Vielehe
Die Polygamie – von griech. πολύς (pollys) (= viel) und γάμος (gamos) (= Ehe) – bezeichnet eine Form der Vielehe und von eheähnlichen Beziehungen. Bei zwei Ehen spricht man von Bigamie. Polygamie wird im Allgemeinen als das Gegenteil von Monogamie verstanden. Polygamie als gesellschaftliche Institution ist zu unterscheiden von Polyamorie, bei der die Partner freiwillig entgegen gesellschaftlichen Normen mehrere offen geführte Liebesbeziehungen eingehen können, und die als Subkultur einen Teil der Queer-Bewegung darstellt.
Es wird unterschieden zwischen Polyandrie (Vielmännerei – bei der eine Person mehrere männliche Partner hat) und Polygynie (Vielweiberei – bei der eine Person mehrere weibliche Partner hat) sowie der so genannten Gruppenehe (Polygynandrie) und anderen Eheformen, bei denen mehrere Frauen und mehrere Männer beteiligt sind.
Rechtsdogmatischer Grund für die Strafbarkeit der Polygamie
Polygamie ist schon sehr lange strafbar. Der genaue Ursprung der Strafbarkeit lässt sich nicht feststellen. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass die Herrscher durch das Verbot der Polygamie eine Machteinschränkung erreichen wollten. In früheren Stammesgesellschaften ließ sich eine zentrale Regierungsgewalt nur schwer durchsetzen. Mit dem Verbot der Vielehe ging der Niedergang der Stammesgesellschaften einher, weil ein Mann mit nur einer Frau eben nur eine begrenzte Anzahl von Kindern haben kann. Gleichzeitig wurde durch das Erbrecht eine willkürliche Güterverschiebung für den Todesfall durch den Stammesführer unterbunden. Die feudalen Herrscher früherer Zeiten konnten ihre Zentralgewalt so dauerhaft sichern.
Diese Motivation für das Verbot der Vielehe ist nicht mit der gegenwärtigen Dogmatik dazu zu verwechseln. Heutzutage dient das Verbot der Vielehe gerade der Verhinderung einer Verdinglichung der Frau. Heiratet ein Mann (und das ist wohl Regelfall) mehrere Frauen, bekommen diese in der Gesellschaft einen gewissen Wert. Gegenwärtig lässt sich dies in einigen Gesellschaften beobachten, wie z.B. bei den Kurden - dort ist die Zahlung eines Brautpreises heute noch der Regelfall.
Polygamie in Deutschland
Grundsätzlich ist die Bigamie, also das Eingehen mehrerer Ehen, in der Bundesrepublik Deutschland laut § 1306 BGB (vgl. Doppelehe) verboten und wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (siehe § 172 StGB). Jedoch ist es nicht strafbar, dass eine Person mit mehreren Frauen oder Männern in Geschlechtsgemeinschaft zusammenlebt; man kann aber lediglich eine einzige staatlich anerkannte Ehe eingehen.
Allerdings ist die eheliche Polygamie unter Umständen schützenswert, wenn sie im Ausland rechtmäßig zu Stande kam. So entschied das Oberverwaltungsgericht von Rheinland-Pfalz am 12. März 2004 unter dem Aktenzeichen 10 A 11717/03. OVG, dass die Ausländerbehörde der Stadt Ludwigshafen der Zweitfrau eines Irakers, der seit 1996 in der Bundesrepublik lebte, eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen hatte, da die Ehe der Zweitfrau wie die der Erstfrau rechtsgültig anerkannt wurde. Derartige Urteile wurden von Politikern und einigen Medien jedoch heftig kritisiert.
Im Dritten Reich wurden Frauen nicht wegen Ehebruchs bestraft, wenn sie außerehelich schwanger wurden, vorausgesetzt, beide Partner waren „arischen Blutes“. Zudem erlaubten Frauen, welche an den Nationalsozialismus glaubten, ihren Männern diese Promiskuitäten.
Polygamie in Großbritannien
1922 gestand eine Britin aus Sheffield mit 61 Männern verheiratet zu sein. Dies ist bisher die höchste bekannte Anzahl von Ehen.
