Der Gazastreifen (arabisch قطاع غزّة, Qitāʿ Ghazza, hebräisch רצועת עזה, Retzuat Azza) ist ein Küstenstreifen am Mittelmeer. Er gehört zu den Palästinensischen Autonomiegebieten und steht unter Verwaltung der Palästinensischen Autonomiebehörde.
Geographie
Der Gazastreifen besteht hauptsächlich aus Sand und Dünen, lediglich 13 % der Fläche sind für die Landwirtschaft nutzbar. Seine Länge beträgt 40 km, seine Breite zwischen 6 km und 14 km und die Fläche 378 km². Im jährlichen Durchschnitt regnet es zwischen 150 mm bis 450 mm, allerdings hat der Streifen reichlich Grundwasser.
Im Gazastreifen gibt es fünf Palästinenserstädte: Gaza-Stadt, Khan Yunis, Beit Lahia, Dschabaliya und Rafah. Nach palästinensischen Angaben leben dort 1,5 Millionen Palästinenser. Bis zur Räumung der jüdischen Siedlungen (siehe unten) im August 2005 lebten ca. 8500 Israelis im Gazastreifen innerhalb der jüdischen Enklaven in 21 jüdischen Siedlungen.
Der Gazastreifen ist nicht nur eine der am dichtesten besiedelten und ärmsten Regionen der Welt (3 400 Einwohner pro km², etwa soviel wie in Berlin), auch die dortige Geburtenrate ist eine der höchsten der Welt. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 15 Jahren alt und die Bevölkerungszahl verdoppelt sich bei der derzeitigen Wachstumsrate etwa alle 15 bis 20 Jahre. Der Großteil (etwa 60 %) der Bevölkerung sind Flüchtlinge, die während des Palästinakriegs 1948 aus dem heutigen Israel geflohen sind, sowie deren Nachkommen.
Politische Situation
Bis 1967 war der Gazastreifen von Ägypten besetzt. Im Sechstagekrieg wurde er jedoch von Israel besetzt. Seit dem Kairoer Abkommen 1994 steht er teilweise unter der Selbstverwaltung der Palästinenser (Palästinensische Autonomiegebiete).
Zwischen israelischen Soldaten und Palästinensern kommt es seit der Ausrufung der zweiten Intifada immer wieder zu blutigen Kämpfen; der Gazastreifen bildet eine Hochburg der radikalislamischen Hamas.
Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon setzte 2005, nach langen innenpolitischen Auseinandersetzungen, den Abzug der Israelis aus dem Gazastreifen - verbunden mit dem Abbau aller jüdischen Siedlungen - durch. Bei einer Abstimmung im israelischen Parlament hatten sich 60 Abgeordnete für den Abzug und 47 dagegen ausgesprochen. Diese Mehrheit erhielt Scharon nur aufgrund von Stimmen der Opposition (u. a. der Arbeitspartei), da seine Partei in der Frage des Rückzugs gespalten war und daher einige Abgeordnete gegen ihn stimmten.
Trotz heftiger gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen im Vorfeld leitete Israel am 15. August 2005 schließlich den Abzug aus dem Gazastreifen mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot für israelische Zivilisten ein. Den Siedlern der 21 im Gazastreifen befindlichen jüdischen Siedlungen wurde zunächst eine Frist von 48 Stunden gegeben, um das Gebiet zu verlassen. Danach begann die zwangsweise Räumung des Gebietes durch das israelische Militär. Innerhalb weniger Tage wurden die Siedlungen im Gazastreifen geräumt; nach Abriss der Häuser sollen die bisherigen jüdischen Siedlungsgebiete an die Palästinenser übergeben werden.
Am Morgen des 12. September 2005 verließ der letzte israelische Militärkonvoi den Gazastreifen über den Grenzübergang Kissufim. Damit endete nach 38 Jahren die Militärpräsenz der Israelis im Gazastreifen.
Der Abzug wurde von den Palästinensern teils frenetisch mit Freudenschüssen und Autokorsos gefeiert. Allerdings kam es auch zu Zwischenfällen, so steckten Palästinenser in mehreren früheren israelischen Siedlungen die Synagogen der Siedler in Brand, die als einzige Gebäude unzerstört zurückgelassen wurden.
Israels Premier Ariel Scharon hat am 25. Dezember 2005 die Streitkräfte angewiesen, Raketenangriffe militanter Palästinenser vom Gazastreifen aus auf israelische Städte zu unterbinden. Dazu soll eine 2,5 Kilometer breite Sperrzone im nördlichen Gazastreifen eingerichtet werden. Diese darf von Palästinensern nicht betreten werden. Am 27. Dezember 2005 hat die israelische Armee die palästinensischen Bewohner der 'Sicherheitszone' durch Flugblätter und Lautsprecherdurchsagen aufgefordert, diese zu verlassen.
Nachdem bei einem gewaltsamen Überfall auf einen israelischen Grenzposten ein verletzter israelischer Grenzsoldat verschleppt worden ist, marschierte die israelische Armee am 27. Juni 2006 im Gazastreifen ein.
Grenzübergänge
Grenzübergang Rafah
Am 15. November 2005 wurde eine Vereinbarung zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde getroffen, nach der an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten in Rafah ein Übergang für Menschen und Waren geschaffen werden soll. Die Aufsicht unterliegt der Palästinensischen Autonomiebehörde.
