Chinesisches Porzellan
Chinesisches Porzellan stellt einen zentralen Bestandteil der Kunst und Kultur Chinas dar. Es wurde zum Vorbild der Porzellanerzeugung auch im Westen.

Material und Herstellung
Chinesisches Porzellan besteht meist aus
- Kaolin (高嶺土), einer speziellen, vorwiegend aus Kaolinit bestehenden, eisenarmen Tonerde, benannt nach dem chinesischen Berg Gaoling (高嶺),
- Petuntse (白墩子), einem Feldspat- bzw. Glimmergestein, sowie
- Quarz
Das Kaolin ist aufgrund seiner körnigen Struktur zur Aufnahme relativ großer Mengen von Wasser fähig und verleiht der Werkmasse ihre Formbarkeit und Feuerfestigkeit. Petuntse und Quarz vermindern als sog. Magerungsmittel die Formbarkeit des Stoffs, verringern dafür aber den Volumensschwund beim Trocknen und Brennen. Die Petuntse stellt darüberhinaus ein Flussmittel dar, sie ist der einzige Bestandteil, der beim Brennen schmilzt.
Chinesisches Porzellan wird gewöhnlich nur einfach gebrannt, also Material und Glasur in einem Vorgang. Nachdem die Form eines Stücks fertiggestellt ist, wird sie luftgetrocknet, glasiert, abermals getrocknet und schließlich gebrannt. Unter der hohen Temperatur des Brennofens verschmelzen Material und Glasur zu einer untrennbaren Einheit. Chinesische Email-Arbeiten werden auf ähnliche Weise produziert, wobei aber dem ersten Brennvorgang unter hoher Temperatur der Auftrag des Emails und diesem schließlich ein zweiter Brennvorgang in einem Ofen mit niedrigerer Temperatur folgt.
Klassifikation
Im Westen unterscheidet man gewöhnlich drei Arten von Keramik, nämlich je nach Zusammensetzung des Werkstoffs und Brenntemperatur Steingut, Steinzeug und Porzellan. Auch betrachtet man dort häufig die Transparenz des Materials als Wesensmerkmal des Porzellans.
Im chinesischen Kulturkreis gibt es nur zwei Kategorien, nämlich heißgebranntes (cí 瓷) und kaltgebranntes (táo 匋) Porzellan. Auch dickere und undurchsichtige Keramiken werden als Porzellan eingestuft, wenn sie nur beim Anschlagen das für diesen Werkstoff typische Geräusch erzeugen.
Häufig findet man in China auch die Unterscheidung zwischen “nördlichem” und “südlichem” Porzellan, was auf die unterschiedlichen geologischen Beschaffenheiten der beiden Landesteile, aber auch auf in ihnen jeweils bevorzugten Brennstoffe zurückzuführen ist. In den kohlebeheizten Brennöfen des Nordens wurde bevorzugt stärker kaolinhaltige Werkmasse bei hohen Temperaturen gebrannt. Mit der im Süden verbreiteten Holzbefeuerung erreichte man meist niedrigere Temperaturen, der Grundstoff wies meist höhere Anteile an Petuntse auf.
Geschichte
Anfänge
Wenn die Geschichte der Keramik in China bis weit ins zweite vorchristliche Jahrtausend zurückreicht, fällt die Datierung des ersten Porzellans mit Blick auf das Fehlen einer verbindlichen Begriffsbestimmung schwer. Vorgeschlagen wurden insofern die späte Östliche Han-Dynastie (100-200 n.Chr.), die Zeit der drei Reiche (220-280 n.Chr.), die Periode der Sechs Dynastien (220-589 n.Chr.) sowie die Tang-Dynastie (618-906 n.Chr.). Einige Fachleute vertreten die Ansicht, das erste „echte“ chinesische Porzellan sei zur Zeit der östlichen Han in Zhejiang gefertigt worden. Insbesondere sei gerade dort ein ausreichendes Vorkommen der oben genannte Grundstoffe zu verzeichnen gewesen, auch wurden in der Provinz bei Temperaturen von 1260-1300 Grad gebrannte Scherben gefunden.
Jingdezhen
Spätestens seit der frühen Han-Dynastie war die Stadt Jingdezhen zu einem der wichtigsten Keramikzentren Südchinas aufgerückt. Die ältere Ware wurde noch kaltgebrannt, im 5. und 6. Jahrhundert produzierte man aber bereits unter Verwendung lokaler Rohmaterialien eine Art von Porzellan. 1004 machte der Song-Kaiser Jingde Jingdezhen zur Produktionsstätte für kaiserliches Porzellan.
