Anti-Atomkraft-Bewegung in Deutschland

soziale Bewegung gegen die zivile Nutzung der Kernenergie
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Atomkraftgegner engagieren sich gegen die Nutzung der Kernenergie (auch Atomkraft genannt) zur Energieerzeugung, da sie die Auffassung vertreten, dass die Risiken der Atomkraft nicht verantwortbar sind. In erster Linie werden Gefahren bei Unfällen und die ungelöste Entsorgung von ausgebrannten Brennstäben (Atommüll) von Atomkraftgegnern aufgezeigt. Viele Atomkraftgegner sehen auch Gefahren im "Normalbetrieb" von Atomkraftwerken und dem Uranabbau, welcher das zur Herstellung von Brennstäben nötige Uran liefert.

Anti-AKW-Demonstration auf dem Bonner Hofgarten am 14. Oktober 1979

Kritiker der Kernenergie sind zudem der Überzeugung, dass andere und auch bessere Möglichkeiten zur Energieversorgung zur Verfügung stehen. Eine durch Studien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) belegte Möglichkeit, den weiteren Ausbau von Kernkraftwerken in Europa und im Nahen Osten endgültig zu stoppen, bietet beispielsweise TREC.

Plutonium in hoher Konzentration und Isotopenreinheit - nicht jedes Plutoniumisotop ist für Kernwaffen verwendbar - kann zum Bau von Kernwaffen verwendet werden, in geringerer Konzentration wird es in Kernkraftwerken zur Energiegewinnung in sogenannten MOX-Brennelementen eingesetzt und dabei verbraucht.

Die dementsprechend gegensätzliche Meinung vertreten die Kernkraftbefürworter.

Gründe der Atomkraftgegner

Sicherheit von Atomanlagen

Atomkraftgegner halten den Betrieb von Atomanlagen für unsicher und überflüssig. Sie weisen darauf hin, dass ein GAU (Größter anzunehmender Unfall) in Atomkraftwerken zum einkalkulierten Betriebsrisiko zählt. Kernkraftbefürworter weisen demgegenüber darauf hin, dass der früher singulär betrachtete GAU mittlerweile durch ein ganzes Spektrum von Auslegungsstörfällen ersetzt worden ist, die alle zu berücksichtigenden Störfallmöglichkeiten abdecken. Durch die auslegungsgemäße Beherrschung dieser Störfälle und durch zusätzliche vorgeplante "anlageninterne Notfallmaßnahmen" haben die deutschen KKW ihrer Meinung nach ein ausreichendes Sicherheitsniveau erreicht. Über die Auslegungsstörfälle hinausgehende Störfälle sind zwar möglich, nach menschlichem Ermessen aber in der Praxis auszuschließen. Das prinzipiell nicht vermeidbare verbleibende Restrisiko ist nach Meinung der Kernkraftbefürworter sehr viel kleiner als zahlreiche andere Risiken des täglichen Lebens und seine Zumutbarkeit ist durch die Vorteile der Kernenergienutzung ethisch gegeben. Dies ist allerdings kein logisch plausibles Argument, da die täglichen Alltagsrisiken eben unumgänglicher Bestandteil des Lebens sind, deshalb aber kein ethischer Anspruch auf künstliche Erhöhung der Risiken durch die Atomenergie abgeleitet werden kann. Die Versuche, mit den sogenannten "anlageninternen Notfallmaßnahmen" ein "äußerst unwahrscheinliches" Eintreten auslegungsüberschreitender Unfallabläufe zu belegen, mangelt es nach Ansicht von Atomkraftgegner zudem an wissenschaftlicher Begründbarkeit, die auch nicht durch "menschliches Ermessen" zu ersetzen sei.

Das in abgebrannten Brennelementen enthaltene Plutonium sowie das nicht verbrauchte Uran wird z.B. in den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) extrahiert. Dabei wurden in der Vergangenheit teilweise größere Mengen radioaktiver Stoffe als vorgesehen ins Meer geleitet.

Atomkraftgegner sind der Überzeugung, dass Atomkraft überflüssig wird, wenn es in Deutschland möglich wäre, mit einer Stärkung dezentraler Energieerzeugung, Erschließung bzw. Verbesserung der Nutzung Erneuerbarer Energien und einer Optimierung der Ausregelung des Stromnetzes innerhalb der Restlaufzeit der bestehenden Atomkraftwerke diese zu ersetzen. Die Betreiber stimmten dem Atomprogramm 1959 erst zu, als der Staat Rahmenbedingungen zusicherte, die die bestehenden, abgeschriebenen, Atomkraftwerke heute zu einer "Lizenz zum Gelddrucken" machen.

