Die Stromversorgung über Ethernet, englisch Power over Ethernet (PoE), bezeichnet ein Verfahren, mit dem netzwerkfähige Geräte über das achtadrige Ethernet-Kabel mit Strom versorgt werden können.

Anwendungsgebiete
Hauptvorteil von PoE ist, dass man ein Stromversorgungskabel einsparen kann und so auch an schwer zugänglichen Stellen oder in Bereichen, in denen viele Kabel stören würden, Ethernet-angebundene Geräte installieren kann. Die Stromversorgung zum Gerät muss nicht separat mit einem Stromkabel und Netzgerät zugeführt oder mit einer Batterie gelöst werden. Das Gerät bezieht die Energie stattdessen über das Datennetz. Dazu muss – meist an zentraler Stelle, im Netzwerkverteiler – neben den Datensignalen zusätzlich Strom in die Datenleitung eingespeist werden. Somit lassen sich einerseits zum Teil Installationskosten einsparen, andererseits kann der damit einfach zu realisierende Einsatz einer zentralen unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) die Ausfallsicherheit der angeschlossenen Geräte erhöhen.
PoE wird von Netzwerkgeräten genutzt, die wenig Leistung benötigen. Es wird typischerweise in IP-Telefonen, kleinen Hubs, Kameras, kleinen Servern oder in schnurlosen Übertragungsgeräten, wie WLAN-Zugangspunkten oder Bluetooth-Geräten eingesetzt.
Herausforderungen
Die höhere Stromstärke stellt die Datenverkabelung vor neue Herausforderungen: Wo mehr Strom fließt, wird durch den Widerstand mehr Wärme erzeugt. Wärmere Kabel dämpfen die Datenübertragung mehr als zuvor. Das kann dazu führen, dass nicht mehr genug Signal zum Empfänger gelangt und die Datenübertragung unmöglich wird. Bei der Planung einer neuen, PoE-tauglichen LAN-Verkabelung muss dieser Effekt berücksichtigt werden. Die maximale Übertragungslänge muss den Temperaturbedingungen angepasst und verkürzt werden.
Die relevanten Normentwürfe ISO/IEC TR 29125 und Cenelec EN 50174-99-1 beschreiben, mit welchem Temperaturanstieg im Kabelbündel bei Anwendung von 4PPoE zu rechnen ist. Dabei wird zwischen zwei Anteilen unterschieden:
- Erwärmung vom Inneren eines Bündels bis zur Außenseite
- Erwärmung des gesamten Kabelbündels von der Außenseite bis zur Umgebungstemperatur.
Der zweite Anteil hängt vor allem von den Einbaubedingungen des Kabelbündels ab. Der Temperaturanstieg innerhalb des Kabelbündels hängt dagegen ausschließlich von der Kabelkonstruktion ab. Bei geschirmten Kabeln hilft das Metall des Schirms, die Wärme aus dem Bündelinneren nach außen zu transportieren. Bei einem typischen U/UTP-Kabel steigt die PoE-bedingte Erwärmung um den Faktor 5, während ein geschirmtes Kabel konstruktionsabhängig einen Faktor von 2,5 bis 3 aufweist. In einem Bündel mit U/UTP-Kabeln entsteht eine zweimal größere Temperaturerhöhung als bei einem vergleichbaren Bündel mit S/FTP-Kabeln.
Eine weitere Herausforderung ist der Spannungsabfall bei längeren Leitungen. Da der Aderquerschnitt bei CAT6 in der Regel kleiner ist (AWG26) als bei CAT5 (AWG24/23) besteht die Gefahr, dass bei längeren CAT6-Kabeln die Spannungsversorgung für die PoE-Endgeräte nicht mehr ausreicht. CAT7-Kabel haben meist AWG23/22, sind hier also eher unproblematisch. Der AWG-Wert sollte aber in jedem Fall im Auge behalten werden, aus Kostengründen werden oft günstigere (mit höherem AWG-Wert) angeboten und verlegt, in den Angeboten wird der AWG-Wert oft unterschlagen.
Spezifikation
Im engeren Sinne wird heute mit PoE meist der IEEE-Standard 802.3 Clause 33 „DTE Power over MDI“ gemeint, der zuerst im Juni 2003 als IEEE 802.3af-2003 verabschiedet wurde. Außerdem gibt es einen neueren Standard IEEE 802.3at-2009[1] – vor der Standardisierung auch als PoE+ oder PoE plus bekannt –, der die maximale Leistungsabgabe von 15,4 W auf 25,5 W erhöht. Vorher gab es bereits einige herstellerspezifische Implementierungen, die ebenfalls unter der Bezeichnung Power over Ethernet gehandelt wurden. Außerdem gibt es weiterhin proprietäre Varianten.
