Das Sievert (Einheitenzeichen: Sv), nach dem schwedischen Mediziner und Physiker Rolf Sievert, ist die Maßeinheit verschiedener gewichteter Strahlendosen bei ionisierender Strahlung. Sie dient zur Bestimmung der Strahlenbelastung biologischer Organismen und wird bei der Analyse des Strahlenrisikos verwendet. Das Sievert wird als Einheit herangezogen für:
Physikalische Einheit | |
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Einheitenname | Sievert |
Einheitenzeichen | |
Physikalische Größen | Körperdosis, Äquivalentdosis |
Formelzeichen | , |
Dimension | |
System | Internationales Einheitensystem |
In SI-Einheiten | |
Benannt nach | Rolf Sievert |
Abgeleitet von | Joule, Kilogramm |
Siehe auch: Gray, Energiedosis, Äquivalentdosis |
Da eine Dosis von 1 Sv ein sehr großer Wert ist, werden die üblicherweise vorkommenden Werte mithilfe eines Vorsatzes für Maßeinheiten (SI-Präfix) in Millisievert (1 mSv = 0,001 Sv = 10−3 Sv) oder Mikrosievert (1 μSv = 0,000 001 Sv = 10−6 Sv) angegeben.
Definitionen und Bezüge
Die biologische Wirksamkeit ionisierender Strahlung ist abhängig von der Strahlenart und deren Energie und wird durch Strahlendosen quantifiziert. Weitere Abhängigkeiten sind die Eigenschaften der exponierten Organe und der zeitliche Expositionsverlauf. Diese Abhängigkeiten können durch Wichtungsfaktoren beschrieben werden, die als dimensionslose Multiplikatoren in die zu ermittelnden Dosen eingehen. Die Wichtung hat den Zweck, Angaben von Strahlendosen bzgl. ihres Schädigungspotenzials miteinander vergleichen zu können, ohne zusätzliche Details zu kennen.
Basisgröße, die jeweils mit den Wichtungsfaktoren multipliziert wird, ist die Energiedosis, gemessen in der Maßeinheit J/kg mit der besonderen Einheitenbezeichnung Gray (Gy). Dass in einer Dosisangabe Wichtungsfaktoren enthalten sind, wird durch die besondere Einheitenbezeichnung Sievert (Sv) kenntlich gemacht. Die physikalische Maßeinheit bleibt unverändert das J/kg.
Körperdosen (Oberbegriff für die Organ-Äquivalentdosen und die effektive Dosis) sind solchermaßen gewichtete Strahlendosen. Sie dienen der Quantifizierung des Risikos für das Auftreten stochastischer Strahlenschäden (Krebs und vererbbare Defekte)[1].
Bei Organ-Äquivalentdosen wird die mittlere Energiedosis eines Organs zur Berücksichtigung der Strahlenart mit dem Strahlungs-Wichtungsfaktor wR der Strahlenart multipliziert. Dieser Faktor berücksichtigt die Wirksamkeit der Strahlenart für das Auftreten stochastischer Strahlenschäden im Vergleich zu Photonenstrahlung.
Die effektive Dosis erhält man durch Aufsummierung der Organ-Äquivalentdosen, wobei diese mit den Gewebe-Wichtungsfaktoren wT der betroffenen Organe multipliziert werden. Diese Faktoren drücken die relative Empfindlichkeit der Organe untereinander bzgl. des Auftretens stochastischer Strahlenschäden aus.
Die Äquivalentdosis ist eine Messgröße für die Orts- und Personendosisüberwachung bei äußerer Strahlenexposition. Bei ihr wird als Wichtungsfaktor ein Qualitätsfaktor verwendet, der von der ICRU (International Commission on Radiation Units and Measurements) für ein standardisiertes Weichteilgewebe definiert ist. Dieser Faktor beruht auf der relativen biologischen Wirksamkeit der betrachteten Strahlenart im Vergleich zu Strahlung mit niedrigem linearen Energieübertragungsvermögen (LET). Ungeachtet der unterschiedlichen Wichtung wird auch hierfür das Sievert als Einheitenbezeichnung verwendet. Im praktischen Strahlenschutz ist dieser Unterschied ohnehin meist nicht maßgebend, so dass die Äquivalentdosis eine geeignete Messgröße darstellt, um bei äußerer Bestrahlung mit hinreichender Genauigkeit auf Körperdosen schließen zu können.
Bzgl. der Größen der Strahlungs-Wichtungsfaktoren, Gewebe-Wichtungsfaktoren und Qualitätsfaktoren siehe Anl. 18 Teil C und Teil D Strahlenschutzverordnung.