Allerdings gilt für alle in Deutschland gegenwärtig betriebenen Atomkraftwerke dass es zu einer Kernschmelze kommen kann. Dies ergibt sich direkt aus ihrer Konstruktion, insbesondere der Notwendigkeit, die Kühlung des Kerns aufgrund der Nachwärmeproduktion auch nach einer Schnellabschaltung aufrechtzuerhalten. Das bedeutet: Die in Deutschland betriebenen Atomkraftwerke sind inhärent unsicher.

Für deutsche Anlagen kommen Risikostudien für schwere Unfälle auf eine Wahrscheinlichkeit von etwa 1 zu 33.000 pro Betriebsjahr.[1] Das bedeutet für 450 weltweit betriebene Anlagen bei 40 Jahren Betriebsdauer eine Wahrscheinlichkeit von 42 % für mindestens einen Kernschmelzunfall, deutsche Sicherheitsstandards in allen Anlagen vorausgesetzt.

In Deutschland wird ungefähr jeden dritten Tag ein meldepflichtiges Ereignis in einem Kernkraftwerk gemeldet. Dabei ist anzumerken, dass es sich dabei überwiegend um Ereignisse der INES-Stufe 0 (keine oder sehr geringe unmittelbare sicherheitstechnische, bzw. keine radiologische Bedeutung) handelt.[2] In den letzten 30 Jahren hat es in Deutschland auch mehrere Ereignisse der INES-Stufe 2 (Störfall) gegeben, beispielsweise zwei Ereignisse 2001 im Kernkraftwerk Philippsburg und 1998 im Kernkraftwerk Unterweser.

Auch sind Atomkraftanlagen laut Bundesumweltministerium unzureichend gegen Terror-Angriffe geschützt.[3]}

Siehe auch: Liste der nuklearen Unfälle

Endlager

239Plutonium hat eine Halbwertszeit von etwa 24.000 Jahren. Durch den Zerfall dieses Isotops entsteht relativ schwach radioaktives 235Uran. Problematisch sind auch Abfallprodukte mit etwas längeren Halbwertszeiten. Wird der radioaktive Abfall in einem Endlager aufbewahrt, bestehen die Probleme im Umgang mit radioaktiven Materialien entsprechend lange weiter und stellen somit ein Problem für zukünftige Generationen dar -- für einen Zeitraum jenseits aller Planbarkeit, sodass es durchaus möglich ist, dass der Menschheit etwa das nötige Wissen über die Sicherheitsmaßnahmen verlorengeht. Auch der von der Bundesregierung eingesetzte "Arbeitskreis Endlager" (AKEnd), in dem auch Atomkraftbefürworter saßen, geht im Konsens davon aus, dass ein sicherer Einschluss des Strahlenmülls vor der Biosphäre für mindestens eine Million Jahre vorgesehen sein muss [4]. Man muss von einer radioaktiven Belastung der Menschen ausgehen, wenn aus irgend einem Grund Strahlung oder radioaktives Material aus einem Endlager austritt.

Militärische Nutzung

Von den Atomkraftgegnern wird die enge Verbindung zwischen der zivilen und der militärischen Nutzung der Atomkraft kritisiert. Bei der Herstellung der Brennelemente muss der Anteil des spaltbaren Uranisotopes 235 von weniger als 1 % (wie es im wesentlich häufigeren (Natur-)Uran 238 vorkommt) auf 2 bis 4 % angereichert werden, um eine Kettenreaktion zu erzeugen. Eine Urananreicherungsanlage (deutscher Standort Gronau bei Ahaus) könnte das Spaltmaterial auf eine waffenfähige Konzentration anreichern, hierzu ist allerdings ein U-235-Anteil von über 80 % nötig. Die in Deutschland verwendete Ultrazentrifugentechnik unterliegt deshalb strenger Geheimhaltung.

Eine Trennung in zivile und militärische Nutzung der Atomkraft sei nicht möglich, lautet eines der Argumente der Atomkraftgegner. Die Atomkraft trage auch zur Verbreitung von Atomwaffen bei. Sie weisen darauf hin, dass die Auflage des bundesdeutschen Atomprogramms 1959 die Gewinnung von Plutonium für den Bau von Atombomben zum Ziel hatte.