Während der Song- und Yuan-Dynastie produzierte man Porzellan in Jingdezhen und anderen südchinesischen Brennstätten teilweise unter alleiniger Verwendung von Petuntse bei Temperaturen von ca. 1.250 Grad. Im frühen achtzehnten Jahrhundert mischte man diese aber wieder zunehmend zu gleichen Teilen mit Kaolin und brannte bei 1.350 Grad. So entstand ein sehr dauerhaftes Porzellan von strahlendem Weiß. In den eiförmig gebauten Brennöfen des Südens herrschten große Temperaturunterschiede, die durch Variierung des Kaolinanteils der Werkmasse ausgeglichen werden mussten.
Zwei Beschreibungen der Manufaktur von Jingdezhen sind aus der Qing-Zeit erhalten: Der gegen Ende der Kangxi-Periode in der Stadt wirkende Jesuitenmissionar Père Francois Xavier d'Entrecolles etwa schilderte in seinen Briefen detailliert die bei der Porzellanherstellung verwendeten Materialien und Verfahren. Als Motiv hierfür gab er reine Neugierde an, räumte aber auch ein, dass seine Beschreibungen für Europa von Nutzen sein könnte. Freilich erreichte sein 1712 verfasster Brief Europa erst, als Johann Friedrich Böttger das Geheimnis des Porzellans ohnehin bereits entschlüsselt hatte. 1743, zur Regierungszeit Qianlongs, verfasste dann der kaiserliche Manufakturvorsteher Tang Ying ein Memorandum mit dem Titel „Zwanzig Illustrationen der Porzellanmanufaktur“. Die Illustrationen selbst sind heute nicht mehr erhalten, sehr wohl aber der Text.
Sui- und Tang-Dynastie
Während der Sui- und Tang-Dynastie (581-906) wurden große Mengen heiß- wie kaltgebrannter Keramik produziert, darunter auch die bekannte Bleiglasurware der Tang-Zeit (三彩 „sancai“, „dreifarbig“), das heißgebrannte Kalkglasur-Celadon Yue sowie die kaltgebrannte Changsha-Ware. In den nordchinesischen Provinzen Henan und Hebei fertigte man heißgebranntes Transparentporzellan.
Aus dieser Epoche stammt auch eine der ersten Erwähnungen chinesischen Porzellans durch einen Ausländer. In China habe man, so die Aufzeichnungen eines arabischen Reisenden des 8. oder 9. Jahrhunderts, eine sehr feine Tonerde, aus der man Vasen fertige, die so durchsichtig wie Glas seien. Glas war in der arabischen Welt damals wohlbekannt, so dass eine Verwechslung der beiden Materialien ausgeschlossen werden kann.
Seladon-Porzellan
In der Songzeit produzierte man insbesondere in Kaifeng und Longquan in großen Mengen das berühmte Seladon-Porzellan, dessen Herstellungsmethode bereits seit dem 4. Jahrhundert bekannt war.
Die charakteristische olivgrüne, an Jade erinnernde Glasur entsteht durch Reduktion von Eisenoxid während des Brennvorgangs. Bei den Gefäßtypen orientierte man sich weitgehend an den klassischen, seit der Bronzezeit im Wesentlichen unverändert gebliebenen Formen. Häufig wurden in den Scherben geometrische, florale oder zoomorphe Reliefs aufmodelliert oder eingeritzt.
Die Seladonware aus Longquan erfreute sich nicht nur am chinesischen Kaiserhof großer Beliebtheit, sondern wurde von Anfang an in zahlreiche Länder Asiens exportiert. In der Blütezeit der Ming-Dynastie erreichte sie schließlich Europa, wo sie zunächst mit Gold aufgewogen wurde.
Jian-Teeporzellan
Das aus der Präfektur Jianyang der Provinz Fujian stammende sog. Jian-Schwarzporzellan wurde vor allem für Teeservices verwendet und erreichte den Höhepunkt seiner Verbreitung während der Song-Dynastie. Hierfür verwendete man eisenreiches Kaolin aus lokalen Vorkommen, das man unter großer Sauerstoffzufuhr bei ca. 1.300 Grad brannte. Die Glasur wurde aus ähnlicher Tonerde wie das Werkstück selbst hergestellt, aber mit Holzkohle vermischt. Bei den hohen Brenntemperaturen bildeten sich innerhalb der Glasur einzelne Schichten heraus, die das berühmte „Hasenfell“-Muster erzeugten.
