Unvollständiger Vertrag

Fachbegriff der Organisationstheorie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. Juni 2006 um 18:23 Uhr durch Ephraim33 (Diskussion | Beiträge) (typo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Von unvollständigen Verträgen (auch relationaler Vertrag) auch im Rahmen der Transaktionskostentheorie spricht man, wenn bei einem Vertrag zwischen Marktteilnehmern nicht alle Eventualitäten ex ante vertraglich festgelegt bzw. berücksichtigt werden können. Sie sind im allgemeinen nur Rahmen- bzw. Mantelverträge.

Eigenschaften und Maßnahmen

Eigenschaften unvollständiger Verträge:

  • sie sind implizit
  • sie sind weitestgehend informell
  • sie sind nur eingeschränkt rechtsverbindlich
  • sie sind sehr flexibel
  • Vertragstreue kaum erzwingbar

Aus dem letzten Punkt ergibt sich das Problem, dass die Akteure, besonders bei asymmetrischer Information, einen Anreiz zum opportunistischen Verhalten haben. Die Verträge sind somit zeitinkonsistent.

Mechanismen um opportunistisches Verhalten auszuschließen sind:

Möglichkeiten zur Überwindung der Zeitinkonsistenz in Verträgen untersucht die Prinzipal-Agent-Theorie.

Nachträgliche Vertragsänderungen

Dabei werden während der Vertragslaufzeit Änderungen vereinbart, die sich aus Nachverhandlungen ergeben. Dies widerspricht dem Prinzip Pacta sunt servanda - Verträge sind einzuhalten.

Untersuchungsgegenstand sind die Ergebniswirkungen einer solchen Maßnahme.

Bei Kreditbeziehungen verlaufen Nachverhandlungen idealtypisch folgendermaßen ab:

  • Der Marktwert des restlichen Kundengeschäftes wird bestimmt.
  • Eine Ablösesumme wird festgelegt
  • Der Konditionsbeitrags-Barwert wird ermittelt.

Dann wird ggfs. eine Entschädigung, beispielsweise bei Tilgung vor Fälligkeit festgelegt.

Unsichere Folgegeschäfte

Zu unsicheren Folgegeschäften gehören:

  • Prolongation
  • roll-over Kredit
  • embedded options (bei Bankprodukten sind Wahlrechte eingebettet, wodurch der Zahlungsstrom teilweise oder überhaupt nicht fest ist)

Theoretische Analyse unvollständiger Verträge: Das Modell von Gorton und Kahn

Gorton und Kahn entwickelten ein Modell zur Kreditpreisermittlung unter besonderer Berücksichtigung von Nachverhandlungsmöglichkeiten. Gorton und Kahn betrachten den Kreditvertrag im Zeitablauf.

Grundmodell

Vertragssituation

Kredite sind bei Gorton und Kahn unvollständige Verträge. Es besteht eine pauschale Kündigungsklausel für den Kreditgeber. Damit ist es dem Kreditgeber ermöglicht, den Vertrag jederzeit nachzuverhandeln.

Ziel des Kreditgebers ist es dabei, ein für den Kreditgeber konformes Verhalten des Kreditnehmers zu erzwingen. Beachte: Der Begriff Kreditgeber ist hier nicht mit einer Bank gleichzusetzen.

Informationsverteilung

Die Struktur des Modells geht von risikoneutralen und gleichinformierten Kreditgeber und Kreditnehmer aus. Diese schließen für die Dauer von zwei Perioden einen Kreditvertrag. Im Anfangszeitpunkt herrscht Unischerhiet über die erwarteten Erträge des Projektes. Nach einer Periode werden Eintrittswahrscheinlichkeiten für das Projekt bekannt. Nach zwei Perioden realisiert sich der Ertrag des Projektes.

Konzept unvollständiger Verträge

Der Kreditgeber verzichtet bei Vertragsabschluss darauf mögliche Handlungsweisen zu definieren, die von den nach einer Periode eintretenden Informationen abhängen. Der Kreditgeber vereinbart eine Kündigungsmöglichkei, um den Vertrag bei neuen Informationen flrexibel zu seinen Gunsten nachverhandeln zu können.

Mechanismus

Kreditnehmer neigen dazu über die Laufzeit des Kredites das Projektrisiko zu erhöhen. D.h. dass der Projektausgang sowohl höhere als auch weitaus niedrigere Werte annehmen kann.

Wahrscheinlichkeitsbaum

Nach einer Periode wird bekannt wie hoch die Wahrscheinlichkeiten eines guten (p) und eines schlechten Projektverlaufes (1-p) sind:

  • Mit Wahrscheinlichkeit p:  
    • Wkt. 0,5:  
    • Wkt. 0,5:  
  • Mit Wahrscheinlichkeit (1-p): 
    • Wkt. 0,5:  
    • Wkt. 0,5:  

Der vereinbarte Rückzahlungsbetrag liegt über dem schlechtesten Projektausgang: R>y_l-σ

Risikoerhöhung

Gorton und Kahn zeigen, dass der Kreditnehmer das Projektrisiko erhöhen wird, sobald die Wahrscheinlichkeit für einen Projekterfolg einen kritischen Wert unterschreitet. Dies resultiert in folgendem Wahrscheinlichkeitsbaum:

  • Mit Wahrscheinlichkeit p:  
    • Wkt. 0,5:  
      • Wkt. 0,5:  
      • Wkt. 0,5:  
    • Wkt. 0,5:  
      • Wkt. 0,5:  
      • Wkt. 0,5:  
  • Mit Wahrscheinlichkeit (1-p):  
    • Wkt. 0,5:  
      • Wkt. 0,5:  
      • Wkt. 0,5:  
    • Wkt. 0,5:  
      • Wkt. 0,5:  
      • Wkt. 0,5:  

Der vereinbarte Rückzahlungsbetrag liegt über dem drittschlechtesten Projektausgang: R>y_l+S-σ-c

Möglichkeit von Nachverhandlungen

Der Kreditgeber wird seinerseits die Rückzahlung des Kredits so verändern, dass sein erwarteter Ertrag maximiert wird. Eine Erhöhung der geforderten Rückzahlung geht aber auch mit dem Effekt einher, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Schuldner zahlungsunfähig wird, steigt. Der Kreditgeber kann aber andererseits den Rückzahlungsbetrag nicht beliebig senken, um den Kreditnehmer von einer Risikoerhöhung abzuhalten.

Nachverhandlungsmöglichkeiten bestehen insbesondere bei Bankkrediten, wobei der Ertrag des Projekts neu aufgeteilt wird. Es ergibt sich jedoch auch ein Trittbrettfahrerproblem.

Mögliche Aktionen des Kreditgebers sind also:

  • Liquidation
  • Zinserhöhung
  • Nichtstun
  • Zins senken