Überfall auf Polen
Der Polenfeldzug gilt als Beginn des Zweiten Weltkrieges.
Unter dem Decknamen Fall Weiß griff die deutsche Wehrmacht am 1. September 1939 ohne vorherige Kriegserklärung Polen an. In der populären deutschen Literatur ist deshalb auch oft vom „Überfall auf Polen” die Rede, obwohl dieser Begriff umstritten ist.
In der Geschichtswissenschaft wird die Bezeichnung Polenfeldzug von einigen Wissenschaftlern kritisch betrachtet, da er nach ihrer Argumentation den Charakter des Angriffs nicht genau wiedergibt und den polnischen Widerstand verharmlost. Sie empfehlen, den Begriff Septemberkrieg zu verwenden.
Vorgeschichte
Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges waren Polen und das Deutsche Reich Gegner. Die Polen fühlten sich nach der Erfahrung von drei Teilungen sowohl von einem starken Deutschland im Westen als auch von der Sowjetunion im Osten bedroht. Zwischen diesen Ländern herrschten zudem noch ungeklärte Grenzstreitigkeiten. Auch in Deutschland fühlte man sich durch die verbündeten Länder Frankreich und Polen aus zwei Richtungen bedrängt. Nach der Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler kam jedoch 1934 ein Nicht-Angriffspakt zwischen Polen und dem Deutschen Reich zustande. In den folgenden Jahren intensivierte sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder und die Regierungen standen sich wohlwollend gegenüber. Noch während der Münchener Krise im Jahre 1938 hatte die polnische Regierung die Gelegenheit genutzt, um die tschechische Stadt Teschen zu besetzen.
Im Oktober 1938 begannen, auf Initiative der Deutschen Regierung, Verhandlungen zur „Lösung” aller offenen Fragen zwischen Polen und dem Deutschen Reich. Diese Verhandlungen zogen sich fast sechs Monate hin. Hitler ging es in erster Linie um die Wiedereingliederung der Freien Stadt Danzig in das Deutsche Reich. Die Stadt war nach dem Ersten Weltkrieg unter Verwaltung des Völkerbundes gestellt worden, in dem Polen seine Interessen vertrat. Desweiteren sollte eine Autobahn und ein Schienenweg durch den polnischen Korridor die Landverbindung zur Provinz Ostpreußen herstellen. Im Gegenzug stellte Hitler die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze in Aussicht sowie ein gemeinsames Bündnis gegen die UdSSR. (Ein weiteres Thema waren die in ihren Rechten beschränkte deutsche Minderheit in Westpolen.) Da der polnischen Regierung die Unterstützung Großbritanniens und Frankreich zugesagt worden war, weigerte sie sich, den Forderungen Hitlers entgegenzukommen. Sie stellte klar, dass jede einseitige territoriale Veränderung als Casus belli (Kriegsgrund) behandelt würde. Nach der Ablehnung der Forderungen am 23. März 1939 leitete die polnische Regierung erste Maßnahmen zur Mobilmachung ein. Dies lag zum einen darin begründet, dass auch die Slowakei unter deutschen Einfluss geraten war und sich Polen nun auch im Süden durch das Deutsche Reich bedroht sah. Zum anderen erfolgte nur zwei Wochen später die Besetzung des Memellandes durch deutsche Truppen. Einem solchen Handstreich auf Danzig wollte Polen durch militärische Vorbereitungen entgehen.
Hitler kündigte daraufhin den Nicht-Angriffspakt aus dem Jahre 1934 und befahl der Wehrmacht am 4. April, Angriffspläne vorzubereiten. Während der folgenden fünf Monate versuchte die britische Regierung mehrfach, zwischen den Parteien zu vermitteln, um einen Krieg zu vermeiden, obwohl bereits am 31. März eine Garantieerklärung Frankreichs und Großbritanniens für Polen erfolgt war. Durch diese Garantieerklärung bestärkt, sah auch die polnische Führung keinen Grund mehr für weitere diplomatische Bemühungen. Auch der mit Hitler verbündete italienische Duce Benito Mussolini versuchte (sogar noch nach Ausbruch des Krieges) zu vermitteln. Hitler hatte allerdings inzwischen in der polnischen Weigerung eine Möglichkeit gefunden, seine weitreichenden territorialen Pläne zur „Eroberung von Lebensraum im Osten” zu verwirklichen und war an einem Ausgleich mit der polnischen Regierung nicht mehr interessiert. Obwohl er weiterhin den Anschein erweckte, Verhandlungen anzustreben, gab er später unter namentlich nicht bekannten Zeugen zu: „Ich brauchte nur ein Alibi.” Die Verständigung mit der UdSSR im „Hitler-Stalin-Pakt” vom 23. August 1939 verschaffte ihm die Gelegenheit, den polnischen Staat zu zerschlagen, nachdem bereits mehrere bewaffnete Grenzzwischenfälle propagandistisch ausgeschlachtet worden waren (siehe Sender Gleiwitz). Bereits zwei Tage zuvor hatte Polen die Generalmobilmachung eingeleitet.
