Benutzer:LoRo/Misiurewicz-Punkt

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Satz von Sturm-Picone

Eine Erweiterung des Vergleichssatzes von Sturm liefert der Satz von Sturm-Picone, benannt nach dem italienischen Mathematiker Mauro Picone (1885−1977). (siehe englische wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Sturm–Picone_comparison_theorem)

Lagrange

Die Lagrange-Identität, benannt nach Joseph Louis Lagrange (1736–1813), wird bei der Lösung von gewöhnlichen Differentialgleichungen 2. Ordnung, insbesondere bei Sturm-Liouville-Problemen, verwendet.

Definition

Die Lagrange-Identität für die Funktionen  ,   aus der Differentiationsklasse   und den Koeffizientenfunktionen  ,   und   ist gegeben durch den Sturm-Liuoville-Operator   für den gilt:

 

wobei   die Wronski-Determinante der Funktionen   bedeutet.

Beweis

Sei   ein Sturm-Liuoville-Operator, dann ist:

 

und

 

Subtraktion der beiden Gleichungen ergibt:

 

Nun lassen sich unter Verwendung der Produktregel für Ableitungen, der Term   bleibt hierbei unberücksichtigt, folgende Darstellungen berechnen   und  . Auf diese Weise wird erkennbar, dass der zweite Term in beiden Gleichungen gleich ist und bei der Differenzenbildung verschwindet, also:

 
 

;Beispiel:

An Hand der Airy-Funktionen wird die Bedeutung der Lagrange-Identität veranschaulicht.

Siehe auch

Literatur


Kategorie:Theorie gewöhnlicher Differentialgleichungen
Kategorie:Differentialoperator

SL-Problem

Ein klassisches Sturm-Liouville-Problem (nach Joseph Liouville und Charles-François Sturm) ist folgendes Eigenwertproblem aus der Analysis: Man betrachte die Differentialgleichung 2. Ordnung:[1]

 

wobei   Koeffizientenfunktionen sind. Finde alle komplexen Zahlen  , für die die Differentialgleichung auf dem Intervall   eine Lösung besitzt, die den Randbedingungen

 

genügt ( ).

Führt man den linearen Operator der Form

 

ein, den Sturm-Liouville-Operator, so kann die Eigenwertgleichung   mithilfe von Methoden aus der Funktionalanalysis (Spektraltheorie) im Hilbertraum der bezüglich der Gewichtsfunktion   quadratintegrierbaren Funktionen behandelt werden.

Ist das Intervall kompakt und sind die Koeffizienten   integrierbar, so spricht man von einem regulären Sturm-Liouville-Problem. Ist das Intervall unbeschränkt oder sind die Koeffizienten nur lokal integrierbar, so spricht man von einem singulären Sturm-Liouville-Problem.

Reguläre Sturm-Liouville-Probleme

Die Eigenwertgleichung

 

mit integrierbaren reellen Funktionen  , zusammen mit Randbedingungen der Form

 

nennt man ein reguläres Sturm-Liouville-Problem über dem Intervall  , wenn dieses Intervall endlich ist.

Im Fall   spricht man von Dirichlet-Randbedingungen und im Fall   von Neumann-Randbedingungen, wobei die Existenz und Eindeutigkeit der Lösung mit den Randbedingungen sichergestellt wird.

Für das reguläre Sturm-Liouville-Problem gilt, dass es eine abzählbare Folge von reellen Eigenwerten gibt, die gegen   divergiert:

 

Die Eigenwerte verhalten sich asymptotisch (Weyl Asymptotik) wie

 

Die zugehörigen Eigenfunktionen   bilden eine Orthonormalbasis im Hilbertraum   der bezüglich der Gewichtsfunktion   quadratintegrierbaren Funktionen.

Beispiel

Ein einfaches Beispiel ist die Differentialgleichung

 

auf dem Intervall  , zusammen mit den Dirichlet-Randbedingungen

 

Aufgrund der Randbedingungen wird der periodische Ansatz   für   und beliebige   gewählt. Wegen   ist   und   also   und somit   für  . Die Folge der Eigenwerte lautet demnach

 

und genügt der Weyl-Asymptotik. Die Folge der Eigenfunktionen lautet bis auf die zu bestimmenden Koeffizienten  

 

Die Orthonormalbasis der Eigenfunktionen im Hilbertraum   mit   ergibt sich unter Verwendung der trigonometrischen Formel  :

 

Hierbei bedeutet   das Kronecker-Delta und die Normierung   bedingt  , so dass die normierten Eigenfunktionen die Darstellung

 

annehmen.