Hochgeschätzt und dementsprechend häufig kopiert wurde das Jian-Porzellan vor allem in Japan, wo man sie unter dem Namen temmoku oder Tenmoku kennt. Die Schichtenbildung in der eisenreichen Glasur des chinesischen Schwarzporzellans wurde auch benutzt, um die bekannten „Ölfleck“-, „Teestaub“ und „Rebhuhnfeder“-Muster hervorzubringen.
Qingbai-Porzellan
Qingbai-Porzellan (青白; qīngbái="grünweiß") wurde seit der nördlichen Song-Dynastie in Jingdezhen und zahlreichen anderen südchinesischen Brennstätten hergestellt. Anfang des 14. Jahrhunderts wurde es fast vollständig von der aufkommenden Blau-Weiß-Ware verdrängt. Das unter Verwendung von Petuntse gefertigte, schwach eisenhaltige Material ist ursprünglich weiß, erhält durch die Glasur aber den typischen grünlichen Schimmer, der ihm den Namen gegeben hat. Erhalten geblieben sind insbesondere Schalen, teilweise mit eingeritztem oder aufmodelliertem Muster. Ein Großteil der Qingbai-Ware wurde für den Alltagsgebrauch geschaffen und genoss deshalb zum Zeitpunkt seiner Entstehung weitaus geringere Wertschätzung als heute.
Ein bemerkenswertes Qingbai-Stück ist die heute im Irischen Nationalmuseum befindliche sogenannte “Fonthill-Vase”. Angeblich soll es sich um das erste jemals nach Europa gelangte Stück chinesischer Porzellankunst handeln. Die vermutlich um 1300 in Jingdezhen gebrannte Vase war Papst Benedikt XII. 1338 vom letzten Yuan-Kaiser als Geschenk gesandt worden.
Blau-Weiß-Stil
In der Tradition der frühen Qingbai-Ware wurde auch das Blau-Weiß-Porzellan mit transparenter Glasur versehen. Die blaue Farbe besteht aus einem Gemisch aus Kobaltoxid und Wasser und wurde auf das Porzellan vor der Glasierung und dem Brennvorgang aufgetragen. Die verschiedenen Blautöne erlauben Rückschlüsse auf die geographische Herkunft des Kobalts und erleichtern dadurch die Datierung: Zunächst importierte man den Farbstoff aus Persien, Sumatra und Malaya, ab dem 16. Jahrhundert dagegen aus Chinesisch-Turkestan, gegen Ende der Ming-Dynastie entdeckte man schließlich noch zentraler gelegene Vorkommen in den Provinzen Jiangxi, Guangdong und Zhejiang.
Das erste Blau-Weiß-Porzellan in Unterglasurtechnik soll in der Tang-Dynastie entstanden sein. Aus dieser Zeit sind lediglich drei vollständige Stücke enthalten, jedoch wurden in der Nähe von Yangzhou (Provinz Jiangsu) auf das 8. oder 9. Jahrhundert zu datierende Scherben ausgegraben. In den 1970er Jahren fand man in Zhejiang, Jiangsu und Jiangxi mehrere Blau-Weiß-Schalen aus der Song- und Yuan-Dynastie. Seine Blütezeit erlebte der Stil aber erst in der Ming-Dynastie; insbesondere die geradezu sprichwörtlich gewordene „Mingvase“ prägt die europäische Vorstellung von chinesischer Porzellankunst in besonderem Maße.
Beim Dekor herrschten zunächst vor allem geometrische, ornamentale und florale Motive vor, in geringerem Umfang auch Drachen, Vögel und Fische. Im 15. Jahrhundert nahm die Dichte des Dekors ab, dafür legte man größeren Wert auf eine Gliederung in ein Zentralmotiv und peripherere Ornamentbänder und -friese. Mitte des 16. Jahrhunderts etablierten sich neben dem klassischen Dekorschatz schließlich auch Landschaftsmotive, Szenen aus dem Hofleben und der daoistische Geisteswelt sowie Darstellungen aus Werken der klassischen Literatur.
Dehua-Porzellan (Blanc-de-Chine)
Ebenfalls in der Ming-Zeit kam das Dehua-Porzellan auf. Der Name leitet sich von seinem in der Provinz Fujian gelegenen Produktionsort ab. In Europa ist auch die Bezeichnung Blanc-de-Chine gebräuchlich.
