Albulabahn

meterspurige Bahnstrecke von Thusis am Hinterrhein nach St. Moritz im Engadin
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Die Albulabahn in Graubünden verbindet Thusis (697 m ü. NN) mit dem bekannten Skiort St. Moritz in den Alpen. Die 86 km lange Bahn, die von sich behaupten kann, die wohl spektakulärste Meterspurbahnstrecke der Welt zu sein, gehört zum Stammnetz der Rhätischen Bahn (RhB). Die Albulabahn hatte 2003 ihr hundertjähriges Jubiläum. Der Bau der Strecke war der letztlich erfolgreiche Versuch des Kantons Graubünden, einen Teil der nach der Fertigstellung der Gotthardbahn versiegten Verkehrsströme wieder auf das eigene Gebiet zu lenken.

Lage und Verlauf der Albulabahn im Netz der Rhätischen Bahn

Bahnenthusiasten und Bündner Tourismus-Promotoren hoffen, dass die Albulabahn zusammen mit der Strecke über den Berninapass möglichst bald in die Liste des UNESCO Welterbes aufgenommen werden.

Streckenverlauf

 
Die Solisbrücke der Albulabahn
 
Strecke der Albulabahn zwischen Preda und Bergün. Der aus dem Tunnel auftauchende Zug hat knapp eine Minute zuvor den darüber liegenden Viadukt überquert.

Eine Touristenfahrt auf der weitgehend eingleisigen Albulabahn unternimmt man am besten mit einem der beiden Vorzeigezüge der RhB, dem Bernina Express oder dem Glacier Express.

Hinter Thusis überquert die Strecke den Hinterrhein und tritt in das Tal der Albula ein, das östlich von Thusis Schinschlucht genannt wird. Schon hier passiert sie zahlreiche Brücken und Tunnel. Nach dem Bahnhof Solis, 11 km von Thusis entfernt, wird die schäumende Albula auf der 86 Meter hohen Solisbrücke überquert. Zwischen Tiefencastel (18 km) und Filisur (32 km) fährt der Zug dann über den 35 Meter hohen und 137 Meter langen Schmittentobelviadukt, bis er kurz vor Filisur das Wahrzeichen der Bahn erreicht: Den 65 Meter hohen Landwasserviadukt, der in einem Viertelkreis von nur 100 Metern Radius direkt in den Schlund einer riesigen Felswand führt.

Im Bahnhof Filisur (1.083 m ü. NN) mündet die ähnlich spektakuläre Strecke von Davos in die Albulabahn. Zwischen Filisur und Bergün (44 km) überwindet der Zug bereits 292 Meter und fährt durch den ersten Kehrtunnel. Bergün bietet bahnhistorisch Interessantes: Zum einen endet hier der Lehrpfad aus Preda (62 km), zum anderen befindet sich unterhalb des Bahnhofs ein Lokdenkmal mit einem RhB-Krokodil. Gleich nach Verlassen des Bahnhofs steigt der Zug über 35 Promille in die Höhe. Mehrmals überquert nun die Strecke sich selbst bei atemberaubenden Ausblicken auf Höhen und Tiefen des Hochgebirges.

Nach der Durchquerung des Albulatunnels und des Dörfchens Spinas (71 km), das am Südostportal liegt, erreicht der Zug über ein Gefälle von bis zu 32 Promille bei Bever (76 km) die Strecke aus Scuol-Tarasp. In Samedan (79 km) wiederum zweigt die Strecke nach Pontresina ab, in die auch der Bernina Express einfahren wird, um anschließend den Berninapass zu erklimmen. Der Glacier-Express hingegen fährt den Endpunkt der Albulabahn, St. Moritz an.

Geschichte

 
Ausschließlich in Massivbauweise erbaut: Die Viadukte der Albulabahn.

Bis 1890 war der Südosten der Schweiz von Eisenbahnen äußerst schlecht erschlossen. Den Transitverkehr zog die Gotthardbahn an sich, so dass in Graubünden praktisch keine lohnenswerte Nachfrage nach Eisenbahnen bestand. Nach der Eröffnung der Landquart-Davos-Bahn änderte sich das schnell. 1895 entstand die Rhätische Bahn, und zwei Jahre später entschied das Bündner Volk bei einem Urnengang, die RhB zur Staatsbahn zu machen. Damit wurden die Voraussetzungen für den schnellen Bau weiterer Strecken geschaffen, die den verkehrsmäßigen Rückstand Graubündens aufholen sollten (1896 gab es nur 20 km Normalspur- und 96 km Schmalspurbahnen). Priorität besaß ein Anschluss des Kurortes St. Moritz an das Netz, das zu dieser Zeit mit der Postkutsche 14 Stunden von Chur entfernt war.

