution erfuhr, durch welche die Provisorische Regierung unter Aleksander Kerenski an die Macht kam.

Trotzki machte sich auf den Weg in die Heimat, wurde in Halifax allerdings verhaftet. Der Petrograder Sowjet setzte die Provisorische Regierung unter Druck, für Trotzki zu intervenieren und so kam er im Mai 1917 in Petrograd an. Dort schloss Trotzki sich der Überregionalen Organisation vereinigter Sozialdemokraten an, die das Ziel hatte, die Bolschewiki und Menschewiki auszusöhnen. Im August 1917, dem VI. Parteitag der SDAPR, schlug er sich (und mit ihm die gesamte Überregionale Organisation) auf die Seite der Bolschewiki.

Durch seinen großen Elan, die gute Rhetorik und Stilistik und vor allem durch das große Organisationstalent gehörte er bereits in jener Zeit - trotzdem er sich fast immer im Exil aufgehalten hatte - zu den überragenden Figuren des Bolschewismus und er ergänzte sich mit Lenin gut, trotz aller politischen und taktischen Differenzen.

Russische Revolution

Im September 1917 wurde Trotzki abermals Vorsitzender des Petrograder Sowjets. Als am 10. Oktober 1917 das Zentralkomittee der Partei den Entschluss zum bewaffneten Aufstand fasste, stimmte Trotzki mit der Mehrheit. Unter seiner Federführung wurde am 16. Oktober dann das so genannte Revolutionäre Militärkomittee beim Petrograder Sowjet gegründet. Dieses Komittee widersetzte sich dem Befehl der Provisorischen Regierung, zwei Drittel der Petrograder Stadtgarnison an die Front des Ersten Weltkriegs zu beordern. Dies war der eigentliche Beginn der Revolte, zu welcher nach Trotzkis Ansicht der Aufstand des 25. Oktober 1917 (also die eigentliche Oktoberrevolution) lediglich zusätzlichen Charakter hatte.

Trotzdem war er in der Nacht zum 26. Oktober zusammen mit Lenin im Militärrevolutionären Komitee im Smolny-Institut, wo Boten mit Nachrichten aus den verschiedenen Teilen der Stadt eintrafen, um von den Ereignissen und den Erfolgen der Aufständischen zu informieren. Nach der Übernahme von Bahnhöfen, Post, Telegraphenamt, Ministerien und der Staatsbank sowie dem Sturm auf den Winterpalast erklärte am 26. Oktober um 5 Uhr morgens der am Vortag einberufene II. Gesamtrussische Kongress der Arbeiter- und Sozialdeputierten die Übernahme der Macht durch die Sowjets. Es wurde die erste Sowjetregierung, der Rat der Volkskommissare mit Lenin an der Spitze, gebildet sowie das Dekret über den Frieden und das Dekret über den Grund und Boden verabschiedet.

In dieser neuen Regierung saßen nur Vertreter der Bolschewiki. Alle andere Parteien betrachteten den Umsturz als militärische Verschwörung und kooperierten nicht mit der ersten Sowjetregierung. Am 4. November traten nach erheblichen Differenzen auch einige Mitglieder der Bolschewiki aus dem Zentralkomittee der Partei und dem Rat der Volkskommissare aus. Sie verlangten die Schaffung einer Koalitionsregierung, der Vertreter aller Parteien angehören sollten.

In dieser Auseinandersetzung blieb Trotzki auf der Seite Lenins. Er war der Meinung, dass im Augenblick der Revolution die kommunistische Partei nicht klein beigeben dürfe. Seine Bolschewisierung aus dieser Zeit gab er später auch sehr offen zu.

Gleich nachdem die Bolschewiki die Macht erlangt hatten, wurde er zum Volkskommissar für äußere Angelegenheiten ernannt. Seine Hauptaufgabe bestand darin, Frieden mit dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten zu schließen. Er leitete die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk, die er solange wie möglich hinauszuzögern versuchte. Dies provozierte am 18. Februar 1918 einen deutschen Einmarsch, welcher im für Russland demütigenden Friedensvertrag von Brest-Litowsk am 3. März endete. Trotzki trat daraufhin von seinem Amt zurück.

Kurz darauf, am 14. März 1918 wurde er zum Volkskommissar für das Kriegswesen ernannt sowie am 6. April noch zusätzlich zum Volkskommissar für Marineangelegenheiten. In diesem Amt war er verantwortlich für den Aufbau der Roten Armee, was mit harten und grausamen Methoden geschah. Gegen die eisernen Methoden Trotzkis beim Aufbau der Armee regte sich mehrfach Widerstand, besonders auf dem VIII. Parteitag 1919; sie fand bei Lenin jedoch keine Unterstützung. Zu den innerparteilichen Gegnern gehörten in dieser Zeit schon Stalin und Woroschilow.