Kosten

Die Atomkraftgegner argumentieren, die deutschen Atomkraftwerke seien nicht privatwirtschaftlich versichert und deren Risiko trage der Staat (Die reale Versicherungssituation ist unter der Überschrift "Subventionen" ausgeführt). Der Grund dafür sei, dass die bei einem Super-GAU entstehenden Kosten die Finanzkraft einer Versicherungsgesellschaft um Größenordnungen übersteigen würde, so dass eine Versicherung nicht angeboten werden könne. Eine ausreichende Haftpflichtversicherung würde Atomstrom vermutlich derart verteuern, dass er nicht mehr konkurrenzfähig wäre. Die wirtschaftlichen Folgen eines solchen Unfalls könnten auch leicht sämtliche etwaigen Gewinne durch Atomkraft mehrfach wieder aufzehren.

Die verfassungsrechtliche Rechtmäßigkeit der Versicherungssituation (im Sprachgebrauch der Atomkraftgegner: "Kosten- und Risikoübernahme durch die Allgemeinheit") wurde vom deutschen Bundesverfassungsgericht 1978 im sogenannten Kalkar-Beschluss festgestellt. Darin heißt es, dass Gefährdungen durch technische Anlagen, deren Eintrittswahrscheinlichkeit jenseits der vom Gericht als Schwelle der praktischen Vernunft bezeichneten Grenze liegen, von der Allgemeinheit zu tragen seien. Diese Schwelle wurde nach Auffassung der Atomkraftgegner durch das Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 überschritten.

Ungeklärt ist zudem die Frage, wer die Kosten für die Überwachung eines Gebietes bezahlen soll, auf dem die Energiekonzerne den Atommüll lagern. Momentan sieht es so aus, dass die kompletten Entsorgungskosten, für

  • ausgebrannte Brennelemente,
  • die Materialien, welche im Kernkraftwerk mit radioaktiver Strahlung in Kontakt gekommen sind,
  • die Materialien die bei der Wiederaufbereitung verstrahlt wurden und
  • alles, was während des Betriebs an strahlendem Müll anfällt,

durch den Steuerzahler abgedeckt werden soll. Die Energiekonzerne haben hierfür nur bedingt Rücklagen gebildet.

Direkte und indirekte Subventionen

Die Deckungsvorsorge für ein Kernkraftwerk beträgt 2,5 Milliarden Euro, die zu einem Teil als Haftpflichtversicherung und zum anderen Teil als Solidarvereinbarung unter den Kernkraftwerksbetreibern abgesichert ist. Die Atomkraftgegner halten diese Deckungssumme für zu gering.

Bei Schäden, die diesen versicherten Betrag (eben diese 2,5 Mrd. Euro) übersteigen, haftet die Betreibergesellschaft unbegrenzt privat, wenn deren Vermögen nicht ausreicht, die Muttergesellschaft(en); diese gehören tatsächlich zu den finanzkräftigsten Konzernen des Landes, z.B. RWE und e.on. Dieser Zustand, Industrieanlagen mit vergleichbarem Gefahrenpotential auf Vertrauensbasis, ohne Haftpflichtversicherung betreiben zu können, wird als Sonderrecht der Atomindustrie angesehen.

Des Weiteren wurden auch massive direkte Subventionen für die Finanzierung von Forschungsreaktoren und Forschungseinrichtungen und in Form von Vorzugskrediten und Investitionsbeihilfen für den Kraftwerksbau geleistet. Diese staatlichen Gelder die seit Beginn des Atomprogramms in den 50er Jahren geflossen sind (und immer noch fließen) betragen ein vielfaches dessen, was die regenerativen Energiequellen erhalten hatten. Die Atomkraftgegner sind der Meinung, dass bei gerechter Verteilung dieser Gelder der Anteil an regenerativen Energien heute deutlich höher wäre.

Als weitere indirekte Subventionen werden entgangenen Steuereinnahmen für steuerfreie Rückstellungen und eine Steuerbefreiung für atomare Brennstoffe angeführt. Die Ansammlung der Rückstellungen für die Beseitigung der Anlagen nach der Stilllegung ist gesetzlich gefordert, solche Rückstellungen sind auch in anderen Branchen steuerfrei. Dass es hier keine Sonderbegünstigungen gibt, hat der europäische Gerichtshof entschieden. Die von den Stromkunden finanzierten Rückstellungen betragen mittlerweile etwa 40 Mrd € und befinden sich nicht insolvenzsicher in privater Hand. In anderen Ländern werden diese Rückstellungen und deren Zinsgewinne in öffentlichen Fonds verwaltet, so dass dieses Kapital nicht gegenüber Konkurrenten instrumentalisiert verwendet werden kann.