Militärischer Verlauf
Der militärische Angriff begann mit Luftangriffen auf Wielun. Bekannter ist der Beschuß der Westerplatte in Danzig durch das deutsche Schulschiff Schleswig-Holstein, das bereits einige Tage vorher zum Freundschaftsbesuch dort angelegt hatte. Hitler verkündete, dass Polen nun „zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium [...] mit [...] regulären Soldaten geschossen” hätte und dass „seit 5.45 Uhr [...] zurückgeschossen” würde. (Hitler „irrte” sich hier. Der Angriff hatte offiziell bereits um 4.45 Uhr begonnen, inoffiziellen Berichten, siehe polnischer Rundfunk in seinen Null-Uhr-Nachrichten, zufolge hatten die Kampfhandlungen sogar bereits gegen Mitternacht angefangen.)
Die polnische Armee war der vordringenden Wehrmacht zahlenmäßig nicht einmal sehr stark unterlegen, entscheidend war vielmehr die Überlegenheit der Ausrüstung und die strategische Disposition der polnischen Truppen. Diese waren, nach Art des Stellungskrieges im Ersten Weltkrieg, relativ gleichverteilt entlang der Grenzen aufmarschiert. Lediglich in der geostrategisch exponierten westlichen Provinz Posen war ein Schwerpunkt gebildet worden. Das Deutsche Reich hatte bis dahin insgesamt 100 aktive Divisionen, einschließlich der Reservedivisionen, von denen 57 gegen Polen angesetzt wurden. Polen verfügte über 39 Infanteriedivisionen, elf Kavalleriebrigaden, zwei motorisierte Brigaden und einige Truppen des Grenzkorps (umgerechnet etwa 44 Divisionen). Weiters standen noch drei Reservekorps mit etwa neun Divisionen bereit, die allerdings kaum zum Einsatz kamen. Frankreich und England, Polen durch Garantieerklärungen verbunden, hatten zu diesem Zeitpunkt 100 bzw. 20 Divisionen. Bei einem Vergleich von Ausrüstung und Bewaffnung verschlechterte sich das Bild aber zuungunsten der Polen: 3.200 deutschen Panzern standen nur 600 qualitativ unterlegene polnische Panzer gegenüber; den deutschen Luftflotten 1 und 4 mit zusammen 1.929 einsatzbereiten Flugzeugen, zum Teil modernster Art, konnten die Polen lediglich 842 meist veraltete Maschinen entgegenstellen. Für den Angriff waren die deutschen Truppen in zwei Heeresgruppen unterteilt worden: Die Heeresgruppe Nord (630.000 Mann unter Generaloberst Fedor von Bock) mit der 4. Armee in Ostpommern und der 3. Armee in Ostpreußen sollte von Westen und Osten her die polnischen Streitkräfte im „Korridor” zerschlagen, um eine Verbindung zwischen Ostpreußen und dem Hauptgebiet des Deutschen Reiches herzustellen, und von Ostpreußen aus über die Flüsse Narew und Bug tief nach Polen vorzustoßen. Die Heeresgruppe Süd (886.000 Mann unter Generaloberst Gerd von Rundstedt) verfügte über drei Armeen. Die 14. Armee sollte von der Slowakei aus die polnischen Grenzbefestigungen in Ostoberschlesien einnehmen und in Galizien bis zum San durchbrechen. Die 10. Armee, (mit 300.000 Mann und der Masse der Panzerdivisionen die stärkste Armee im Polenfeldzug) unter General der Artillerie Walter von Reichenau, sollte zusammen mit der 8. Armee von Schlesien aus bis zur Weichsel vordringen, die polnische Armee am Ausweichen nach Osten hindern und im Weichselbogen zur Vernichtungsschlacht stellen.