Die zugehörige Eigenfunktionsentwicklung ist die Fourierreihe mit

 

Eigenschaften

Für das reguläre Sturm-Liouville-Problem ist man daran interessiert, das Verhalten der Eigenfunktionen zu beschreiben, ohne deren genaue Kenntnis zu haben. Insofern geben die nachfolgenden Sätze, die teilweise auf Charles-François Sturm zurückgehen, einen Überblick an die Eigenschaften der Lösungen des Sturm-Liouville-Problems.

Dazu wird die homogene Differentialgleichung   für   betrachtet und nachfolgende Anforderungen an die Koeffizientenfunktionen   gestellt:

  •   und  ,
  •   und  .[2]

Darüberhinausgehende Anforderungen sind in den entsprechenden Sätzen formuliert.

Amplitudensatz

Da die Amplituden den Absolutbetrag der lokalen Extremwerte angeben, wird mit dem nachfolgenden Satz das Verhalten der Amplituden aufeinanderfolgender Nullstellen beschrieben.

Abweichend von den eingangs genannten Voraussetzungen sei  ,   monoton wachsend oder monoton fallend, sowie auf einem beliebigen Intervall   sei   eine nicht triviale Lösung von  . Für die Amplituden zweier aufeinanderfolgender Extremstellen   von   gilt dann:

  und
 .
Beweis

Es sei   eine nicht-triviale Lösung und

 .

Dabei ist   keine Lösung der Sturm-Liouville-Differentialgleichung, jedoch eine Funktion die mit denselben Extremstellen und Nullstellen ausgestattet ist wie  . Mit Hilfe dieser Konstruktion folgt durch Differentiation mit  

 

Wird zudem berücksichtigt, dass an jedem Extrempunkt   ist, so gilt für ein   mit  

 

Demzufolge wird die Steigung von   beeinflusst durch den Wert der Ableitung von  . Da sich die Steigung von   auf   vererbt, erhält man für den Betrag:

  und
 .
 


Oszillationssatz

Der Oszillationssatz besagt für  , wenn neben den eingangs beschriebenen Anforderungen für   zudem gilt:

  und   sind divergent,

dann ist auf dem Intervall   jede nicht-triviale Lösung oszillatorisch.[3]

Zudem gilt im Falle von Dirichlet-Randbedingungen, dass jede  -te Eigenfunktion   genau   Nullstellen im Intervall   hat.

Beweis

Seien   ebenso wie   nicht-triviale Lösungen der homogenen Differentialgleichung. Mit   und wegen   ist   und somit :

  (I).

Dieses lineare Differentialgleichungssystem hat nur dann nicht-triviale Lösungen, wenn für jedes   gilt  , da sonst   und daher   sein müsste.

Gesucht sind daher oszillatorische Lösungen, die mittels der Prüfer-Transformation in ebenen Polarkoordinaten erhalten werden:

  (II).

Dabei ist   und die dazugehörige Argumentfunktion lautet:

  bzw.  .[4]


Behauptung: Falls  , dann haben   ebenso wie   unendlich viele Nullstellen.

Begründung: Aus (I) und (II) folgt

  (III a)
  (III b).

Wird die Gleichung (III a) mit   und Gleichung (III b) mit   multipliziert und addiert, so ergibt sich:

  (IV),

  ist also monoton wachsend.

Bleibt noch zu zeigen, dass   unbeschränkt ist.

Wäre   beschränkt, so existierten die Grenzwerte   und   und es wäre  . Insbesondere ist   oder  .

Sei im Folgenden   so groß, dass   für alle  . Dann liefert Gleichung (IV) nach Integration für alle  

 

einen Widerspruch zur Voraussetzung.   ist somit unbeschränkt.

 

Trennungssatz

Wird die Differentialgleichung   vermittels des dazugehörigen Fundamentalsystems in der Darstellung

 

betrachtet, wobei   und   ist, dann gelten für die Lösungen der Differentialgleichung folgende Aussagen:

1) Ist   eine nicht triviale Lösung der Differentialgleichung, so hat   höchstens abzählbar viele Nullstellen.
2) Die Nullstellen zweier linear unabhängigen Lösungen   trennen sich.

