Ideales Gas

Modell eines realen Gases zur Beschreibung der Eigenschaften
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Als ideales Gas bezeichnet man die idealisierte Modellvorstellung eines Gases. Obwohl es eine starke Vereinfachung darstellt, lassen sich mit diesem Modell bereits viele thermodynamische Prozesse von Gasen verstehen und mathematisch beschreiben.

Modell des idealen Gases

Im Modell des idealen Gases werden alle Gasteilchen als ausdehnungslose Massepunkte angenommen, welche sich frei durch das ihnen zur Verfügung stehende Volumen bewegen können. Mit frei ist gemeint, dass die Teilchen keinerlei Kräfte verspüren. Allerdings dürfen sich die Teilchen untereinander und an der Wand des Volumens stoßen. Ein Gasteilchen bewegt sich also geradlinig mit einer konstanten Geschwindigkeit, bis ein Stoß (elastisch) es in eine andere Richtung lenken und dabei beschleunigen oder abbremsen kann.

Die Annahme von Stößen bei ausdehnungslosen Teilchen ist im Grunde paradox, stellt jedoch eine formale Notwendigkeit dar. Ließe man keine Stöße zu, so könnte man das Gas zum Einen nicht in ein Volumen einsperren, da es die Wand nicht bemerkte, und zum Anderen behielte jedes Gasteilchen für alle Zeiten seine Anfangsgeschwindigkeit. Letzteres würde verhindern, dass sich die Energie des Gases im Mittel gleichmäßig auf alle Teilchen verteilen könnte. Ein solches System kann sich aber nicht im thermodynamischen Gleichgewicht befinden, welches eine zwingende Voraussetzung für Anwendbarkeit der thermodynamischen Hauptsätze ist.

Siehe auch: Kinetische Gastheorie

Thermodynamik

Formelzeichen Bedeutung
Zustandsgrößen
  Druck
  Volumen
  Teilchenzahl
  Absolute Temperatur
  Stoffmenge
  Innere Energie
Konstanten
  Boltzmann-Konstante
  Universelle Gaskonstante
  Plancksches Wirkungsquantum

Zustandsgleichungen

Die thermische Zustandsgleichung zur Beschreibung eines idealen Gases heißt allgemeine Gasgleichung. Sie wurde zuerst aus verschiedenen einzelnen empirischen Gasgesetzen hergeleitet. Später erlaubte die Boltzmann-Statistik eine direkte Begründung ausgehend von der mikroskopischen Beschreibung des Systems aus einzelnen Gaspartikel.

Die allgemeine Gasgleichung beschreibt die Abhängigkeiten der Zustandsgrößen des idealen Gases voneinander. In der Literatur wird sie üblicherweise in einer der folgenden Formen angegeben:

 

wobei   die Gaskonstante bezeichnet. Mithilfe dieser Gleichung und den Hauptsätzen der Thermodynamik lassen sich die thermodynamischen Prozesse von idealen Gasen mathematisch beschreiben.

Neben der thermischen gibt es in der Thermodynamik noch die kalorische Zustandsgleichung. Diese lautet für das ideale Gas:

 

Allerdings sind wegen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik thermische und kalorische Zustandsgleichung voneinander abhängig.

Eigenschaften von idealen Gasen

Ein ideales Gas hat eine Reihe von besondere Eigenschaften, die alle aus der allgemeinen Gasgleichung und den Hauptsätzen der Thermodynamik gefolgert werden können. Die allgemeine Gasgleichung ist die kompakte Zusammenfassung einer Reihe von Gesetzen:

Satz von Avogadro

Gleiche Volumina idealer Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur gleich viele Moleküle.

Die Stoffmenge   als Maß für die Anzahl der Teilchen (Atome oder Moleküle) wird in der internationalen Einheit Mol gemessen.

  •   entspricht  .

Das Mol ist also ein Vielfaches der Einheit, vergleichbar mit dem Dutzend.

Das Volumen eines idealen Gases mit einer Stoffmenge   bei Normalbedingungen (  und  ) ergibt sich aus der allgemeinen Gasgleichung zu:

 

Die molare Masse   (Masse von 1 mol ) entspricht also der Masse einer Gasmenge, die bei 0 °C und   in einem Volumen von 22,414 Litern enthalten ist (Messbar aus der Gewichtsdifferenz eines gasgefüllten und eines evakuierten Kolbens).

Bei konstanter Temperatur ist der Druck umgekehrt proportional zum Volumen:  
Bei konstantem Volumen steigt der Druck wie die absolute Temperatur:  

Dieses Gesetz ist die Grundlage für das Gasthermometer von Jolly.