Der Standard unterteilt die beteiligten Geräte in Energieversorger (Power Sourcing Equipment, PSE) und -verbraucher (Powered Devices, PD). Die Versorgungsspannung beträgt 48 V, die maximale Stromaufnahme der Endgeräte 350 mA (802.3af, Typ 1) bzw. 600 mA (802.3at, Typ 2) im Dauerbetrieb (kurzzeitig sind beim Einschalten 400 mA erlaubt). Die maximale Leistungsabgabe beträgt 15,4 Watt. Der af-Standard geht davon aus, dass nach Leitungsverlusten 12,95 Watt nutzbare Leistung übrig bleiben bzw. aufgenommen werden dürfen, um die maximale Leistungsabgabe nicht zu überschreiten.[2] Zur Energieübertragung werden häufig die bei 10BASE-T und 100BASE-TX freien Aderpaare im Ethernetkabel verwendet. Wenn dies nicht möglich ist (weil z. B. ISDN über die Leitung geführt ist oder bei Gigabit Ethernet), können auch die signalführenden Adern genutzt werden. Die mittels Übertragern entkoppelten Datenleitungen sind ohne PoE gleichspannungsfrei, so dass die Gleichspannung ein- und ausgekoppelt („unter das Signal gelegt“) werden kann, ohne die Datenübertragung zu stören. Der jeweilige Modus wird vom PSE festgelegt, die Verbraucher müssen beide Betriebsarten unterstützen, Verbraucher die nur eine Betriebsart unterstützen, sind nicht erlaubt.
Zurzeit arbeitet die Normenorganisation IEEE daran, die übertragbare Versorgungsleistung zu steigern und 10GBASE-T zu unterstützen. Der kommende Standard IEEE 802.3bt (auch 4PPoE) wird zwei neue Leistungsstufen zur Verfügung stellen: 55 W (Level 3) über zwei Leitungspaare und 90 bis 100 W (Level 4) über alle vier Leitungspaare. Über jedes Adernpaar sollen bis zu einem Ampere fließen.[3] Damit werden neue Anwendungen ermöglicht, zum Beispiel der Betrieb leistungsstarker WLAN-Antennen und Überwachungskameras.
Die Herausforderung für die Hersteller proprietärer PoE-Lösungen bestand früher darin, Schäden an nicht PoE-fähigen Endgeräten zu vermeiden. Obwohl die Adern 4, 5, 7 und 8 bei 10BASE-T und 100BASE-TX nicht verwendet werden, bedeutet das nicht, dass es nicht doch Netzwerkkarten o. ä. gibt, bei denen die entsprechenden Pins nach irgendwohin durchgeschleift sind. Wenn dort versehentlich Power over Ethernet anliegen sollte, kann dies zu irreparablen Schäden am Gerät führen. 802.3af löst dieses Problem durch ein als Resistive Power Discovery bezeichnetes Verfahren. Hierbei legt der Energieversorger zunächst mehrfach eine nur minimale Spannung auf die Adern, mit der sich im Normalfall kein Gerät beschädigen lässt. Er erkennt dabei, ob und wo der Energieverbraucher einen 25-kΩ-Abschlusswiderstand besitzt und damit PoE-fähig ist. Daraufhin wird der Verbraucher mit einer geringen Leistung versorgt und muss nun signalisieren, zu welcher von vier im Standard definierten Leistungsklassen er gehört. Erst dann erhält das Gerät die volle Leistung und kann den Betrieb aufnehmen.
Leistungseinspeisung
Die Einspeisung der Leistung für die zu versorgenden Geräte (PD) kann dabei durch sogenannte Endspan-Devices (z. B. Switches) oder Midspan-Devices (Einheiten zwischen Switch und Endgerät) erfolgen.
Als Midspan-Devices werden zumeist Hubs oder sogenannte PoE-Injektoren eingesetzt, die Strom auf die jeweiligen Drähte liefern. Aufgrund des zusätzlichen Platzbedarfs und der zusätzlich notwendigen Patchkabel in Verteilerschränken sind auch Patchpanels (Verteilerfelder, PoE-Patchpanel) verfügbar, die den Strom liefern. Diese ersetzen die herkömmlichen Patchpanels und belegen somit keinen zusätzlichen Platz in den Verteilerschränken. Durch entsprechende Managementsoftware können bei diesen Verteilerfeldern die einzelnen Ports stromfrei oder stromführend definiert werden.