Siehe auch Abelsche Identität

Beweis

zu 1):
Sei   eine nicht triviale Nullstelle von  , dann ist  , denn sonst wäre   Lösung des Anfangswertproblems bestehend aus der Differentialgleichung   mit  . Dieses Anfangswertproblem hat aber nur die triviale Lösung  . Also ist   und   eine einfache Nullstelle.
Angenommen, die Nullstellen häufen sich in , dann gibt es   mit   für alle  . Zudem gilt  . Das ist ein Widerspruch, da   eine nicht triviale Lösung ist und   ist  .
Die Menge der Nullstellen ist abzählbar. Sei   ein kompaktes Teilintervall. Da sich die Nullstellen nirgends in   häufen, hat der jeder Punkt   eine offene Umgebung  , in der keine Nullstelle   liegt.   ist kompakt, folglich gibt es  , so dass  .   enthält daher höchstens endliche viele Nullstellen, denn ist   eine Nullstelle, so gilt:  . Damit enthält   höchstens abzählbare Nullstellen von  .

zu 2):
Seien   zwei linear unabhängige Lösungen der Differentialgleichung   und seien   zwei aufeinander folgende Nullstellen von  . Dann ist die Wronskideterminante nullstellenfrei und es gilt

wobei   die Wronski-Determinante der Funktionen   angibt.

Andererseits gilt wegen den Voraussetzungen   sowie   auch:

 .

Nach beidseitiger Integration

 

folgt nun

  (III).

Sind die Funktionen   und   gegeben, so folgt mit Gleichung (II)  , dass   und somit lässt sich die Wronski-Determinante wie folgt darstellen:

 .

Die Gleichung (III) erhält mit diesem Zwischenergebnis die Gestalt:

 .


Sei nun o.B.d.A.   monoton wachsend auf dem Intervall  , so dass die Neumann-Randbedingung   erfüllt ist, dann folgt

 

Schlussendlich bleibt zu zeigen, dass  , denn nur in diesem Fall hat   einen Vorzeichenwechsel und eine Nullstelle in  . Dazu wird der Amplitudensatz für   mit   angewandt und folgende Ungleichungen betrachtet:

  (*) und
  (**)

Addition von (*) und (**) liefert

 

oder

 .

Da nun wegen der Voraussetzungen   ist, muss gelten:

 .

Demzufolge gilt:

 .


Da nun nach Voraussetzung   und   auf dem Intervall   ist, muss   einen Vorzeichenwechsel in   haben. Dies kann jedoch nur erfüllt werden, wenn   in   eine Nullstelle hat.

 

Vergleichssatz

Der Sturmsche Vergleichsatz für periodische (oszillatorische) Funktionen   besagt, sind

  (I)
  (II)

die nicht-triviale Lösungen des homogenen Differentialgleichungssystems mit

 

so liegt im Intervall   zwischen zwei aufeinanderfolgenden Nullstellen von   mindestens eine Nullstelle von  . Hierbei ist zu berücksichtigen, dass   monoton wachsend sein soll und daher  .

Beweis

Wird Gleichung (I) von links mit   multipliziert und von Gleichung (II), welche ebenfalls von links mit   multipliziert wird, subtrahiert, so erhält man unter Verwendung der Lagrange-Identität:

 

wobei   die Wronski-Determinante der Funktionen   angibt.

Andererseits gilt wegen den Voraussetzungen   sowie   auch

 

und somit

 .

Nach Trennung der Variablen und beidseitiger Integration folgt nun

  (III).

Sind die Funktionen   und   gegeben, so folgt mit Gleichung (II)  , dass   und somit lässt sich die Wronski-Determinante wie folgt darstellen:

 .

Die Gleichung (III) erhält mit diesem Zwischenergebnis die Gestalt:

 .


Sei nun o.B.d.A.   monoton wachsend auf dem Intervall  , so dass die Neumann-Randbedingung   erfüllt ist, dann folgt

 

Schlussendlich bleibt zu zeigen, dass  , denn nur in diesem Fall hat   einen Vorzeichenwechsel und eine Nullstelle in  . Dazu wird der Amplitudensatz für   mit   angewandt und folgende Ungleichungen betrachtet:

  (*) und
  (**)

Addition von (*) und (**) liefert

 

oder

 .

Da nun wegen der Voraussetzungen   ist, muss gelten:

 .