Dehua-Porzellan ist in aller Regel weiß oder cremefarben und unbemalt. In der Kangxi-Epoche, deren Stücke als die kostbarsten gelten, herrschte ein rosa-cremefarbener Schimmer vor, in der Regierungszeit Qianlongs indes eher eine bläuliche Färbung. Der Werkstoff weist einen relativ niedrigen Kaolingehalt auf, die Stücke wurden mit einer etwas dickeren Glasurschicht überzogen. Häufig verarbeitete man Dehua-Porzellan zu Plastiken und Skulpturen; beliebt waren etwa Statuetten der Barmherzigkeitsgöttin Guanyin für den Hausaltar.
Ab dem 17. Jahrhundert stellte Dehua-Ware auch einen relativ großen Anteil am nach Europa verschifften sogenannten Exportporzellan dar. Durch Nachahmung an den Fürstenhöfen des Rokoko-Zeitalters sollte es erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der westlichen Porzellankunst gewinnen.
Porzellan der Qing-Zeit
In der Qing-Zeit behielt man die Herstellungstechnik der Ming-Dynastie für das Porzellan selbst bei, neigte aber verstärkt zu Überglasur-Dekor. Auch kam es zu einer beträchtlichen Erweiterung der Farbpalette: An die Stelle des Blau-Weiß-Stils trat in der Regierungszeit Kaiser Kangxis eine ganze Reihe von Stilrichtungen:
- Die famille verte, bei der die namensgebende grüne Farbe hauptsächlich durch etwas Eisenrot ergänzt wurde.
- Die famille rose, die hauptsächlich Rosa- und Purpurtöne verwendet und das ganze 18. Jahrhundert über dominierend bleiben sollte.
- Die famille jaune, eine Abwandlung der famille verte mit gelbem Untergrund
- Die famille noire, die mit schwarzem Untergrund arbeitet
Beim Dekor wandten sich die Künstler in noch stärkerem Maße figürlichen Darstellungen zu. Beliebt waren etwa Blumen (Päonie, Lotus), Vögel (vor allem Phönixpaare), Goldfische und Insekten (Zikaden, Libellen). Auch wurden häufig detailreich Szenen aus der chinesischen Geschichte, Mythologie und Literatur wiedergegeben; genannt seien etwa der Roman Der Traum der roten Kammer sowie die daoistische Gottheit Königinmutter des Westens.
Echtheitsprüfung
Die Testmethoden für die “Echtheit” chinesischen Porzellans sind umstritten. Am verbreitetsten ist der sogenannte Thermolumineszenz-Test (TL-Test), mit dem der Zeitpunkt des letzten Brennvorgangs mit relativ großen Toleranzen bestimmt werden kann. Der Test wird mit kleinen Porzellanproben durchgeführt, die dem Teststück durch Anbohrungen oder Anschnitte entnommen werden. Die Methode gilt als sehr risikoreich und führt naturgemäß zu Schädigungen des Teststücks, weshalb sie eher bei weniger wertvollem Porzellan zur Anwendung kommt. Andere Methoden arbeiten mit einem Vergleich der Glasurbeschaffenheit des Teststücks mit der von bereits zuverlässig datierten Vergleichsstücken. Nach verbreiteter Auffassung können technisch-physikalische Verfahren sinnvoll allenfalls im Verbund mit traditionellen Datierungsmethoden angewandt werden.
Literatur
- Anthony de Boulay: Chinese Porcelain. Octopus Books, London 1973, ISBN 0 7064 0045 3.
- S. W. Bushell: Chinese Pottery and Porcelain. Oxford University Press, Kuala Lumpur 1977, ISBN 0 19 580372 8.
- Sven Frotscher: dtv-Atlas Keramik und Porzellan, München 2003, ISBN 3423032588.
- He Li: Chinese Ceramics. The New Standard Guide. Thames and Hudson, London 1996, ISBN 0 500 23727 1.
- Suzanne Kotz (ed.): Imperial Taste. Chinese Ceramics from the Percival David Foundation. Chronicle Books, San Francisco 1989, ISBN 087701 612 7.
- Stacey Pierson: Earth, Fire and Water: Chinese Ceramic Technology. Percival David Foundation of Chinese Art, University of London 1996, ISBN 07286 0265 2.