Bei konstantem Druck steigt das Volumen wie die absolute Temperatur:  

Thermodynamische Größen

Allgemein gilt für ein ideales Gas:

Bei Normalbedingungen gilt für ein ideales Gas:

  • molares Volumen: VM = 0,022414 m3/mol = 22,414 l/mol
  • Volumenausdehnungskoeffizient: γ0 = 1/273,15 K-1
  • Kompressibilität: κ0 = 1/101325 Pa-1

Ideales Gasgemisch

Reversibler Kreisprozess
 
Trennung eines Gasgemischs (gelb) mittels semipermeablen Membranen (rote bzw blaue Platte) in eine Komponente A (grün) und eine Komponente B (braun). Die Entropie bleibt bei diesem Prozess konstant.

Nebenstehend die Zeitrafferdarstellung der reversiblen Entmischung eines idealen Gasgemischs mittels semipermeablen Membranen. Die linke (rote) Membran ist durchlässig für Komponente   (grün) und undurchlässig für Komponente   (braun), während umgekehrt die rechte (blaue) Membran für Komponente   undurchlässig und für Komponente   durchlässig ist. Die Kolben haben gleiche Abmessungen und bewegen sich gleich schnell. Die gesamte von den äußeren Kräften (rote Pfeile auf den Zylindern) geleistete Arbeit beträgt Null. Erfahrungsgemäss tritt bei der Mischung von idealen Gasen keine Mischungswärme auf und das selbe gilt für die reversible Entmischung. Es wird weder Arbeit noch Wärme mit der Umgebung ausgetauscht. Da der Vorgang reversibel ist, bleibt die Entropie konstant.

Bezeichnet   das Volumen,   den Druck,   die Entropie und   die Temperatur des Gemischs, und  ,  ,  ,   und  ,  ,  ,   die entsprechenden Größen der Komponente   bzw  , so gilt:

  •  
  •   (Dalton-Gesetz)
  •  
  •  

Analog gilt für ein mehrkomponentiges ideales Gasgemisch:

 

wenn   die Entropie des Gemischs und   die Entropie der separaten  ten Komponente bei der Temperatur   und dem Volumen   bezeichnet.

Ideale Gase gleicher Temperatur überlagern sich in einem gemeinsamen Volumen ohne gegenseitige Beeinflussung, wobei sich der Druck (Daltonsches Gesetz), die thermodynamischen Potentiale (Entropie, innere Energie, Enthalpie etc) sowie die Wärmekapazitäten der einzelnen Bestandteile zu den entsprechenden Grössen des Gemischs addieren.

Mischungsentropie eines idealen Gasgemischs

Diffusion
thunb
Durch Diffusion vermischen sich verschiedene Gase von selbst und die Entropie nimmt zu.

Nebenstehende Abbildung zeigt, wie durch Diffusion aus zwei ursprünglich getrennten Gasen ein einheitliches Gemisch entsteht. Die Temperaturen   und Drücke   der anfangs getrennten Gase (grün bzw braun) seien gleich. Durch Drehung des oberen der beiden zylindrischen Behälter, die mit ihren ebenen Dichtflächen aneinander liegen (1), werden die abgeschlossenen Volumina   und   zum abgeschlossenen Volumen   vereinigt. Die darin enthaltenen Gase diffundieren ineinander (2), bis schließlich, von selbst ohne äußere Einwirkung, ein einheitliches (homogenes) Gemisch entstanden ist, bei dem jeder Bestandteil gleichmäßig über das gesamte Volumen   verteilt ist (3). Verhalten sich die Gase wie ideale Gase, so tritt bei diesem Diffusionsvorgang keine Mischungswärme auf und es gilt:

  •  
  •  
  •  
  •  

wobei   und   die Molzahlen der getrennten Gase bezeichnen.

Die Mischungsentropie entspricht der Entropieänderung bei Expansion der Gase von ihren ursprünglichen Volumina   bzw   auf das gemeinsame Gemischvolumen  :

 

oder mit  ,   und  :

 

Für ein mehrkomponentiges ideales Gasgemisch gilt analog:

 

Diese Formel gilt, wenn die getrennten Gase keine identischen Bestandteile enthalten, und zwar auch für chemisch sehr ähnliche Gase wie z.B. Ortho- und Parawasserstoff. Sie gilt näherungsweise auch für die Mischungsentropie von realen Gasen, und zwar umso genauer, je besser diese die ideale Gasgleichung erfüllen. Wenn die beiden Teilvolumina   und   jedoch identische Gase enthalten, so findet beim Zusammenbringen keine Diffusion statt und es entsteht auch keine Mischungsentropie. Es ist also unzulässig, quasi in einem kontinuierlichen Grenzübergang die Gase immer ähnlicher und schließlich identisch werden zu lassen - siehe Gibbssches Paradoxon.


