Kloster St. Marienthal (lateinisch Abbatia Vallis B.M.V.) ist eine Zisterzienserinnen-Abtei in der sächsischen Oberlausitz. Es ist das älteste Frauenkloster des Ordens in Deutschland, das seit seiner Gründung ununterbrochen besteht.
Kloster St. Marienthal | |
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Lage | ![]() Sachsen Ostritz |
Liegt im Bistum | Dresden-Meißen |
Koordinaten: | 50° 59′ 52,7″ N, 14° 55′ 28,7″ O |
Patrozinium | Mariä Himmelfahrt |
Gründungsjahr | vor 1234[1] |
Kongregation | 2014 direkt dem Orden (OCist) inkorporiert |
Tochterklöster |
Lage
St. Marienthal liegt südlich der Kleinstadt Ostritz in deren Ortsteil Marienthal direkt am linken Ufer der Lausitzer Neiße, die hier seit 1945 die deutsch-polnische Grenze bildet. Nach Görlitz im Norden beträgt die Entfernung etwa 20 Kilometer.
Geschichte
Der klösterlichen Überlieferungstradition folgend wurde das Kloster 1234 von Kunigunde, Tochter Philipps von Schwaben und Gemahlin Königs Wenzel von Böhmen, in der Nähe eines Handelswegs, der von Prag über Zittau nach Görlitz führte, gegründet. Die entsprechende Urkunde belegt jedoch lediglich die Schenkung des heute wüsten Dorfs Seifersdorf von Kunigunde an einen bereits bestehenden Konvent. Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass die ursprüngliche Gründungsinitiative kurz zuvor von den Burggrafen von Dohna ausgegangen sein könnte, die im Begriff waren, um Ostritz eine eigene Herrschaft aufzubauen und in diesem Zusammenhang – als typischen Abschluss erfolgreicher Herrschaftsbildung – Marienthal als Familiengrablege und Ort der Familienmemoria planten. Einige Jahre später hätten dann die Přemysliden im Zuge lehnsrechtlich notwendiger Bestätigungen das Kloster in ihre eigene Herrschaftspolitik eingebunden.[1]
Bereits 1235 wurde St. Marienthal dem Zisterzienser-Orden inkorporiert und dessen böhmischer Provinz zugewiesen. Als Visitator fungierte zunächst der Abt vom Kloster Altzella. Nachdem Wenzel die Stiftung unter Vorbehalt der Vogtei 1238 besiegelt hatte, weihte der Prager Bischof, dessen Diözese das ursprünglich dem Meißner Bischof zugeordnete Gebiet zugeschlagen worden war, schon 1245 die Kirche. Erst 1783 wurde die kirchliche Bindung an Prag gelöst und das Kloster dem Domdekanat Bautzen unterstellt. Zuvor, im Jahr 1242, übereignete der König das Dorf Jauernick dem Kloster, wobei u. a. Hertwicus de Sprewemberch als Bürge mitwirkte.
Die Abtei erwarb in der Folge umfangreichen Grundbesitz, u. a. die Stadt und Herrschaft Ostritz sowie die halbe Herrschaft Rohnau. Dabei profitierte St. Marienthal auch von Zustiftungen des Adels der Umgebung, insbesondere der oben erwähnten Burggrafen von Dohna. Nachdem das Kloster bereits 1238 von der Niedergerichtsbarkeit befreit worden war, verlieh ihm König Johann von Böhmen 1346 auch die Hohe Gerichtsbarkeit. Die Nonnen betrieben auf einem Teil ihrer Güter Eigenwirtschaft. Ein Vogt, in der Regel ein Adliger der Umgebung, vertrat das Kloster in wirtschaftlichen und später auch in juristischen Angelegenheiten.
In den Hussitenkriegen wurde die Abtei 1427 zerstört. Bis zur Wiederherstellung 1452 musste der Konvent in seinem Haus in Görlitz ausharren. 1515, 1542 und – besonders verheerend – 1683 verursachten Brände erneut schwere Zerstörungen. 1685 begann der Wiederaufbau im barocken Stil. Der Nordische Krieg vertrieb die Nonnen 1707 erneut, dieses Mal nach Böhmen.
