Die lineare Abbildung (auch linearer Operator) ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der linearen Algebra. Man bezeichnet damit eine Funktion zwischen zwei Vektorräumen, bei der es unerheblich ist, ob man zwei Vektoren zuerst addiert und dann deren Summe abbildet oder zuerst die Vektoren abbildet und dann die Summe der Bilder bildet. Gleiches gilt für die Multiplikation mit einem Skalar (z.B. einer reellen Zahl).

Das abgebildete Beispiel einer Spiegelung an der Y-Achse verdeutlicht dies. Der Vektor ist die Summe der Vektoren und und sein Bild der Vektor . Man erhält aber auch wenn man die Bilder und der Vektoren und addiert.
Bei dieser Eigenschaft spricht man davon, dass eine lineare Abbildung mit den Vektorraum-Verknüpfungen Vektoraddition und skalarer Multiplikation verträglich ist. Es handelt sich somit bei der linearen Abbildung um einen Homomorphismus zwischen Vektorräumen.
In der Funktionalanalysis, bei der Betrachtung unendlichdimensionaler Vektorräume, die eine Topologie tragen, spricht man meist von linearen Operatoren statt von linearen Abbildungen. Formal gesehen sind die Begriffe synonym. Bei unendlichdimensionalen Vektorräumen ist jedoch die Frage der Stetigkeit bedeutsam, während Stetigkeit immer vorliegt bei linearen Abbildungen zwischen endlich-dimensionalen reellen Vektorräumen (jeweils mit der Euklidischen Norm) oder allgemeiner zwischen endlich-dimensionalen hausdorffschen topologischen Vektorräumen.
Formale Definition
Seien und Vektorräume über einem gemeinsamen Grundkörper . Eine Abbildung heißt lineare Abbildung, wenn für alle und die folgenden Bedingungen gelten:
- ist homogen:
- ist additiv:
Nimmt man einen zweiten Skalar hinzu, kann man die zwei obigen Bedingungen durch eine einzige ersetzen:
Eine andere, gleichwertige Bedingung ist die Forderung, dass der Graph der Abbildung ein Untervektorraum der Summe der Vektorräume und ist.
Eigenschaften
Eine lineare Abbildung zwischen den Vektorräumen und bildet den Nullvektor von auf den Nullvektor von ab:
Dies folgt direkt aus der Additivität der linearen Abbildung: .
Diagonalisierbarkeit
Eine lineare Abbildung heißt diagonalisierbar, wenn eine Basis von existiert, sodass die Darstellungsmatrix eine Diagonalmatrix ist.
Bild und Kern
Zwei bei der Betrachtung linearer Abbildungen wichtige Mengen sind das Bild und der Kern einer linearen Abbildung . Das Bild der Abbildung ist die Menge der Vektoren aus , die tatsächlich annimmt. Sie bilden einen Untervektorraum von . Der Kern der Abbildung ist die Menge der Vektoren aus , die durch auf den Nullvektor von abgebildet werden. Sie bilden einen Untervektorraum von . Ist injektiv dann enthält der Kern nur den Nullvektor.
Bild und Kern stehen über den Dimensionssatz in Bezug. Dieser sagt aus, dass die Dimension von gleich der Summe der Dimensionen des Bildes und des Kerns ist:
Darstellungsmatrix
Jede lineare Abbildung kann durch eine Matrix dargestellt werden. Deren Einträge hängen neben der Abbildung nur von je einer frei wählbaren Basis von und von ab. Man bezeichnet sie als Darstellungsmatrix .
Wenn die Standardbasis des -dimensionalen Spaltenraums ist, ergibt sich die Darstellungsmatrix, indem man die Bilder der Basisvektoren von als Spalten einer Matrix auffasst:
Im allgemeinen Fall müssen, um die Einträge der Darstellungsmatrix zu ermitteln, die Bilder als Linearkombinationen der Basisvektoren von dargestellt werden:
(Siehe auch Matrix.)
Im Gegenzug legt auch jede Matrix eine lineare Abbildung fest:
Die Linearität der Abbildung lässt sich an Hand der Lineariät von zeigen.
Existenz
Um zu beweisen, dass die Darstellungsmatrix wirklich die lineare Abbildung repräsentiert, führt man die Matrizenmultiplikation aus:
Eindeutigkeit
Auch die Eindeutigkeit der Darstellungsmatrix lässt sich auf einfache Weise zeigen. Sind und zwei Darstellungsmatrizen der linearen Abbildung , so gilt
Setzt man in diese Gleichung einen beliebigen Basisvektor von ein, erhält man
Da die Bilder der Basisvektoren jedoch gerade die Spalten der Darstellungsmatrizen und sind, sind beide Matrizen identisch und es gibt somit nur eine Darstellungsmatrix der Abbildung .
Spezialfälle
- Monomorphismus
- Ein Monomorphismus zwischen Vektorräumen ist eine lineare Abbildung , die injektiv ist. Dies trifft genau dann zu, wenn die Spaltenvektoren der Darstellungsmatrix linear unabhängig sind.
- Epimorphismus
- Ein Epimorphismus zwischen Vektorräumen ist eine lineare Abbildung , die surjektiv ist. Dies trifft genau dann zu, wenn die Spaltenvektoren der Darstellungsmatrix eine Erzeugendensystem von bilden.
- Isomorphismus
- Ein Isomorphismus zwischen Vektorräumen ist eine lineare Abbildung , die bijektiv ist. Dies trifft genau dann zu, wenn die Spaltenvektoren der Darstellungsmatrix eine Basis von bilden. Die beiden Räume und bezeichnet man dann als isomorph.
- Endomorphismus
- Ein Endomorphismus zwischen Vektorräumen ist eine lineare Abbildung bei der die Räume und gleich sind: . Die Darstellungsmatrix dieser Abbildung ist eine quadratische Matrix.
- Automorphismus
- Ein Automorphismus zwischen Vektorräumen ist eine bijektive lineare Abbildung bei der die Räume und gleich sind. Er ist also sowohl ein Isomorphismus als auch ein Endomorphismus. Die Darstellungsmatrix dieser Abbildung ist eine quadratische Matrix, deren Determinante ungleich 0 ist.
Vektorraum der linearen Abbildungen
Die linearen Abbildungen bilden zusammen mit dem Grundkörper einen Vektorraum. Das bedeutet, dass die Addition von zwei Operatoren und wieder eine lineare Abbildung ist:
ebenso wie die Multiplikation eines Operators mit einem Skalar :
Algebra der linearen Abbildungen
Betrachten wir die Menge der linearen Selbstabbildungen auf einem Vektorraum. Diese bilden – wie wir schon wissen – selber wieder einen Vektorraum. Aber wir haben noch mehr Struktur. Mit der Verkettung von Abbildungen bilden sie eine assoziative Algebra.
Verallgemeinerung
Eine lineare Abbildung ist ein Spezialfall einer affinen Abbildung.
Literatur
- Detlef Wille: Repetitorium der Linearen Algebra Teil 1. 4. Auflage. Binomi, Springe 2003, ISBN 3-923923-40-6