Statistische Beschreibung

Während in der Thermodynamik die Zustandsgleichungen als reine empirische Gleichungen eingeführt werden, können diese mit den Mitteln der statistischen Physik direkt aus der mikroskopischen Beschreibung des Systems als Ansammlung einzelner Gaspartikel gewonnen werden. Außer den oben beschriebenen Annahmen des Modells selber wird dabei keine weitere Näherung benötigt. Die Möglichkeit der exakten mathematischen Beschreibung ist mit der Hauptgrund warum das ideale Gas als einfachstes Gasmodell eine breite Anwendung findet und als Ausgangspunkt für bessere Modelle dient.

Zustandssumme des idealen Gases

Hier soll die statistische Beschreibung des idealen Gases mit Hilfe des kanonischen Ensembles erfolgen. Dazu betrachtet man ein System aus   Teilchen in einem Volumen   bei konstanter Temperatur  . Alle thermodynamischen Relationen lassen sich aus der kanonischen Zustandssumme berechnen, welche wie folgt definiert ist:

 

Dabei ist

 

ein Zustand des Systems und

 

die dazugehörige Energie. ri ist der Ort und pi der Impuls des  -ten Teilchens. Für freie, nicht wechselwirkende Teilchen ist die Energie unabhängig vom Ort der Teilchen und ergibt sich als Summe aus den kinetischen Energien der Teilchen:

 

Anstatt die Zustandssumme direkt auszuwerten, kann sie einfacher durch ein Integral über den Phasenraum berechnet werden.

 

Der zusätzliche Faktor   berücksichtigt die Ununterscheidbarkeit der Gasteilchen. Die Ortsraumintegration lässt sich elementar ausführen, da der Integrand nicht vom Ort abhängt.

 

Weiterhin zerfällt die Exponentialfunktion in einzelne Faktoren für jede Impulskomponente. Man erhält so   Integrale der Form

 

welches als Gauß'sches Integral bekannt ist und die oben angegebene Lösung besitzt.

Letztlich erhält man für die kanonische Zustandssumme des idealen Gases

 

wobei im letzten Schritt die thermische Wellenlänge

 

eingeführt wurde. Die Zustandssumme hat die Eigenschaft, dass sie sich auch direkt aus der Zustandssumme eines einzelnen Teilchens berechnet lässt:

 

Diese Besonderheit ist jedem idealen System in der statistischen Physik zu eigen und ist Ausdruck des Fehlens von Wechselwirkungen zwischen den Gasteilchen. Ein besseres Gasmodell, welches diese Wechselwirkungen berücksichtigen will, muss demnach zusätzlich abhängig von mindestens der 2-Teilchen-Zustandssumme sein.

Ableitung der Zustandsgleichungen

Das der kanonischen Zustandssumme zugeordnete thermodynamische Potential ist die freie Energie

 

Aus der freien Energie lassen sich nun alle thermodynamischen Relationen ableiten. Insbesondere soll dies hier für die thermische und kalorische Zustandsgleichung demonstriert werden.

Die thermische Zustandsgleichung ergibt sich aus

 

was durch Umstellen in die bekannte Form der idealen Gasgleichung gebracht werden kann

 


Aus den Gleichungen

 

kann die kalorische Zustandsgleichung bestimmt werden. Diese erhält man jedoch durch Zusammenführen der obigen Gleichungen auch direkt aus der Zustandssumme

 

Mit

 

ergibt sich dann schließlich

 

Gültigkeitsbereich

Unter den realen Gasen kommen die leichten Edelgase und Wasserstoff diesem Zustand am nächsten, insbesondere bei niedrigem Druck und hoher Temperatur, da sie im Vergleich zu ihrer mittleren freien Weglänge eine verschwindend kleine Ausdehnung besitzen. Die Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen in einem idealen Gas wird durch die Maxwell-Boltzmann-Verteilung beschrieben.

Je niedriger der Druck und je höher die Temperatur ist, desto stärker verhält sich ein reales Gas wie ein ideales.

Als quantitative Vergleichsgröße muss hier der kritische Punkt herangezogen werden: Ein reales Gas verhält sich dann wie ein ideales, wenn sein Druck klein gegenüber dem kritischen Druck bzw. seine Temperatur groß gegenüber der kritischen Temperatur ist.