Polygamie in den USA
Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, auch als Mormonen bekannt, erlaubte und förderte die Polygamie zwischen 1852 und 1890 offiziell; im Geheimen wurde sie auch schon einige Jahre vorher und noch einige Jahre später gepflegt. Erst im frühen 20. Jahrhundert unter Joseph F. Smith hat sich die Kirche nach einer Zeit der Ambivalenz offensiv gegen die Polygamie gewandt; bekannte Polygamisten werden seitdem rigoros exkommuniziert. Den die Polygamie lehrenden Abschnitt 132 ihrer heiligen Schrift Lehre und Bündnisse hat die Kirche beibehalten, er wird jedoch heute nur noch symbolisch-mystisch interpretiert und wurde um eine Erklärung ergänzt, die die praktische Ausübung der Polygamie verbietet. Die meisten schon vor 1852 abgespaltenen mormonischen Gruppen, darunter die Gemeinschaft Christi, lehnen die Polygamie strikt ab.
Heute pflegen nur noch einige meist kleine fundamentalistische Splitterkirchen, die sich meist nach 1890 von der Hauptkirche abgetrennt haben, die Polygamie. Dazu gehören die Fundamentalistische Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und die Apostolic United Brethren. Viele dieser Gruppen leben in extrem abgelegenen Örtlichkeiten, in denen außer ihnen niemand siedelt; auf diese Weise dominieren sie auch die dortige Lokalpolitik. Dabei ist meist nur die erste Frau legal mit ihrem Ehemann verheiratet, teilweise werden auch überhaupt keine Zivilehen geschlossen. Manchmal lässt sich das Paar wieder scheiden, damit der Mann eine weitere Frau heiraten kann, um sich nach einer gewissen Zeit wieder scheiden zu lassen usf. In Tat und Wahrheit geht es nur um den Familiennamen und juristische Gründe (z.Bsp. eine Aufenthaltsbewillingung). In der Regel hilft die ganze Großfamilie mit, die finanziellen Bedürfnisse zu befriedigen und die Kinder zu erziehen.
Einige dieser Kirchen sind totalitäre religiöse Gruppen, die immer wieder negative Schlagzeilen machen – etwa durch Kindesmissbrauch, Inzest, Zwangsheiraten, Vergewaltigung in der „Ehe“, Sozialhilfebetrug, Ehrenmorde an Aussteigern, Bildungsfeindlichkeit, zwangsweise Vertreibung „überzähliger“ junger Männer, Verweigerung jeder Zusammenarbeit mit der Staatsmacht und allgemein äußerst autoritäres Verhalten und Machtmissbrauch ihrer „Propheten“. Daneben gibt es im mormonischen Umfeld noch eine große Zahl individueller Fundamentalisten, die in ihrer eigenen Familie die Polygamie pflegen, ohne einer dieser Splitterkirchen anzugehören. Manche halten dies geheim, um ihre Mitgliedschaft in der Hauptkirche und vor allem ihre Zutrittsberechtigung zu deren Tempeln zu behalten, andere nehmen den Ausschluss in Kauf. Es wird geschätzt, dass heute zwischen 20.000 und 40.000 Einwohner der USA in polygamistischen mormonischen Gruppen oder polygamistischen Einzelfamilien leben, die meisten davon in Utah und dessen Nachbarstaaten. Zum Vergleich: die mormonische Hauptkirche hat heute ca. 12 Millionen Mitglieder.
Einige heutige Mitglieder der Hauptkirche behaupten, die früheren Vielehen hätten keine sexuellen Beziehungen beinhaltet, sondern hätten nur der materiellen Versorgung der Frauen, deren Männer nach dem Umzug nach Westen verstorben waren, gedient. Dem widerspricht allerdings die Tatsache, dass etwa Brigham Young, der zweite Vorsitzende dieser Kirche, immerhin 57 Kinder von 16 Frauen hatte (Quellen siehe dort), auch wenn er daneben tatsächlich noch etwa 30 solche reinen Versorgungsehen vor allem mit älteren Witwen eingegangen war. Dies wurde seinerzeit auch keineswegs verschwiegen oder geheimgehalten. Auch heutige Kirchenführer verschweigen es nicht und sehen die damaligen sexuellen Beziehungen zu mehreren „rechtmäßig angetrauten“ Ehefrauen als vor Gott gerechtfertigt an, vermeiden das Thema jedoch nach Möglichkeit. Außereheliche sexuelle Beziehungen allerdings führten damals wie heute zu Disziplinarmaßnahmen bis hin zum Ausschluss aus der Kirche.
Polygamie in Afrika
Im südafrikanischen Königreich Swasiland ist Polygamie nichts ungewöhnliches. Der jetzige König Mswati III. hat erst im Mai 2005 seine 12. Frau geheiratet. Sein Vater König Sobhuza II., der 1982 starb, hatte immerhin zehn mal so viele Frauen.
