Pendelachse

einfache Form der Einzelradaufhängung an Automobilen
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Dezember 2018 um 00:18 Uhr durch Analemma (Diskussion | Beiträge) (Technik: - toter Web-Link). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Pendelachse (auch Schwingachse) ist eine einfache Form der Einzelradaufhängung an Automobilen. Sie gleicht einer in zwei Hälften geteilten Starrachse. Die Verbindung der Räder mit der jeweiligen Hälfte ist gleich wie bei einer Starrachse. Die beiden Hälften sind in der Fahrzeugmitte quer zur Fahrtrichtung drehbar angebrachte Schwingen (Pendel). Die beiden Drehlager befinden sich nahe beieinander (Zweigelenk-Pendelachse) oder fallen in einem (Eingelenk-Pendelachse) zusammen. Beim Ein- und Ausfedern ändern sich der Sturz der Räder und die Spurweite.

Zweigelenk-Pendelachse, schematisch
Static: Mittellage
Bump: einseitig eingefedert, negativer Sturz des betroffenen Rads, Spurweiten-Vergrößerung
Rebound: beidseitig ausgefedert, beidseitig positiver Sturz und Verringerung der Spurweite
Vorderachse eines Traktors; ungefederte, in der Mitte pendelnd befestigte Starrachse
Eingelenk-Pendelachse nach Rumpler

Für diese Art der Radaufhängung bekam Edmund Rumpler bereits 1903 Patentschutz, wendete sie jedoch erst 1921 im Tropfenwagen an.[1][2]

Unter Pendelachse wird auch verstanden:

  • eine in der Regel ungefederte starre Achse, die in der Mitte um die Längsachse des Fahrzeugs drehbar ist (Hinterachse von Gabelstaplern, Vorderachse von Traktoren),
  • eine Doppelachse (Tandemachse), in der zwei unmittelbar hintereinander angeordnete Räder einer Fahrzeugseite mit einem pendelnden Längsträger verbunden sind[3]

Technik

 
Zweigelenk-Pendelachse in einem Mercedes 170 V (1931–1952)
 
Pendelachse in einem frontgetriebenen Derby

Bei angetriebenen Pendelachsen kann das Differentialgetriebe fest mit dem Fahrgestell verbunden sein (Zweigelenk-Pendelachse, Kardangelenke am Differentialausgang),[4] oder es ist als Teil einer der beiden Pendel-Halbachsen seitlich verschoben und in einer am Fahrzeugkörper befestigten gabelförmigen Aufnahme pendelnd gelagert (Eingelenk-Pendelachse).[5][6] Die andere Halbachse wird über ein Kardangelenk angetrieben.[7] Bei der eingelenkigen, „gelenklose Pendelachse“ genannten Konstruktion nach Rumpler wälzen die Kegelzahnräder (Tellerräder) auf im Fahrzeug eingebauten Ritzeln ab.[8]

Kurze Pendelhalbachsen und hoch liegende Pendelgelenke haben bei Kurvenfahrt ein „Aufstützen“ des kurvenäußeren Hinterrads bei hohen Querbeschleunigungen zur Folge. Im Extremfall, besonders bei schnellen Richtungswechseln „bockt“ die Hinterachse auf. Das lässt sich mit einer sogenannten Ausgleichsfeder zwischen den beiden Achshälften verbessern, oder indem man die Achshälften so tief wie möglich anlenkt.

Die Sturzänderung wird geringer, indem man die Achshälften so lang wie möglich macht (bei nicht angetriebenen Achsen können die Pendel auch länger als die halbe Fahrzeugbreite sein). Die Spurweitenänderung wird geringer, wenn die Achshälften tiefer angelenkt werden.

Pendelachsen können mit breit abgestütztem Pendelgelenk ohne weitere Führungsteile auskommen (nebenstehende Abbildung). Häufiger sind sie durch Längslenker ergänzt, wie die bei Mercedes[9] oder durch Flachprofil-Längslenker wie beim VW-Käfer. Dessen „Federstreben“ sind torsionsweich, nur um die Drehachse biegesteif, um das Moment aus der Radlast auf den Drehstab übertragen zu können.

Verwendung

Die Pendelachse ist eine der frühen Einzelradaufhängungen. Der Name beschreibt die in der Querebene „pendelnd“ aufgehängten Halbachsen. Sie war für Fahrzeuge mit Hinterradantrieb und Zentralrohrrahmen geeignet. 1923 erschien der Tatra 11 mit „gelenkloser Pendelachse“ nach dem Rumpler-System. Die Achsrohre waren an einem gemeinsamen Drehpunkt mit dem Zentralrohrrahmen verbunden. Zweigelenk-Pendelachsen, wie sie bereits der Rumpler Tropfenwagen hatte, kamen 1931 auch beim Mercedes-Benz W 15 in Serie. In den dreißiger Jahren verwendeten weitere Hersteller die Pendelachse. Ferdinand Porsche begann 1932 die Entwicklung des Auto-Union-Rennwagens Typ A, der mit einer Zweigelenk-Pendelachse als hinterer Radaufhängung ausgerüstet war. Auto Union trat mit dem Typ A 1934 in der 750-kg-Formel an.