In den Zeiten der Reformation konnte es die Abtei nicht verhindern, dass zahlreiche Klosterdörfer evangelisch wurden. Dies führte zu der kuriosen Situation, dass der katholische Konvent als Patronatsherr evangelische Pfarrer einsetzen musste und selbst die Vögte des Klosters evangelisch waren. Auch in St. Marienthal fand die „Neue Lehre“ offenbar derartigen Widerhall, dass im 16. und 17. Jahrhundert drei Äbtissinnen abgesetzt werden mussten, wobei eine Umwandlung in ein weltliches Damenstift verhindert werden konnte. Während sich der Konvent in vorreformatorischer Zeit fast ausschließlich aus Oberlausitzer Adligen zusammensetzte, dominierten ihn nach der Reformation Bürgerliche. Die Äbtissinnen stammten oft aus Schlesien oder Böhmen. Die Visitationen übernahmen nach der Reformation die Äbte von Kloster Neuzelle bzw. von böhmischen Klöstern (Königsaal, Ossegg).
Der Traditionsrezess von 1635 und die Verfassung von 1831 sicherten der Abtei den Fortbestand sowie alle althergebrachten Rechte und Freiheiten auch unter sächsischer Herrschaft. Anfang des 19. Jahrhunderts war St. Marienthal Grundherrin in 21 Orten und vier weiteren Ortsteilen; noch im 20. Jahrhundert besaß es zahlreiche Patronatsrechte in umliegenden Orten. 1838 gründete das Kloster ein Waisenhaus und eine Schule, die 1938 zwangsweise schließen musste. Von Marienthal aus wurde 1901 das im Zuge der Josephinischen Reformen aufgelöste Kloster Himmelspforten in Mähren wieder begründet. Über diese Tochter ist Marienthal indirekt auch Gründer von Kloster Sostrup in Dänemark.
Die „große Wassernot“ in Sachsen 1897 wirkte sich auch in St. Marienthal verheerend aus, das Neiße-Hochwasser zerstörte v. a. die barocke Innenausstattung der Klosterkirche. Im Zweiten Weltkrieg wurde im Kloster u. a. ein Lazarett eingerichtet. Die Weigerung der Schwestern, das Kloster zu verlassen, verhinderte die Sprengung der Gebäude durch die SS am Ende des Krieges, lediglich die Neißebrücke wurde zerstört. Durch die neue Grenzziehung nach 1945 verlor die Abtei umfangreichen Besitz in jetzt polnischen Gebieten; die Enteignung des verbliebenen Eigentums im Zuge der Bodenreform konnte jedoch verhindert werden. Den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, der von den nationalsozialistischen Machthabern aberkannt worden war, erhielt das Kloster 1952 zurück.
1955 richtete das Kloster das St.-Joseph-Pflegeheim für behinderte Frauen und Mädchen ein, 1979 folgte der Pater-Kolbe-Hof in Schlegel – ein Heim für behinderte Männer.
Zusammen mit 25.000 Menschen feierte der Konvent 1984 – noch unter sozialistischen Verhältnissen – sein 750-jähriges Bestehen, bevor das Wendejahr 1989 Freiheit und neue Handlungsspielräume eröffnete: 1992 gründete der Konvent das Internationale Begegnungszentrum St. Marienthal, das sich der Versöhnung und Verständigung im Dreiländereck widmet. Nachdem der Pater-Kolbe-Hof erweitert und saniert wurde, zogen auch die Frauen und Mädchen 1999 dort ein, St. Josef wurde zum Gästehaus umgebaut.
Nachdem seit 1989 zahlreiche Mittel und Anstrengungen in die Renovierung des Klosters gesteckt worden waren, richtete ein Neiße-Hochwasser im August 2010 verheerende Schäden an, die auf mehrere Millionen Euro geschätzt werden.[2]
Gegenwart
Zum Konvent des Klosters gehören 2016 15 Schwestern.[3] Äbtissin ist seit 2016 Elisabeth Vaterodt. Ihre Vorgängerin Regina Wollmann, die 1993 Pia Walter nachgefolgt war, war mit Vollendung des 75. Lebensjahres im Januar 2016 als Äbtissin zurückgetreten.[4]
Der Konvent von St. Marienthal besitzt große landwirtschaftliche Nutzflächen, die zum größten Teil verpachtet sind. Der vom Kloster verpachtete Weinberg ist der östlichste Deutschlands. Die Abtei ist Träger des Pater-Kolbe-Hofs (Behindertenheim) mit 74 Bewohnern in Schlegel. Die zugehörige Werkstatt für behinderte Menschen bietet 30 Arbeitsplätze.