Im Vergleich zu fossilen Energieträgern ist die Kernenergie zwar weitgehend frei von CO2-Emissionen, aufgrund der bekannten Gefahrenpotentiale sicher nicht bedenkenlos. Atomkraftgegner kritisieren daher die Steuerbefreiung nuklearer Brennstoffe.

Es wird zusammenfassend argumentiert, dass diese Subventionen für atomare Energiegewinnung die Einführung von Erneuerbaren Energien verzögern, und die Erzeugerpreise verzerren.

Wirtschaftlichkeit

Von den Kernkraftbefürwortern wird der günstige Preis für Strom aus Kernkraft als vermeintlicher Vorteil angeführt. Dabei ist von ca. 3 ct/kWh die Rede. Dieser Preis kommt allerdings dadurch zustande, dass die Kernkraftwerke aus denen dieser Strom kommt, bereits seit längerem abgeschrieben sind. Dieser Preis spiegelt also nur noch die reinen Betriebskosten wieder. Für den Neubau eines Kernkraftwerks in Deutschlands müssten zur Zeit etwa 5 Mrd € aufgebracht werden. Dies bedeutet bei 20 Jahren Abschreibung und einer Rendite von 4 % bereits ca. 4,5 ct Aufwand pro erzeugte kWh allein für die Baukosten. Zu diesem Aufwand treten noch die Betriebskosten hinzu. Dies würde dann einen Erzeugerpreis von ca. 7,5 ct/kWh bedeuten. Die Mindestvergütung für Strom aus Windenergieanlagen beträgt derzeit nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 5,5 Cent/kWh (zzgl. einer effizienzabhängigen, befristeten Zulage von 3,2 Cent für mindestens 5 Jahre). Dagegen wurde 2005 Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az: Le/Ihs VB EEG), da die Kläger die im Grundgesetz verankerte Privatautonomie verletzt sehen.

Monopolstruktur

Die Kernenergie ist aufgrund ihrer Komplexität in der Realisierung und des extrem hohen, konzentrierten Kapitaleinsatzes eine großtechnische Art der Energieerzeugung. Dadurch ergibt sich eine für den Stromkunden nachteilige monopolistische Struktur auf Anbieterseite. Fehlender Wettbewerb, mangelnde Kontrolle durch nicht vorhandene Offenlegung der Kalkulationen führen zu untransparenten Strompreisen und bergen die Gefahr willkürlicher Preiserhöhungen. Erneuerbare Energien hingegen sind dezentral angelegt, der Kapitaleinsatz ist in kleinen Einheiten grossflächig verteilt und überwiegend durch kleinere Anlegeranteile aus der gesamten Bevölkerung getragen. Der Preis für Strom aus Wind- und Solarenergie kann nicht von einem Einzelanbieter kontrolliert werden und ist nicht von der Versorgung mit einem Brennstoff, oder der Entsorgung dessen Abfällen abhängig.

Abhängigkeit von Ressourcen

In Deutschland wird seit den 1990ern kein Uran mehr abgebaut. Der Kernbrennstoff wird importiert. Erschwerend kommt hinzu, dass im Falle einer Renaissance der Atomkraft die Nachfrage für Kernbrennstoff zunehmen und damit - nach den üblichen Gesetzen des Marktes - eine Preissteigerung oder monopolistische Anbieterstrukturen nach sich ziehen würde. Wenn zu den hohen Investitionskosten noch steigende Brennstoffkosten hinzukommen, verschlechtert sich die Gesamtkostensituation der Kernenergie. Diese Probleme treffen die Kernenergie als einzige Energiequelle auch bei der Aufbereitung und Entsorgung der Abfälle. Völlige Unabhängigkeit von Brennstoffversorgung und -preis bieten nur regenerative Energien.

Weiterhin ist ein Argument anzuführen, welches in der Diskussion oft vergessen wird. Auch Uran ist ein Rohstoff der nur in begrenztem Maße vorliegt. Je nach Schätzungen reichen die Uranvorräte noch für 50 bis 100 Jahre. Eine zukunftsträchtige Lösung der Energieprobleme wird die Atomkraft durch die Knappheit der Ressource Uran also nicht bieten können. Zwar könnte durch Nutzung von Technologien wie der Wiederaufbereitung und schnellen Brütern die "Reichweite" der Vorräte um ein Vielfaches verlängert werden, allerdings ist diese Technik kurz- bis mittelfristig nicht produktiv einsatzbereit, die aktuell verfügbare Technik ist der EPR. Die prinzipielle Abhängigkeit von einer Ver- und Entsorgungskette bliebe aber auch hier bestehen.