Aktivierungsschritte bei PoE
Schritt | Aktion | Zulässiger Spannungsbereich nach 802.3af |
---|---|---|
Detektion | Feststellung ob Endgerät einen Widerstand im Bereich von 19–26,5 kΩ aufweist | 2,7–10,1 V |
Klassifikation | Messung des genauen Widerstandwertes um Leistungsklasse festzustellen | 14,5–20,5 V |
Startup | Eigentliche Stromversorgung aktivieren | >42 V |
Normaler Betrieb | Stromversorgung im Versorgungsmodus | 36 | –57 V
4/5-Port-Switch. Die 48 V werden
mit einem Aufwärtswandler aus den 12 V vom PC-Netzteil erzeugt.
Verfügbare Leistungsklassen und Klassifizierungssignatur
Klasse | Verfügbare Leistung am versorgten Gerät | Klassifizierungssignatur |
---|---|---|
0 | 0,44–12,96 W | 0 bis 4 mA |
1 | 0,44– 3,84 W | 9 bis 12 mA |
2 | 3,84– 6,49 W | 17 bis 20 mA |
3 | 6,49–12,95 W | 26 bis 30 mA |
4 | 12,95–25,50 W (nur 802.3at/Typ 2)[4] | 36 bis 44 mA |
Allgemeine Merkmale
- Standards
-
- 802.3 af: Twisted-Pair-Kabel ab Cat-3 (auch UTP-Kabel)
- 802.3 at: Twisted-Pair-Kabel ab Cat-5 (auch UTP)
- Leistung
- Die abgegebene Spannung liegt zwischen 44 V und 54 V (in der Regel 48 V), die Leistung bis zu 15,4 W (eingeteilt in 4 Klassen, 802.3af) bzw. 25,50 W (5 Klassen, 802.3at) bei Kabellänge bis zu 100 m.
- Wirkungsgrad/Effizienz
- Durch die geringen Leiterquerschnitte, die großen Leitungslängen und die geringe Systemspannung entsteht eine nennenswerte Verlustleistung in der Leitung, was v. a. bei Klasse-4-PD zu schlechten Systemwirkungsgraden führt.
- Beispiel: bei Klasse 4 können 25,5 W am PD entnommen werden, die Leitung kann bei 100 m Länge bis zu 12 Ohm Schleifenwiderstand aufweisen, und es ist ein maximaler Strom von 0,6 A zulässig. Somit entstehen im Kabel bis zu 4,32 W Verlustleistung, was einem Wirkungsgrad von ca. 86 % entspricht. Hinzu kommen die Verluste in den Netzteilen von PSE und PD.
- In Summe sind Wirkungsgrade von unter 70 % nicht ungewöhnlich.
- Varianten der Energieübertragung
-
- Mode A, auch Phantomspeisung genannt: der Strom wird über die von 10BASE-T und 100BASE-TX verwendeten Datenpaare übertragen. Bei den Übertragern wird der Mittelpunktabgriff benötigt, da über diesen die Gleichspannung vergleichbar der Phantomschaltung eingespeist wird, wodurch die differenziell übertragenen Daten von der Gleichspannung und sich ändernden Strömen entkoppelt werden.
- Mode B: der Strom wird über die von 10BASE-T und 100BASE-TX nicht verwendeten Datenpaare übertragen, deshalb wird dies auch als Spare-Pair-Speisung bezeichnet. Bei vorhandenen Übertragern wird der Mittelabgriff benötigt (dies ist bei 1000BASE-T und schneller immer der Fall) oder die Leitungen werden direkt verwendet (nicht bei 1000BASE-T und schneller).
- Varianten der Energieversorgung
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- Endspan (direkte Versorgung durch PoE-Switch)
- Midspan (Versorgung über zwischengeschaltete Quellen, Beispiel: PoE-Injektor)
Steckerbelegung
Abkürzungen: DC = Gleichspannung, Tx = Sender, Rx = Empfänger von Daten
Referenzen
- ↑ https://ieeexplore.ieee.org/xpl/mostRecentIssue.jsp?punumber=7428774, IEEE 802.3at-2009 Clause 33, Information technology -- Part 3: Carrier Sense Multiple Access with Collision Detection Access Method and Physical Layer Specifications -- Amendment 3: Data Terminal Power via the Media Dependent Interface Enhancement.
- ↑ Bei Typ 1 darf das Kabel nicht mehr als 20 Ω Widerstand bieten, bei Typ 2 maximal 12 Ω.
- ↑ IEEE P802.3bt DTE Power via MDI over 4-Pair Task Force. 29. März 2016, abgerufen am 3. August 2016.
- ↑ IEEE 802.3at, Table 33-18 PD power supply limits
Weblinks
- IEEE Arbeitsgruppe 802 (Netzwerktechnik)
- Der PoE-Standard zum kostenlosen Download (PDF; 23 kB)
- PowerOverEthernet.com umfangreiche Informationsseite (englisch)
- Heise-Artikel zum Patentstreit um PoE