Seit dem 30. November 2005 sind etwa 70 Europäer unter der Leitung des Italieners Pietro Pistolese am palästinensisch-ägyptischen Grenzübergang in Rafah stationiert. Die Aufgabe der European Union Border Assistance Mission Rafah (EU BAM Rafah) ist es, beim Aufbau eines palästinensischen Grenzschutzes zu helfen, die vorgenommene Grenzabfertigung „aktiv zu beobachten", und zu den institutionalen Beziehungen zwischen den palästinensischen, ägyptischen und israelischen Behörden bezüglich des Grenzüberganges beizutragen.
Für den Export von Gütern nach Israel können am Grenzübergang Karni seit dem 31. Dezember 2005 150 Lastwagen pro Tag und ab Ende 2006 400 Lastwagen pro Tag durchfahren. Darüber hinaus soll der Export von frischen landwirtschaftlichen Gütern ermöglicht werden. Israel hat eine sogenannte Pufferzone im Gazastreifen eingerichtet.
Wirtschaft
Die Industrie des Gazastreifens besteht aus meist kleinen Familienbetrieben, in denen Textilien, Seife, Schnitzereien aus Olivenholz, und Souvenirs aus Perlmutt hergestellt werden. Die Israelis haben einige moderne industrielle Kleinbetriebe aufgebaut. Elektrizität wird aus Israel geliefert. Die wichtigsten Agrarprodukte sind Oliven, Zitrusfrüchte, Gemüse, Halal-Rindfleisch, und Molkereiprodukte. Haupt-Ausfuhrartikel sind Zitrusfrüchte und Schnittblumen, Haupt-Einfuhrartikel sind Lebensmittel, Konsumgüter und Baustoffe. Die wichtigsten Handelspartner des Gazastreifens sind Israel, Ägypten und die Westbank.
Die Wirtschaftsleistung des Gazastreifens ist zwischen 1992 und 1996 um etwa ein Drittel abgesunken. Erklärt wurde dieser Niedergang einerseits mit Korruption und Misswirtschaft durch Jassir Arafat, andererseits mit israelischen Grenzabriegelungen, durch die der bis dahin aufgebaute Pendler- und Güterverkehr zwischen Israel und dem Gazastreifen unterbrochen wurde. Die negativste soziale Folge hiervon war, dass eine hohe Arbeitslosigkeit entstand.
In den darauffolgenden Jahren verhängte Israel solche umfassenden Grenzsperrungen seltener und traf Vorkehrungen, um die Auswirkungen solcher Sperren und anderer Sicherheitsmaßnahmen auf den Import palästinensischer Waren und Arbeitskraft nach Israel zu vermindern. Diese Änderungen führten zu einer drei Jahre anhaltenden wirtschaftlichen Erholung im Gazastreifen.
Der Aufschwung endete mit dem Ausbruch der Zweiten Intifada im Herbst des Jahres 2000. Die Zweite Intifada führte zu völligen Grenzabriegelungen durch die israelische Armee, sowie häufigen Verkehrsbehinderungen in den Palästinensischen Selbstverwaltungsgebieten, wodurch Handel und Arbeitsverkehr stark behindert wurden. Innerer Aufruhr und israelische Militäraktionen in den Palästinensergebieten führten zur Zerstörung wichtiger Fabrikanlagen und Verwaltungsstrukturen, zahlreichen Geschäftsschließungen und einem jähen Abfall des Bruttoinlandsproduktes.
Ein weiterer Hauptfaktor war das Sinken der Arbeitseinkommen infolge der eingeschränkten Anzahl von Bewohnern, denen die Einreise zur Arbeit nach Israel gestattet wurde. Nach dem israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen erlaubte Israel wieder einer begrenzten Anzahl von Arbeitern, nach Israel zu pendeln. Nach dem Sieg der Hamas in den Parlamentswahlen von 2006 hat Israel aber angekündigt, diese Genehmigungen wieder zu reduzieren oder zu beenden.
Israelische Siedler haben während der Zeit ihrer Anwesenheit im Gazastreifen Treibhäuser gebaut und mit neuen landwirtschaftlichen Verfahren experimentiert. Die Treibhäuser boten hunderten von Palästinensern Arbeitsplätze. Als sich die Israelis im Sommer 2005 aus dem Gazastreifen zurückzogen, kaufte die Weltbank die Treibhäuser und stellte sie dem palästinensischen Volk zur Verfügung, um ihre Wirtschaft anzukurbeln. Wenngleich es auch an einigen Orten zu Plünderungen und Vandalismus kam, werden nun die meisten dieser Treibhäuser von palästinensischen Farmern benutzt.
Geschichte
Zu biblischen Zeiten gehörte der heutige Gazastreifen zum Kern des Siedlungsgebiets der Philister.
Schon die berühmte Landstraße Via Maris verlief durch den Gazastreifen und durch Israel. Sie galt als strategischer Kreuzweg, weil sie Nordafrika mit Europa verknüpfte.
Nachdem ein israelischer Soldat verschleppt wurde, rückte Israel in der Nacht zum 28. Juni 2006 in den Gazastreifen vor.
Weitere Themen
Weblinks
- Roni Ben Efrat: Das Leid der anderen Der Medienrummel um die Räumung der israelischen Siedlungen im Gazastreifen (junge Welt, 19. Oktober 2005)
- Christian Sterzing: Lichtblick für Gaza Über die Grenzöffnung und die EU-Mission (die tageszeitung, 18. Novemeber 2005)
- Vereinbarung über den Zugang zum Gazastreifen