Auch mit Lenin ergaben sich politische Differenzen, insbesondere bei der Festlegung einer Strategie über einen Neuaufbau der Verwaltung. Trotzki vertrat die Meinung, dass zum erfolgreichen Aufbau der Wirtschaft in der jungen Sowjetunion ein militaristischer Sozialismus notwendig sei und das Land in eine riesige Militärkaserne verwandelt werden müsse. Lenin hingegen führte ab März 1921 die Neue Ökonomische Politik ein, die auf seinen Vorschlag hin auf dem X. Parteitag beschlossen worden war. Hiermit wurden gegen Trotzkis Widerstand und Mißbilligung marktwirtschaftliche Reformen eingeführt, damit die Bauernschaft wirtschaften lerne. Diese Realitäten waren von Trotzkis Vorstellungen der Militarisierung der Arbeit weit entfernt.

Kampf der Weißen gegen die Roten

Als die Bolschewiki an die Macht kamen, organisierten sich ihre Feinde in den so genannten weißen Armeen, die von den Westalliierten unterstützt wurden. Die Situation führte zum russischen Bürgerkrieg, bei dem die Weißen jedoch zu sehr über das Land verstreut und auch über ihre Ziele uneins waren. Die Roten hingegen hatten die großen Städte und die Industriezentren in ihrer Gewalt und waren somit in einer besseren Ausgangslage.

Bis 1920 gelang es Trotzkis Roter Armee, die Weißen bis in den Osten des riesigen sowjetischen Reiches zurückzudrängen. Im Februar des selben Jahres erlitten die weißen Armeen eine schwere Niederlage in Sibirien; im Mai darauf fiel die Krim, die letzte ihrer Festungen.

1921 schlägt auf Befehl Trotzkis die Rote Armee unter Marschall Tuchatschewski blutig den Aufstand der Matrosen von Kronstadt nieder.

Kampf gegen Stalin und Ausweisung

 
Leo Trotzki in Mexiko 1938

Nach dem Tode Lenins 1924 brach ein offener Machtkampf zwischen Trotzki und Stalin über die Zukunft der Sowjetunion und des Kommunismus aus. Stalin wollte den Kommunismus im eigenen Land festigen, während Trotzki den Gedanken der ständigen (permanenten) Revolution pflegte. Seine Idee war es, die kommunistische Revolution auch in andere Länder zu tragen, vor allem nach Deutschland.

Nachdem Stalin immer mächtiger wurde, verlor Trotzki 1925 sein Amt als Kriegskommissar. In den nächsten zwei Jahren wurde er aus dem Politbüro und der KPdSU entlassen und am 31. Januar 1929 in die Verbannung nach Alma-Ata (in Kasachstan) geschickt. Noch im selben Jahr wies man ihn aus dem Land aus und entzog ihm die Staatsbürgerschaft, worauf er über die Türkei, Frankreich und Norwegen schließlich nach Mexiko gelangte. In seinem Exil agitierte er weiter gegen Stalin und veröffentlichte verschiedene kommunistische Schriften (z.B. Die permanente Revolution, 1930).

Noch im gleichen Jahr begann Stalin, die Neue Ökonomische Politik zu revidieren, mit großer Grausamkeit die Kollektivierung der Landwirtschaft durchzusetzen und mit Arbeitsarmeen die Schwerindustrie der Sowjetunion zu errichten.

1938 gründete er die marxistische Organisation der IV. Internationale um Stalins III. Internationalen entgegenzuwirken. Am 24. Mai 1940 überlebte er einen Angriff auf sein Haus, welcher von mehreren, Stalin treu ergebenen Mördern durchgeführt wurde. Am 20. August griff ihn der Sowjetagent Ramon Mercader del Rio Hernandez mit einem Eispickel an, wobei Trotzki schwer am Kopf verletzt wurde. Einen Tag später starb er an den Folgen des Anschlags.

 
Leo Trotzki kurz vor seinem Tod 1940 (Mitte)

"Solange ich atme, habe ich Hoffnung. Solange ich atme, werde ich für die Zukunft kämpfen, jene leuchtende Zukunft, in der die Menschen Herren über den fließenden Bach ihrer Geschichte sein werden und ihn in den grenzenlosen Horizont der Schönheit, Freude und Glück lenken" aus Trotzkis Testament

Bekannte "Trotzkisten"

Chen Duxiu, Tony Cliff, Frida Kahlo, Gerry Healy, Ernest Mandel, Michel Pablo, Roman Rosdolsky, Vanessa Redgrave, Max Shachtman, Peter Taaffe, Wang Fanxi

Siehe auch: Trotzkismus , Linke Opposition

Literatur

  • I. Deutscher: Trotzki (2 Bände: I. Der bewaffnete Prophet 1879-1921; II. Der unbewaffnete Prophet 1921-1929), Stuttgart 1962