Trotz dieser Überlegenheit zeichneten sich bereits mehrere Probleme der Wehrmacht ab: Die deutschen Panzer waren zu einem großen Teil veraltet. Ebenso war die Wehrmacht schon zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig und entsprechend der Vorgaben mit Panzern und Flugzeugen ausgerüstet. Sie zählte 1939 zwar zu den modernsten Streitkräften der Welt, doch litt sie wegen der starken Heeresvergrößerung unter einem Offiziersmangel. Der mobilmachungsmäßige Aufbau konnte zwar den Anforderungen eines „Blitzkrieges” entsprechen, für einen Krieg längerer Dauer war er aber ungeeignet.
Einzig die Mlawa-Stellung, ein starker Bunkerkomplex, konnte den Angriff in den ersten Feldzugstagen ins Stocken bringen. Am Abend wurde der englischen Regierung von der deutschen Seite mitgeteilt: „Der Führer ist bereit, aus Polen wieder herauszugehen und Schadensersatz für bereits angerichtete Schäden anzubieten unter der Voraussetzung, dass wir Danzig und die Straße durch den Korridor erhalten, wenn England im deutsch-polnischen Konflikt die Vermittlung übernimmt.”
Am 3. September stellten Frankreich und Großbritannien ein Ultimatum an das Deutsche Reich. Sie forderten den sofortigen Rückzug aller deutschen Truppen aus Polen. Die Englisch-Französische Garantieerklärung hätte diese Staaten verpflichtet, spätestens 15 Tage nach einem deutschen Angriff selber eine Offensive im Westen Deutschlands zu starten. Hitler ging davon aus, dass die beiden Westmächte ihn ebenso wie beim Einmarsch in die „Resttschechei” gewähren lassen würden. Ein Großangriff blieb aus, obwohl beide Länder, zur Überraschung Hitlers, noch am selben Tag dem Deutschen Reich den Krieg erklärten. Ab dem 7. September rückten lediglich 10 französische Divisionen in das Saarland ein. Nachdem die Verteidiger, ohne größeren Widerstand zu leisten, bis zum 12. September auf den Westwall zurückwichen, stellte auch die Französische Armee auf Befehl von General Gamelin den Angriff ein. In der Folge begann im Westen die Zeit des sogenannten „Sitzkrieges”.
Nach Kriegsbeginn kam es zu Übergriffen auf in Polen lebende Deutsche, der größte am 3. September in Bromberg. Das genaue Geschehen und die Zahl der dabei getöteten Deutschen sind umstritten, die Angaben liegen zwischen 500 und 2.000 Toten. Dieses Ereignis wurde als Bromberger Blutsonntag von den Nationalsozialisten instrumentalisiert. Als Vergeltungsmaßnahme wurden etwa 10.000 polnische Zivilisten ermordet und ebenso viele in Konzentrationslager verschleppt.
Bis zum 5. September wurde die polnische Pomerellen-Armee südlich von Danzig in der Schlacht in der Tucheler Heide zerschlagen. Nur zwei ihrer Divisionen entkamen und schlossen sich der Posen-Armee und spielten während der Schlacht an der Bzura eine wichtige Rolle.
Am 6. September wurde Krakau von der 14. Armee eingenommen. Das Ziel, die polnische Krakau-Armee einzukreisen, gelang jedoch nicht. Diese zog sich hinter den San und die Weichsel zurück, um eine zweite Verteidigungsstellung aufzubauen. Wenig später bewegten sich Panzerkräfte der deutschen 8. Armee und 10. Armee sehr schnell auf Warschau zu. Unterwegs vernichteten sie in der Schlacht bei Radom starke Kräfte der polnischen Armee, die sich nicht rechtzeitig hinter die Weichsel hatten absetzen können.