Ideale Gase unterliegen nicht dem Joule-Thomson-Effekt, woraus man folgern kann, das ihre innere Energie und ihre Enthalpie unabhängig von Druck und Volumen sind. Der Joule-Thomson-Koeffizient beträgt daher bei idealen Gasen immer Null und die Inversionstemperatur (Tiγ = 1) hat keinen diskreten Wert, erstreckt sich also über den gesamten Temperaturbereich.

Erweiterungen

Ideales mehratomiges Gas

Möchte man mit dem idealen Gasmodell mehratomige Gaspartikel, also Moleküle, beschreiben, so kann das durch eine Erweiterung der kalorischen Zustandsgleichung geschehen

 

Dabei gibt   die Anzahl der Freiheitsgrade pro Teilchen an. Moleküle haben neben den drei Translationsfreiheitsgraden weitere Freiheitsgrade für Rotationen und Schwingungen. Jede Schwingung hat dabei zwei Freiheitsgrade.

Beispielsweise besitzt ein zweiatomiges Gas insgesamt 7 Freiheitsgrade, nämlich

  • 3 Translationsfreiheitsgrade,
  • 2 Rotationsfreiheitsgrade für Rotationen um Achsen senkrecht zur Verbindungslinie der Molekülatome und
  • 2 Schwingungsfreiheitsgrade für die eine mögliche Schwingung der Molekülatome zueinander.

Da in der Natur die Rotations- und Schwingungsfrequenzen von Molekülen gequantelt sind, wird eine gewisse Mindestenergie benötigt, um diese anzuregen. Unter Normalbedingungen reicht die thermische Energie nur, um in einem zweiatomigen Molekül Rotationen anzuregen, Schwingungen sind erst bei höheren Temperaturen anregbar. Aus dem gleichen Grund tritt der theoretisch vorhandene dritte Rotationsfreiheitsgrad für Rotationen um die Verbindungslinie in der Praxis nicht auf, da die dazu nötigen Energien ausreichten, um das Molekül zu dissoziieren. Hier lägen dann wieder einatomige Gaspartikel vor.

Relativistisches ideales Gas

Wenn die Temperaturen so groß werden, dass die mittleren Geschwindigkeiten der Gaspartikel mit der Lichtgeschwindigkeit vergleichbar werden, so muss die relativistische Massenzunahme der Teilchen berücksichtigt werden. Dieses Modell läßt sich ebenfalls gut theoretisch beschreiben, allerdings ist ein reales Gas im Regelfall bei sehr hohen Temperaturen bereits ein Plasma, d. h. die vorher elektrisch neutralen Gaspartikel liegen getrennt als Elektronen und Ionen vor. Da die Wechselwirkung zwischen Elektronen und Ionen aber wesentlich stärker als zwischen neutralen Teilchen ist, kann die Modellvorstellung eines idealen Gases nur begrenzten Aufschluss über die Physik von heißen Plasmen liefern.

Ideales Quantengas

Jede Art von Materie besteht letztendlich aus Elementarteilchen, die entweder Fermionen oder Bosonen sind. Bei Fermionen und Bosonen muss immer die sogenannte Austauschsymmetrie berücksichtigt werden, was die statistische Beschreibung des Systems ändert. Ein ideales Gas ist im Grunde genommen also immer entweder ein ideales Fermigas oder ein ideales Bosegas. Die Quantennatur eines Gases wird jedoch erst spürbar, wenn die mittlere freie Weglänge der Gaspartikel vergleichbar oder kleiner als ihre thermischen Wellenlänge wird. Dieser Fall gewinnt folglich bei tiefen Temperaturen oder sehr hohen Drücken an Bedeutung.

Ideale Quantengase haben ein sehr breites Anwendungsspektrum gefunden. Beispielsweise können die Leitungselektonen in Metallen hervorragend durch das ideale Fermigas beschrieben werden. Die Hohlraumstrahlung und das Plancksche Strahlungsgesetz eines schwarzen Körpers hingegen kann durch das ideale Photonengas – welches ein besonderes (masseloses) ideales Bosegas ist – ausgezeichnet erklärt werden. Ideale Bosegase können zudem bei sehr tiefen Temperatur einen Phasenübergang zu Bose-Einstein-Kondensaten zeigen.

Van-der-Waals Gas

Reale Gase werden besser durch das sogenannte Van-der-Waals-Gas beschrieben, welches die immer vorhandenen Van-der-Waals-Kräfte zwischen den Gaspartikeln und zusätzlich deren Eigenvolumen berücksichtigt. Die Van-der-Waals-Gleichung modifiziert die ideale Gasgleichung um zwei entsprechende Zusatzterme. In der statistischen Beschreibung kann diese Gleichung durch die sogenannte Virialentwicklung gewonnen werden.

Siehe auch

Für ideale Gasgemische siehe Gasgemisch