Nachdem Thusis von Chur aus angeschlossen war, begann man 1898 mit dem Bau der Albulabahn. Da man die Strecke als reine Reibungsbahn ausführen wollte, mussten umfangreiche Kunstbauten angelegt werden. Dabei wurden die Viadukte ausschließlich in Massivbauweise errichtet. Als besonders problematisch erwies sich die Steigung des Tals zwischen Bergün und Preda, die 1:13 betrug. Die Höchstneigung der Trasse sollte jedoch nur bei 1:28 liegen. Um den enormen Höhenunterschied bei 6 km Tallänge zu bewältigen, war eine künstliche Längenentwicklung auf 12 km notwendig. Spezielle Tunnel wie der God-, Platz-, Rugnux-, Toua- und Zuondra-Kehrtunnel sowie eine Anzahl Brückenn bewältigten diese Aufgabe, indem sie die Strecke wie eine Schraube in die Höhe drehten. Besonders der Bau des 660 m langen Rugnux-Kreiskehrtunnels bereitete auf diesem Streckenabschnitt Probleme, denn das 4° Celsius kalte Bergwasser erschwerte die Tätigkeit der Arbeiter.

 
Gedenkstein am Bahnlehrpfad in Preda

Hinter Preda baute man das Herzstück der Strecke, den 5.866 Meter langen Albulatunnel unter der Wasserscheide zwischen Rhein und Donau hindurch. Diese Wasserscheide verläuft über den gleichnamigen Albulapass. Mit einem Scheitelpunkt von 1.820 Metern Höhe ist der Albulatunnel der höchste Alpendurchstich der Schweiz. Die größte Gebirgsüberlagerung des Bauwerkes beträgt 950 m.

 
Bohrproben vom Bau des Albulatunnels

Die Erstellung des Bauwerks bereitete außergewöhnliche Probleme. Die 6 Grad Celsius kalten Wasserzuflüsse verwandelten das bereits herausgebrochene Gestein in eine breiige Masse, die den Rohbau des nördlichen Richtstollens auf weite Strecken regelrecht verstopfte. Gleichzeitig versiegte eine starke Quelle oberhalb des nördlichen Tunnelportals. Das mit 300 Liter pro Sekunde einströmende Wasser musste mühsam mit Rohrleitungen abgeleitet werden. Gleichzeitig stockte der Baufortschritt, in den 10 Wochen ab Mai 1900 kam man gerade 2 m vorwärts. Diesen Schwierigkeiten war die ausführende Baufirma nicht gewachsen und ging in Konkurs. Der Kanton Graubünden nahm darauf hin selbst die Bauarbeiten in die Hand. Mit einem Prämiensystem konnte ein Teil der verlorenen Zeit wieder aufgeholt werden. Am 29. Mai 1902 erfolgte der Durchschlag der beiden Richtstollen mitten im Berg.

 
Karte des Abschnitts Bergün-Preda

Beim Bau des Albula-Tunnels waren insgesamt 1.316 Personen beschäftigt. Insgesamt gab es 16 tödliche Arbeitsunfälle. Am Bahnhof von Preda erinnert ein Gedenkstein an diese Opfer.

Am 10. Juli 1904 konnte die Eröffnung der Albulabahn gefeiert werden. 1919 wurde die Strecke mit der bei dem RhB-Stammnetz üblichen Wechselspannung von 11 kV 16 2/3 Hz elektrifiziert. Seit 1930 benutzt der Glacier-Express die Trasse der Albulabahn, der Bernina-Express kam nach dem zweitem Weltkrieg hinzu. Beide Züge begründeten als Aushängeschild der Rhätischen Bahn den legendären Ruf der Bahngesellschaft bei den Eisenbahnfreunden in aller Welt. Gegen Ende der 1990er Jahre wurde ein kurzer Abschnitt unterhalb von Preda zweigleisig ausgebaut, um der gestiegenen Verkehrsleistung zu entsprechen. Die übrige Strecke ist nach wie vor eingleisig trassiert.