Am 9. September begann der einzige polnische Gegenschlag. Die Posen-Armee des Generals Tadeusz Kutrzeba, die bis dahin noch nicht eingesetzt worden war, griff zusammen mit den Resten der Pomerellen-Armee die Flanke der deutschen 8. Armee an. Obwohl die Verbände Kutrzebas Vorteile errangen, blieb die Unterstützung durch die anderen polnischen Armeen aus. Die Wehrmacht konnte deshalb in den folgenden Tagen die Posen-Armee einschließen und aufreiben.
Am 17. September zerschlug sich die polnische Hoffnung, den Osten des Landes verteidigen zu können. Entsprechend dem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes marschierte die Rote Armee in Ostpolen ein, die polnische Heeresleitung verbot ihren wenigen Truppen im Osten, gegen die Russen vorzugehen. Noch am selben Tag flüchtete die Regierung nach Rumänien. Die militärische Niederlage Polens war nun nicht mehr aufzuhalten.
Bis zum 20. September wurde der Kessel an der Bzura gesäubert, wobei 170.000 Polen in Gefangenschaft gerieten. Die Stadt Warschau und die sie verteidigende polnische Reservearmeegruppe war schon am 8. September eingeschlossen und zur Übergabe aufgefordert worden. Der Stadtkommandant weigerte sich jedoch, dem nachzukommen. Daraufhin warnte die Wehrmacht mit Flugblättern vor dem bevorstehenden Angriff. Am 24. September begann der massive Angriff auf Warschau, bei dem Artillerie und Sturzkampfflugzeuge die Stadt intensiv bombardierten. Da aber - aus Furcht vor einem Angriff der Westmächte - der Großteil der Luftstreitkräfte bereits in den Westen verlegt worden war, standen nur noch 400 Kampf-, Sturzkampf- und Schlachtflugzeuge zur Verfügung. Zusätzlich wurden sogar 30 Junkers Ju 52-Transportflugzeuge als Bomber herangezogen; aus diesen Flugzeugen wurden die Bomben von jeweils 2 Soldaten mit Muskelkraft aus dem Transportraum durch die Seitentüren gerollt und derart abgeworfen. Insgesamt fielen 560 Tonnen Spreng- und 72 Tonnen Brandbomben auf Warschau. Am 28. September kapitulierte die polnische Hauptstadt, in ihren Trümmern lagen bis zu 26.000 tote Zivilisten und rund 10 % der Bausubstanz war zerstört worden, insbesondere in den Vorstädten. Einen Tag später folgte die Aufgabe der Festung Modlin. Die Kämpfe konzentrierten sich nun auf Südost-Polen, wo polnische Verbände versuchten, nach Rumänien durchzubrechen. Doch bis zum 6. Oktober gaben auch hier die letzten polnischen Truppen auf. Der Feldzug war beendet. Vor dem Reichstag beschwor Hitler die Westmächte nochmals um Frieden und versicherte, keine weiteren Forderungen gegen sie zu haben.
Seekrieg
Im Gegensatz zu den Landstreitkräften war die polnische Marine der Kriegsmarine auch zahlenmäßig stark unterlegen. Das polnische Oberkommando erkannte diesen Fakt an und evakuierte im Rahmen der Operation Peking schon Ende August drei Zerstörer nach Großbritannien. Bei Beginn der Kampfhandlungen standen einem deutschen Linienschiff, drei Leichten Kreuzern, 11 Zerstörern, 4 Tendern, 30 Minensuchbooten, 10 U-Booten und diversen U-Jägern auf polnischer Seite lediglich ein Zerstörer, ein schwerer Minenleger, fünf U-Boote und mehrere kleinere Einheiten wie Kanonenboote und Minensucher entgegen. (siehe: Kräfteverhältnis zu Beginn des Krieges)
Zu ersten Kampfhandlungen kam es am 1. September, als deutsche Stuka die verbliebenen beiden großen polnischen Einheiten ORP Gryf und ORP Wicher in der Danziger Bucht angriffen. Die erste Seeschlacht fand am 3. September vor Hel statt. Die Kriegsmarine mußte ihre schwer beschädigten Zerstörer Z 1 Leberecht Maass und Z 9 Wolfgang Zenker zurückziehen. Am selben Tag wurden die Reste der polnischen Überwasserstreitkräfte im Hafen von Hel mehrfach bombardiert und vernichtet.