Demzufolge gilt:

 .


Da nun nach Voraussetzung   und   auf dem Intervall   ist, muss   einen Vorzeichenwechsel in   haben. Dies kann jedoch nur erfüllt werden, wenn   in   eine Nullstelle hat.

 

Beispiel

 
Die Bessel-Funktionen erster Gattung für   und  

Betrachtet wird die Besselsche Differantialgleichung:

 

mit   und  . Die Eigenfunktionen   sind die Bessel-Funktionen erster Gattung der Ordnung  , sie lauten:

 .

...

 

und daher:

 

Der Sturm-Liouville-Operator hat somit die Darstellung   mit  .

Mit den bewiesen Sätzen lassen sich daher ohne Mühe folgende Aussagen treffen (siehe Bild):

  • Oszillationssatz:
Wie durch den Oszilltionssatz vorhergesagt, zeichnen sich die Potenzreihen   und   durch Schnittpunkte mit der  -Achse verbunden mit einem vorzeichenwechsel aus.[5]
  • Vergleichssatz:
Es genügt gemäß Beweis zu zeigen:
 .
Es wird der Fall   betrachtet.
Für periodische (oszillatorische) Funktionen  , die nicht-triviale Lösungen des homogenen Differentialgleichungssystems
  (I)
  (II)
mit
 
sind, liegt im Intervall   zwischen zwei aufeinanderfolgenden Nullstellen von   mindestens eine Nullstelle von  .
[6]

Mathematische Theorie

Der geeignete mathematische Rahmen ist der Hilbertraum   mit dem Skalarprodukt

 .

In diesem Raum ist   ein selbstadjungierter Operator, wenn er auf der Menge der (im Sinne der schwachen Ableitung) differenzierbaren Funktionen, die die Randbedingungen erfüllen, definiert wird:

 

Hierbei bezeichnet   die Menge der auf   absolut stetigen Funktionen. Da   ein unbeschränkter Operator ist, betrachtet man die Resolvente

 ,

wobei   kein Eigenwert sein darf. Es stellt sich heraus, dass die Resolvente ein Integraloperator mit stetigem Kern (die Green'sche Funktion des Randwertproblems) ist. Somit ist die Resolvente ein kompakter Operator, und die Existenz einer abzählbaren Folge von Eigenfunktionen folgt aus dem Spektralsatz für kompakte Operatoren.

Der Zusammenhang zwischen den Eigenwerten von   und der Resolvente folgt, da   äquivalent ist zu   mit   ist.

Singuläre Sturm-Liouville-Probleme

Sind obige Bedingungen nicht erfüllt, so spricht man von einem singulären Sturm-Liouville-Problem. Das Spektrum besteht dann im Allgemeinen nicht mehr nur aus Eigenwerten und besitzt auch einen kontinuierlichen Anteil. Es gibt weiterhin verallgemeinerte Eigenfunktionen, und die zugehörige Eigenfunktionsentwicklung ist eine Integraltransformation (vergleiche Fouriertransformation anstelle von Fourierreihe).

Wechseln   oder   das Vorzeichen, so spricht man von einem indefiniten Sturm-Liouville-Problem.

Anwendung


Einzelnachweise

  1. Charles-François Sturm: Sur le développement des fonctions ou parties de fonctions en séries dont les divers terms sont assujettis à satisfaire à une même équation différentielle du second ordre contenant un paramètre variable, Journal de mathématiques, 1836, bibnum
  2. Harro Heuser: Gewöhnliche Differentialgleichungen, Vieweg+Teubner 2009 (6.Auflage), Seite 328−338, ISBN 978-3-8348-0705-2
  3. Harro Heuser: Gewöhnliche Differentialgleichungen, Vieweg+Teubner 2009 (6.Auflage), Seite 333, ISBN 978-3-8348-0705-2
  4. Wolfgang Walter: Gewöhnliche Differentialgleichungen, Springer-Verlag 2000, Seite 287-290, ISBN 3540676422
  5. Harro Heuser: Gewöhnliche Differentialgleichungen, Vieweg+Teubner 2009 (6.Auflage), Seite 333, ISBN 978-3-8348-0705-2
  6. Harro Heuser: Gewöhnliche Differentialgleichungen, Vieweg+Teubner 2009 (6.Auflage), Seite 333, ISBN 978-3-8348-0705-2