Polygamie im Islam [1]
Die Praxis der Polygamie in der islamischen Welt differiert stark. Neben Ländern, in denen sie weit verbreitet ist, begegnet sie in den meisten anderen Staaten selten bis gar nicht. Am häufigsten wird die Mehrehe in Westafrika – unter Muslimen wie Nicht-Muslime – sowie in einigen arabischen Staaten praktiziert. In anderen vom Islam (mit) dominierten Regionen begegnet sie hingegen nicht oder nur sehr selten. In einigen islamischen Staaten wie der Türkei ist sie verboten.
Zwischen jenen islamischen Staaten, in denen Polygamie zu finden ist, bestehen einige grundsätzliche Übereinstimmungen. Gemäß dem islamischen Recht darf ein Mann bis zu vier Frauen ehelichen. Jeder hat er einen eigenen Haushalt und eigenes Vermögen einzurichten, sowie eine Mitgift zu geben. Üblicherweise pflegen die Frauen keinen Kontakt untereinander, sondern führen ihr Leben getrennt in je eigenen Häusern, manchmal auch in verschiedenen Orten. Damit ist die Mehrehe auf wohlhabende Männer beschränkt; zuweilen untersagen gesetzliche Regelungen jenen Männern, die nicht jeder Frau einen eigenen Hausstand einrichten können, die Polygamie.
Die Beschränkung der Mehrehe auf vier Frauen fußt auf dem Koran, Sure 4:3:
- „Heiratet, was euch an Frauen gut ansteht, zwei, drei oder vier; und wenn ihr fürchtet, nicht billig zu sein, [heiratet] eine … So könnt ihr am ehesten Ungerechtigkeit vermeiden.“
In den folgenden Versen, mit denen 4:3 inhaltlich verbunden ist, geht es um die Vermählung mit Waisen. Die Vormunde verwaister Mädchen erlangen, insbesondere zur Zeit der Niederschrift des Korans, einen Vorteil, falls die Mündel heiraten wollen. Als ihre Vormunde konnten sie versucht sein, die Anvertrauten, ohne ein ausreichendes Brautgeld zu entrichten, zu heiraten, indem sie das Erbe für sich beanspruchten. Der Koranvers besagt im Kontext, dass Männer, die befürchten, die anvertrauten Waisen, die sie zur Frau nehmen möchten, möglicherweise nicht gerecht behandeln zu können, sich andere Frauen nehmen können, die dann nicht verwaist, sondern frei sein sollen, die Familien oder Vormunde zur Seite haben, die sie beschützen können. Allerdings ist auch eine andere Deutung möglich: falls ein Mann, der für eine anvertraute Waise verantwortlich ist, befürchtet, diese nicht gerecht behandeln zu können, kann er seiner Frau bzw. seinen Frauen die Aufgabe übertragen, sich um die Mündel zu kümmern.
Dabei ist zu beachten, dass es sich hierbei um Vollwaisen handelt, die weder Vater noch Mutter noch sonstige enge Verwandte haben, die die Vormundschaft übernehmen könnten. Denn diese Personen besaßen zur Zeit der Abfassung des Korans einen besonders niedrigen sozialen Status und keine heute mehr rekonstruierbaren Rechte, soweit sie nicht vom Vormund eingeräumt wurden. Den Rahmen für das rechtliche Verhältnis zwischen ihnen legen die Verse 4:23-24 fest, das den Frauen einen Mann nach islamischem Recht nach 4:3 zu ehelichen erlaubt.
Einige Muslime betonen hingegen, dass der Koran die Polygamie verbiete[2]. Dabei berufen sie sich auf Sure 4:129:
- „Und ihr könnt zwischen den Frauen keine Gerechtigkeit üben, so sehr ihr es auch wünschen möget.“
In Verbindung mit dem Gebot der Gleichbehandlung nach 4:3 und Argumenten aus dem näheren Kontext, schlussfolgern sie, dass eine Mehrehe nur in wenigen besonders außergewöhnlichen Situationen erlaubt sei; als Beispiel wird Männermangel in Folge eines Krieges genannt. Grundsätzlich sei jedoch die Einehe vorzuziehen.
Gegner dieser Position glauben, dass 4:129 weder Polygamie verbietet noch von ihr abrät, sondern den Mann anleitet, alle seine Frauen gerecht zu behandeln, auch wenn er sie nicht alle in gleicher Weise wird lieben können oder für sie das Gleiche empfinden wird.
Dabei stützen sie sich auf die Fortsetzung in Sure 4:129:
„Aber neigt euch nicht gänzlich (einer) zu, so dass ihr die andere gleichsam in der Schwebe lasset. Und wenn ihr es wiedergutmacht und gottesfürchtig seid, so ist Allah Allverzeihend, Barmherzig.“
Die Zulassung der Polygamie bedeutet nach manchen Erklärungen auch den Schutz des Mannes vor eigenem Ehebruch, da die Psychologie gezeigt habe, dass Männer eher dazu neigen, mit mehreren Frauen intime Kontakte zu pflegen als Frauen.