Alle 5 polnischen U-Boote konnten entkommen, erzielten aber, wenn man von einer erfolgreich verlegten Seemine des U-Bootes ORP Żbik, auf die am 1. Oktober der deutsche Minensucher M85 lief, absieht, keine Kampferfolge gegen feindliche Schiffe. Die zwei U-Boote ORP Wilk und ORP Orzeł konnten sich nach Großbritannien absetzen. Die restlichen drei U-Boote ließen sich in Schweden internieren. Die Marinebasis auf der Halbinsel Hel verteidigte sich noch bis zum 1. Oktober und fiel als eine der letzten polnischen Stellungen.
Verluste
Die Verluste der Wehrmacht im Polenfeldzug beliefen sich (nach amtlichen deutschen Angaben) auf 10.572 Gefallene, 3.409 Vermisste („vermißt Gebliebene”, d.h. ebenfalls praktisch alle ums Leben gekommen) und 30.322 Verwundete. (1944 stellte das OKW bei Nachforschungen allerdings bereits eine Zahl von 16.269 Toten im Polenfeldzug (nur Heeresangehörige) fest). Für die Rote Armee wurden 737 Gefallene angegeben. Genaue Zahlen der polnischen Verluste wurden nicht ermittelt. Die polnische Armee hatte ungefähr 70.000 Mann an Toten verloren. 133.000 wurden verwundet. Als sicher gilt, dass 694.000 polnische Soldaten in deutsche und 217.000 in sowjetische Gefangenschaft gerieten.
Polen verlor im Zweiten Weltkrieg bei Kampfhandlungen und durch Maßnahmen der deutschen und sowjetischen Besatzungsmacht zwischen 4,5 und 6 Millionen Einwohner. Die größte Zahl der Opfer stellten hierbei die polnischen Juden mit weit mehr als 3 Millionen Opfern. Die slawische Mehrheit der Bevölkerung in Polen (das vor dem 2. Weltkrieg ein Vielvölkerstaat war) galt den Nazis als rassisch minderwertige Untermenschen und war langfristig zur Vernichtung oder vollständigen Assimilation bestimmt. Angefangen hatte die Vernichtung bereits am Anfang der Besatzung Polens mit der gezielten Aussonderung und Ermordung der gebildeteren Schichten der Bevölkerung - das bekannteste Beispiel ist die Verhaftung und Erschießung der Professoren der altehrwürdigen Jagiellonischen Universität in Krakau und der Katholischen Universität in Lublin noch im November 1939. Die Sowjets verhafteten massenhaft die bürgerlichen „Klassenfeinde” und führten generell im großen Umfang Deportationen polnischer Bevölkerungsteile durch - zwischen 1939 und 1941 in Richtung Sibirien und Kasachstan. Nach 1945 wurde ein Großteil der verbliebenen ostpolnischen Bevölkerung, rund 1,5 Millionen Menschen, in die früheren deutschen Ostprovinzen verschoben, aus den zuvor rund 12 Millionen Deutsche vertrieben worden waren. Desweiteren vertrieb die polnische Armee im Anschluß an den Zweiten Weltkrieg rund eine Million Ukrainer und Weisrussen aus den nunmehr neuen Grenzgebiet zur Sowjetunion in diese. Rund 200.000 Ukrainer aus dem Gebiet der Südbeskiden wurden in das südliche Ostpreussen und in das Gebiet um Stettin zwangsumgesiedelt (Aktion Wisla). Durch diese „ethnischen Säuberungen” entstand ein homogener polnischer Nationalstaat, in dem rund 98 % der Einwohner ethnische Polen sind, im Gegensatz zu einem Anteil von 65 % auf dem polnischen Staatsgebiet in den Grenzen von 1939.
Kriegsverbrechen
Im Verlauf des Polenfeldzuges kam es zu mehreren polnischen und deutschen Kriegsverbrechen.
Die neuere deutsche Geschichtsforschung hat herausgefunden, dass es bereits beim Polenfeldzug 1939 zu erheblichen Kriegsverbrechen seitens der Wehrmacht gegen die polnische Zivilbevölkerung kam. So wurden, meist unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung, zahlreiche Zivilisten bei Massenerschießungen von Angehörigen des sogenannten Selbstschutzes Westpreussen (später ein Teil der SS), des SD und der SS getötet. Der deutsche Historiker Jochen Böhler schätzt die Zahl der zivilen Opfer, die bei solchen Erschießungen getötet wurden, allein für den Zeitraum von September-Oktober 1939 auf mindestens 16.000 Menschen, mit regionalem Schwerpunkt in Westpreussen. Nach der nicht unumstrittenen Ansicht Böhlers sei mindestens die Hälfte von Angehörigen der Wehrmacht und nicht nur durch SS und SD, wie man bis dato glaubte, hingerichtet wurden. Die kriegsgerichtliche Untersuchung und Bestrafung der Täter blieb im Wesentlichen aus.
