Entmündigung
Bei der Entmündigung handelt es sich um eine gerichtliche Anordnung, nach welcher der Betroffene seine Geschäftsfähigkeit einbüßt und einen gesetzlichen Vertreter erhält. In Österreich ist die Entmündigung im Jahre 1984 durch die Sachwalterschaft ersetzt worden, in der Bundesrepublik Deutschland zum 1. Januar 1992 durch die Betreuung, die im Rahmen eines Betreuungsverfahrens angeordnet wird. Derzeit gibt es die Entmündigung noch im schweizer Recht, aber auch hier ist eine Gesetzesreform in Vorbereitung.
Geschichtliche Entwicklung
- Altertum - Römisches Zwölftafelgesetz enthält Grundzüge der Vormundschaft und Pflegschaft (cura furiosi, cura prodigi)
- Mittelalter - "Munt" der Sippe, später des nächsten väterlichen Vorfahren; im ausgehenden Mittelalter wurde die Vormundschaft Aufgabe des Landesherrn
- 1548/1577 - Reichspolizeiverordnungen betonen den polizeilichen Charakter der Vormundschaft
- 1794 - preußisches allgemeines Landrecht sieht Vormundschaft und gerichtliches Verfahren vor
- 1803 - Code Civil regelt Entmündigungsverfahren als Voraussetzung der Vormundschaft (bis 1899 im Rheinland gültig)
- 1875 - preußische Vormundschaftsordnung führt Unterscheidung von Vormundschaft und Pflegschaft ein
- 1877 - Zivilprozeßordnung (ZPO) regelt das Entmündigungsverfahren (bleibt bis 1991 im wesentlichen unverändert)
Rechtslage in Deutschland
Im deutschen Recht waren zuletzt Gründe für eine Entmündigung: Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, Rauschgiftsucht, Verschwendung. Geisteskrankheit und -schwäche waren dabei keine medizinischen Begriffe im Sinne psychischer Krankheit oder geistiger Behinderung, sondern juristische Kategorien der Abweichung von einem Normalzustand.
Entmündigungen erfolgten auf Antrag eines Familienangehörigen oder des Staatsanwaltes. Sie erfolgten nach einem Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit im Rahmen der Zivilprozessordnung. Ihnen folgte die Bestellung eines Vormundes in einem separaten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das Vormundschaftsgericht.
Entmündigung wegen Geisteskrankheit führte zur vollständigen Geschäftsunfähigkeit (§ 104 Nr. 3 BGB a.F.) und somit auch zur Eheunfähigkeit und Testierunfähigkeit, Entmündigungen wegen der anderen Gründe führten zur beschränkten Geschäftsfähigkeit, im letzteren Falle war eine Eheschließung zwar möglich, aber nur mit Zustimmung des Vormundes. Außerdem hatten alle Entmündigungen ein Wahlverbot zur Folge und wurden im Bundeszentralregister vermerkt.
Die Gesetzessprache mit Ausdrücken wie: der "zu Entmündigende", der "Mündel", der "Pflegling", wurde ebenfalls als veraltet, stigmatisierend und für zeitgemäßen juristischen Gebrauch als nicht mehr brauchbar angesehen. Spät wurde erkannt, dass das in seinen Strukturen und seinen wesentlichen Inhalten aus dem vergangenen Jahrhundert stammende Entmündigungs-, Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht einer Prüfung unter dem Lichte des Grundgesetzes (Recht auf Menschenwürde) nicht mehr standhalten konnte.
Das Verfahren zur Einleitung einer Gebrechlichkeitspflegschaft (§ 1910 BGB alter Fassung) war weniger aufwendig. Es räume den Betroffenen geringere Verfahrensgarantien ein, war aber auch in seinen Auswirkungen weniger gravierend als die Entmündigung Seit Jahren gingen die Entmündigungszahlen zurück, die Gesamtzahl der unter Vormundschaft und Pflegschaft stehenden Personen stieg jedoch an, da die Gebrechlichkeitspflegschaft sich (regional unterschiedlich) zu einer Ersatzform für die Vormundschaft entwickelt hatte.
Eine Sachverständigenkommission des Deutschen Bundestags, die 1975 ihren Bericht zur Lage der Psychiatrie in Deutschland veröffentlichte (Psychiatrie-Enquete, BT-Drs. 7/4200 und 4201), machte deutlich, dass neben der Reform der medizinischen und psychosozialen Versorgung eine Reform auch der rechtlichen Rahmenbedingungen für geistig Behinderte und psychisch Kranke nötig war. Dies erfolgte mit erheblichem Abstand im Jahre 1990 durch das Betreuungsgesetz, das am 1. Januar 1992 in Kraft trat.
Rechtslage in der Schweiz
Das Zivilgesetzbuch der Schweiz hat seit 1907 die Entmündigung landesweit vereinheitlicht. Als Gründe für vormundschaftsrechtlich relevante Schutzbedürftigkeit erkennt das Gesetz Geistesschwäche und psychische Krankheit (Art. 369 ZGB), Verschwendung, Trunksucht, lasterhaften Lebenswandel oder eine Vermögensverwaltung, die den Betroffenen oder seiner Familie der Gefahr eines Notstandes oder der Verarmung aussetzt (Art. 370 ZGB) und Altersschwäche (Art. 372 ZGB). Es gibt Vormundschaftsbehörden, deren genaue Ausgestaltung den Kantonen überlassen bleibt. Derzeit (Mitte 2006) wird in der Schweiz an einer Gesamtrevision des Vormundschaftsrechtes egarbeitet. Auch hier soll ein abgestuftes System von Schutzinstituten eingeführt werden.
Andere Staaten
In den meisten anderen europäischen Staaten existiert keine Entmündigung mehr. Meist sind andere Schutzinstitute an deren Stelle getreten, die die Geschäftsfähigkeit nicht oder nur punktuell einschränkt. In Italien existiert die Entmündigung weiterhin unter dem Begriff "interdizione" (Art. 414 C.c.)