Uranvorkommen mit 0,1%-0,5% Urananteil gibt es zum Beispiel in Kanada, den USA, Brasilien, Süd- und Mittelafrika, Australien, Frankreich, Schweden oder der ehemaligen UdSSR. Wenn Uran mit anderen Metallen wie Gold vorkommt, können auch Erze mit geringerem Urananteil wirtschaftlich genutzt werden.

Einbindung in das Stromnetz

Die Kernenergie ist aufgrund ihrer Trägheit primär für Grundlastdeckung geeignet. Dies allein betrachtet wäre noch kein Nachteil. Allerdings müssen Schwankungen im Strombedarf (Mittel- und Spitzenlast) von anderen Kraftwerkstypen zu höheren Kosten übernommen werden. Nun wird gerade der geringe Rückgriff der Erneuerbare Energien auf eben diese Kraftwerkstypen von Kernkraftbefürwortern immer wieder als deren Nachteil dargestellt, obwohl alle Energieträger solche Mechanismen im Verbund nutzen.

Trägheit in der Umsetzung

Vom Baubeschluss eines KKWs, über Planung und Bauphase, bis zur ersten produktiv gelieferten kWh verstreicht eine Zeit in der Größenordnung eines Jahrzehnts. Das würde für Deutschland 2006 bedeuten, dass selbst die sofortige Aufgabe des Atomausstiegs und ein gleichzeitiger Wiedereinstiegsbeschluss inclusive KKW-Baubeginn trotzdem eine immense Totzeit zur Folge hätte. Solange könnte die Kernenergie nicht in die Energieversorgung eingreifen. Abgesehen davon, dass keine dieser Bedingungen, weder einzeln, noch in der Summe breiten Zuspruch findet, stellt sich die Frage ob es sinnvoll wäre, die Zukunft unserer Energieversorgung solange aufzuschieben.

Atomkraftkritiker sind der Auffassung, dass auch hier die erneuerbaren Energien die deutlich bessere Lösung darstellen. Bereits die aktuellen jährlichen Fertigungskapazitäten und Zubauraten allein für Windenergieanlagen in Deutschland liegen auf einem Niveau, welches um die Volllaststundenzahl bereinigt ungefähr der Leistung eines unserer mittleren Kernkraftwerke entspricht, bei Offshore-Windenergieanlagen sogar dem doppelten. Herstellungs- und Aufbaudauer von Windenergieanlagen bewegen sich dabei nur im Bereich von Monaten.

Das bedeutet letztlich, dass während der Wartezeit auf die Fertigstellung eines Kernkraftwerks dessen zehn- bis zwanzigfache äquivalente Kraftwerksleistung allein durch den Weiterbau der Windenergie im bisherigen Maßstab bereitgestellt wird. Oder anders ausgedrückt, es müsste gleichzeitig mit dem Bau dieser Anzahl Reaktoren begonnen werden, um nach deren Fertigstellung die selbe Leistung zu erhalten. Die währenddessen durch Windenergie erzeugte Strommenge kann aber auch nach der Fertigstellung der Kernkraftwerke durch diese nicht mehr aufgeholt werden. Der Weiterbau der anderen erneuerbaren Energien ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. Ein Wiedereinstieg in die Kernenergie ist somit nicht notwendig.

Sicherheit von Atomtransporten

Atomkraftgegner engagieren sich gegen Atommülltransporte, da es keinen absolut sicheren Ort zum Endlagern gibt, und auch von Transporten von hochradioaktiven Materialien eine Gefahr ausgeht.

Im Mai 1998 stoppte das Bundesumweltministerium alle Transporte von abgebrannten Brennelementen mit Castor-Transportbehältern, weil bekannt wurde, dass bei diesen bereits 1988 in Frankreich Hot-Spots an Behältern für Deutschland festgestellt worden waren. Die Ursachen für die Kontamination der Außenhaut der Behälter sind noch immer nicht ganz geklärt. Allerdings wurden zusätzliche Schutzmaßnahmen bei der Beladung der Behälter vorgeschrieben, die eine Kontamination verhindern sollen.