Der weitläufige Klosterkomplex ist kulturhistorisch bedeutsam. Er umfasst die Konventsgebäude mit der Abtei als Wohnsitz der Äbtissin, die Klosterkirche, die Propstei (früher Wohnung des Propstes), die Kreuzkapelle und Nebengebäude wie eine Bäckerei, ein Sägewerk, eine ehemalige Mühle und eine Brauerei. Die klösterliche Braulizenz wurde 1998 an die Privatbrauerei Eibau abgetreten,[5] die nun das neue Klosterbier — St. Marienthaler Klosterbräu “St. M” herstellt.[6]
Das Internationale Begegnungszentrum bietet ein umfangreiches Seminar-Programm und in mehreren Gästehäusern Übernachtungsmöglichkeiten.
Einzelnachweise
- ↑ a b Lars-Arne Dannenberg: Das Kloster St. Marienthal und die Burggrafen von Dohna. In: Neues Lausitzisches Magazin. Neue Folge, Band 11, 2008, Gunter Oettel, Görlitz 2008, ISBN 978-3-938583-23-4, S. 89–104.
- ↑ Peter Schilder: Die Neiße sprang einfach über die Mauer. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 9. August 2010, abgerufen am 13. Februar 2011.
- ↑ Der Konvent von St. Marienthal, abgerufen am 19. Mai 2016.
- ↑ Katholische Nachrichtenagentur, 18. Mai 2016.
- ↑ https://www.bierbasis.de/bier/St-Marienthaler-Klosterbraeu-Dunkel
- ↑ http://www.kloster-service.de/Kloster-Service/Markt/markt.html
Literatur und Quellen
- Lars-Arne Dannenberg: Das Kloster St. Marienthal und die Burggrafen von Dohna. In: Neues Lausitzisches Magazin. Neue Folge, Band 11, 2008, Gunter Oettel, Görlitz 2008, ISBN 978-3-938583-23-4, S. 89–104.
- Walter Schlesinger (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Band 8: Sachsen (= Kröners Taschenausgabe. Band 312). Unveränderter Neudruck der 1. Auflage 1965. Kröner, Stuttgart 1990, ISBN 3-520-31201-8.
- Josefine Schmacht: Die Zisterzienserinnen-Abtei St. Marienthal von 1800 bis 2000 im Spiegel ihrer Äbtissinnen. StadtBILD-Verlag, Görlitz 2004.
- Joseph Bernhard Schönfelder: Urkundliche Geschichte des Königlichen Jungfrauenstifts und Klosters St. Marienthal in der Königlich-Sächsischen Oberlausitz. Schöps, Zittau 1834.
- Jan Zdichynec: Klášter Marienthal mezi králi, městy a šlechtou (1234–1547). In: Lenka Bobková (Hrsg.): Korunní země v dějinách českého státu. Band 1: Integrační a partikulární rysy českého státu v pozdním středověku. Praha 2003, S. 166–218.
- Cornelius Gurlitt: St. Marienthal. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 29. Heft: Amtshauptmannschaft Zittau (Land). C. C. Meinhold, Dresden 1906, S. 109.
- Lars-Arne Dannenberg / Jan Zdichynec / Gisela Rieck: Böhmischer Schutz und kluge Toleranz. Der Weg der Abtei St. Marienthal durch die Wirren des Reformationszeitalters. In: Cistercienser-Chronik, 125 Jg. (2018), S. 20−27.
Weblinks
- Kloster-Website von St. Marienthal bei Ostritz
- Internationales Begegnungszentrum (IBZ) mit Schulungsveranstaltungen in St. Marienthal
- Dienstleistungen der St. Marienthal Klosterbetriebe (Shop, Führungen, Essen, Unterkunft, Spiritualität)
- Eintrag 14 - 20 im Elenchus Monasteriorum Ordinis Cisterciensis, S. 73
- Eintrag zu Kloster St. Marienthal auf Orden online