Zugbetrieb

Datei:RhB Krokodil Landwasser.JPG
Sonderzug auf dem Landwasserviadukt
Datei:Albula07.jpg
Eine der sogenannten "Krokodil" genannten Lokomotiven der Albulabahn, als Denkmal aufgestellt am Bahnhof Bergün

Zwischen Thusis bzw. Chur und St. Moritz verkehren täglich Schnellzüge im Stundentakt. Sie benötigen 1 Stunde 34 Minuten und fahren demnach mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 53,6 km/h. Einer dieser Schnellzüge ist auch der Glacier Express, der von und bis Zermatt durchläuft. An den kleineren Bahnhöfen halten nur noch wenige Züge. Eine Rückfahrkarte der 2. Klasse kostet zwischen Chur und St. Moritz zur Zeit 74 CHF, das sind etwa 50 €.

Zum Einsatz kommen mehrheitlich die modernen Elektrolokomotiven der Reihe Ge 4/4 III, die auch auf der Vereinastrecke eingesetzt werden. Die Albulabahn war einst Haupteinsatzstrecke der RhB-Krokodile (Ge 6/6 I). Die verbliebenen Loks dieser Reihe und die ebenfalls historischen Ge 4/6 verkehren auch heute noch vor den nicht seltenen Sonderzügen. Andere dort verkehrende Lokomotiven und Fahrzeuge haben dagegen nicht die Popularität der Krokodile erreich. Sie stehen dort jedoch in einem tagtäglichen Einsatz, dessen Schwierigkeiten aufgrund der Streckenführung und der Dichte des Fahrplanes kaum mit anderen Bahnen mit gleicher Größenordnung und Spurweite zu vergleichen ist. Hinzu kommt für eine Schmalspurstrecke ein ungewöhnlich dichter Güterverkehr, der im gebirgigen Gelände die gesamten Aufgaben des Straßenverkehrs übernimmt. Fast alle Bahnhöfe der Strecke werden mit Güterzügen bedient und besitzen mindestens eine eigene Rangierlokomotive. Nach Angaben von der Internetseite der rhätischen Bahn werden neben konventionellen Gütern vor allem Holz- und Mineralöltransporte über die Albulabahn geführt.

Ein weiteres Aufgabengebiet der Strecke ist der Transport von Autos mitsamt Passagieren durch das Hochgebirge. Die alpinen Witterungsverhältnisse machen die ganzjährige Benutzung der Gebirgspässe unmöglich, während man auf Gebirgstrecken wie der Albulabahn problemlos die Gebirgsbarriere überwinden kann. Daher bietet die Rhätische Bahn die Möglichkeit an, ab Thusis das eigene Auto auf spezielle Autotransportwagen zu verladen, um damit über die Strecke bis nach Samedan zu gelangen.

Eine wohl weltweit einzigartige betriebliche Besonderheit sind die Schlittenzüge auf dem Abschnitt Bergün - Preda für den Wintersport. Da die parallel verlaufende Paßstraße im Winter gesperrt wird und abschnittsweise sehr steil verläuft, wird sie während dieser Zeit mit einer Länge von über 6 km als Europas längster Schlittenbahn genutzt. Den Rücktransport von Schlitten und Piloten auf den Berg hinauf übernehmen Sonderzüge der rhätischen Bahn.

Literatur

 
Einfahrt der Ge 4/4 III 646 in Bergün
  • Gian Brüngger, Tibert Keller, Renato Mengotti: Abenteuer Albulabahn, Chur 2003 ISBN 3-856-37279-2
  • Gion Caprez (Einleitung); Peter Pfeiffer (Hrsg.): Albulabahn. Harmonie von Landschaft und Technik, Zürich 2003 ISBN 3-905-11189-6
  • Hubertus von Salis Soglio: Bahnhistorischer Lehrpfad Preda-Bergün, Herausgegeben vom Verkehrsverein Bergün, 5. Auflage Thusis 1997
    Dieses Bändchen gibt es nur in Bergün (Bahnhof, Verkehrsverein, Museum); über das Internet zu bestellen hier unter Kiosk
  • Amand Freiherr von Schweiger-Lerchenfeld: Die Überschienung der Alpen, Erweitertes Faksimile der Ausgabe von 1884, herausgegeben und ergänzt von Dr.-Ing. Erhard Born, 1. Auflage Berlin 1983, Seite 132 - 138 ISBN 3-921-56460-3
  • Eisenbahn-Kurier Special Nr. 70: Alpenbahnen, Freiburg 2003, Seite 81 - 83.
  • LokMagazin, Nr. 265, Heft 10/2003, München, Seite 26 - 27 ISSN 0458-1822
 
RhB-Zug vor Preda