„Studien des Evolutionspsychologen David C. Schmitt von der Bradley Universität basierten auf der Erhebung unter 16.000 College-Studenten aus 52 Nationen. Insgesamt sagten mehr als 52 Prozent der befragten männlichen Teilnehmer der Studie aus, dass sie sich mehr als eine Sexualpartnerin in den kommenden Monaten wünschen würden, während lediglich 4,4 Prozent der Probandinnen diese Absicht äußerten. Gleichfalls waren die Männer eher zu Sexualkontakten mit Personen, die sie erst seit kurzer Zeit kannten, bereit, während die weiblichen Befragten sich mehr Zeit nehmen wollten, um den Partner kennen zu lernen (…)
Dass Schmitts Untersuchung nahe legt, dass Männer anscheinend ihren sexuellen Drang und das umherschweifende geifernde Auge nicht beherrschen können, weil es in ihren Genen angelegt ist, macht sie so wertvoll. Die ‚Chicago Sun-Times‘ bringt es in einer Überschrift auf den Punkt: ‚Forscher sagt: Männer sind geboren zum Unsinn machen‘. [3]
Der Islam erlaubt vorehelichen Geschlechtsverkehr nicht. Von Männern wird verlangt, dass sie ihren Blick senken, wenn sie eine nicht mit ihnen verwandte Frau wahrnehmen. In Sure 24:30 heißt es:
- „Sprich zu den gläubigen Männern, dass sie ihre Blicke zu Boden schlagen und ihre Keuschheit wahren sollen. Das ist reiner für sie. Wahrlich, Allah ist dessen, was sie tun, recht wohl kundig.“
Damit ein Mann eine Frau begehrend anschauen darf, muss er mit ihr verheiratet sein. Ein versehentlicher Streifblick mag ein erster Anblick sein, ein zweiter Blick aber ist nicht gestattet; das wäre eine Sünde. Das islamische Recht will „zina“[4], vor- oder außereheliche Sexualkontakte, auslöschen.
Bezüglich des Verhaltens der Frau sagt Sure 24:31:
- „Sprich zu den gläubigen Frauen, dass sie ihre Blicke zu Boden schlagen und ihre Keuschheit wahren und ihren Schmuck nicht zur Schau tragen sollen – bis auf das, was davon sichtbar sein darf, und dass sie ihre Tücher um ihre Kleidungsausschnitte schlagen und ihren Schmuck vor niemand (anderem) enthüllen sollen als vor ihren Gatten oder Vätern oder den Vätern ihrer Gatten oder ihren Söhnen oder den Söhnen ihrer Gatten oder ihren Brüdern oder den Söhnen ihrer Brüder oder Söhnen ihrer Schwestern oder ihren Frauen oder denen, die sie von Rechts wegen besitzen, oder solchen von ihren männlichen Dienern, die keinen Geschlechtstrieb mehr haben, und den Kindern, die der Blöße der Frauen keine Beachtung schenken. Und sie sollen ihre Füße nicht so (auf den Boden) stampfen, dass bekannt wird, was sie von ihrem Schmuck verbergen. Und wendet euch allesamt reumütig Allah zu, o ihr Gläubigen, auf dass ihr erfolgreich sein möget.“
Gleichfalls müssen die muslimischen Frauen ihre Körper vom Kopf bis zu den Zehen verhüllen, um „fitnah“ [5] und „zina“ (s.o.) zu vermeiden. Geregelt wird dies in Sure 33:59:
- „O Prophet! Sprich zu deinen Frauen und deinen Töchtern und zu den Frauen der Gläubigen, sie sollen ihre Übergewänder reichlich über sich ziehen. So ist es am ehesten gewährleistet, dass sie (dann) erkannt und nicht belästigt werden. Und Allah ist Allverzeihend, Barmherzig.“
Quellen
- ↑ Grundlage ist der Artikel der englischen Wikipedia Polygamie im Islam
- ↑ [1]
- ↑ [2]
- ↑ „Zina“-Artikel der englischen Wikipedia
- ↑ „Fitna“ bedeutet etwa „Unglaube“ oder „Verführung“, vgl. Sure 8:39; siehe auch „Fitna“-Artikel der englischen Wikipedia
Siehe auch
Weblinks
Literatur
Uwe Wesel: Die Geschichte des Rechts, ISBN: 3-406-47543-4