Die Theorie eines Systems zentraler Orte wurde in den dreißiger Jahren vom deutschen Geographen Walter Christaller entwickelt. In seinem Modell entwickelt sich in idealtypischen, homogenen Räumen eine Struktur zentraler Orte auf unterschiedlichen Hierarchiestufen. Die zentralen Orte höherer Hierarchiestufe (z.B. größere Städte) weisen dabei Ausstattungsmerkmale auf, die den zentralen Orten niedrigerer Hierarchiestufe fehlen (z.B. bestimmte Verwaltungs- und Dienstleistungsfunktionen in Kleinstädten). Ein Zentraler Ort weist damit einen Bedeutungsüberschuss für das ihn umgebende Ergänzungsgebiet auf. Christaller bestimmte die Zentralität oder den Bedeutungsüberschuss eines Ortes als das Verhältnis zwischen den Diensten, die insgesamt bereitgestellt werden (für den Ort und sein Ergänzungsgebiet) und den Diensten, die nur für die Bewohner des zentralen Ortes selbst benötigt werden (Differenz beider Werte=Bedeutungsüberschuß). Je höher die Zentralität eines Ortes, desto größer ist die Anzahl von Dienstleistungen je Bewohner.

Die Konzeption des Sytems der Zentralen Orte entwickelt Christaller erstmals in seinem Hauptwerk, dem 1933 erschienenen Buch Die zentralen Orte in Süddeutschland. Er stellte darin dar, dass eine Region von Zentren aus mit höherwertigen Dienstleistungen und Gütern versorgt wird. In der ursprünglich von Christaller nach dem Versorgungsprinzip (K=3, s.u.) gegliederten Struktur, wurden 10 Hierarchiestufen unterschieden (von "hilfszentraler Ort" bis "Reichshauptort"). Christaller überprüfte seine Theorie in der Praxis mithilfe der Zahl und Verteilung der damals vorhandenen Telefonanschlüsse:
= Zentralitätsindex
= Zahl der Telefonanschlüsse
= Einwohnerzahl
= Mittelwert der Zahl der Telefonanschlüsse je Einwohner im Ergänzungsgebiet
Prämissen
Christaller legte dabei deduktiv ermittelte Prämissen zugrunde:
Weitgehende Homogenität der (Teil-)Räume:
- Produktion und Nachfrage sind in einer unbegrenzten Fläche weitgehend gleich
- Produktionsfaktoren und die Bevölkerung sind annähernd gleichmäßig im Raum verteilt
- Einkommen, Kaufkraft und Bedürfnisse aller Individuen sind gleich
- ungefähr gleichförmiges Verkehrsnetz in allen Richtungen
- die Transportkosten sind direkt proportional zur Entfernung
Orientierung an ökonomischen Idealen:
- Anbieter streben größtmöglichen Gewinn an
- Nachfrager streben größtmöglichen Nutzen an („homo oeconomicus“)
- gleiche Informationsbasis bei allen Marktbeteiligten (allwissend)
- keine räumliche Spezialisierung der Anbieter
Jedes zentrale Gut weist zwei Reichweiten auf:
- Unter einer Umsatzschwelle wird der marktbedingte Schwellenwert verstanden, unterhalb dessen ein Ort eine Ware nicht mehr liefern kann, also Nachfrage und Verkaufsvolumen zu gering sind, um einen ausreichenden Gewinn zu erzielen (Untergrenze).
- Unter der Reichweite eines zentralen Gutes wird die Obergrenze seines Marktgebietes verstanden. Sie entspricht der Entfernung, außerhalb derer der zentrale Ort das Produkt nicht mehr verkaufen kann (die Konsumenten sind nicht bereit, noch längere Wege zurückzulegen).
Unter der theoretischen Annahme, dass die Verkehrsverbindungen in alle Richtungen gleich gut sind, sind obere und untere Reichweite kreisförmig abgegrenzt mit dem zentralen Ort im geometrischen Mittelpunkt.
Da sich die äußeren Reichweiten benachbarter Orte einerseits nicht überschneiden werden (Teile der Ergänzungsgebiete würden sonst ja doppelt versorgt) und die zentralen Orte andererseits untereinander gleichmäßige und möglichst geringe Abstände voneinander haben sollen (unversorgte Bereich dürfen nicht auftreten), ergibt sich eine Anordnung der zentralen Orte in einem regelmäßigen Dreiecksgitternetz mit hexagonalen Ergänzungsgebieten um jeden Ort, denn nur so lässt sich ein Gebiet lückenlos und ökonomisch möglichst rationell versorgen.