Eignung zum Klimaschutz

Die Eignung der Kernenergie zur Reduzierung der CO2-Emissionen und dem damit verbundenen Treibhauseffekt wird sehr stark diskutiert, denn auch bei der Nutzung der Atomenergie wird Kohlendioxid freigesetzt. Bei der Kernspaltung im Reaktor fallen zwar tatsächlich so gut wie keine direkten CO2-Emissionen an. Beim Bau von Atomkraftwerken, bei der Förderung des Urans sowie bei den verschiedenen Arbeitsschritten während der Brennelementherstellung ist das allerdings anders. Insgesamt gesehen liegt die Atomkraft mit ca. 31 Gramm CO2 /Kilo-Wattstunde (kWh) mehr als 30% über der Windenergie (mit 19 Gramm CO2 /kWh). Mit regenerativen Energien ist also eine deutlich bessere CO2-Bilanz möglich und ein Alleinanspruch der Kernenergie zur Rettung des Weltklimas kann nicht abgeleitet werden.

Ökologische Probleme beim Betrieb

Von allen thermischen Kraftwerken haben KKWs den höchsten Abwärmeanteil von ca. 60-70 % der eingesetzten Primärenergie, welcher zum Teil durch Flusswasser gekühlt wird. Die dabei eintretende Erwärmung der Flüsse birgt eine Gefährdung für das darin enthaltene Leben.

Probleme beim Uranabbau

Uran trifft man nicht wie andere radioaktive Elemente, beispielsweise Thorium, eher gleichmäßig in der Natur verteilt an, sondern es tritt in Uranlagerstätten auf.

Sprengungen, das Auf- und Abladen sowie das Zermahlen des Erzes führen zu einer hohen Staubentwicklung. Dabei werden radioaktive Stoffe frei, die sich zusammen mit dem Staub über die Landschaft verteilen.

Ein noch größeres Problem beim Uranabbau ist das Radon-Gas, das in großen Mengen den Halden und Gruben entströmt. Dieses ist ein Zwischenschritt im normalen radioaktiven Zerfall des Urans, im Gegensatz zu den anderen dabei entstehenden Elementen ist es aber eben ein Gas. Gewöhnlich bleiben die Radon-Atome im Gestein gefangen und zerfallen nach einigen Tagen weiter, wieder zu Feststoffen. Wird das Gestein jedoch zerbrochen oder zermahlen, so strömt das Radon in die Atmosphäre aus. Durch Winde wird dieses Gas dann über weite Flächen verteilt, bevor es wieder in (ebenfalls Radioaktive) Feststoffe zerfällt. Allerdings tritt eine gewisse Menge Radon auch ohne den Uranabbau aus dem Boden aus und trägt somit zur natürlichen Strahlenbelastung bei.

In vielen Fällen wird auch das Grundwasser kontaminiert. Das kommt daher, dass die flüssigen Abfälle, die beim Abbau von Uran anfallen, in so genannten Tailings aufgestaut werden. Diese Becken haben jedoch einen durchlässigen Boden, dadurch gelangt radioaktives Material in den Wasserkreislauf. Durch die Lagerung flüssiger Abfälle in Kernkraftwerken hat es in der Vergangenheit Probleme durch austretende Flüssigabfälle gegeben. Dies geschah in größerem Umfang u.a. auf dem Gelände der sogenannten Hanford Site in den USA.

Das dauernde Einatmen von radioaktivem Staub führt bei vielen Bergleuten schon nach kurzer Zeit zu gesundheitlichen Schäden. Dabei erkranken mehr als 40 Prozent aller Uranminenarbeiter an Lungenkrebs. Auch in der Umgebung von aktiven wie auch stillgelegten Uranminen müssen die Menschen mit einer erhöhten Rate gefährlicher Krankheiten rechnen. Die häufigsten sind Leukämie, Knochen- Eierstock- und Hodenkrebs. Besonders Kinder sind von diesen Erkrankungen betroffen.

siehe auch: Uranabbau (inklusive Links zu Literatur)

Anti-Atom-Bewegung

 
Plakat gegen Castortransporte

In der Anti-Atom-Bewegung organisieren sich in der Regel unabhängige Basisgruppen, die sich gegen das Atomprogramm einsetzten.

Konsens

Der Konsens der Anti-Atom-Bewegung ist die Forderung nach sofortiger und bedingungsloser Stilllegung aller Atomanlagen.

