Oswald Wiener

österreichischer Schriftsteller, Sprachtheoretiker und Kybernetiker
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Oswald Wiener (* 5. Oktober 1935 in Wien) ist ein österreichischer Schriftsteller, Sprachtheoretiker und Kybernetiker, ein Visionär des Cyberspace im Zeitalter des Postmodernismus.

Wiener studierte Anfang der 50er Jahre in Auszügen Jura, Musikwissenschaft, afrikanische Sprachen und Mathematik in Wien. Neben seiner Tätigkeit als Autor im Rahmen der Wiener Gruppe von 1954 bis 1959 war er auch als Jazzmusiker tätig. Von 1958 bis 1966 arbeitete er für die Firma Olivetti in der Datenverarbeitung. Nach seiner Flucht aus Wien 1969 lebte er als Gastwirt (Gaststätte "Exil") bis 1986 in Berlin und studierte dort von 1980 bis 1985 Mathematik und Informatik an der TU Berlin bis zum Doktortitel. Spätestens seit dieser Zeit besteht der Schwerpunkt seiner Arbeit in einer Synthese aus Kognitionswissenschaften und künstlerisch-philosophischer Literatur. In eigenen Worten: er versuche, "naturwissenschaftliche Denkweisen auf die Philosophie anzuwenden"[1]. Von 1992 bis 2004 war er Professor für Ästhetik an der Kunstakademie Düsseldorf. Oswald Wiener lebt heute im kanadischen Dawson City und in Österreich.

Oswald Wiener wird häufig als das theoretische Haupt der »Wiener Gruppe« (1954-1964) bezeichnet. Diese kann neben der Situationistischen Internationale und der "Independent Group" zu den radikalsten Momenten der Moderne/Postmoderne in Europa in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts gerechnet werden. siehe auch: Uni-Ferkelei

Oswald Wiener hat angeblich seine gesamte literarische Arbeit bis 1959 vernichtet. In den 1960er Jahren erarbeitete er seinen grundlegenden und folgenreichen Prosatext, den postmodernen Roman "die verbesserung von mitteleuropa, roman" (Rowohlt 1969, Zweitauflage 1985). Dieser basiert auf seiner Beschäftigung mit der theoretischen Kybernetik, insbesondere der numerischen Methode. Dieser Dekonstruktionsroman imitiert, ironisiert und polemisiert das Genre "Roman des 19. Jahrhunderts" und transformiert das Konzept "Roman" so durch "Zerstückelung" (im psychoanalytischen Sinn). Aus Ansätzen und Bruchstücken linguistischer (Stichwort "linguistic turn" in den Kulturwissenschaften) und kybernetischer Denkexperimente entwickelt Wiener so ein Modell (postmoderner Roman) des durch die Kybernetik bewusstseinsveränderten postmodernen Menschen in einer postmodern veränderten Gesellschaft.

Oswald Wiener übte Einfluss auf viele zeitgenössische Denker, Autoren und Künstler aus. Zu nennen wären hier unter anderem Bodo Hell, Walter Grond, Friederike Mayröcker, Werner Schwab, Franzobel, Marianne Fritz, Günter Brus und Werner Kofler.

Oswald Wiener ist mit der Künstlerin Ingrid Wiener verheiratet. Deren Tochter Sarah wurde als despotische Mamsell in der Doku-Soap Abenteuer 1900 im Fernsehen bekannt und tritt seitdem in verschiedenen Shows als Fernsehköchin auf.