Wirtschaftliche Versorgung (K-3-System)
Unter diesen idealisierten Voraussetzungen entwickelte Christaller zunächst ein gestuftes System von Versorgungszentren in Regionen nach dem Marktprinzip. Marktprinzip: k=3, denn 1 + (6 × 1/3) = 3. Die umliegenden sechs kleineren Zentren sitzen hier an den Ecken eines Sechseckes und decken je ein Drittel ihres Bedarfs an höherwertigen Gütern oder Diensten in den drei umliegenden höheren Zentren.
Das Angebot von zentralen Gütern ist so nah wie möglich bei den zu versorgenden Orten (Dreiecksgitternetz). Ein zentraler Ort höherer Ordnung versorgt sich selbst und zwei Nachbarorte niedrigerer Ordnung (daher k=3).
In der Raumordnung der Bundesrepublik Deutschland wurde diese Struktur auf die Hierarchiestufen Unterzentren, Mittelzentren und Oberzentren übertragen. Sie weisen aufsteigende Einzugsbereiche (Größen der Ergänzungsgebiete), ein zunehmendes Angebot an Gütern und Dienstleistungen und eine zunehmend dichte Infrastrukturausstattung auf:
- Unterzentren dienen der Deckung des allgemeinen Bedarfs (Grundbedarf, täglicher Bedarf),
- Mittelzentren dienen der Deckung des allgemeinen und periodischen Bedarfs,
- Oberzentren dienen der Deckung des allgemeinen, periodischen und spezifischen Bedarfs (nicht periodischer, sondern episodischer Bedarf, z.B. Möbel, Kfz).
Ein Oberzentrum ist mit seinen mittleren und niedrigen Diensten und Gütern auch Mittel- und Unterzentrum, ein Mittelzentrum auch Unterzentrum. Dabei schrumpft aber der Einzugsbereich entsprechend der Nachfrage. Die hochwertigen Güter und Dienste werden aber entsprechend weniger nachgefragt.
Beispielsweise hat jedes Unterzentrum eine Grundschule. Ein Gymnasium, das weniger oft nachgefragt wird, liegt in einem Mittelzentrum, hat aber einen entsprechend größeren Einzugsbereich (mehrere Unterzentren). Eine Universität liegt in einem Oberzentrum, wird noch weniger häufig nachgefragt als ein Gymnasium und hat einen noch größeren Einzugsbereich (Ergänzungsgebiet).
Verkehrsanbindung (K-4-System)
Die Notwendigkeit der möglichst ökonomischen Verkehrsanbindung - als alternativer Gliederungansatz - wird im K-4-System optimiert. Hier liegen die kleineren Orte an den Seiten der imaginären Sechsecke. So können sie mit den größeren Zentren in gerader Linie verbunden werden. (siehe obere Abbildung) Das spart Geld beim Straßenbau und Zeit bei der Fahrt.
Der Einzugsbereich entspricht hier jeweils der Hälfte von drei niedrigeren Zentren => 3/2 + 1 = 4.
Verwaltung (K-7-System)
In der Verwaltung besteht die Notwendigkeit, eindeutige Zuständigkeiten zu definieren. Das K-3- und K-4-System sind hier unbrauchbar, da kleinere Orte geteilt werden müssten bzw. mehreren höheren Ebenen (z.B. Landkreisen) angehören würden. Hier ist also eine Zuordnung der umliegenden Orte zu einem Zentrum mit dem K-7-System realisiert. Die niedrigeren Orte liegen komplett in einem Sechseck, in dessen (idealisiertem) Zentrum der höherwertige zentrale Ort angesiedelt ist (siehe obere Abbildung).
Hier ist der Wirkungsbereich auf sechs umliegende komplette niedrige Zentren und das eigene niedrige Zentrum ausgedehnt => 6 + 1 = 7.
Anwendung
Die Konzeption der zentralen Orte hat auch in das deutsche Raumordnungsgesetz Eingang gefunden, das als Rahmengesetz in den Grundsätzen der Raumordnung unter anderem die Ausweisung und Erhaltung eines Systems der Zentralen Orte im Rahmen einer dezentralen Siedlungsstruktur fordert. Die Länder füllen das Rahmengesetz mit der Aufstellung von Landesentwicklungsprogrammen aus, in denen sie Regionen und Städte entsprechend dieser Konzeption entwickeln und fördern.
Mit dem Begriff des Ober-, Mittel- und Unterzentrums verbindet sich deshalb auch eine Mindestausstattung der Kommune und besondere Fördermöglichkeiten.
Die aktuelle Siedlungsentwicklung entfernt sich aufgrund neuer Entwicklungen (Suburbanisierung, Telearbeit, Just-in-Time-Gütermanagement, staatliche Förderung von Gütertransport, etc.) immer mehr von den modellhaften Vorstellungen Christallers. Das System der Zentralen Orte in der Raumplanung verliert deshalb zunehmend den Anwendungsbezug und somit an Bedeutung. Auch wird die empirische Überprüfung der Ausstattung von Orten mit zentralen Gütern zunehmend schwieriger.