Der ab Sommer 1945 zunächst noch ohne Ausgleichsfeder in Serie gebaute VW-Käfer hatte zur Längsführung die o. g. „Federstrebe“. Jedes Achsrohr war in einem Gelenk seitlich am Getriebe gelagert. Die Bewegung des Achspendels beschrieb also keinen ebenen Kreissektor, sondern einen Teil eines Kegelmantels. Die Achse des Kegels ging durch den Drehpunkt des Pendelgelenks und den Mittelpunkt der Anlenkung der „Federstrebe“ an der Drehstabfeder. Zur großen Sturz- und Spurweitenänderung beim Einfedern kommt noch eine Veränderung der Vorspur hinzu.

Das hohe Anlenken der Achshälften wurde anfangs als Vorteil der Pendelachse bewertet, da es die Wankneigung bei Kurvenfahrt reduziert. Als die fahrdynamischen Anforderungen stiegen, mussten Maßnahmen gegen die Übersteuerungstendenz infolge des großen Wankmoments ergriffen werden. Mercedes-Benz legte 1954 den Anlenkpunkt der Eingelenk-Pendelachse des Mercedes-Benz W 180 tiefer und fügte eine Ausgleichsfeder hinzu. In gleicher Bauart folgte in der Luxusklasse 1964 der Mercedes-Benz 600. Die Längsführung übernahmen Längslenker, auf denen sich die Luftfedern mit Niveauregulierung abstützten. Aus Marketinggründen hieß die Hinterachse des 1968 neuen Mercedes /8Diagonalpendelachse“, die in Wirklichkeit eine Schräglenkerachse war. Man wollte die Pendelachse der noch weiter gebauten S-Klasse (W108) nicht veraltet erscheinen lassen.

Pendelachsen sind typisch für Kleinwagen der 1930er- bis 1960er-Jahre mit Heckmotor: Sie wurden beim VW-Käfer (nicht Automatik und 1302/1303), bei den Renaults mit Heckmotor (4CV, Dauphine, 8, 10, Floride), Trabant, beim Goggomobil auch vorne, nur vorne im Hillman Imp, aber auch in anderen Klassen verwendet (Porsche 356, Borgward Isabella, Mercedes 300 SL, Tempo Wiking, Tatra).

Pendelachsen wurden mehr als vierzig Jahre lang in Anpassung an unterschiedliche Forderungen eingebaut: vom Kleinwagen bis zur Luxusklasse, angetrieben und nicht angetrieben, an Hinter- und Vorderachse. In neuerer Zeit verwendet sie Tatra in geländegängigen Lastwagen und Piaggio in der Vespa Ape.

Siehe auch

Literatur

  • Kurt-Jürgen Berger, Michael Braunheim, Eckhard Brennecke: Technologie Kraftfahrzeugtechnik. 1. Auflage, Verlag Gehlen, Bad Homburg vor der Höhe, 2000, ISBN 3-441-92250-6
  • Karl-Heinz Dietsche, Thomas Jäger, Robert Bosch GmbH: Kraftfahrtechnisches Taschenbuch. 25. Auflage, Friedr. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden, 2003, ISBN 3-528-23876-3

Einzelnachweise

  1. Olaf von Fersen (Hrsg.): Ein Jahrhundert Automobiltechnik, Personenwagen. VDI-Verlag, Düsseldorf 1986, ISBN 3-18-400620-4, S. 378 (Auszug online, Google Books).
  2. Patent US1514862: Rear-axle drive for motor vehicles. Angemeldet am 26. März 1921, veröffentlicht am 11. November 1924, Erfinder: Edmund Rumpler.
  3. [1], Doppelachse an einem Anhänger, hinten
  4. [2], Zweigelenk-Pendelachse, unteres Bild, VW-Käfer
  5. [3], Eingelenk-Pendelachse, schematisch, oberes Bild
  6. [4], Eingelenk-Pendelachse
  7. [5], Eingelenk-Pendelachse, Schnittbild, rechte Halbachse mit Kardangelenk angetrieben
  8. Der Differentialkorb und die die Radwellen antreibenden Kegelritzel drehen um eine Achse parallel zur Fahrzeuglängsachse. Die auf den Radwellen sitzenden Kegeltellerräder wälzen sich beim Schwingen der Halbachsen auf den Kegelritzeln um einen kleinen dem Antriebsdrehen überlagerten Betrag ab. Differentialgetriebe an der Eingelenk-Pendelachse hinten am Pinzgauer: [6] (Standbild), [7] (Video, Funktion ab etwa Minute 2:00)
  9. [8], Eingelenk-Pendelachse bei Mercedes