Organisationsform der Basisgruppe

Die Gruppen sind streng basisdemokratisch organisiert. Die Bewegung hat keinen organisatorischen Überbau. Grundsatzentscheidungen und gemeinsame Aktionen wie Castorblockaden werden auf den regelmäßigen bundesweiten Anti-Atom-Konferenzen diskutiert und beschlossen. Hierzu entsenden die Basisgruppen Delegierte. Entscheidungen werden grundsätzlich im Konsens getroffen. Wie der untenstehende Link zur Homepage der Graswurzelrevolution exemplarisch zeigt, sind die anti-Atomkraftgruppen oftmals auch anderweitig politisch organisiert. Eine Trennung zwischen der ökologischen Diskussion und der grundsätzlichen linken, basisdemokratischen oder anarchistischen Haltung findet dabei meistens nicht statt. Hier liegt eines der Probleme der Bewegung, die es damit oft nicht schafft, ihre ökologischen Ideen einer eher konservativ eingestellten politischen Klientel näherzubringen.

Ein Teil der Atomkraftgegner akzeptiert die strafbare Sachbeschädigung (z. B. an Bahnanlagen oder Castor-Transportstraßen) und sieht sie nicht als Gewalt an, solange dadurch keine Menschen gefährdet werden. Trotz der Spaltung in dieser Frage ist die Anti-Atom-Bewegung zu einer der ältesten Bewegungen Deutschlands geworden.

Geschichte

Datei:Antiatomdemo Saarbrücken,.jpg
AKW-Gegner bei einer Demonstration 1980 in Saarbrücken

In den 1970er Jahren sind durch direkte Intervention (Platzbesetzungen) durch zehntausende Protestierende mehrere Atomanlagen verhindert worden. Prominenteste Beispiele sind die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf und das Atomkraftwerk Wyhl. Günter Zint dokumentierte in schwarz-weiß Fotos viele Proteste der Atomkraftgegner. Unter anderem die Aktionen in Brokdorf, Hamburg, Gorleben und Grohnde. Die Fotos zeigen Demonstrationen, Kundgebungen und Geschehnisse am Rande, sie sind Zeitdokumente die einen Eindruck von der Intensität dieser Bewegung vermitteln.

Symbole

 
Gorleben-Stein vor dem Pavillon in Hannover, aufgestellt 1979 beim Gorleben-Treck der "100.000" in die Landeshauptstadt
Datei:Plakat gegen Castortransporte 01 KMJ.jpg
Plakat gegen Castortransporte mit Aufforderung zur Schienensabotage

Das Symbol der Anti-Atom-Bewegung ist eine lachende (traditionell rote) Sonne, meist auf gelbem Grund. Es gibt verschiedenen Variationen, beispielsweise mit kämpferisch erhobener Faust. Häufig ist diese Sonne mit dem Slogan "Atomkraft? Nein Danke!" verbunden. Dieses Symbol hat seine Wurzeln in der dänischen Anti-Atom-Bewegung der 1970er Jahre und hat sich weltweit durchgesetzt.

Das Symbol des Widerstands gegen Castor-Transporte ist ein (meist gelbes) X. Dieses Symbol ist jünger. Es hat seinen Ursprung in der deutschen Anti-Atom-Bewegung.

Das Wappen der Republik Freies Wendland zeigt eine achtstrahlige orangene Sonne auf dunkelgrünem Grund.

Protestformen

Die Protestformen der Anti-Atom-Bewegung sind sehr unterschiedlich. Innerhalb der Bewegung gibt es einen Konsens, der besagt, dass Aktionen keine Menschen gefährden und keine unverhältnismäßigen Umweltschäden anrichten dürfen.