Bei innerer Bestrahlung durch Radionuklide, die dem Körper zugeführt und von ihm inkorporiert werden, beziehen sich Dosisangaben in Sievert auf Folge-Organ-Äquivalentdosen und die effektive Folgedosis. In diese Dosen ist die andauernde Exposition durch die inkorporierten Radionuklide eingerechnet, die im Zeitraum ab ihrer Zufuhr stattfindet. Folgedosen (in Sievert) können bei Kenntnis von Radionuklid, zugeführter Aktivität (in Becquerel (Bq)), chemischer Form, Art und Weise der Zufuhr etc. mit Hilfe von Dosiskoeffizienten[2] (in Sv/Bq) abgeschätzt werden. Diese Dosiskoeffizienten sind nuklidspezifisch, wodurch die Strahlenart bzw. deren Strahlungs-Wichtungsfaktor wR berücksichtigt ist, und sie berücksichtigen weiterhin die biokinetischen Eigenschaften des zugeführten radioaktiven Stoffs.
Anwendungsbereich
Bei den schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlen wird zwischen stochastischen und deterministischen Strahlenschäden unterschieden. Siehe dazu die Artikel Strahlenrisiko und Strahlenschaden.
Dosisangaben in Sievert werden im Strahlenschutz in einem Dosisbereich bis zu einigen 100 mSv angewendet, wo stochastische Wirkungen bekanntermaßen auftreten oder (bei niedrigen Dosen) vermutet werden[3] und wo deterministische Wirkungen noch nicht maßgebend sind. Bei deutlich höheren Dosen mit den dann maßgebenden deterministischen Wirkungen werden Strahlendosen allein in Form der Energiedosis in Gray (Gy) angegeben. Ein typischer Anwendungsbereich neben dem Strahlenschutz ist hierfür die Strahlentherapie.
Beispiele für Strahlendosen in Sievert
Zur Bewertung eines Strahlenrisikos kann ein Vergleich mit der natürlichen Strahlenexposition dienen. Eine in Deutschland lebende Person erhält eine mittlere effektive Dosis von 2,1 mSv pro Jahr[4]. Weitere Einzelheiten dazu siehe den Artikel Strahlenexposition.
Zur Begrenzung der Strahlenexposition der Bevölkerung gilt in Deutschland durch geplante Expositionssituationen zusätzlich zur natürlichen und medizinischen Strahlenexposition für die Einzelperson ein Grenzwert von 1 mSv pro Jahr für die effektive Dosis.[5]
Bei einem radiologischen Notfall ist eine Evakuierung eine angemessene Schutzmaßnahme, wenn eine gedachte Bezugsperson bei ungeschütztem ständigen Aufenthalt im Freien in sieben Tagen eine effektive Dosis von 100 mSv erhalten würde.[6] Für das erste Jahr nach Eintritt eines radiologischen Notfalls gilt ein Referenzwert für die effektiven Dosis von 100 mSv, der unter Berücksichtigung von Schutzmaßnahmen nicht überschritten werden darf.[7] Weitere Einzelheiten dazu siehe den Artikel Radiologische Gefährdungslage.
Die maximale erlaubte effektive Jahresdosis für beruflich exponierte Personen beträgt in Deutschland 20 mSv[8] und über ein Berufsleben dürfen nicht mehr als 400 mSv zusammenkommen[9]. Schwellenwerte für deterministische Strahlenwirkungen werden damit nach heutigem Wissen deutlich unterschritten. Klinische Symptome der Strahlenkrankheit treten erst bei einer kurzzeitigen Ganzkörper- oder großvolumigen Teilkörperbestrahlung im Dosisbereich oberhalb von 1 Gray (Gy) auf[10].
Frühere Einheit
Offizielle Einheit anstelle des Sievert war bis zum 1. Januar 1978 das Rem (rem). Ein Sievert entspricht 100 rem.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ International Commission on Radiological Protection (ICRP): The 2007 Recommendations of the International Commission on Radiological Protection, ICRP Publication 103, Ann. ICRP 37 (2-4), 2007, Deutsche Ausgabe herausgegeben vom Bundesamt für Strahlenschutz PDF (2,2 MB), Abschnitt 3.2
- ↑ ICRP: Dosiskoeffizienten zur Berechnung der Strahlenexposition, veröffentlicht als Beilage 160 a und b zum BAnz vom 28. August 2001, bereitgestellt durch das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit online
- ↑ ICRP 103, Ziffern 62 und 106
- ↑ BfS - Wie hoch ist die natürliche Strahlenbelastung in Deutschland? In: www.bfs.de. Abgerufen am 26. Dezember 2016.
- ↑ § 80 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG)
- ↑ § 4 Notfall-Dosiswerte-Verordnung (NDWV)
- ↑ § 93 Abs. 1 StrlSchG
- ↑ § 78 Abs. 1 StrlSchG
- ↑ § 77 Abs. 1 StrlSchG
- ↑ Radiologische Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden PDF (721 KB), Abschnitt 3.3 (Empfehlung der deutschen Strahlenschutzkommission)