Werke (Auswahl)

  • Kunst und Revolution, Aktion u.a. mit Hermann Nitsch und Günter Brus am 07. Juni 1968 an der Universität Wien, siehe: Uni-Ferkelei
  • die verbesserung von mitteleuropa, roman, Hamburg: Rowohlt, 1969/1985.
  • appendix a (der bio-adapter), in: manuskripte 25, 1969.
  • Subjekt, Semantik, Abbildungsbeziehungen, ein Pro-Memoria, in: manuskripte 29/30, 1970.
  • ein verbrechen, das auf dem papier begangen wird, in: Schastrommel 2, Berlin, 1970.
  • Ungefähre Anlage von Günter Brus als Vogel, in: Schastrommel 4, Berlin, 1970.
  • Inhaltsanalyse. Essays über die Interpretation von Texten mit Hilfe quantitativer Semantiken. Ausgewählt und eingeleitet von Oswald Wiener. München: Rogner & Bernhard, 1972.
  • McCarthy, John & Claude E. Shannon [Hrsg.]. Automata Studies, Hrsg. der deutschen Ausgabe: Oswald Wiener, Peter Weibel und Franz Kaltenbeck, München: Rogner & Bernhard, 1974.
  • Einiges über Konrad Bayer, in: Die Zeit, Hamburg, 17.02.1978
  • Eine Art Einzige, in: Verena von der Heyden-RynscH (Hrg.): Riten der Selbstauflösung, München: Matthes & Seitz, 1982
  • Über das Ziel der Erkenntnistheorie, Maschinen zu bauen die lügen können, d.h. eigentlich nur über einige Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin, in: manuskripte 86, 1982. (sowie u.a. in: Jean Baudrillard: Die fatalen Strategien, München: Matthes & Seitz, 1985.)
  • Turings Test. Vom dialektischen zum binären Denken, in: Kursbuch 75, 1984.
  • als Evo Präkogler: Nicht schon wieder...! Eine auf einer Floppy gefundene Datei, München: Matthes & Seitz, 1990.
  • Poetik im Zeitalter naturwissenschaftlicher Erkenntnistheorien. München: Matthes & Seitz, 1990.
  • Probleme der Künstlichen Intelligenz, Berlin: Merve, 1990.
  • Information und Selbstbeobachtung, Form und Inhalt in Organismen aus Turing-Maschinen sowie weitere Beiträge, in: Schriften zur Erkenntnistheorie, Wien/New York: Springer, 1996.
  • Literarische Aufsätze Wien: Löcker, 1998.
  • Bouvard und Pécuchet im Reich der Sinne. Eine Tischrede, Bern: Gachnang und Springer, 1998.
  • mit Manuel Bonik und Robert Hödicke: Eine elementare Einführung in die Theorie der Turingmaschinen, Berlin: Springer, 1998.
  • Animal Music / Tiermusik: Team of Jeremy Roht, West Dawson, Yukon-Territory, aufgenommen von Oswald Wiener und Helmut Schoener, Audio-CD & Booklet, Köln: Supposé, 2001 (ISBN 3-932513-25-8)

Literatur

  • Bemerkungen zu einigen Tendenzen der "Wiener Gruppe", in: Wolfgang Fetz und Gerald Matt (Hrg.): Die Wiener Gruppe, Wien: Kunsthalle Wien, 1998.
  • Über die 'Prototypen/About the 'Prototypes. In: Walter Pichler: Prototypen 1966-1969. Wien/Salzburg: Generali Foundation/Residenz, 1998 (dt./engl.).
  • Wittgensteins Einfluß auf die Wiener Gruppe, in: Wendelin Schmidt-Dengler (Hrg.): Wittgenstein und die Philosophie, Wien: Österreichische Staatsdruckerei (Edition S), 1990.
  • Eckhard Hammel (Hrsg.): Synthetische Welten. Kunst, Künstlichkeit und Kommunikationsmedien, Essen: Verlag Die Blaue Eule, 1996, S. 199-213 (ISBN 3-89206-598-5)

Siehe auch: Wiener Gruppe, Wiener Postmoderne, Postmoderner Roman


Quellen

  1. Oswald Wiener: Über Kunst, Selbstbeobachtung und Automatentheorie Ein Gespräch mit Stan Lafleur, Teil 2 in: Eckhard Hammel (Hrsg.): Synthetische Welten. Kunst, Künstlichkeit und Kommunikationsmedien, Essen: Verlag Die Blaue Eule, 1996, S. 199-213 (ISBN 3-89206-598-5)