Am 3. September 1939, also zwei Tage nach dem Angriff auf Polen, kam es von Seite der polnischen Armee in der Stadt Bromberg zu gewalttätigen Übergriffen auf die dort lebende deutsche Minderheit, der genaue Hergang und die Zahl der Opfer dieses, von der NS-Propaganda als Bromberger Blutsonntag bezeichneten, Masssakers sind bis heute umstritten. Die Zahl der geschätzen Opfer dieser Vorgänge reicht von wenigen hundert bis zu meheren tausend.
Folgen
Am 8. Oktober teilten sich das Deutsche Reich und die Sowjetunion im Abkommen von Brest-Litowsk das polnische Gebiet durch eine Demarkationslinie – die Vierte Teilung Polens. Nicht nur die nach dem Versailler Vertrag abgetretenen Gebiete wurden wieder in das Reich eingegliedert, sondern darüber hinaus weite Bereiche Zentralpolens einschließlich der Stadt Lodsch. Der Rest Polens wurde deutsches Generalgouvernement.
Die anschließende Besatzungszeit war von Repressalien der Deutschen und Sowjets gegen die Zivilbevölkerung geprägt. Willkürliche Massenerschießungen insbesondere polnischer Juden im deutschen Besatzungsgebiet und politischer-gesellschaftlicher Gegner des Kommunismus im sowjetischen Besatzungsgebiet. Im deutschen Besatzungsgebiet wurde ein ganzes Netzwerk von Zwangsarbeits- und Konzentrationslagern errichtet. Im weiteren Verlauf der deutschen Besatzung wurde das Gebiet Polens zum Schwerpunkt des Holocaust an den Juden. Im Zuge der Aktion Reinhardt im Jahre 1942 wurden im Süden und Osten Polens eine Reihe von Vernichtungslagern errichtet. Sie bildeten das Zentrum des Holocaust in Europa.
Der schnelle Sieg über Polen prägte den Begriff Blitzkrieg und auch die weitere operative Kriegführung Deutschlands bis Ende 1941.
Rund 100.000 polnische Militärangehörige flüchteten nach Rumänien oder Ungarn und wurden dort interniert. Aus diesen beiden Ländern konnten viele weiter nach Frankreich fliehen.
Ein Teil derjenigen, die die sowjetischen Gulags überlebten, bildete 1941 während der zeitweisen Zusammenarbeit mit Stalin (die auf Drängen Englands zustande kam) die Armee des General Anders. Auf dem Umweg über Persien und Palästina nahm diese Armee den Kampf gegen die Deutschen wieder auf, sie wurde in Nordafrika und in Italien eingesetzt. Weitere Polen wurden ab 1943 in die von den Sowjets aufgestellte Armee des General Berling integriert und kämpften ab 1944 an der Ostfront.
50.000 polnische Soldaten entkamen 1939 nach Litauen und Lettland. Von diesen schlug sich ein großer Teil nach England durch und bildete dort einen weiteren Teil der polnischen Exilarmee im Westen. Diese unterstützte hauptsächlich die britischen Truppen bei Kämpfen in England, Norwegen und bei der Operation Overlord.
Siehe auch
Literatur
- Jochen Böhler (Hg.): „Größte Härte…”. Verbrechen der Wehrmacht in Polen September - Oktober 1939. Osnabrück 2005. ISBN 3938400072
- Jochen Böhler: Auftakt zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen 1939. Frankfurt/Main 2006. ISBN 3596163072
- Rolf Elble: Die Schlacht an der Bzura im September 1939 aus deutscher und polnischer Sicht. Freiburg 1975. ISBN 3793001741
- Janusz Piekałkiewicz: Polenfeldzug. Hitler und Stalin zerschlagen die Polnische Republik. Augsburg 1998. ISBN 3860479075