  • Demonstrationen und Infotische. Viele Atomkraftgegner betreuen Infotische und organisieren Demonstrationen. Diese werden jedoch von der Presse und Öffentlichkeit kaum mehr beachtet, wenn sie nicht ziemlich groß sind.
  • Bauplatzbesetzungen spielten sehr lange eine große Bedeutung und führten in der Folge zu massiven Auseinandersetzungen, in deren Verlauf (Brokdorf, Grohnde; Kalkar) zahlreiche Atomkraftgegner kriminalisiert wurden.
  • Stromwechsel. In Deutschland kann inzwischen fast jeder seinen Stromanbieter selber auswählen. Durch Wechsel zu einem Anbieter, der seinen Strom nicht aus Atomkraftwerken bezieht, kann man ohne großen Aufwand seinem Protest Luft machen. Um die Energiewende voran zu treiben, kann ein Energieversorger gewählt werden, der nennenswert in den Ausbau von erneuerbaren Energien investiert (siehe [1]).
  • Blockaden. Häufig werden Atomtransporte oder Atomanlagen blockiert. Dabei gibt es große Sitzblockaden mit mehreren tausend Personen, die sich auf das Prinzip der Gewaltfreiheit berufen, aber auch kleinere Ankettaktionen (zum Beispiel von ROBIN WOOD). Diese Form des Protestes wird von den Aktivisten als Ziviler Ungehorsam bezeichnet. In Deutschland hat das Mutlangenurteil hier hohe Bedeutung, welches damals bei einer Sitzblockade feststellte, dass sie keine Nötigung (und damit keine Straftat) war, sondern eine Ordnungswidrigkeit darstellt. In Österreich gab es etwa wegen des Atomkraftwerkes Temelín Grenzblockaden gegenüber Tschechien. Kritiker sehen solche Maßnahmen als nationalistisch an. Außerdem sind Blockaden der Schienen eine potentielle Gefährdung der Transporte und damit der Bevölkerung, sodass sie von einigen Kritikern als unverantwortlich verurteilt werden. Positionen, die Blockaden gegenüber einem "autonomen" Staat als nicht gerechtfertigt ansehen, werden in der Anti-Atom-Bewegung nicht geteilt. In Frankreich kam es im November 2004 bei einer Blockadeaktion zu einem tödlichen Unfall. Einem Aktivisten wurde von dem durchfahrenden Transportzug ein Bein abgetrennt. Der 21-Jährige Sébastien Briat erlag wenig später seinen Verletzungen.
  • Sabotage. Vereinzelt kommt es auch zu Sabotage, beispielsweise von Gleis- oder Signalanlagen der Bahn. Auch die Beschädigung von Oberleitungen durch Hakenkrallen zählte zu dieser Art des Protestes. Nachdem dabei ein Lokführer leicht verletzt wurde, hat diese Aktionsform allerdings an Bedeutung verloren.
 
Plakat: Das frische an Bayern

In Deutschland, der Schweiz und in Österreich existieren sehr viele, darunter jedoch auch sehr kleine Organisationen beziehungsweise Gruppen, die aktiv Widerstand gegen die Atomkraft leisten.

Viele Atomkraftgegner benutzen das unabhängige Medien-Zentrum Indymedia um sich zu informieren, da normale Zeitungen und das Fernsehen wenig über aktuelle Ereignisse informieren.

Die nachfolgenden Verweise sind nur eine kleine Auswahl der verschiedenen Organisationen in den einzelnen Ländern.

Deutschland

Österreich

Russland

Ausgewählte Atomkraftgegner

Organisationen

  • GLOBAL 2000 kämpft seit über 20 Jahren gegen Atomenergie. Jüngster Meilenstein: Im Gedenkjahr "20 Jahre Tschernobyl" 2006 startet GLOBAL 2000 mit über 150 Organisationen Petition "1 Million EuropäerInnen gegen Atomkraft"
  • Greenpeace hat sich 1971 gegründet um gegen Atombombentest zu protestieren
  • IPPNW, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung, haben 1985 für ihr Engagement den Friedensnobelpreis erhalten
  • ROBIN WOOD, vier Aktivisten von Robin Wood haben sich 2003 ins Gleisbett betoniert, der Atommüll-Transportzug nach Gorleben musste erstmals zurück fahren.

Quellen

  1. Atomkraftwerke - Unsicher und grundrechtswidrig. Teil 2. Kernschmelzunfälle in deutschen Atomkraftwerken und ihre Auswirkungen auf Menschen und Umwelt., Bürgerinitiative Umweltschutz e. V. Arbeitskreis Atom.
  2. Quartalsberichte zu Meldepflichtigen Ereignissen in Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen in der Bundesrepublik Deutschland, Bundesamt für Strahlenschutz
  3. Nebel als Terror-Schutz nicht ausreichend, Tagesschau, 01. März 2004
  4. Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte

Literatur

  • Thomas Oelschläger, Kerstin Enning, Bernd Drücke (Hg.): Ahaus. Das Buch zum Castor, Verlag Klemm & Oelschläger, Ulm 1999, ISBN 3-932577-16-7
  • ...und auch nicht anderswo! Die Geschichte der Anti-AKW-Bewegung. Verlag Die Werkstatt, 1997, ISBN 3-89533-186-4